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Larry Siedentop, Universitätsdozent für "Politische Ideengeschichte" in Oxford, wagt einen Neuanfang: Ausgangspunkt seiner Betrachtung ist der heftige, aber höchst wichtige Meinungsaustausch, der der Schaffung einer Bundesregierung in den USA voranging. Was können wir von den Vereinigten Staaten von Amerika lernen, was dürfen wir von einem Vereinigten Europa erwarten und was haben wir zu befürchten? Eingehend prüft der Autor, ob ein repräsentatives Regierungssystem angesichts der gewaltigen Landmasse und der kulturellen und politischen Vielfalt praktisch möglich ist. Besondere Aufmerksamkeit…mehr

Produktbeschreibung
Larry Siedentop, Universitätsdozent für "Politische Ideengeschichte" in Oxford, wagt einen Neuanfang: Ausgangspunkt seiner Betrachtung ist der heftige, aber höchst wichtige Meinungsaustausch, der der Schaffung einer Bundesregierung in den USA voranging. Was können wir von den Vereinigten Staaten von Amerika lernen, was dürfen wir von einem Vereinigten Europa erwarten und was haben wir zu befürchten? Eingehend prüft der Autor, ob ein repräsentatives Regierungssystem angesichts der gewaltigen Landmasse und der kulturellen und politischen Vielfalt praktisch möglich ist. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Gefährdung der regionalen und lokalen Selbstverwaltung sowie der persönlichen Freiheiten durch eine in weiter Ferne angesiedelten Machtzentrale. Schließlich analysiert Siedentop die großen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Geschult an den Reflexionen eines Montesquieu und de Tocqueville, wendet sich der weltweit beachtete Autor gegen eine einseitig ökonomische Ausrichtung der europäischen Integration: Nur eine Verfassung, die umfassend debattiert wird und die historische Vielfalt des Alten Kontinents bewahrt, kann auf allgemeine Zustimmung hoffen und ein Europa schaffen, das die Herausforderungen der Zukunft besteht.
Europa hat eine gemeinsame Währung, seine politisch-kulturelle Einheit steht noch aus. Scharfsinng, elegant und provokativ eröffnet Larry Siedentop die längst überfällige Verfassungsdiskussion und spitzt sie auf die entscheidende Demokratiefrage zu.
Autorenporträt
Larry Siedentop, geboren 1936, war Inhaber des ersten Lehrstuhls für intellektuelle Geschichte in Großbritannien an der Universität von Sussex. Von dort wechselte er an die Universität Oxford, wo er politische Philosophie und Ideengeschichte am Keble-College lehrte.
Rezensionen
Der weite Weg zu einem politisch geeinten Europa
Der Euro war ein Anfang. Mit der Einführung einer einheitlichen Währung rückte Europa in wirtschaftlicher Hinsicht ein Stück näher zusammen. Nun gilt es, so Larry Siedentop, der ökonomischen Einigung auch die politische folgen zu lassen. Wie dieser Prozess vonstatten gehen könnte, versucht der amerikanische Politikwissenschaftler in seinem umfangreichen Werk Demokratie in Europa auszuloten.
Berühmte Vorbilder
Über die Demokratie in Amerika hatte der französische Schriftsteller und Politiker de Tocqueville sein Buch genannt. Er war in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts in den USA unterwegs und beschrieb die amerikanische Gesellschaft als Modell für die Demokratie. Larry Siedentop, der Amerikaner, blickt nun nach Europa und wirft die Frage auf, was die Europäer von den Amerikanern lernen können. Dazu bedarf es zunächst einer genauen Analyse. Siedentop macht einige Schwachpunkte im europäischen System aus. Er attestiert dem alten Kontinent eine überbordende Bürokratie, Stichwort Brüssel, eine unverhältnismäßig stark ausgestattete Exekutive und eine mangelnde politische Legitimation. Auf dem Weg zur politischen Einheit müssen, so Siedentops These, zum einen diese Mängel ausgeräumt werden, und zum anderen bedarf es einer weitreichenden, nationenübergreifenden Debatte. Denn "nur durch solch eine öffentliche Erörterung können die Völker Europas wieder Anteil an ihrem eigenen Schicksal erlangen".
Das Europa der Zukunft ist noch ungewiss.
Angesichts der kulturellen und auch politischen Vielfalt scheint ein repräsentatives Regierungssystem alles andere als einfach umsetzbar. Siedentop analysiert jedoch nicht nur die Schwierigkeiten, sondern sieht auch die Chancen. Er nimmt den Leser mit auf die Reise durch einen vielfältig geprägten Kontinent, dessen Zukunft in einer gemeinsam gestalteten Politik liegt.
(Eva Hepper, literaturtest.de)
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.01.2003

Europa sucht seine Verfassung
Die erweiterte Europäische Union muss sich eine solide demokratische Grundlage geben
LARRY SIEDENTOP: Demokratie in Europa, Klett-Cotta, Stuttgart 2002. 366 Seiten, 25 Euro.
Schön war’s im alten Amerika. Im Sommer 1787 trafen sich in Philadelphia die 50 klügsten Männer des Landes, hielten demokratietheoretisch wertvolle Debatten ab und produzierten einen Verfassungsentwurf, auf dem bis heute die mächtigste Demokratie der Welt fußt. Der Franzose Alexis de Tocqueville reiste knapp ein halbes Jahrhundert später durch die USA und schrieb dann sein epochales Werk „Über die Demokratie in Amerika”. Heute tagen wiederum weise Frauen und Männer – diesmal im europäischen Verfassungskonvent. Sie versuchen sich an einem Verfassungsentwurf, der wenigstens den darauf folgenden EU-Gipfel überdauern soll.
Das Buch zum Konvent ist auf Englisch bereits vor zwei Jahren erschienen. Damals hatte es Aufsehen erregt – schon wegen des anmaßenden Titels „Demokratie in Europa”. Wer so einen Titel wählt, dachte man, müsse Amerikaner sein, oder sich mindestens 30 Jahre lang an der Universität Oxford mit politischer Theorie beschäftigt haben. Larry Siedentop vereint beides und will mit seinem Buch nicht weniger, als eine große politische Debatte anstoßen.
Diese Debatte wird nun im Konvent geführt. Und den Abgeordneten bliebe während der zahlreichen Reden eigentlich viel Zeit, unter der Bank heimlich das Werk Siedentops zu lesen. Denn das Buch würde hervorragend auf eine Diskussion vorbereiten, die sich an den großen Vorbildern des amerikanischen Verfassungskovents messen lassen könnte. So setzt Siedentop beim Demokratiebegriff selbst an und durchleuchtet die politischen Systeme Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands auf ihre Tauglichkeit als Vorbild für Europa. In Großbritannien fehlt ihm dabei die geschriebene Verfassung. Frankreich wird als etatistische, von Beamten regierte Nation beschrieben. Deutschlands föderale Ordnung, so der Autor, kranke an mangelnder Effizienz und Handlungsfähigkeit.
Zur Absicherung der Demokratie favorisiert Siedentop eine dezentralisierte, in einer geschriebenen Verfassung verankerte föderale Ordnung – was in Großbritannien wahrscheinlich provozieren würde, dem deutschen Leser aber selbstverständlich erscheint. Das Selbstverständliche ist ja gerade das, was man selbst nicht mehr wahrnimmt. Daher fällt es Europa so schwer, in den Spiegel zu schauen. Nicht Pluralismus und Toleranz seien die grundlegenden Prinzipien der europäischen Demokratie, schreibt Siedentop, sondern Gleichheit und Freiheit des Individuums, die einerseits Werte wie den Pluralismus hervorbrächten, ihm aber andererseits auch Grenzen setzten. Siedentop findet von seinen demokratietheoretischen Idealen nicht allzu viel im EU-Europa: Schuld seien die Franzosen, so seine überspitzte Analyse. Diese hätten eine EU nach ihrem Bilde geformt: dirigistisch gesteuert von einer Beamten-Elite, die sich wenig darum schert, ob die Bevölkerung ihre Politik gutheißt.
Dabei hätten die Franzosen ihr gaullistisches Konzept eines „Europe des nations” gegen das eines Zentralstaates eingetauscht – aus Angst, die wiedervereinigten Deutschen wären in der alten Europäischen Gemeinschaft nicht stark genug eingebunden. Auch diese Analyse geht ein wenig über die historischen Tatsachen hinaus, hat aber Erklärungskraft für viele Phänomene in Brüssel. Letztlich aber vermisst Larry Siedentop in Europa die Madisons und Hamiltons und fordert die Entwicklung einer neuen politischen Klasse, die es mit den alten Vorbildern in Philadelphia aufnehmen könnte. Hierfür veranschlagt er „Jahrzehnte oder Generationen”. So viel Zeit haben Valéry Giscard d’Estaing und seine Kollegen freilich nicht.
MICHAEL BRÜGGEMANN
Der Rezensent ist Politikwissenschaftler und Journalist in Berlin.
Europa lebt, auch wenn ein Verfassungstext auf sich warten lässt: deutsch-polnische Verständigung in Frankfurt an der Oder. Foto: ddp
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Seit 1999 wird in den europäischen Institutionen und seit gut zwei Jahren in einem Verfassungskonvent über eine Verfassung für die Europäische Union debattiert. Der liberale Politikwissenschaftler Larry Siedentop aus Oxford prüft in seinem Buch "Demokratie in Europa" die politischen Systeme Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands auf ihre "Tauglichkeit als Vorbild für Europa". Deutschland zum Beispiel mit seiner föderalen Ordnung und daraus resultierenden "mangelnden Effizienz" ist kein Vorbild, referiert Rezensent Michael Brüggemann die Ansicht des Autors. Siedentop setze sich für eine "dezentralisierte Verfassung" ein, die auf einer föderalen Ordnung beruhen solle. Für ihn seien Ideale wie Gleichheit und Freiheit des Einzelnen wichtig, die Grundvoraussetzungen des Pluralismus. Diese Ideale findet Siedentop in der EU jedoch nicht, erklärt der Rezensent, schuld daran sei für den Autor der Einfluss der zentralistisch gesinnten französischen Beamten auf die Elite in den europäischen Institutionen. Für Brüggemann hat das Buch "Erklärungskraft für viele Phänomene in Brüssel" und ist nicht nur für die Abgeordneten ein hervorragendes Buch um Diskussionen nach dem Vorbild des amerikanischen Verfassungskonvents führen zu können.

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