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Wir glauben fest an die Macht des positiven Denkens. Aber warum müssen wir eigentlich glücklich sein? Steht das in der Bibel oder im Grundgesetz? Der "Blues" der Seele ist heilsam in einer Welt der unverwüstlich guten Laune - er macht uns menschlicher.
Wir sind süchtig nach Happiness, verschlingen Wellness-Ratgeber und schlucken Glückspillen. Wer niedergeschlagen ist, gilt als angeschlagen, wer melancholisch ist, wird angezählt, wer depressiv ist, dem droht der soziale K.o. Aber würden wir auf Goya, Hölderlin, Melville, Proust, Kafka, Hemingway, Rothko oder Lennon - alle bekennende…mehr

Produktbeschreibung
Wir glauben fest an die Macht des positiven Denkens. Aber warum müssen wir eigentlich glücklich sein? Steht das in der Bibel oder im Grundgesetz? Der "Blues" der Seele ist heilsam in einer Welt der unverwüstlich guten Laune - er macht uns menschlicher.

Wir sind süchtig nach Happiness, verschlingen Wellness-Ratgeber und schlucken Glückspillen. Wer niedergeschlagen ist, gilt als angeschlagen, wer melancholisch ist, wird angezählt, wer depressiv ist, dem droht der soziale K.o. Aber würden wir auf Goya, Hölderlin, Melville, Proust, Kafka, Hemingway, Rothko oder Lennon - alle bekennende Melancholiker - verzichten? Könnten wir das wirklich?

Melancholie ist die Muse großer Werke der Literatur, Malerei und Musik. Ihr entspringen schöpferische Anstöße, nie vernommene Erkenntnisse, der ganz andere Blick auf die Welt und uns selbst. Eric G. Wilson hat eine fulminante Persiflage auf American Happiness und ein aufwühlendes Lob für die europäische Melancholie geschrieben!
Autorenporträt
Eric G. Wilson, geboren 1967, ist Professor für Englische Literatur an der Wake Forest University in Winston-Salem, North Carolina. Er thematisiert das Verhältnis von Psychologie und Literatur.

Susanne Held wurde 1954 in Wetzlar geboren.
Heute arbeitet sie als Lektorin und verbringt ihre Freizeit neben dem Schreiben, Klavierspielen und Pilgern - wie sollte es anders sein - mit Lesen und Vorlesen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2009

Das Herz hat seine Turbulenzen

Sollte van Gogh ein Melancholiker gewesen sein? Eric G. Wilson übertreibt es ein wenig bei seinem Feldzug gegen das Glück der Ratgeberliteratur.

Von Ernst Horst

Man muss dankbar sein, wenn jemand angelehnte Türen einrennt, aber auch nicht zu sehr. Eric G. Wilson ist so ein Fall. Er hat ja oft recht, und er schreibt voller Poesie, aber er verblüfft nicht. Sein Buch, das fünfte, heißt "Unglücklich glücklich - Von europäischer Melancholie und American Happiness" Der Untertitel ist Unsinn, aber er ist auch nur eine Neuschöpfung für die deutsche Übersetzung. Vielleicht sollte man in der Marketingabteilung des Verlags die eigenen Bücher auch mal lesen.

Wilson ist ein Schuster mit zwei Leisten: Er ist Bürger der Vereinigten Staaten und Professor für Literaturwissenschaft. Er beschreibt einerseits den amerikanischen Alltag, in dem er überall die Ideologie eines allumfassenden stereotypen Glücklichseins findet. Dagegen setzt er eine kreative Melancholie, die er anhand von vielen Schriftstellern, Musikern und Malern aus der westlichen Kultur - amerikanisch und europäisch - beschreibt. Er preist zum Beispiel auch Henry David Thoreau, Bruce Springsteen, Georgia O'Keefe und Abraham Lincoln. Amerikanischer als diese vier kann man nicht sein, vielleicht sind die schlecht gelaunten Amerikaner im Buch sogar überrepräsentiert.

Wilsons Schilderung der heutigen Vereinigten Staaten ist gruselig, aber nicht originell. Jeder kennt die perfekt geschminkten Gesichter, die Einkaufszentren, die monotonen Vorstädte, die Highways und die merkwürdigen Megakirchen, wo Jesus "als eine Art glücksstrotzender Retter" präsentiert wird. Wer dieses Amerika wirklich verstehen will, findet in Büchern von Bill Bryson eine genauere Beschreibung.

Wilson macht keinen großen Unterschied zwischen Melancholie und einer leichten bis mittelschweren Depression. Depression äußert sich mehr als Lethargie, Melancholie als "Herzens-Turbulenz". Wilsons Melancholie geht vielleicht mehr in die Richtung einer bipolaren (vulgo manisch-depressiven) Störung. Einen Maler, der sich ein Ohr abschneidet, würde ich jedenfalls nicht als Ausbund an Melancholie klassifizieren.

Echte oder eingebildete Depression wird in den Vereinigten Staaten immer öfter mit Psychopharmaka bekämpft. Aber in Europa gibt es den gleichen Trend. Etwa fünfundachtzig Prozent aller amerikanischen Bürger sagen, dass sie glücklich sind. Die restlichen fünfzehn Prozent haben die Wahl. Sie können in die Apotheke gehen, ein Buch lesen oder etwas ganz anderes machen. Wilson kritisiert natürlich nicht jeden Gebrauch von Antidepressiva. Manchmal geht es nicht anders. Er nimmt sich nur heraus, über die Zweifelsfälle nachzudenken. Was als Zweifelsfall gelten kann, ist aber auch ein Zweifelsfall.

Wilson ist selbst melancholisch, aber er sieht das inzwischen als Bonus, als Chance. Bei seiner Beschreibung dieses Zustands gebraucht er gerne das Wort "wir". Er ist also nicht nur melancholisch, er ist es auf eine typische Art, meint er.

Aber eigentlich hat er gar nichts gegen das Glück. Was er verachtet, ist nur das Bedürfnis, ununterbrochen glücklich zu sein. Was er erst recht verachtet, ist, andern dieses Bedürfnis einzureden. Die Buchhandlungen sind voll mit Titeln wie "Die Glückshypothese: Was uns wirklich glücklich macht". Das vorliegende Buch ist das Gegengift zu solcher Einseitigkeit. In der realen Welt gibt es immer beides: Glück und Unbehagen, Mittagshelligkeit und Mitternachtsdunkel, Leben und Tod. Wilson beruft sich zum Beispiel auf Ralph Waldo Emerson, der vom Universum nichts erwartete und sich deshalb mit "der grellen Disharmonie einander widersprechender Tendenzen" abzufinden wusste. Er berichtet von vielen Künstlern, die aus sehr unterschiedlichen Gründen unglücklich waren und trotzdem oder gerade deshalb bedeutende Werke schufen.

Das beweist natürlich nichts und soll wohl auch nichts beweisen. Es ist mehr eine Bestandsaufnahme. Große Künstler waren oder sind manchmal depressiv, zeitweilig oder lebenslang. Eine Liedzeile von Joni Mitchell lautet : "Sometimes I'm happy, sometimes I'm blue." So etwas ist bei Gott keine sensationelle Entdeckung von Wilson, das wussten wir vorher schon. Beethoven hätte vielleicht nie die Fünfte Symphonie geschrieben, wenn er in dieser Zeit nicht immer wieder Angst vor dem Sterben gefühlt hätte. Aber das steht wohl schon in mancher Beethoven-Biographie.

Es ist erhellend, etwas über solche Lebensläufe zu lesen. Nur der Gegensatz: dort der emotional verarmte Amerikaner, der ständig Pillen einwirft, hier der arme Poet, der unter seinem Regenschirm begnadete Werke verfasst, der ist doch arg konstruiert. Muss man außerdem wirklich dem traurigen Tankwart, der sowieso nie eine Oper schreiben wird, seine Tabletten vermiesen? Sollte man nicht stattdessen Wilson noch ein paar Schicksalsschläge wünschen, Feuer im Dachstuhl seines geliebten baufälligen alten Hauses, einen Investmentbanker als Schwiegersohn, die Gicht oder wenigstens eine Gürtelrose, damit er auch inspirierte Werke schreiben kann? Und war das Opium von Samuel Taylor Coleridge, der Absinth von Vincent van Gogh oder der Whisky von Ernest Hemingway vielleicht nicht auch nur so eine Art Valium?

Wilson schreibt immerhin eine wunderbare fließende Prosa, mehr neunzehntes Jahrhundert als einundzwanzigstes. Solche Sprache lässt sich nur schwer übersetzen. Wer das Buch auf Deutsch liest, bekommt nur einen Teil davon mit, und das ist jammerschade.

Eric G. Wilson: "Unglücklich glücklich". Von Europäischer Melancholie und American Happiness. Aus dem Amerikanischen von Susanne Held. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2009. 198 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ernst Horst ist nicht sehr überzeugt von dieser Bestandsaufnahme zum alltäglichen und künstlerischen Gemütszustand. Der Literaturwissenschaftler Eric G. Wilson, erfahren wir, verhandelt den Gegensatz zwischen einem vermeintlichen amerikanischen Zwang zum Glücklichsein - dem notfalls mit einer Handvoll Pillen nachgeholfen wird - und einer kreativen Melancholie, in der er eine Vielzahl von Künstlern verortet. Diese Dichotomie findet der Rezensent ziemlich konstruiert und auch Wilsons Schilderungen von Amerikas Suburbia mit ihrer Auflage zum "stereotypen Glücklichsein" erscheinen ihm wenig originell. Immerhin attestiert Horst dem Autor eine "wunderbare fließende Prosa", die allerdings nur im englischen Original richtig zur Geltung komme. Einen freundlichen Gruß sendet der Rezensent überdies an die Marketingabteilung des Verlags, mit dem Hinweis, die vermarkteten Bücher doch auch mal zu lesen - der Untertitel, so Horst, sei nämlich komplett falsch gewählt, da keineswegs nur von fröhlichen Amerikanern und melancholischen Europäern die Rede sei. Es sei denn, man möchte Abraham Lincoln oder Bruce Springsteen ihre amerikanische Staatsbürgerschaft absprechen.

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