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Tief verwurzelt in der Kommunikationskultur der Romantik, zeichnet sieh das Briefwerk Bettine von Arnims zugleich durch ein ganz eigenständiges Strukturmerkmal aus: Wie ihre Briefe nie nur pragmatische Mitteilungen formulieren, sondern stets auch die Lust am poetischen Spiel vermitteln, so sind umgekehrt die von ihr veröffentlichten Bücher nie ganz aus den Briefwechseln mit den verschiedensten Korrespondenten herauszulösen. Die Vernetzung von Büchern und Korrespondenzen ist das Ergebnis einer bewußt vorangetriebenen Grenzüberschreitung, mit der Bettine gegen die in ihren Augen leblose Idee von…mehr

Produktbeschreibung
Tief verwurzelt in der Kommunikationskultur der Romantik, zeichnet sieh das Briefwerk Bettine von Arnims zugleich durch ein ganz eigenständiges Strukturmerkmal aus: Wie ihre Briefe nie nur pragmatische Mitteilungen formulieren, sondern stets auch die Lust am poetischen Spiel vermitteln, so sind umgekehrt die von ihr veröffentlichten Bücher nie ganz aus den Briefwechseln mit den verschiedensten Korrespondenten herauszulösen. Die Vernetzung von Büchern und Korrespondenzen ist das Ergebnis einer bewußt vorangetriebenen Grenzüberschreitung, mit der Bettine gegen die in ihren Augen leblose Idee von der Autonomie der Kunst ebenso aufbegehrte wie gegen den Ausschluß der Frau aus den Prozessen zeitgenössischer politischer Meinungsbildung. Der vorliegende Band schließt die vierbändige Ausgabe der Werke und Briefe Bettine von Arnims ab. Er ergänzt die in den vorangegangenen Bänden bereits zahlreich abgedruckten Originalbriefe. Die Briefe sind in der originalen Orthographie und Interpunktion Bettines wiedergegeben und eingehend kommentiert. Ein Personen- und Werkregister erschließt Text und Kommentar aller vier Bände der Ausgabe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2005

Der Herrgott ist kein Weib
Mit den Briefen ist die Werkausgabe Bettine von Arnims komplett

Es ist vollbracht. Die ursprünglich auf drei Bände angelegte Bettine-von-Arnim-Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlags ist nun durch einen vierten Band, der eine reichhaltige Auswahl ihrer Briefe enthält, ergänzt und komplettiert. Zu der Edition ihrer drei berühmten Briefromane "Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde", "Die Günderode" und "Clemens Brentano's Frühlingskranz" und einer Auswahl ihrer politischen Schriften tritt nun, fast zwanzig Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes, ein Querschnitt ihrer epistolarischen Tätigkeit hinzu. Die 172 Briefe, die den Zeitraum von 1802 bis 1856 umspannen, runden sich durch ihre chronologische Anordnung zu einem Lebensbild und legen Zeugnis ab von einer ungemeinen, vor allem in Bettines späten Jahren kulminierenden publizistischen Tätigkeit und Wirksamkeit.

Die Zäsuren sind zweifellos durch lebensgeschichtliche Daten gesetzt. Die frühen Briefe zeigen eine unkonventionelle, mit Tönen und Stillagen experimentierende Frau, die sich Freiräume erschreibt, die ihr im Leben, trotz aller Rebellion gegen eine Festlegung auf weibliche Sozialisationsmuster und Verhaltensnormen, nicht ohne weiteres offenstanden. Da wird der Bruder Clemens Brentano umschwärmt, der Dichter Ludwig Tieck kurzzeitig angehimmelt oder ihr späterer Mann Achim von Arnim poetisch umgarnt. Der deutlich erotisierende Duktus zahlreicher Briefe wird dadurch entschärft, daß der Brief per se ein Medium der Distanz ist, also nur Schriftphantasien ausspinnt, und Bettine sich immer wieder auf Charakteristika des Kindlichen hin festlegt. Weisen diese Briefe in ihrer virtuosen Stilisierung vielfach auf die spätere Schriftstellerin voraus, so setzt die Ehe mit Achim von Arnim 1811 einen durchaus prosaischen Gegenakzent, der grosso modo bis zu dessen frühem Tod 1831 anhalten wird. Als habe sie um diese Gefahren gewußt, führt sie kurz vor der Ehe einen abenteuerlich-schwärmerischen Briefwechsel mit dem jungen Max Prokop von Freyberg, der gleichsam zum Muster späterer, ähnlich gestimmter Briefwechsel wird.

Streitigkeiten mit ihrem Mann und Sorgen um die ständig wachsende Kinderschar bilden die Hauptthemen der während ihrer Ehe geschriebenen Briefe. Zwar ist längst bekannt, daß diese Dichterehe keine romantisch-poetische war, aber in der Zusammenstellung der Briefe wird geradezu schmerzlich deutlich, wieviel ihres Naturells und Talents Bettine ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter aufopferte. Kein Wunder, daß sie von der "Marterbanck" ihres Ehestands spricht und 1827 in die Klage ausbricht: "kaum ins Leben eingeweihet und schon 7 Kinder meiner Pflege anvertraut, unser Herrgott hat gut für Bevölkerung sorgen er ist kein Weib, denn wenn er die ganze Menschheit Wiegen, am Busen nähren müste wie unser eins, so wär er den Spaß längst müde".

Wie eine Befreiung scheint der Tod Arnims auf sie gewirkt zu haben. Nun beginnen ihr umfassendes soziales Engagement, ihre publizistische Tätigkeit und ihre "Karriere" als Autorin, was sich an ihren weitverzweigten Briefkontakten unmittelbar ablesen läßt. Berühmt sind ihre Briefwechsel mit Kronprinz Karl von Württemberg, Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach und Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, in denen sie sich bemühte, "erzieherisch" zu wirken und den Herrschern ihre verantwortliche Aufgabe vor Augen zu halten. Insbesondere auf den preußischen König versuchte sie Einfluß zu nehmen und ihn auf ein Herrscherideal festzulegen. Wieweit sie an ihre Konstruktion des "guten" Königs und des seinen Willen mißachtenden, intriganten Kabinetts selbst glaubte, ist schwer zu bestimmen. Mit wechselndem Erfolg nimmt sie sich der Sache der schlesischen Weber, der aufständischen Polen oder der Ungarn an oder versucht, in Einzelfällen intervenierend einzugreifen, etwa die Vollstreckung von Todesurteilen zu verhindern. Erneut gibt es schwärmerische Briefwechsel, so mit Fürst Hermann von Pückler-Muskau oder den jungen Studenten Julius Döring und Philipp Nathusius, deren überschwenglicher Ton der Alltagsrealität aber kaum gerecht wurde, weshalb diese Beziehungen sich auch allesamt schnell abkühlten. Daß einige Korrespondenzen regelrechte Stilübungen zu Werken Bettines darstellten und mit deren Vollendung auch der Briefkontakt erlahmte, gehört zu den aufschlußreichsten Hinweisen der Herausgeber. Daneben kehren einige lebenslang verfolgte Projekte in den Briefen ständig wieder, so ihre Pläne zur Errichtung eines Goethe-Monuments oder die Herausgabe von Arnims Werken.

Der hohe Stilisierungsgrad vieler Briefe macht sie nicht immer leicht lesbar. Sehr zu Recht unterscheiden die Herausgeber in ihrem Nachwort verschieden starke Grade der Literarisierung, wenngleich die Grenze zwischen dem Brief als alltagspraktischem Kommunikationsmittel und als stilisierter Kunstform bei Bettine durchaus fließend ist. Nicht zuletzt erlaubte ihr diese Stilisierung, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, soziale Schranken zu überschreiten und Ansichten vorzutragen, die sie in sachlicher Kommunikation nicht ohne weiteres hätte vorbringen können, wie vor allem in ihrem Briefwechsel mit Friedrich Wilhelm IV. deutlich wird.

Allerdings war sich Bettine nicht nur dieses inszenierten Spiels - die Herausgeber sprechen von einem "Fiktionsvertrag" zwischen den Korrespondenten - bewußt, sondern setzte auch Briefe, die Schranke zwischen privat und öffentlich unterlaufend, als publizistische Waffe ein. So ließ sie etwa in ihrem Engagement für die in Hannover infolge des Vorgehens gegen die "Göttinger Sieben" entlassenen Brüder Grimm eigene Briefe vervielfältigen und zirkulieren. Und so schrieb sie 1847 an den Berliner Magistrat, der sie in einen langwierigen Rechtsstreit darüber verwickelte, ob sie das Bürgerrecht von Berlin erwerben müsse: "Ich habe Ihnen daher folgendes mitzutheilen, daß die beiden Schreiben, welche ich in dieser Sache die Ehre hatte an Einen Hochlöblichen Magistrat zu richten, für die von Ihnen requirirte Summe öffentlich ausgeboten werden. - Hierbei bemerke ich, daß meine Handschrift so viel Geltung, als ein Wechsel hat, da ich sie selten oder nie ausgebe." Die daraufhin erfolgte Verurteilung wegen Beleidigung des Magistrats konnte nur mit Hilfe ihres Schwagers Friedrich Carl von Savigny aufgehoben werden.

Daß die Briefe nicht nur reichhaltige Informationen zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte ihrer Werke enthalten, sondern vor allem ihre politischen Ansichten näher beleuchten und damit den in Band drei der Ausgabe versammelten Schriften an die Seite zu stellen sind, braucht kaum eigens betont zu werden. Nicht zuletzt erweist sich in ihnen Bettine, die trotz ihrer klugen Analysen und warnenden Worte an Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach ("Ein Fürst ohne Volk ist undenkbar, aber ein Volk ohne Fürsten ist wohl denkbar.") an ihrem Ideal einer konstitutionellen Monarchie festhielt, als aufmerksame Beobachterin der revolutionären Vorgänge von 1848 in Berlin,

Die Mehrzahl der Briefe wurde bereits an anderer Stelle publiziert, was das Verdienst der Herausgeber aber kaum schmälert. Gerade das in den letzten Jahren verstärkte Interesse am Werk Bettines hat zu einer selbst für den Experten nur noch schwer überschaubaren Vielzahl an Publikationen ihrer Briefe geführt, von den verstreuten älteren Editionen ganz zu schweigen, die eine breite Auswahl wünschenswert und nützlich macht. Neben die bekannten Briefe an Arnim, Brentano oder Friedrich Wilhelm IV. treten aufschlußreiche Einzelbriefe wie etwa an Karl Friedrich Schinkel, Franz Liszt oder Clara Schumann. Nur das Fehlen der Briefe an Goethe stellt eine empfindliche Lücke dar, doch wurde die erhaltene Korrespondenz bereits vollständig im zweiten Band publiziert.

Die rein chronologische Anordnung erlaubt Einblicke in die Entwicklung von Bettines Briefstil und hat ihren Reiz gerade in der Zusammenführung ganz unterschiedlich gearteter, parallel geführter Korrespondenzen. Der Stellenkommentar klärt gründlich und umfassend Namen, Begriffe und Sachverhalte auf und skizziert bei erstmaligem Auftreten kurz die Bedeutung jedes Korrespondenzpartners für Bettine. Wieviel Detailarbeit hierfür zu leisten war, wird allein daran ersichtlich, wie oft aus noch unpublizierten Materialien und Briefen aus Bettines Umfeld zitiert wird. Ein umfangreiches Register, das auch die ersten drei Bände der Edition erschließt, rundet den gelungenen Band ab.

THOMAS MEISSNER

Bettine von Arnim: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 4: Briefe. Herausgegeben von Heinz Härtl, Ulrike Landfester und Sibylle von Steinsdorff in Zusammenarbeit mit Ursula Härtl, Bettina Kranzbühler und Walter Schmitz. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2004. 1295 S., geb., 92,- [Euro] (Subs. 82,- [Euro]).

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Von Natur aus", stellt der "rh" zeichnende Rezensent fest, war Bettine von Arnim Briefschreiberin. So sind auch die drei großen Romane umgearbeitete, ergänzte, fiktionalisierte Briefwerke. Und so ist sie hier, im vierten Band der Werkausgabe, auch ganz als ihr "epistolarisches" Selbst zu erleben und zu bewundern. 172 Briefe sind abgedruckt, aus den Jahren 1802-1856, und in "originaler Schreibweise". Das ist nicht mehr als ein Querschnitt, der aber ist, wie der Rezensent meint, durchaus "repräsentativ". Das gesamte "Adressaten- und Formenspektrum" ist vertreten - und gut zu beobachten sei zudem, wie Bettine von Arnim ihre Briefschreiberei auch als "effizientes Networking" verstand und meisterhaft handhabte.

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