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Produktdetails
  • Verlag: Residenz
  • Originaltitel: Luisa e il silenzio
  • Seitenzahl: 239
  • Abmessung: 210mm x 134mm x 25mm
  • Gewicht: 415g
  • ISBN-13: 9783701712038
  • ISBN-10: 3701712034
  • Artikelnr.: 08966824
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2001

Spatzenglanz
Müder Tod: Claudio Piersantis Roman "Luisa und die Stille"

Was ist so auffällig an Claudio Piersantis betont unauffälligem Roman "Luisa e il silenzio", daß er in Italien 1997 die Kritiker zu Hymnen hinriß, in denen seine "konkrete Hellsicht" ebenso gerühmt wurde wie sein "unerbittlicher Stil"? Offenkundig sind Thema und Sprache des Romans nicht unscheinbar genug, um seine Vorzüge zu verbergen. Und tatsächlich: So ernst, so nüchtern und präzise, wie Piersanti seine Geschichte von Luisas beinahe buchhalterisch geplantem Ableben erzählt, zwingt er die Leser geradezu zur Aufmerksamkeit.

Das Schweigen, das der Roman im Titel führt, kennzeichnet den Erzähler und seine Hauptfigur gleichermaßen. Wie ein Schatten begleitet es die letzten zweieinhalb Jahre im Leben der Luisa, einer alleinstehenden Buchhalterin in einer Spielzeugfabrik irgendwo in Norditalien. Eine Zeile des Lyrikers Philippe Jaccottet gibt als Motto die Richtung an: "Die Nacht ist eine schlafende Stadt, wo der Wind bläst . . ." In Piersantis Roman wird es, auch wenn gleich zu Beginn des Romans der Radiowecker läutet, niemals wirklich Tag, der Wind bläst Luisa von Anfang an mit Macht dem Ende entgegen. Und das nicht nur, weil den Platz des Lebensgefährten längst ein Kanarienvogel eingenommen hat. Ihr Leben lang ist Luisa mit Leib und Seele Buchhalterin gewesen, ein bißchen zu arbeitswütig nach dem Urteil ihrer Kollegen, aber seit kurzem fühlt sie sich merkwürdig. Nichts Nennenswertes geschieht, aber die Nächte sind unruhiger, die Erinnerungen aufdringlicher. Während sich auf Luisa die Stille herabsenkt, rückt ihr die Umwelt zu Leibe. Motorräder knattern jede Nacht vor ihrer Tür und wecken bei ihr Mordgelüste. Als sie spürt, wie sie die Kraft zur Wut verläßt, verzeiht sie vom Krankenbett aus allen Motorisierten.

Piersanti drängt den Leser nicht, Luisa in ihren Empfindlichkeiten und ihrer Pedanterie sympathisch zu finden. Es gibt weit und breit keinen mehr, dessen Herz beim Gedanken an Luisa schneller klopfen würde, und eben deshalb findet Luisa, daß ihr Leben die Mühe nicht mehr lohnt. Auch aus der Pflichterfüllung vermag sie keinen Lebenssinn mehr zu schöpfen. Als ihr der Chef die Führung seiner privaten Buchhaltung überträgt, ist Luisa schon zu schwach, um einen Genuß aus der Auszeichnung zu ziehen. Sie beschließt zu kündigen, um nur noch auf den Tod warten. Ihr einziger Kontakt zur Außenwelt, neben dem Fernseher, ist ein Bote, der ihr die Lebensmittel ins Haus bringt. "Ein junger Spatz", heißt es einmal kurz vor dem Ende, "setzte sich auf das Fensterbrett in der Küche und sah sie furchtlos an. Sein Gefieder glänzte, und sein Blick war selbstbewußt, aus seinen Augen leuchtete die Jugend. Alle Wesen, von denen sie umgeben war, hatten mehr Leben als sie." Man kann wohl in dieser Einsicht die Ursache für die Ursache von Luisas Tod erkennen.

Piersantis Roman macht nichts und niemanden für Luisas trauriges Ende verantwortlich. Die ruhige Fatalität des Geschehens entfaltet sich, genau wie bei Julien Green oder Agota Kristof, fernab einer Sozialkritik, die Schuld zuweist. Ebendeshalb kommt man nicht umhin, den Roman auch als beunruhigenden Kommentar über den Zustand einer Gesellschaft zu verstehen, gewonnen aus der ebenso hellsichtigen wie unnachsichtigen Beobachtung einer alternden Frau in ihren Tagträumen und Selbstgesprächen. "Nur sehr wenigen wird ein außergewöhnliches Leben zuteil", sagt sich Luisa, "alle anderen müssen sich mit dem begnügen, das sie haben . . ." Oder eben nicht. Was sind Luisas Tod und Piersantis Roman anderes als ein Protest gegen das gewöhnliche Leben?

CHRISTOPH BARTMANN

Claudio Piersanti: "Luisa und die Stille". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Michael von Killisch-Horn. Residenz Verlag, Salzburg 2000. 239 S., geb., 38,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dorothea Dieckmann preist den Roman in einer sehr kurzen Besprechung. Der Autor zeige sich , in dem er das stille und unspektakuläre Sterben seiner Protagonistin vorführe, als "kühler, sanfter Beobachter". Auch mit der Übersetzung ist sie sehr zufrieden; bis auf kleine Ausrutscher und gelegentlich etwas hölzerne Dialoge sei sie ein "Glücksfall". Die Rezensentin wünscht sich gar, dass es nicht bei dieser einen Übersetzung bleibt.

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