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Wie man sich falsch bettet und trotzdem richtig liegt
130 Kilo Fett liegen neben Birte auf der Matratze - sie selbst staunt am meisten darüber, wie sehr man so etwas lieben kann. Ein Hobbytierschützer liegt nachts lieber Fledermäusen auf der Lauer als neben seiner Frau, und Schnebel, auch »Scheba« genannt, kocht den Mobbing-Kollegen ein Abschiedsmahl, das ihnen noch lange im Magen liegen wird. Ulrike Draesners neue Erzählungen werfen furiose Schlaglichter auf Lieben, Karrieren und die Unberechenbarkeit des Glücks.
Unberechenbar war das Glück schon immer, heute sind es auch Arbeit und
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Produktbeschreibung
Wie man sich falsch bettet und trotzdem richtig liegt

130 Kilo Fett liegen neben Birte auf der Matratze - sie selbst staunt am meisten darüber, wie sehr man so etwas lieben kann. Ein Hobbytierschützer liegt nachts lieber Fledermäusen auf der Lauer als neben seiner Frau, und Schnebel, auch »Scheba« genannt, kocht den Mobbing-Kollegen ein Abschiedsmahl, das ihnen noch lange im Magen liegen wird. Ulrike Draesners neue Erzählungen werfen furiose Schlaglichter auf Lieben, Karrieren und die Unberechenbarkeit des Glücks.

Unberechenbar war das Glück schon immer, heute sind es auch Arbeit und Erfolg. Emil sitzt in einem nie zu Ende gebauten Schloss in einer eisigen Höhle, zwei Kollegen haben die Tür verschlossen. Ob sie ihn je wieder herauslassen? Ob er selbst einen Weg findet? Pider hingegen steht fünf Meter vom Strand entfernt ganz freiwillig im Meer, obwohl er weiß, dass die Strömung hier tödlich ist. Ein kleiner Schritt entscheidet. Ulrike Draesner erzählt kunstvoll und leidenschaftlich von Pendelbeziehungen, Liebessehnsüchten, Esswahn und Geldlust, von Ganzkörpereinsätzen und Lebenslist. Es sind Geschichten über Paare und Paarwillige, Geschichten, die ihrerseits Paare bilden und zum selben Thema überraschend gegensätzliche Meinungen haben. Und sich garantiert nicht versöhnen.

Autorenporträt
Draesner, Ulrike§Ulrike Draesner, 1962 in München geboren, eine der profiliertesten deutschsprachigen Autorinnen, lebt in Berlin und Leipzig. Sie schreibt Romane, Erzählungen, Essays und Gedichte und interessiert sich für Naturwissenschaften ebenso wie für kulturelle Debatten. Für ihre Romane und Gedichte wurde Ulrike Draesner mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Gertrud-Kolmar-Preis (2019), dem Nicolas-Born-Preis (2016), dem Usedomer Literaturpreis (2015), dem Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik (2014), dem Roswitha-Preis (2013), dem Solothurner Literaturpreis (2010) und dem Drostepreis (2006). Von 2015-2017 lehrte und lebte sie an der Universität Oxford, seit April 2018 ist sie Professorin am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2011

Fleisch und Wolf
Paare in beziehungslosen Zeiten: Ulrike Draesners betörende Geschichten

Es kennt keinen Sieger, dieses über siebzehn Runden währende Ringen zwischen Instinkt und Selbstentwurf, Letzteres zu verstehen als radikale Ich-Autarkie, als Ausscheren aus der Horde, weshalb der Preis auch das Arrangement mit der Vereinzelung zu sein scheint. Bedrohlich jedenfalls dämmert hinter den Figurenschicksalen in diesem klugen, feinsinnigen, ungeheuer verdichteten Erzählband die Entgesellschaftung herauf ("das Wippen der Köpfe, jeder in seinem iPod-Takt").

Immer wieder aber funkt selbst in der technoiden, hocheffizient verwalteten Ultramoderne der Erhaltungstrieb der Gattung dazwischen, das Begehren, das viele von Ulrike Draesners Helden und Heldinnen wider besseres Wissen gern metabiologisch interpretieren würden, ganz klassisch als Triumph der Emotion: "Fast hätte sie gelacht. Marius war, laut Zellenanalyse, 23-25 Jahre alt. Es war aber so: Ihr Lächeln wollte zu ihm. Schon den ganzen Tag." Und doch kann es, darin besteht die Grundtragik dieser leicht zum Grotesken hin verzerrten, gleichwohl sehr unsrigen Welt - vielfach nehmen die Erzählungen auf Kafkas Surrealismus Bezug bis hin zu einer Versetzung der "Verwandlung" ins Zeitalter der elektronischen Kommunikation -, nur zu Augenblickskontakten kommen, im besten Fall zu Paarungskaskaden.

Das heißt keineswegs, dass Draesner einzig Frauen porträtierte, die am Kursverlust der Zweisamkeitsutopie verzweifelten. Manche der Protagonistinnen erklären die Reihung geradezu zum Projekt: Die eine, Listen führend und daher "Listerin" genannt, will Liebhaber aus allen europäischen Ländern ihr Eigen nennen, scheitert aber vorerst an der unerklärlichen Schweiz. Die andere, eine Fledermausforscherin, versucht es ihren Forschungsobjekten sexuell gleichzutun, was in diesem Fall heißt, den Samen von fünf Männern anzusammeln, um dann im Innern per Kopfstand ein Wettrennen der Spermien auszutragen, wobei auch dieser Plan misslingt. So erfüllend wie trist ist eine austauschbare Geschäftsreisenaffäre zwischen zwei Verheirateten, die mit derselben Professionalität gehandhabt wird wie das unternehmerische Tagewerk in austauschbaren Tagungsräumen.

Es ist eine Routinenwelt, in der Sehnsüchte und Lüste wie Störungen wirken, in ihrem Verunsicherungspotential aber mit den jüngsten Zuckungen des Systems konvergieren: "Man hatte weinende Banker gesehen." Dennoch agieren die Protagonistinnen vor allem kühl berechnend. Sie haben Sex mit aseptischen Kollegen in einem aseptischen Bürokosmos kafkaesker Dimension: "In allen Lobbies hängt moderne Kunst, ebenso an den Weggabelungen, das Gebäude gleicht, der Module wegen, an jeder Stelle einzig sich selbst." Sie nehmen Rache für Demütigungen, mal sympathisch, mal infernalisch. In "Harmonische Methode" unternimmt die bespuckte Erzählerin, die ihren Nissan auf einem "Porsche parking only"-Parkplatz abgestellt hatte, einen Brandanschlag, der sich letztlich gegen sie selbst richtet. Die verlachte Nhung wiederum straft ihre Feindin Jahre später, indem sie sich, nun Kindergärtnerin, beiläufig entfernt, als sie deren kleine Tochter im Planschbecken versinken sieht.

Verirrte, in ihr Gegenteil umschlagende Zuneigung ist eines der Zentralthemen in diesem Prosaband: Ein Mann wird eingeschlossen, ein anderer setzt Kollegen ein Dal aus Katzenfutter vor, eine ehemals Fress- und nun Laufsüchtige versucht, es ihrer überfordernden Mutter heimzuzahlen, indem sie in einem Glaskubus einen öffentlichen Laufrekord plant, der jedoch erst im Moment des Scheiterns zum Thema wird. So rätselhaft viele der Handlungen im Abgang wirken mögen, so wiedererkennbar zeitgenössisch sind doch die Verhaltensweisen der ökonomisch denkenden Protagonisten, welche die Autorin mit wenigen, treffenden Worten ins Bild zu setzen weiß.

Dass die Geschichten ihrerseits Paare bilden sollen, ist nicht immer allzu deutlich, aber auch nicht allzu wichtig. Ulrike Draesners Erzählen, eine netzwerkartige Narration, lebt nicht von formalistischer Spielerei, sondern von seiner Intensität auf der Ebene der Details. Die Poetin Draesner ist vielleicht dafür verantwortlich, dass man den Geruch "der grünen Lymphe der Sträucher" der asiatischen Teeplantage förmlich zu riechen meint. Aber auch die vielen kleinen Reflexionen am Rande nehmen gefangen: "Eiscafés sind ideale Orte, um traurig zu sein. Die Becher, die Schmelze, das kleine Geld." Auch dieses durch und durch gelungene Buch über die Melancholie der Egomanie erlaubt es einem, auf schöne Weise ein wenig traurig zu sein.

OLIVER JUNGEN

Ulrike Draesner: "Richtig liegen". Geschichten in Paaren.

Luchterhand Verlag, München 2011. 256 S., geb., 18,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach der Lektüre von Ulrike Draesners siebzehn unter dem Titel "Richtig liegen" versammelten Kurzgeschichten bleibt Rezensent Oliver Jungen "auf schöne Weise ein wenig traurig" zurück. Wenn Draesner in ihren ebenso poetischen wie rätselhaft-grotesken Erzählungen über den Versuch von Paarbeziehungen in einer egomanischen Gesellschaft der routinierte und ökonomische Alltag ihrer Protagonistinnen immer wieder durch Begehren und Lüste durchbrochen wird, fühlt sich der Rezensent an Kafkas Surrealismus erinnert. Mit viel Feingefühl schildere Draesner ihre tragischen, sich nach Zuneigung sehnenden Figuren: dem Kritiker begegnet hier beispielsweise eine Fledermausforscherin, die sich ähnlich ihren Forschungsobjekten in den Kopfstand begibt, um die von fünf Männern angesammelten Spermien ein Wettrennen austragen lassen will.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Dieses durch und durch gelungene Buch über die Melancholie der Egomanie erlaubt es einem, auf schöne Weise ein wenig traurig zu sein." Frankfurter Allgemeine Zeitung