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Zwei Freunde, die Rivalen geworden sind, eine schwer zu durchschauende Frau, die in die Liebe verliebt zu sein scheint - das sind die Fixpunkte einer rastlosen Wanderung durch das nächtliche Madrid, bei der nichts festgefügt und sicher ist: nicht die Mischung aus Groll, Ablehnung, Zuneigung, die die Männer aneinander fesselt, nicht die Person Saras, nicht das Ende der Nacht. Ausgangspunkt der Geschichte ist eine Bar, in der sowohl Sergio als auch Juan irrtümlich glauben, mit Sara allein verabredet zu sein. Alle drei trinken immer mehr. Als sie schließlich nachts im Madrider Stadtpark ein…mehr

Produktbeschreibung
Zwei Freunde, die Rivalen geworden sind, eine schwer zu durchschauende Frau, die in die Liebe verliebt zu sein scheint - das sind die Fixpunkte einer rastlosen Wanderung durch das nächtliche Madrid, bei der nichts festgefügt und sicher ist: nicht die Mischung aus Groll, Ablehnung, Zuneigung, die die Männer aneinander fesselt, nicht die Person Saras, nicht das Ende der Nacht. Ausgangspunkt der Geschichte ist eine Bar, in der sowohl Sergio als auch Juan irrtümlich glauben, mit Sara allein verabredet zu sein. Alle drei trinken immer mehr. Als sie schließlich nachts im Madrider Stadtpark ein Ruderboot kapern, lassen Sergio und Juan Sara einen Augenblick aus den Augen, und plötzlich treibt das Boot leer auf dem See, nur Saras kirschroter Schuh liegt darin. Nun beginnt eine verzweifelte Suche. In einem immerwährenden Rededuell verfangen, klappern Juan und Sergio die Orte ab, an denen sich Sara aufhalten könnte. Und während sie von einer skurillen Begegnung zur anderen taumeln, sche int das einzig Greifbare, das die beiden von Sara besitzen, der Schuh zu sein, den Sergio wie ein Fetisch mit sich führt. Schnell, klug und unterhaltsam erzählt Ignacio Garcia-Valino die alte Geschichte einer Dreiecksbeziehung ganz neu.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2002

Eine Frau, deren Umriß uns gefällt
Schweigen ist das eine: Ignacio García-Valiños Liebesdreieck

Dieser Roman ist merkwürdig. Er beginnt schwerfällig, langweilig, konfus, auch etwas albern, wird dann aber interessanter, schließlich bemerkenswert und gegen Ende beinahe fulminant. Schade, denkt man, daß er aufhört - vielleicht hätte er sich weiter gesteigert! Es ist der erste ins Deutsche übersetzte Roman des jungen spanischen Autors Ignacio García-Valiño (Jahrgang 1968); das Original erschien 1999. Drei Romane hat er vorher bereits geschrieben; sehr bekannt ist er bisher auch in Spanien nicht.

Es geht - kaum etwas könnte traditioneller sein - um zwei Freunde und um eine Frau; Ort der Handlung ist Madrid. Die Freunde sind: Juan - "Juanéis für die Freunde", wird uns immer wieder gesagt (was aber ist daran witzig?) - und Sergio Pola, alte Schulkameraden, im übrigen sind sie mit sechundzwanzig Jahren freilich jung; über ein Jahr haben sie sich, als die Handlung einsetzt, nicht gesehen. Spannungslos ist ihr Verhältnis nicht. Dann die mysteriös attraktive Frau, die Sara heißt. Der studierte Arbeitslose Juan wird zunächst präsentiert, dann der sich in ähnlicher Lage befindende Pola. Letzterer stößt nun des Nachts in irgendeiner miesen Kneipe auf Sara. Als er erfährt, daß sie mit Juan verabredet ist, macht er sich davon; nach ein paar Schritten trifft er aber Juan ("Juanéis für die Freunde"), und der will nun gleich seinen Sara-Plan umwerfen und mit Pola allein eine Kneipentour machen - schon aber kommt Sara beiden entgegen. Bereits hier ist Juan offenbar, was Sara angeht, nicht ganz bei der Sache.

Die Tour nun also zu dritt - und es geht los, es gibt action: Sara nämlich geht auf merkwürdige Weise auf einem Boot, wie sie am Ende ein wenig alleine rudert, im berühmten Teich des Retiro-Parks verloren; die beiden Freunde suchen sie, allmählich in Panik geratend, vergebens, und dabei setzt sich - allmähliche Verfertigung beim (unausgesetzten) Reden die Nacht hindurch - das Dreieck in Fahrt. Eine knappe Rückblende aber gab es, zuvor schon, auf Paris, wohin Juan-Juanéis und Pola vor einigen Jahren gefahren waren und wo sie Sara kennenlernten. Das jeweilige Paris-Bild enthüllt sogleich die doch recht verschiedenen Anlagen beider Freunde: "Paris bedeutete für Pola die Essenz bergeweiser Lektüre - Maurois, Proust, Victor Hugo, Sagan, Cortázar . . . Für Juanéis war Paris vor allem die Pariser Frauen, er wollte selbst überprüfen, ob sie ihrem Ruf als bumsfidele Katzenwesen gerecht wurden." Nach solchen Sätzen will man das Buch zuklappen, final.

Schmerzend ist besonders das immer wieder hervortretende geisterhaft unorientierte und wahrhaft "aufgesetzte" Bildungsgetue: der brave, feinsinnige Maurois und - Proust? Victor Hugo und Françoise Sagan? Was sollen diese Zusammenschirrungen? Klar, es soll gezeigt werden: Juan ist der eher oberflächliche, nette Lebenskünstler und Pola der ernsthaftere Intellektuelle; er ist gar religiös etwas unruhig (einmal, in kritischer Situation, spricht er tatsächlich ein "Vaterunser"); Narziß und Goldmund sozusagen. Und etwas pubertär ist dies alles, wie bei Hermann Hesse, auch, was ja wirklich kein Einwand ist: Literaturunfähig ist das Pubertäre ja keineswegs.

Überfrachtet an Bildung sind aber beide Freunde wirklich nicht, und auch nicht, wie es scheint, der Autor. Wie die beiden über Sara palavern (das tun sie gern - darum ist es ja eine Dreiecksgeschichte), fällt diese Äußerung: "Ich glaube, sie hat recht, aber sie wird auf dem Scheiterhaufen sterben wie Galileo" (hier ist noch dazu ein Übersetzungsfehler - "Galileo" heißt Galilei auf spanisch, nicht aber bei uns). Wunderbar auch dieser Satz: "Eine Minute betrunkene Einsamkeit dauerte eine Ewigkeit, war das Fegefeuer." Immer wieder also, im Text selbst und in den Motti, die dem Buch, seinen beiden Teilen und einzelnen Kapiteln vorangestellt sind, unmotivierte Kultur-Reminiszenzen.

Natürlich fehlt es auch nicht an den üblichen Direktheiten, wogegen nichts zu sagen wäre, wenn derlei hier nicht ebenso unauthentisch wirkte wie die Hinweise auf Beckett, Kafka oder Augustin, dem Juan die "Summa theologica" zuschreibt (da aber läßt der Autor den Freund doch einschreiten: ",Ist das Buch nicht von Thomas von Aquin?' fragte Sergio zweifelnd nach", darauf die postmoderne Antwort: "Ist mir doch egal").

Warum siegt das Buch schließlich irgendwie doch? Also: es wird spannend (wer kriegt am Ende Sara?), und es bekommt Dringlichkeit; man spürt nicht ohne Betroffenheit, der Autor spielt nicht bloß - er hat ein Problem, steht selbst unter Druck. Und so wird der Unsinn, ungefähr von der Mitte an, einspinnend witzig, das kreisende Geschwätz fesselnd, auch dadurch, daß es sich durchschaut (da ist Pola der Protagonist), und in diese Richtung geht doch wohl der Originaltitel, den der Übersetzer oder sein Verlag umgeht: "Schweigen ist das eine", "Una cosa es el silencio", was meint - der Satz fällt an einer Stelle -, daß das Unterlassen des - unausgesetzten und Besinnung, indem es sie vortäuscht, verhindernden - Geschwätzes schon einmal ein Punkt wäre, eine notwendige Bedingung. Deutsch also "Der kirschrote Schuh", was sich von einem signifikanten Detail der Handlung her schon vertreten läßt. Nur enthält der spanische Titel etwas wie eine These, die im Schuh nicht stecken kann.

Dann, vor allem, werden einem die Freunde sehr sympathisch. Daß sie es, jeder mit sich selbst und dann miteinander, schwerhaben und bei aller Aversion - einmal prügeln sie sich ernsthaft - aufeinander angewiesen sind, daß sie sich - ganz ohne Erotik - heftig mögen, sich gegenseitig auch sehr beneiden, macht ihre Freundschaft rührend. Man möchte sie kennenlernen, persönlich, sie beraten. Die Almodóvar-Verrücktheiten, der oft expressionistische Stil und die in der spanischen Welt, auch in der gegenwärtigen, immer latente Radikalität befremden schließlich weniger. Sie sind hier auch metaphysisch überhöht. Angst ist, neben Frauen und Liebe, ein großes Thema; Pola, der auch schriftstellert, exteriorisiert diese Angst, die Juan zuplaudert, geradezu klinisch: Er sieht immer wieder einen riesigen flammenden Kraken vorüberhuschen.

Und was tatsächlich gesagt wird, kann sich weithin schon hören lassen. Zum Beispiel: ",Wir verlieben uns nicht in eine Frau', sagte Pola, ,sondern in den Archetypus der Frau, in eine Phantasievorstellung, in die Essenz der Weiblichkeit, in das Girl from Ipanema, während wir die Frau selbst gar nicht sehen . . .'". Und weiter in dieser desillusioniert abgebrühten, sensualistischen, sexversessenen und dekadenten Stimmung (Juan: " . . . deshalb ist es besser, man vögelt einfach und vergißt den Rest" und: " . . . ich kann einfach kein ernstes Zeug daherreden, scheißenochmal, Sachen wie, daß meine Alte traurig ist . . .") Jedoch: Die Nostalgie nach dem anderen, dem ganz anderen, scheißenochmal, ist da doch auch!

Und wie Pola am Ende, denn er ist es, der Sara, aber erst auf den beiden letzten Seiten, zumindest vorübergehend kriegt, neben ihr liegt (er findet sie nämlich, endlich nach Hause zurückgekehrt, in seinem Bett schlafend - und die brave Mutter, die ihr, grotesk unwahrscheinliche Situation, aufgemacht und sie aufs Bett des Sohns gesetzt hat, ermahnt ihn nun: "Benutze deinen Kopf!"), wie Pola sich also todmüde zu ihr legt, um nun mit ihr, aber nun wirklich, fürs erste, im striktesten Sinn zu "schlafen", da, "ahnte er, daß er ausgiebig von Sara träumen würde . . ., aber nicht von der realen Sara, jetzt, als sie endlich neben ihm lag und er sie berühren und spüren konnte, körperlich und real und sehnsüchtig, sondern unweigerlich von der anderen, der imaginären, von der, die in ihm wohnte, von der, die er sich mit den Resten seiner selbst zurechtkonstruierte, die essentielle Sara, die ihrerseits ihn erträumte . . ." Also das erträumte Mädchen von Ipanema erträumt sich ihren beach boy ihrerseits, der freilich auch reichlich intellektuell sein und sie verstehen sollte.

Übrigens mag das mäandernde Geschwätz dieses Romans aus Madrid (mit vielen lokalen und aktuellen Anspielungen) im Original noch lustiger sein als bereits in der gefälligen Übersetzung. Und sicher erfahren wir auch einiges über eine gewisse schicke haltlose Alkohol- und Drogen-Jugend in Madrid. Auf solchen Hinweis lauert dann immer der in der Tat schwer zu widerlegende Einwand: "Das interessiert mich nicht!" Aber es kann einen ja doch auch ein wenig interessieren . . . Technisch hat der Roman mit seinen bequemen Perspektivenwechseln viel von einem Drehbuch und könnte in der Tat, mit intelligenten Gesichtern versehen, ein schöner, nachdenklicher Film werden.

HANS-MARTIN GAUGER

Ignacio García-Valiño: "Der kirschrote Schuh". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Matthias Strobel. Luchterhand Literaturverlag, München 2001. 316 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In Ignacio Garcia-Valinos Roman geht es, folgt man den Ausführungen von Michael Schmitt, recht verrückt zu. Verrückt ist die Wahrnehmung von Juan und Sergio nach dem Verschwinden von Sara, einer gemeinsamen Liebe, die die beiden Jugendfreunde auseinandergebracht hat, berichtet der Rezensent. Die "burleske Dreiecksgeschichte" erfährt durch den Verlust von Sara eine Wende, nach der die beiden Freunde sich wieder näher kommen. Garcia-Valino spare hier weder mit Situationskomik noch mit Slapstick-Effekten, freut sich der Rezensent. Gerne hat er sich vom Autor durch zahlreiche Wechselbäder der Gefühle jagen lassen. Denn Garcia-Valinos' Figuren wollen, so Schmitt, einfach alles sein, und zwar zugleich: vernünftig, voller Seelenruhe und Harmonie, so, wie alle anderen außer ihnen selbst zu sein scheinen.

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