Marktplatzangebote
29 Angebote ab € 1,50 €
  • Gebundenes Buch

Carl Amery, der jahrzehntelang die politische Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland entscheidend mitgeprägt hat, quält sich seit Jahren mit der Frage, wie die Erde als von Menschen bewohnbare Biosphäre überleben kann, wie wir für unsere Nachkommen wieder eine Lebensperspektive zurückgewinnen können. Es ist vorauszusehen, sagt er in seiner brisanten neuen Streitschrift, dass unsere Lebenswelt im Lauf des anhebenden Jahrtausends zusammenbrechen und unbewohnbar werden wird. Dieser Prozess wird beschleunigt und unumkehrbar gemacht durch den Sieg des totalen Marktes, der auf dem Zenit seiner…mehr

Produktbeschreibung
Carl Amery, der jahrzehntelang die politische Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland entscheidend mitgeprägt hat, quält sich seit Jahren mit der Frage, wie die Erde als von Menschen bewohnbare Biosphäre überleben kann, wie wir für unsere Nachkommen wieder eine Lebensperspektive zurückgewinnen können.
Es ist vorauszusehen, sagt er in seiner brisanten neuen Streitschrift, dass unsere Lebenswelt im Lauf des anhebenden Jahrtausends zusammenbrechen und unbewohnbar werden wird. Dieser Prozess wird beschleunigt und unumkehrbar gemacht durch den Sieg des totalen Marktes, der auf dem Zenit seiner Macht und Wirksamkeit alle natürlichen Ressourcen verzehrt und sich wie eine allmächtige Religion als alternativlos darstellt.
Im zweiten Teil seiner schonungslosen Analyse sagt Carl Amery, dass die Kirchen der Christenheit sehr bald in völlige Bedeutungslosigkeit absinken werden und dass sie nur durch die Übernahme des zivilisatorischen Auftrags, an nachhaltigen, biosphärisch verantwortet en Kulturen zu arbeiten, ihre Vitalität und ihre heilsgeschichtliche Bedeutung zurückgewinnen können.
Folglich sieht er für die historischen Kirchen der Christenheit im 21. Jahrhundert einen einzigen zentralen zivilisatorischen Auftrag, nämlich den Kampf gegen die Religion des totalen Marktes aufzunehmen und für eine bewohnbare Zukunftsgesellschaft zu wirken. Die lateinamerikanische Befreiungskirche könnte ein Beispiel sein für den Exodus aus dem "Sklavenhaus des globalen Kapitalismus".
Autorenporträt
Carl Amery, geboren 1922, Mitglied der Gruppe 47, 1989 zum Präsidenten des deutschen PEN-Zentrums gewählt, erhielt zahlreiche Preise u. a. 1991 den Literaturpreis der Stadt München. Er hat viele Aufsehen erregende Bücher geschrieben. Carl Amery verstarb 2005.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.04.2002

Der Zornige
Carl Amerys säkulare Predigt
gegen den totalen Markt
Es ist ein wütendes Buch, sarkastisch und zugleich von verzweifelter Hoffnung. Man kann es als literarisches Vermächtnis lesen – Carl Amery, der große Linkskatholik, Überlebender des NS-Terrors, redet Kindern und Kindeskindern ins Gewissen: Kehrt um. Zieht fort von den Fleischtöpfen Ägyptens. Oder ihr werdet untergehen, als Götzendiener einer weltzerstörenden Reichsreligion.
Es herrscht eine Reichsreligion in der westlichen Welt, sagt Amery in Anlehnung an Walter Benjamins Aufsatz „Kapitalismus als Religion”: der „totale Markt”. Diese Religion kommt, wie der römische Götterdienst, ohne Transzendenz aus; er duldet Götter neben sich und hat selbst nur ein Dogma: Alles hat seinen Preis. In der Hölle landen die Zahlungsunfähigen, vor allem in der „Dritten Welt”. „Der Kapitalismus ist vermutlich der erste Fall eines nicht entsühnenden, sondern verschuldenden Kultes”, zitiert Amery Benjamin. Verweigert sich einer, kommt die Marktpolizei, am Ende mit Schusswaffengebrauch. TINA, auf diese Abkürzung lasse sich alles reduzieren: „There is no alternative”.
Weil aber die Zerstörung der Lebens-grundlagen droht, steht nun die Alternative an, der Auszug aus Ägypten, der Bruch mit der Reichsreligion. Und wie Moses sein Volk den unbequemen Weg von den Fleischtöpfen in die Wüste trieb, so sollen die christlichen Kirchen das Volk vor dem ökologischen und sozialen Desaster retten.
Ja, Amery hat Recht, wie ein Literat Recht haben kann, der eine Fastenpredigt wider das Fressen ad nauseam geschrieben hat, eine trotz des ökopaxbewegten Wörtervorrats konservative Polemik gegen den Materialismus der Satten, die das Nächstliegende zum Einzigen erklären, um nicht weiterdenken zu müssen: TINA.Er hat Recht, wenn er die Mode geißelt, das Leben und alle seine Äußerungen als ökonomische Rechnung zu betrachten: Spätestens dann wird die Mode zum Zynismus, wenn die Gutmenschen unter den Ökonomiegläubigen beginnen, den Wert eines behinderten Kindes für die Gesamtgesellschaft zu errechnen. Er hat Recht, wenn ihm vor den Regierungen der Industrieländer graust, die sich von Klima-Konferenz zu Umweltkongress in die Öko-Katastrophe tanzen. Und auch, wenn er sich von den Kirchen wünscht, sie mögen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zum Status Confessionis erklären.
Da verzeiht man Amery, dass unter dem Schwung der Predigt die Genauigkeit leidet, er Markt mit Kapitalismus verwechselt, er sich, wenn es um Ökonomie geht, mehr auf den Holzschnitt als auf den Kupferstich versteht. „Global Exit” muss in keiner Fachdiskussion bestehen, es ist ein Werk zur Aufrüttelung der halb und ganz Überzeugten. Andererseits – kommt nicht genau daher die leise Langeweile: dass man schnell ahnt, wie das Buch enden wird? Dass man vielleicht nicht so heftig zum Kopfnicken gebracht werden möchte, wenn man ein globalisierungskritisches Buch liest?
In welche Gefahren das Stilmittel der säkularen Predigt Carl Amery bringt, zeigt sich, wenn es um die Alternativen geht. Er landet, nicht unlogisch, bei den Nachfahren von Silvio Gesell, bei den Zinskritikern, den Anhängern des Schwundgeldes: Geld, das auf der Bank liegen bleibt, wird auf Dauer nicht mehr, sondern weniger wert. Schwundgeld zwingt zum Konsum, zum exzessiven Wachstum, zur überhitzten Konjunktur – alles, was Amery auf den Seiten zuvor gegeißelt hatte. Und so geht es ihm wie den meisten Malern des apokalyptischen Genres: Die Hölle kriegen sie farbig hin. Der Himmel aber bleibt blass.
MATTHIAS DROBINSKI
CARL AMERY: Global Exit. Die Kirchen und der Totale Markt. Luchterhand Literaturverlag, München 2002. 240 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Angesichts unserer auf Käuflichkeit basierenden "Kultur der kollektiven Selbstmordvorbereitung" beschwört Amery laut Rezensentin Elisabeth von Thadden "das Erbarmen" als zentralen Bestand der christlich-europäischen Kultur. Amery ruft die Kirchen auf, gegen die Erbarmungslosigkeit eines "Totalen Marktes" anzutreten, den er für "Ruin der Welt" verantwortlich macht, schreibt die Rezensentin, die Améry in ihrer kurzen und dennoch wortreichen Kritik allerdings einen weniger analytischen als appellativen Stil nachsagt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Amerys Buch ist eine brillant geschriebene Provokation, anschaulich, mitreißend, voll desillusionierter Analysen und kluger Beobachtungen." Bayerischer Rundfunk