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Beschreiben die Begriffe der modernen Physik tatsächlich die Realität oder sind sie nur Hilfsmittel und Rechenwerkzeuge? Wie können reale Objekte aus Atomen aufgebaut sein, wenn diese angeblich gar keine realen Eigenschaften vor deren Messung besitzen? In philosophischen und meist allgemein verständlichen Aufsätzen setzt sich der Autor - Begründer des Dekohärenzkonzepts in der Quantentheorie - mit den "faulen Ausreden" auseinander, die Physiker finden, um unerwarteten Konsequenzen, die sich aus ihren eigenen Theorien ergeben, aus dem Weg zu gehen.

Produktbeschreibung
Beschreiben die Begriffe der modernen Physik tatsächlich die Realität oder sind sie nur Hilfsmittel und Rechenwerkzeuge? Wie können reale Objekte aus Atomen aufgebaut sein, wenn diese angeblich gar keine realen Eigenschaften vor deren Messung besitzen? In philosophischen und meist allgemein verständlichen Aufsätzen setzt sich der Autor - Begründer des Dekohärenzkonzepts in der Quantentheorie - mit den "faulen Ausreden" auseinander, die Physiker finden, um unerwarteten Konsequenzen, die sich aus ihren eigenen Theorien ergeben, aus dem Weg zu gehen.
Autorenporträt
H. Dieter Zeh studierte Physik in Braunschweig und Heidelberg, wo er ursprünglich auf dem Gebiet der theoretischen Niederenergie-Kernphysik arbeitete. Nach einem einjährigen Forschungsaufenthalt am California Institute of Technology beschäftigte er sich an der Universität von Kalifornien in San Diego mit der kosmischen Synthese der schweren Atomkerne. Von dort kehrte er nach Heidelberg zurück, wo er Vorlesungen auf verschiedenen Gebieten der Theoretischen Physik hielt und seit 1990 emeritiert ist. Seine frühen Arbeiten zum Verständnis kollektiver Bewegungsformen von Atomkernen führten ihn bereits auf das Problem des Übergangs von quantenmechanischen zu klassischen Erscheinungsformen physikalischer Objekte. Dieses ist eng verknüpft mit dem umstrittenen quantenmechanischen Messprozess, der seinerseits eine nicht ganz geklärte Rolle unter den irreversiblen physikalischen Prozessen spielt. Indem Zeh die Begriffe der Quantenmechanik im Gegensatz zur vorherrschenden Tradition konsequent auf alle Systeme in der Natur anwandte, erkannte er die grundsätzliche Bedeutung einer unkontrollierbar zunehmenden "globalen Verschränkung", was zu dem heute als Dekohärenz bezeichneten Begriff und Forschungsprogramm führte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2012

Lieber viele Welten als ein würfelnder Gott

Was wollen wir unter einer fundamentalen Beschreibung der Natur verstehen? H. Dieter Zeh nimmt die orthodoxe Deutung der Quantentheorie aufs Korn, um einen alten Traum der Physik zu retten.

Quantentheorie kann man nicht verstehen", sagte einmal ein Physikprofessor seinen Studenten. "Man kann sich höchstens an sie gewöhnen." Doch die Gewöhnung will sich nicht einstellen. Achtzig Jahre ist her, dass die von Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger und anderen entwickelte Beschreibung des Mikrokosmos ihre mathematische Form erhielt, mit der sie zur wohl erfolgreichsten naturwissenschaftlichen Theorie überhaupt wurde. Trotzdem reißt die Debatte darüber nicht ab, wie sie zu verstehen sei - oder an welches Verständnis von ihr man sich gewöhnen soll oder darf.

H. Dieter Zeh, emeritierter Professor der Universität Heidelberg, hat dazu einen klaren Standpunkt. Er hat ihn immer wieder in Aufsätzen dargelegt und nun eine Sammlung von ihnen publiziert. Nicht jedes Kapitel darin ist für physikalische Laien gedacht. Doch einige geben auch wenig vorinformierten Lesern eine Einführung in die physikalisch vielleicht profundeste und sorgfältigste Kritik an der Standardinterpretation der Quantentheorie.

Zehs Sicht der Dinge wird nicht von vielen seiner Kollegen geteilt. Allerdings erfreut sie sich in der populärwissenschaftlichen Sphäre in den letzten Jahren eines gewissen Zuspruchs, impliziert sie doch ganz nüchtern die Existenz paralleler Welten. Es sind allerdings nicht die Paralleluniversen der kosmologischen Spekulationen, in denen ein Autor wie Stephen Hawking sich auflagenstark ergeht. Vielmehr ist es die Vorstellung einer sich in jedem Moment myriadenfach in völlig separate Welten aufspaltenden Realität, die zum ersten Mal 1956 von dem Amerikaner Hugh Everett III vorgeschlagen wurde.

Ob diese Parallelwelten Tiefsinn oder Wahnsinn seien, das haben sich seither viele gefragt. Doch nicht darauf zielt der Untertitel des Buches, sondern auf die in den Augen des Autors unhaltbare Art und Weise, wie die Quantentheorie von der Mehrheit ihrer Anwender interpretiert wird. Diese sogenannte Kopenhagener Interpretation, mit dem großen dänischen Physiker Niels Bohr verknüpft, hat für Zeh ein Konzept verabschiedet, das "traditionell und erfolgreich für die Naturbeschreibung benutzt wurde": die Realität.

Nun waren die erfolgreichen Naturbeschreibungen vor dem Auftauchen der Quantentheorie durchweg so strukturiert, dass sie das Konzept einer vom Beobachter unabhängigen Realität, das uns der Alltagsverstand nahelegt, eher einfach gelten lassen konnten, als dass sie sich darauf stützten. Ihre Modelle mochten auf merkwürdige, zunächst gewöhnungsbedürftige Realitäten führen, von der sich drehenden Erde bei Kopernikus bis zur gekrümmten Raumzeit bei Einstein. Aber die empirischen Folgen dieser Entitäten waren eindeutig und problemlos ontologisch zu interpretieren.

In der Quantentheorie gilt das nicht mehr. Hier gibt es zwei disparate Modelle. Erstens die nach Erwin Schrödinger benannte fundamentale Gleichung. Doch ist die Größe, die dieser Gleichung gehorcht, die Wellenfunktion, nicht schon das, was sich empirisch zeigt. Vielmehr liegt dazwischen ein zweites Modell, oft als "Kollaps der Wellenfunktion" bezeichnet. Es bestimmt die Wellenfunktion als einen Katalog von Möglichkeiten, von denen dann nur eine erscheint - welche, das bestimmt kein Naturgesetz.

Zehs Unbehagen daran, es bei dieser Beschreibung zu belassen, ist dreifach: begrifflich, mathematisch und philosophisch. Auf der begrifflichen Ebene richtet sich sein harsche Kritik etwa gegen die Vokabel "Komplementarität", mit der Bohr die absonderliche Tatsache verbal einzuhegen versuchte, dass die Teilchen- und die Wellennatur eines Elektrons nie gleichzeitig messbar sind, da Erstere als Verwirklichung des indeterminierten Einzelfalls in Erscheinung tritt, Letztere jedoch erst in vielfacher Wiederholung, im stochastischen Abtasten des Möglichkeitskatalogs. Bohrs Komplementarität ist für Zeh nichts als ein "verbales Ausweichmanöver" zur "Verschleierung ungelöster Probleme oder Vermeidung ungewöhnlicher und unerwünschter Konsequenzen".

Dabei glaubt Zeh nicht, dass es einer neuen Theorie bedarf. Sein zweites Kreuz mit der Kopenhagener Deutung, der mathematische Stilbruch zwischen Schrödingergleichung und Kollaps, versuchen andere Physiker dadurch zu kurieren, dass sie nach Zusatztermen suchen, die den Kollaps erzwingen. Dergleichen hält Zeh weder für aussichtsreich noch für notwendig. Vielmehr könne und müsse Schrödinger ganz und gar ernst genommen werden. Wenn man dann nämlich berücksichtigt, dass "Kollaps"-Situationen (also etwa die Messung einer Teilchenposition) immer Wechselwirkungen mit einer komplexen Umgebung implizieren und wenn man diese Wechselwirkungen als sogenannte Verschränkungen der beteiligten Wellenfunktionen beschreibt, für deren Dynamik nichts als die Schrödingergleichung verantwortlich ist, dann lässt sich der Kollaps durchaus beschreiben.

Das ist das Konzept der sogenannten Dekohärenz, das heute mit großem Erfolg angewandt wird. Es ist einer der wichtigsten Entwicklungen der Quantenphysik der letzten Jahrzehnte, und Dieter Zeh ist einer der maßgeblichen Köpfe dahinter. Auf der mathematischen Ebene gibt es daher wenig Zweifel, dass auch Messprozesse tatsächlich Dekohärenzphänomene sind. Das allein löst allerdings noch nicht das Interpretationsproblem.

Denn die Frage bleibt, was mit den für den Beobachter unverwirklichten Möglichkeiten geschieht. Kommen sie nicht in die Welt, weil sie nie in der Welt waren, da die Wellenfunktion, in der sie enthalten sind, gar nichts Reales ist, sondern nur ein Rechenwerkzeug? Das war Bohrs Position, und sie will Dieter Zeh nicht akzeptieren. Der Wellenfunktion die Realität abzusprechen, darin sieht er eine "Verharmlosung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse", die ihn an die Forderung der Kardinäle an Galilei erinnert, das kopernikanische Weltbild nicht als Tatsache, sondern nur als Rechenmethode zu lehren. Hier wurzelt Zehs philosophisches Unbehagen an der Kopenhagener Interpretation.

Dann bleibt ihm aber nur eine Alternative, die er in dem Buch ausführlich erläutert und dabei Missverständnisse auszuräumen sucht: Die Wellenfunktion müsse etwas ganz und gar Reales sein - so real wie Tische und Stühle, ja sogar in einem umfassenderen Sinne real als solche Gegenstände. Denn dann seien die in der Wellenfunktion verborgenen Möglichkeiten in Wahrheit alle Wirklichkeiten - nur in verschiedenen Everett-Welten. Aus der Vogelperspektive der Quantenrealität spalte sich die Welt bei jeder Beobachtung in viele, in der Regel sehr viele parallele Welten auf, von denen der Beobachter aus seiner Froschperspektive stets nur eine wahrnehme und daher glauben müsse, mehr als diese eine gebe es nicht. Den Indeterminismus der Quantentheorie, das von Albert Einstein abgelehnte "Würfeln Gottes", gebe es nur in der Froschperspektive. Aus der Vogelperspektive auf all die Myriaden Welten würfele niemand.

Gegen all das kann man Einwände vorbringen. Nicht alle werden in dem Buch befriedigend ausgeräumt. Etwa die Frage, was denn den Weg eines sich als kontinuierlich existierend wahrnehmenden Frosches durch das Geäst der verzweigten Realitäten bestimme. Dessen ungeachtet ist aber auch klar, dass dieser Vorschlag keine naturwissenschaftliche Aussage sein kann, sondern eine naturphilosophische. Das trifft natürlich auch auf die Kopenhagener Deutung zu, und so stellt sich die Frage, warum der Everett-Zehsche Quantenrealismus dem Kopenhagener Diktum, mit Physik lasse sich letztlich keine fundamentale Ontologie treiben, vorzuziehen sein soll. Dazu liest man bei Zeh immer wieder das Wort "Konsistenz". Eine universal gültige Schrödingergleichung für reale Wellenfunktionen und die Everettsche Konsequenz daraus, das sei einfach konsistent. Die Anhänger der Kopenhagener Deutung dagegen finden nichts dabei, der Schrödingerdynamik einen Kollaps zur Seite zu stellen, bei dem zum Beispiel der Ort eines Teilchens sich materialisiert wie ein "außerhalb der Naturgesetze stehendes Ereignis", wie es der prominente "Kopenhagener" Wolfgang Pauli einmal formulierte.

Doch was ist es, das diese Konsistenz fordert? Es ist keine Logik und auch keine Empirie, denn die macht offenbar keinen Unterschied zwischen der Kopenhagener Deutung und der Weltsicht nach Everett-Zeh. Doch was steckt dann anderes hinter Zehs Forderung als der Wunsch nach einer zur Gänze naturwissenschaftlichen Interpretierbarkeit der Welt. Es ist ein alter und ehrenwerter Traum, dem noch Einstein anhing und den er durch die aufkommende Quantenphysik mit Recht gefährdet sah.

Bohr und seine Mitstreiter sahen sich stattdessen zur Einsicht gedrängt, dass Naturwissenschaft nicht die Natur zum Gegenstand hat, sondern nur das, was wir über sie wissen können. Dieter Zeh wittert dahinter eine irrationalistische Weltanschauung. Doch Zweifel am Rationalismus sind noch lange nicht irrational. Warum sollte die Wirklichkeit fundamental so strukturiert sein, dass sie in ein Menschenhirn passt - und sei es das eines Physikers, der imstande ist, sie sich als ein unablässig sich verzweigendes Geäst vieler Everett-Welten vorzustellen? Gewiss, man könnte sie dann im traditionellen Sinn naturwissenschaftlich verstehen. Doch das ist kein zureichender Grund dafür, sich an diese Vorstellung zu gewöhnen.

ULF VON RAUCHHAUPT.

H. Dieter Zeh: "Physik ohne Realität". Tiefsinn oder Wahnsinn?

Springer Verlag, Heidelberg 2012. 218 S., geb., 29,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wie die Welt wirklich strukturiert ist, kann dem Rezensenten auch H. Dieter Zeh nicht überzeugend erklären. Immerhin findet Ulf von Rauchhaupt in den gesammelten Aufsätzen des Autors, eines maßgeblichen Verfechters der Dekohärenz, einen klaren Standpunkt zur Quantentheorie, den sogar der Laie in Ansätzen verstehen kann, wie der Rezensent versichert. Zeh nämlich setzt auf eine Realität aus unendlich vielen Parallelwelten, eine Theorie nach Hugh Everett, ins Feld geführt gegen die an Niels Bohr orientierte Kopenhagener Interpretation der Quantentheorie. Dagegen hätte der Rezensent ein paar Einwände, doch die versteht der Laie leider überhaupt nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH
Aus den Rezensionen: "... Auf 218 Seiten offenbart der Autor viel von seiner Gedankenwelt und weicht auch den unvermeidlichen philosophischen Fragen nicht aus. Er greift dabei wichtige Themen auf ... Das Buch hebt sich wohltuend von vielen anderen ab, die heute den populärwisseschaftlichen Markt überschwemmern. ... Man liest das Original ..." (Wolfgang Steinicke, Frischer Wind in der Quantenwelt, in: Spektrum.de, 07. Februar 2012)