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Nicht der Staub auf dem Buchrücken entscheidet über die Aktualität eines Klassikers, sondern die Frage, ob wir uns mit unseren Nöten und Sorgen darin wiederfinden. Ausgehend von den großen Themen wie Liebe, Nationalismus, Armut bis zu tagesaktuellen Problemen liest Gert Ueding die Klassiker gegen den Strich: ein vergnüglicher und den Horizont erweiternder Streifzug durch das unermessliche Reich der Literatur.
Um die Vielfalt menschlicher Beziehungen geht es dabei genauso wie um Wege aus dem Labyrinth von Zwangslagen, wenn wir mit Natur oder Staat in Konflikt geraten. Das Glück streift er
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Produktbeschreibung
Nicht der Staub auf dem Buchrücken entscheidet über die Aktualität eines Klassikers, sondern die Frage, ob wir uns mit unseren Nöten und Sorgen darin wiederfinden. Ausgehend von den großen Themen wie Liebe, Nationalismus, Armut bis zu tagesaktuellen Problemen liest Gert Ueding die Klassiker gegen den Strich: ein vergnüglicher und den Horizont erweiternder Streifzug durch das unermessliche Reich der Literatur.

Um die Vielfalt menschlicher Beziehungen geht es dabei genauso wie um Wege aus dem Labyrinth von Zwangslagen, wenn wir mit Natur oder Staat in Konflikt geraten. Das Glück streift er genauso wie das Böse und folgt den Spuren nationaler Eigenheiten. Gert Ueding fördert dabei Vergessenes zutage, erhellt Bekanntes und stellt aufregende Zusammenhänge her. Aufregend, weil sie mit unserem Leben zu tun haben. Getreu dem Motto: nicht alles, was man lesen muss, sondern, alles, was zu lesen lohnt.
Autorenporträt
Gert Ueding, 1942 in Schlesien geboren und im Rheinland aufgewachsen, studierte in Köln und Tübingen und wurde 1968 wissenschaftlicher Mitarbeiter Ernst Blochs. 1974 wurde er Professor in Oldenburg und kehrte 1983 nach Tübingen zurück. Seit 1988 ist er Direktor des Seminars für Rhetorik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.10.2007

Alle noch da?
Gert Ueding empfängt in der guten Stube der Klassik
   Zum Klassischen gehört auch, dass kein Thema ihm fremd bleibt. Das genau macht den Begriff  des Klassischen aus, der hinter diesem Buch steht. Klimaerwärmung? Natürlich, mörderische Hitze: Seit Phaeton bei Ovid mit dem Sonnenwagen furchtbar verunglückte, versengt die Sonne noch in Theodor Storms „Regentrude” alles Getier auf dem Felde, fällt Max Frischs „Homo Faber” durch die Gluthitze aus seiner kühlen Rationalität, glüht in Albert Camus’ „Der Fremde” das Unmenschliche sich in die Menschenexistenz ein.
Oder Umbau des Leibs, chirurgisch, genetisch? Wieder Ovid, aber auch die Hexenküche aus „Faust I”, die dampfenden Kessel aus der Gralssage, die Zuchtpaarung in Tommaso Campanellas „Sonnenstaat”, das wunderwirkende Klima in Bacons „Nova Atlantis”, Huckleberry Finns Methode bei Mark Twain, sich von hässlichen Warzen zu befreien. Und kranke Staatsbürger? Kampflustige Frauen? Angst über den Städten? Europa als literarische Vision? Alles schon gehabt, zumindest vorformuliert, nichts Neues in unserer so neuen Welt – lautet der Befund aus dem Zettelkasten des Rhetorikprofessors Gert Ueding aus Tübingen.
   Zum Glück wird im Buch gerade dieser Befund nicht explizit ausformuliert. Der Autor liefert keinen Diskurs über die „Gegenwart unserer Klassiker”, sondern ein Exempel dazu, über vier Dutzend thematische Kapitel hinweg: einen literarischen Kalender, wie Ueding selbst schreibt, dem Hundertjährigen Kalender gleich, „der unsere Tage in ihrer Konstellation mit allen anderen Tagen der Literatur zeigt”. Nur eine kurze Einleitung unter dem augenzwinkernden Titel „Wir sind alle noch hier” steckt den theoretischen Rahmen des Themas Klassik ab.
   Die paradoxe Situation, dass Klassiker Konjunktur haben in Editionen und Verfilmungen, dass gleichzeitig aber das notwendige Wissen für deren Verständnis bei einer breiten Leserschaft rapide verschwindet, steht im Ausgang des Gedanken- und Zitatebouquets. Haben wir – brauchen wir noch einen literarischen Kanon? Als typische Verschränkung von bürgerlicher Bildung und Besitz im Sinne des 19. Jahrhunderts ist es damit wohl endgültig vorbei, gibt Ueding zu. Als Sedimentierungsgefäß aber für Themen, Stoffe, Bilder im Sprachmedium sei der Kanon unverzichtbar, wenn Kultur nicht individuell verkrusten oder im Standard verflachen soll. Die Literatur „schafft” Sprachfiguren und damit die ideologische Basis von Gesellschaft, während alle anderen Organe wie Massenmedien, Parlamente, Bildungsinstitutionen Sprache „vernutzen”. Was der Autor in die gute Stube der Klassik hereinlässt, sind also bei weitem nicht nur die hohen Herrschaften, sondern alles, was zur Fixierung von Welterfahrung beigetragen hat, auch das tapfere Schneiderlein, Winnetou, der Graf von Monte Christo, Karl Valentin, Jules Verne, Wilhelm Busch.
   Ein solcher Klassikerspiegel zur Vertiefung unserer unmittelbaren Alltagsexistenz ist nur in unserem jeweiligen Privatgebrauch ergiebig. Jeder blättere also durch die Kapitel nach eigenem Bedarf. Unerwartetes wird er vorfinden und anderes vermissen. Denkt man heute etwa an Europa in der europamüden Nacht, wird einen nicht mehr unbedingt der Ausspruch des im Sterben liegenden Verlegers Samuel Fischer um den Schlaf bringen, von dem Thomas Mann in seinem Nachruf berichtete. „Kein Europäer”, soll Samuel Fischer kopfschüttelnd über einen gemeinsamen Bekannten geseufzt haben: Von großen humanen Ideen verstehe er nichts.
Das emphatische Europa-Bewusstsein, das in Hofmannsthals heute beinah obszön anmutendem Satz nachklingt, wo ein großer Gedanke gedacht werde, sei Europa, ist – so Ueding – nur noch spiegelbildlich als Widerstandspotential gegen ein barbarisch ausgeartetes Europa verständlich. Welche literarischen Assoziationen weckt der Name Europa denn heute? – fragt er. Kastilische Abgeschiedenheit in Handkes „Versuch über die Jukebox”, ein „Gehäuse” in Brigitte Kronauers Erstlingsroman, Ortlosigkeit zwischen New York, Berlin, Venedig bei Judith Hermann, das scharfe Dilemma „Brüssel oder Europa – eins von beiden” bei Enzensberger.
Frauen in Waffen
   Viele der thematischen Kurzkapitel mit ausgiebigen Zitaten, beigestellter Bibliographie und oft mit passendem Motto versehen sind anregend, mitunter auch lehrreich. Wie parallel das mitteleuropäische Türkentrauma durch den osmanischen Vormarsch im siebzehnten Jahrhundert mit der französischen Türkenmode bei Molière, Racine, Rameau einherging, muss einem erst klar werden, damit man die Reaktionen heute auf einen türkischen EU-Beitritt besser begreift. Auch beim Thema Folter wird unter der Kapitelüberschrift „Die Pest der Epoche” stringent dargelegt, wie die Sache dank der europäischen Aufklärung zwar aus dem Recht, bei weitem aber nicht aus der Wirklichkeit verschwand.
Die von Jean Améry analysierte „Verfleischlichung des Menschen” durch industriell produzierten Schmerz in den Nazi-Lagern wie die Herabminderung der Person zum bloß noch schreienden Tier, von der Sartre anlässlich des Algerienkriegs spricht, haben ihre Ausläufer, nur dass man die Schreie in den ausgelagerten oder klinisch abgedichteten Folterzentren unserer Gegenwart nicht mehr so hört. Das Buch setzt Gravierendes und Kurzweiliges zueinander ins Verhältnis, in den Proportionen klassisch distanzierter Ausgewogenheit.
Dieses Konzept erschöpft sich aber mitunter gerade dort, wo eigentlich seine Stärke liegt. Manche Ausführungen und Zitatassoziationen sind so lose geknüpft, dass unsere Aufmerksamkeit durch sie hindurchfällt und nach der Lektüre nichts hängen bleibt. Ebenso wichtig wie die Belesenheit und die Kunst der eleganten Übergänge ist bei einem solchen Unternehmen die zuspitzende Formulierung, die gewagte Behauptung, die überspannte Zeichnung. Ewas mehr aphoristischer Geist, der die Zitate auch gegeneinanderstoßen und nicht nur anständig in Position gehen lässt, hätte dem Buch gut getan. Das Phänomen der Ästhetisierung des Kriegs etwa, wie es aus Ernst Jüngers „Strahlungen” in die über Flauberts „Salammbô”, Tolstois „Krieg und Frieden”, Felix Dahns „Kampf um Rom” entfalteten Texte eindringt, hätte gedanklich straffer, spitzer, schärfer reflektiert werden können. Beim Kapitel „Frau in Waffen” staunt man, dass von Judith, der Mörderin des Holophernes, keine Spur zur geheimen Schwester Lukrezia, der bewaffneten Selbstmörderin, führt, obwohl die Verbindung vom Maler Cranach bis zum Schriftsteller Michel Leiris thematisiert wurde. So macht das Buch manchmal mehr Freude beim Wiederlesen als beim Lesen, wie es sich für Klassiker gehört. Befremden und Überraschung werden dann zum Perspektivenreichtum veredelt. Der ideale Platz dieses Bandes in einer Privatbibliothek ist also der, wo die Nachschlagewerke aufhören und die Anthologien anfangen. JOSEPH HANIMANN
GERT UEDING: Abenteuer im Wirklichen oder Die Gegenwart unserer Klassiker. Klett-Cotta, Stuttgart, 2007. 327 Seiten, 21,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.10.2007

Nach Arkadien

Bewundern wir die Italiener nun, oder schauen wir missbilligend auf sie hinab? Und wie wirken wir aus der südlichen Perspektive? Eine eindeutige Antwort ist noch nicht gefunden. Für den persönlichen Lesespaß genügt es, die Ansichten von Schriftstellern wie Machiavelli, Goethe und Bachmann zusammenzutragen, um zu interessanten und amüsanten Erkenntnissen zu gelangen. Gert Ueding hat dies mit großer Akribie getan. Ob Brandstiftung, Königsmord oder die morgenländische Exotik: Ueding ordnet den literarischen Kosmos thematisch und bietet einen außergewöhnlichen Blick auf die Inhalte unserer eigentlich so bekannten Klassiker. (Gert Ueding: "Abenteuer im Wirklichen oder Die Gegenwart unserer Klassiker". Klett-Cotta, Stuttgart 2007. 326 S., geb., 21,50 [Euro].) kito

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gefühlsmäßig verortet Rezensent Joseph Hanimann dieses Buch zwischen Nachschlagewerk und Anthologie. Die von Gert Ueding aus dem Zettelkasten gezauberte Themenvielfalt, die Hanimann jede Menge Bezüge zur Gegenwart ermöglicht und, so staunt er, auch Winnetou und Karl Valentin in den Klassiker-Olymp zu heben imstande ist, gefällt dem Rezensenten nicht schlecht. Das fordert zum Schmökern auf, meint er, ohne in Abrede zu stellen, dass es dank Zitaten und Bibliografie auch "lehrreich" ist. Wenn "Gravierendes und Kurzweiliges" so ausgewogen wie hier gegeneinander gesetzt werden, fürchtet Hanimann allerdings ein bisschen um seine Aufmerksamkeit. Mehr gedankliche Schärfe und Zuspitzung hätte dem entgegengewirkt, meint er.

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