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"Die Toten wurden auf einer strohbedeckten Pritsche zur Schau gestellt. Also der Schlag soll mich treffen, sagte ein dicker Mann. Er zeigte auf eine blutige Masse krauser Haare. Kannst du dir denken, warum der Killer auch den Hund getötet hat? Das hab ich mich auch schon gefragt, sagte Sandy. Ich glaub, es war einfach nichts anderes zum Töten mehr übrig ..." So beginnt dieses ungeheuerliche Buch, das Stephen King zur besten Neuerscheinung des vergangenen Jahres kürte. Die Geschichte spielt 1951 in einem Kaff in Tennessee: Den Geschwistern Corry und Kenneth Tyler stockt der Atem, als sie…mehr

Produktbeschreibung
"Die Toten wurden auf einer strohbedeckten Pritsche zur Schau gestellt. Also der Schlag soll mich treffen, sagte ein dicker Mann. Er zeigte auf eine blutige Masse krauser Haare. Kannst du dir denken, warum der Killer auch den Hund getötet hat? Das hab ich mich auch schon gefragt, sagte Sandy. Ich glaub, es war einfach nichts anderes zum Töten mehr übrig ..." So beginnt dieses ungeheuerliche Buch, das Stephen King zur besten Neuerscheinung des vergangenen Jahres kürte. Die Geschichte spielt 1951 in einem Kaff in Tennessee: Den Geschwistern Corry und Kenneth Tyler stockt der Atem, als sie herausfinden, was Bestattungsunternehmer Fenton Breece mit dem Leichnam ihres Vaters angestellt hat. Sie beschließen, Breece zu erpressen. Woraufhin der Bestatter einen Mann anheuert, ihm die Geschwister Tyler vom Hals zu schaffen. Dieser Mann achtet kein Gesetz, hat kein Gewissen und kennt nur ein Mittel: Gewalt. Eine Hetzjagd ohne Erbarmen beginnt - quer durch ein nächtliches Niemandsland, in dem sich die Abgründe versehrter Seelen öffnen. Mit "Nächtliche Vorkommnisse" hat William Gay ein beunruhigendes Werk von verstörender Schönheit geschaffen, in dem der ewige Kampf zwischen Gut und Böse nur eine Gewissheit birgt: Am Ende eines jeden Tages lauert die Dunkelheit.
Autorenporträt
William Gay, geboren 1943, lebt in Tennessee und gilt in den USA schon lange als einer der herausragenden Vertreter der Southern-Gothic-Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.2010

Themenpark des Verfalls

Menschen dösen auf der Veranda, bis das Böse kommt: William Gay schwelgt in dem Roman "Nächtliche Vorkommnisse" in düsteren Szenerien.

Wem das Warten auf den nächsten Film der Brüder Coen schon mal zu lang wird, der kann sich die Zeit mit einem Roman von William Gay vertreiben. Gay beschwört eine Welt von gestern, die ländlichen Südstaaten um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Menschen dösen auf schiefen Veranden vor sich hin - bis ungute Dinge passieren.

Der 1943 geborene Autor ist ein Schüler von William Faulkner und Cormac McCarthy - und ein geduldiger Mann: Mit fünfzehn begann er zu schreiben; mit fünfundfünfzig veröffentlichte er erste Erzählungen. Die längste Zeit hat er als Schreiner gearbeitet. Gutes Handwerk zeichnet auch seine Prosa aus.

"Nächtliche Vorkommnisse" spielt 1951 in Tennessee. Der Beerdigungsunternehmer Fenton Breece hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht: "Lacht über mich, solange ihr noch könnt. Ich bin derjenige, der zuletzt lacht, denn irgendwann landet ihr alle auf meinem Edelstahltisch. Das Wasser, mit dem euer Blut, eure Fäkalien und der letzte Schweiß, den ihr je geschwitzt habt, fortgespült werden, geht auf meine Rechnung."

Die Geschwister Corrie und Kenneth Tyler kommen Breece auf die nekrophilen Schliche. Ihr schlimmer Verdacht, dass es bei der Beerdigung ihres Vaters nicht mit rechten Dingen zugegangen sei, bestätigt sich, als sie den alten Schwarzbrenner - und bald noch eine Reihe weiterer Verstorbener - ausgraben. Es gelingt ihnen, Breece einen Stapel inkriminierender Fotos zu entwenden, auf denen er seine abseitigen Praktiken dokumentiert hat.

Sie gehen jedoch nicht zum Sheriff, der selbst eine zwielichtige Gestalt ist. Weil sie etwas Geld gerade gut gebrauchen können, versuchen sie es mit Erpressung. Fünfzehntausend Dollar fordern sie für die Fotos, aber Breece investiert die Summe lieber anders: Er hetzt den beiden Jugendlichen damit den gefährlichsten Mann der Gegend auf den Hals, den psychopathischen Berufskriminellen Granville Sutter. Wenige Seiten später ist Corrie tot - ein Fall für Breece, der schon längst einen Blick auf die junge Frau geworfen hatte. Im jetzigen Zustand ist sie ihm am liebsten.

Was zeichnet diesen Roman im überbordenden Angebot der Gewalt-Literatur aus? Er lebt, anders als so viele mit "Tempo" erzählte Krimis und Thriller, nicht von der reißerischen Handlung, sondern von deren Dehnung. So wird Raum für atmosphärische Beschreibungen und düstere Landschaftsmalereien geschaffen. Groß sind die Bilder leidender Einsamkeit und Verwüstung, wenn Gay über zwei Drittel des Buches Tylers panische Flucht durch die Wälder des "Harrikin" beschreibt, ein verwildertes Niemandsland, das wie ein Themenpark des Verfalls wirkt, voller Reste gescheiterter Zivilisation: verwucherter Gleise, ruinierter Fabriken, aufgegebener Farmen und Minen, bizarrer Autofriedhöfe und Geisterstädte. Stimmen der Verdammten singen im "Harrikin" ihr Klagelied; oder ist es nur der Wind, der in einem dunklen Felsloch herumflötet? Auch die Natur verwandelt sich ins Gespenstische: "Die meisten Bäume waren abgestorben; schwarze, verwachsene Gebilde, gleich den Skeletten durch und durch missgestalteter Tiere."

Immer wieder trifft Tyler in der Einöde auf verschrobene Einzelgänger, knorrige Klischees des Südens, die zugleich wie Märchenfiguren wirken, alte Hexen, verwirrte Rapunzeln. Es ist eine böse verwunschene Welt - und Tyler der Hänsel, der seine Gretel eingebüßt hat. Sutter lauert ihm am Ende in passender Verkleidung auf, als hilfsbedürftige Großmutter mit Haube: "Brothers Grimm" als Southern gothic. Nach der Logik des Albtraums mag sich Tyler noch so sehr in den Wäldern verlaufen, Sutter bleibt ihm dicht auf den Fersen und hinterlässt eine Spur des Schreckens: Wer Tyler zur Seite steht, hat allen Grund, um sein eigenes Leben zu fürchten.

Gay wechselt die Perspektive zwischen Verfolger und Verfolgtem, erzählt immer wieder aber auch aus der Sicht von Nebenfiguren. Die Dialoge tragen bei zur Stimmungskunst. Egal, wer spricht, alle sind sie mundfaul und abgebrüht, spucken den anderen ihre knappen Sätze vor die Füße, ihren unlustigen Witz, die hämischen Pointen einer verworfenen Welt.

Stephen King hat "Nächtliche Vorkommnisse" als beste Neuerscheinung des Jahres 2007 gerühmt. Während in vielen King-Romanen über nette, durchschnittliche Kleinstädter das namenlose Grauen kommt, sind Gays durchschnittliche Südstaatler schon schrecklich genug: fratzenhafte Gestalten, gezeichnet von missglückten Biographien und den Wunden des Lebenskampfs, wie jener kleine, schlurfende Mann, bei dem Tyler zwischenzeitlich eine Zuflucht findet: Gerade hat er sich im Kirchenzelt mit Halleluja zu Jesus bekehrt; in der Nacht darauf tappt er schon wieder im Haus herum, um den Schnaps zu finden, den seine geplagte Frau versteckt hat. Das alles ist so intensiv beschrieben, dass man spürt: Gerade in ihrer Kaputtheit liebt der Autor seine Figuren; liebt sie wie die Landschaft, die sie hervorgebracht hat.

WOLFGANG SCHNEIDER

William Gay: "Nächtliche Vorkommnisse". Roman. Aus dem Amerikanischen von Jochen Körber. Arche Verlag, Zürich 2009. 286 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Schneider hat sich, wie es scheint, mit großer Begeisterung in die finstere Romanwelt von William Gay begeben. Der 1943 geborene Autor publizierte erst 55-jährig erste Erzählungen und arbeitete lange als Schreiner, lässt der Rezensent wissen, der auch die Texte handwerklich gut gemacht findet. In dem um 1955 in Tennessee spielenden Roman geht es um einen nekrophilen Bestatter, dem ein jugendliches Geschwisterpaar auf die Schliche kommt und den es erpressen will, dafür aber einen psychopathischen Killer auf den Hals gehetzt bekommt, fasst Schneider zusammen. Er ist tief in den Bann gezogen von der atmosphärischen Dichte des Romans, wobei er betont, dass das Buch eben nicht durch rasante Zuspitzung, sondern durch die "Dehnung" des düsteren Geschehens seine beeindruckende Wirkung erzielt. Gay beschreibt eine alptraumhafte Welt, in der allenthalben die Spuren von zerstörter Zivilisation und gespenstischer Natur beunruhigen, wobei er sich auch in den Dialogen als Meister der "Stimmungskunst" erweist, wie Schneider schwärmt.

© Perlentaucher Medien GmbH