Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 9,99 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Südafrika, Anfang der 1980er-Jahre: Rut und ihre drei Schwestern Liv, Fee und Emma leben mit ihrer Mutter Alva in einer Siedlung am Rand einer großen Stadt. Der Vater ist vor einigen Jahren ums Leben gekommen, die Mutter ist Malerin und schafft es seither nur knapp, die Familie mit ihren Einkünften über Wasser zu halten. Aufgrund ihrer Lebenssituation haben sie mit vielen Schwarzen mehr gemeinsam als mit der weißen Oberschicht Trotzdem stehen sie - nur wegen ihrer Hautfarbe - gesellschaftlich über den Schwarzen. Dieses Menschenbild will Alva, die in Europa aufgewachsen ist, ihren Kindern nicht…mehr

Produktbeschreibung
Südafrika, Anfang der 1980er-Jahre: Rut und ihre drei Schwestern Liv, Fee und Emma leben mit ihrer Mutter Alva in einer Siedlung am Rand einer großen Stadt. Der Vater ist vor einigen Jahren ums Leben gekommen, die Mutter ist Malerin und schafft es seither nur knapp, die Familie mit ihren Einkünften über Wasser zu halten. Aufgrund ihrer Lebenssituation haben sie mit vielen Schwarzen mehr gemeinsam als mit der weißen Oberschicht Trotzdem stehen sie - nur wegen ihrer Hautfarbe - gesellschaftlich über den Schwarzen. Dieses Menschenbild will Alva, die in Europa aufgewachsen ist, ihren Kindern nicht vermitteln. Aber wer sich in Südafrika zur Zeit der Apartheid mit Schwarzen solidarisiert, stößt schnell an die Grenzen der Toleranz.
Autorenporträt
Lizzy Hollatko wurde 1971 in Südafrika geboren. Sie verbrachte ihre Kindheit in Südafrika und Österreiche. Für ihre Ausbildung zur Tanzpädagogin zog sie einige Jahre nach Deutschland, später nach Griechenland, bevor sie 2005 nach Wien zurückkehrte, wo sie auch heute lebt und arbeitet. Seit dem DIXI Kinderliteraturpreis 2005 schreibt sie Texte für Kinder, publizierte Bilderbücher und erhielt Stipendien und Preise für ihre Projekte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.01.2015

Armenviertel sind ein guter Platz für Engel
Wer sagt, dass wir diese Böschung nicht überqueren dürfen? Lizzy Hollatko sieht die Apartheid mit Kinderaugen

Jede Umwelt spiegelt sich auf ganz besondere Weise in den Topographien unserer frühesten Erinnerungen wider. Kinderaugen sehen anders und können manches Vorurteil der Erwachsenen in dessen ganzer Absurdität wahrnehmen. Dieser Art der Verfremdung bedient sich die Autorin Lizzy Hollatko in ihrem ersten Roman "Der Sandengel". Er erzählt aus der Perspektive eines Mädchens namens Rut, das Anfang der achtziger Jahre in Südafrika aufwächst. Ihre Mutter Alva, eine verwitwete Malerin, lebt mit vier Töchtern - Rut, Liv, Fee und Emma - in einer ärmlichen Straße am Stadtrand. Ihr gelingt es, die Familie allein mit ihrer Kunst über Wasser zu halten, wobei die Mädchen es sich zur Aufgabe gemacht haben, mit den Bildern ihrer Mutter im Villenviertel hausieren zu gehen. Dabei beobachten sie die Geschehnisse in ihrer Umgebung genau und verstehen nicht immer, warum manche Dinge so sind, wie sie sind.

Vor allem die Freundschaft der Mädchen mit Soufie, einer schwarzen Bediensteten, wirft für sie verwirrende Fragen auf. Gern besuchen sie Soufie auf ihren Touren und versuchen, ihr gelegentlich Versorgungspakete für die Familie auf dem Land mitzubringen - trotz der eigenen Lage -, aber dies muss vorsichtig und heimlich geschehen. Gesellschaftlich stehen sie als Weiße über ihren schwarzen Freunden, aber davon wollen Alvas Töchter nichts wissen.

Die Ansichten der Mädchen lernt der Leser zusammen mit einem Nachbarmädchen namens Mariki kennen, die normalerweise in der Stadt Johannesburg bei ihrer Tante wohnt, da Marikis Eltern ein Alkoholproblem haben. Während eines Besuchs zu Hause freundet sich das Nachbarmädchen mit Rut und deren Schwestern an und verbringt fortan jede Minute mit ihnen. Durch Marikis Sicht auf die Dinge, geprägt vom Leben in der Stadt, wird dem Leser klar, wie sehr die Mädchen aus der Bloekomstraße mit ihrer liberalen Einstellung anecken.

Insgesamt wird "Der Sandengel" weniger von einem spannenden Plot getragen, als dass durch das Porträt einer untypischen Familie, die mit dem Südafrika der Apartheid konfrontiert wird, der Geist einer Epoche eingefangen werden soll. Die Geschichte plätschert von Anekdote zu Anekdote, wobei sich die Mädchen als große Fragenstellerinnen entpuppen und nichts für selbstverständlich nehmen, was ihre Umwelt prägt. Vor allem fragen sie sich, was sich hinter der Böschung verbirgt, deren Betreten ihnen die Mutter ohne weitere Erklärung verboten hat. Ihre Suche nach Gründen für die drastische Maßnahme verwickelt die fünf in einen Bandenkrieg mit Eddie Hopkins, einem Jungen aus dem Villenviertel, der die Vorurteile seiner Familie gegenüber Schwarzen weiterverbreitet, während sie sich mit Tom, dem Gärtnerjungen der Hopkins, anfreunden. Auch andere Nachbarn lernen die Mädchen während ihrer Spurensuche besser kennen, den blinden Koosie Bloem zum Beispiel. Dem Leser - das ist der Vorteil der anekdotischen Struktur - eröffnet sich so nach und nach der kleine Mikrokosmos des Romans. Und er erfährt, was es überhaupt mit dem Sandengel auf sich hat.

Obwohl sich Hollatko in ihren Dialogen und Darstellungen um einen altersgemäßen Ton bemüht, kommen die Mädchen aus der Bloekomstraße oft recht altklug daher, und man hört stets die erwachsene Autorin hinter den Figuren. Leicht kitschig mutet es an, wenn die vier Schwestern selbstlos den gefundenen Geldschein für Soufies Weihnachtspaket ausgeben oder "Onkel Toms Hütte" lesen und seinen Tod beweinen: "Er erlebte es nicht mehr, ein freier Mensch zu sein. Wer hätte da nicht weinen müssen?"

"Der Sandengel" ist ein Buch, in das viel Herzblut der 1971 in Südafrika geborenen Autorin geflossen zu sein scheint - Klappentext und biographische Notiz legen eine autobiographische Grundierung des Textes nahe. Trotz seiner interessanten Anlagen fehlt dem Roman aber eine gewisse Grundspannung, was ihm bisweilen Lehrbuchcharakter verleiht. Fußnoten erklären zudem Wörter aus dem Afrikaans, die den deutschsprachigen Leser tiefer in die von Hollatko rekonstruierte Welt eintauchen lassen sollen, aber hauptsächlich den Lesefluss stören.

So schwebt "Der Sandengel" zwischen den Dingen: zu wenig informativ, um einen wirklichen Einblick in die Zeit der Apartheid zu bieten, aber gleichzeitig zu unfrei, um seine Leser literarisch mitzureißen.

HANNAH ARNOLD

Lizzy Hollatko: "Der Sandengel".

Verlag Jungbrunnen, Wien 2014. 140 S., geb., 14,95 [Euro]. Ab 11 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zu wenig informativ für ein Lehrbuch über Südafrika und die Apartheid und zu unfrei, um eine literarisch mitreißende Geschichte zu erzählen, erscheint dieser erste Roman von Lizzy Hollatko der Rezensentin Hannah Arnold. Die Rezensentin findet das schade, denn was Kinderaugen, genauer die Augen Ruts und ihrer Schwestern, in den 80er Jahren in jenem Teil der Erde entdecken können, ist ja doch erst einmal anders als gewohnt. Doch weder kommt der "Geist einer Epoche" für Arnold rüber, noch scheint ihr der Plot wirklich spannend. Wenn sich Anekdote an Anekdote reiht, öffnet sich wohl langsam für die Rezensentin ein Mikrokosmos, aber der Ton des Ganzen macht Arnold den ungetrübten Genuss unmöglich: altklug und leicht kitschig, findet sie ihn. Womöglich steckt doch zu viel Autobiografisches in dem Buch, mutmaßt sie.

© Perlentaucher Medien GmbH