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Unheimlich und leise rollt eine der Perlen dieses Buches heran: bleierne Zeit, Mai 1970, Berlin kurz nach der gewaltsamen Befreiung Andreas Baders aus der Haft. Der Erzähler und seine Freundin bekommen unerwarteten Besuch von drei Frauen, die Unterschlupf suchen. Mit wenigen Strichen zeichnet Gert Loschütz hier die paranoide Situation, in der die RAF bis zu ihrer Auflösung existieren wird. Denn unschwer ist zu erkennen, es handelt sich bei den Frauen um Terroristinnen, die abtauchen müssen, um Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof.Gert Loschütz ist, der jetzt vorliegende Band beweist es, ein…mehr

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Produktbeschreibung
Unheimlich und leise rollt eine der Perlen dieses Buches heran: bleierne Zeit, Mai 1970, Berlin kurz nach der gewaltsamen Befreiung Andreas Baders aus der Haft. Der Erzähler und seine Freundin bekommen unerwarteten Besuch von drei Frauen, die Unterschlupf suchen. Mit wenigen Strichen zeichnet Gert Loschütz hier die paranoide Situation, in der die RAF bis zu ihrer Auflösung existieren wird. Denn unschwer ist zu erkennen, es handelt sich bei den Frauen um Terroristinnen, die abtauchen müssen, um Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof.Gert Loschütz ist, der jetzt vorliegende Band beweist es, ein großartiger Erzähler. Ein Vergleich mit seinen Lebensdaten legt es nahe, die eigene Biographie ist Ausgangsbasis der Geschichten; und doch geht das literarische Ergebnis weit darüber hinaus. Mit wenigen Strichen skizziert er überraschende Begebenheiten, fängt meisterhaft scheinbar alltägliche Momente und grotesk-humorvolle Situationen ein und schafft dabei durch unerwartete Wendepunkte Spannung. Loschütz schafft in seinem Werk einen Raum des Unheimlichen, Unerwarteten und rätselhaft Dunklen. Nicht die lauten und offensichtlichen Gefahren lauern seinen Protagonisten auf, sondern vielmehr jene des Alltags: Geschichten mit unerwartetem Ausgang.
Autorenporträt
Gert Loschütz wurde 1946 in Genthin, Sachsen-Anhalt geboren. Mit seinem Roman »Dunkle Gesellschaft, Roman in zehn Regennächten« (FVA 2005) war Gert Loschütz Finalist des Deutschen Buchpreises und wurde mit dem Rheingau Literaturpreis 2005 ausgezeichnet. _2006 erschien in der FVA, sein Roman »Die Bedrohung«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2007

Das Licht des Dunklen
Gert Loschütz im Hessischen Literaturforum

Es war schön, ihn wieder zu sehen und wieder zu hören. Das fanden vermutlich auch seine anderen Leser, sonst hätten sie sich, dem strömenden Regen zu Trotz, nicht so zahlreich im Hessischen Literaturforum eingefunden. Im dritten Stockwerk des Frankfurter Künstlerhauses Mousonturm stellte Gert Loschütz sein neues Buch vor, achtzehn Erzählungen in drei Abteilungen, die unter dem Titel "Das erleuchtete Fenster" bei der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen sind. Schon der Umschlag zeigt, dass dem einladenden Titel nicht zu trauen ist. Jedes Licht wirft Schatten, und auch ein helles Fenster kann sich auf schwarze Gespenster reimen, auf Lemuren wie jenes unbehauste erzählende Ich, das mit Stühlen und Kleiderhaken streitet und die harmonische Atmosphäre jenseits einer fremden Fensterscheibe mit einem Stein zertrümmert, weil es an ihr nicht teilhaben kann.

Ebenso unheimlich und detailbesessen waren auch die beiden anderen Texte, die Loschütz, der einstige Wahl-Frankfurter und jetzige Wahl-Berliner, vortrug. In "Die Sache mit Roswitha", einer äußerst beklemmenden längeren Erzählung, baut Loschütz meisterhaft die sexuelle Spannung zwischen einem Pubertierenden und dessen geistig zurückgebliebenem Kindermädchen auf und variiert Heines berühmtes Diktum "Ich bin die Tat von deinen Gedanken" in einer ländlich klaustrophoben "Woyzeck"-Welt. Drei boshafte Frauenporträts versammelt schließlich die Erzählung "Nach der Regatta": Eine fragile Teetrinkerin, eine nervöse Weintrinkerin und eine üppige Kaffeetrinkerin geben sich ein kurioses Stelldichein.

Nach der Lesung machte die Kunsthistorikerin Christine Jung das Publikum mit der Künstlerin bekannt, deren Bilder jetzt das Büro des Literaturforums zieren. Mehr als 50 farbige Köpfe hat die Darmstädter Malerin und Bildhauerin Angelika Gilberg für ihre Serie "Leser" geschaffen, Bücherfreunde aus aller Herren Ländern und unterschiedlichen Alters verschmelzen in Gilbergs Arbeiten mit ihren Büchern zu inniger Einheit. Die Künstlerin, die an der Städelschule studiert hat, arbeitet auch sonst seriell, wie ihre "Buddhas", "Mütter" und "Schwimmer" belegen.

CLAUDIA SCHÜLKE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2007

Der Blick ins fremde Leben
„Das erleuchtete Fenster”: Gert Loschütz’ neuer Erzählungsband
Das Leben erscheint bei Gert Loschütz so, wie es sich in Träumen widerspiegelt. In „Fingerkuppen” besucht eine Frau ihre Schwägerin. Bei der Fahrt durch ein Waldstück sieht sie einen Mann auf dem Randstreifen liegen. Sie hält an, schaut aus der Beifahrertür, steigt aus. Der Mann ist eine Schaufensterpuppe. Sie rennt zum Auto, schlägt beide Türen zu. Als sie bei ihrer Schwägerin ankommt, ist sie mit Blut beschmiert. Zwischen Tür und Beifahrersitz liegen drei abgetrennte Fingerkuppen. Die Schwägerin wirft sie in den Müll.
Eigentlich war die Frau gekommen, um sich heimlich mit ihrem Geliebten zu treffen, unter dessen Rücksichtslosigkeit sie leidet. Hat er die Puppe an den Straßenrand gelegt, um sie zu erschrecken? Hat sie ihn, der sich heimlich an den Wagen herangeschlichen hatte, beim Zuschlagen der Beifahrertür unwissentlich verstümmelt? Spätestens nach der beiläufigen Entsorgung der Fingerkuppen, ahnt man, dass es auf solche Fragen keine eindeutigen Antworten geben wird.
Geht man dann noch einmal an den Anfang der Erzählung zurück, so stellt man fest, dass die Handlung schon im zweiten Satz in etwas umgeschlagen ist, von dem der erste nichts wusste. Dort hieß es nur: „Eine Frau fuhr in der Dämmerung über die Landstraße von Mödling nach Heiligenkreuz, um ihrer Schwägerin eine Medizin zu bringen, die sie in der Homöopathischen Zentraloffizin ,Zum Roten Krebs‘ gekauft hatte.” Alles deutet auf einen umständlichen Krankenbesuch hin, der dann auch stattfindet. Doch schon im zweiten Satz sieht die Frau jenen Mann auf der Straße liegen, der sich als toter Gegenstand entpuppt. Dann folgt die blutige Entdeckung, und zwei Seiten weiter ist wie selbstverständlich vom Geliebten die Rede.
Träume laufen so ab, beginnen als simple Geschichten, die immer weitere Gedankensplitter in einer halbwegs stringenten Handlung zu integrieren suchen. Träumend kann man die Puppe am Wegesrand nicht Puppe sein lassen, muss sie einbeziehen, und so entsteht eine Erzählung, in der unerfüllte Sehnsüchte erfüllt und bestraft werden. Was der Logik des wachen Bewusstseins widerspricht, erscheint dem Träumenden vollkommen evident. So geht es einem auch beim Lesen von Loschützens Erzählungen, die sich in „Dunkle Gesellschaft” (2005) zu einer Art von Novellenkranz schlossen und sich in „Das erleuchtete Fenster” auf drei Zyklen verteilen: „Die authentische Frau”, „Das erleuchtete Fenster” und „Friedensplatz” spannen den Bogen von der personalen Perspektive über die Ich-Erzählung bis zur autobiographischen Aufzeichnung. Deutlich wird, dass es sich bei dem Besuch, den ein Erzähler in seiner Wohnung aufnimmt, um Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof handelt, doch die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge bleiben schemenhaft. Wie schon in „Dunkle Gesellschaft” schafft Loschütz ein erzählerisches Pendant zum Helldunkel eines Rembrandt. Was er zeigen will, hebt er meisterhaft und mit oft schmerzhafter Intensität hervor, während die Hintergründe im Dunklen bleiben. Dort lauert eine latente Bedrohung, die jederzeit zuschlagen kann. So beginnt „Requiem für eine Katze” mit der liebevollen Vergegenwärtigung eines sanften Haustiers, das sich dann als lustvolle Mäusemörderin entlarvt, um am Ende selbst einer bösen Macht zu erliegen.
Gerne wählt Loschütz die Perspektive des Passanten, der durch „Das erleuchtete Fenster” neidvoll in ein fremdes Leben schaut. Oder der gedankenverloren im Zug sitzt, in einer verdoppelten Wirklichkeit aus einem engen Abteil und einer unfassbaren Welt, die hinter den Fenstern vorbeizieht. Gert Loschütz erfasst in seinen Erzählungen gerade das, was unser Alltagsbewusstsein nur flüchtig wahrzunehmen imstande ist. ULRICH BARON
GERT LOSCHÜTZ: Das erleuchtete Fenster. Erzählungen. Frankfurter Verlagsanstalt 2007. 223 Seiten, 19,90 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dass Gert Loschütz in seinen Erzählungen von Eindeutigkeit nichts wissen will, gefällt Ulrich Baron ganz gut. In ihrem Oszillieren zwischen Wirklichkeit und gedanklicher Unschärfe, zwischen verschiedenen Perspektiven und zwischen "schmerzhafter Intensität" und Dunkelheit erscheinen die Texte ihm als "erzählerisches Pendant zum Helldunkel" bei Rembrandt. Für Baron eine Gelegenheit, das Alltagsbewusstsein in Richtung Traum zu erweitern.

© Perlentaucher Medien GmbH