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Schmitt avancierte darüber zum »Kronjuristen des Dritten Reiches«, der 1936 allerdings kaltgestellt wurde. Jünger wahrte Distanz gegenüber den Nazis und wurde zum kritischen Beobachter und Chronisten der deutschen Verfehlung. Nach 1945 mußte sich Schmitt mit einem glanzlosen Dasein in provinzieller Abgeschiedenheit begnügen, während Jünger zu einem vielbeachteten, wenn auch vielfach angefeindeten Autor aufsteigen konnte. Gleichwohl hielten Jünger und Schmitt über all diese Jahre hinweg Kontakt und reflektierten ihr Verhalten während dieser verwerfungsreichen Zeit in einem kontinuierlich…mehr

Produktbeschreibung
Schmitt avancierte darüber zum »Kronjuristen des Dritten Reiches«, der 1936 allerdings kaltgestellt wurde. Jünger wahrte Distanz gegenüber den Nazis und wurde zum kritischen Beobachter und Chronisten der deutschen Verfehlung. Nach 1945 mußte sich Schmitt mit einem glanzlosen Dasein in provinzieller Abgeschiedenheit begnügen, während Jünger zu einem vielbeachteten, wenn auch vielfach angefeindeten Autor aufsteigen konnte. Gleichwohl hielten Jünger und Schmitt über all diese Jahre hinweg Kontakt und reflektierten ihr Verhalten während dieser verwerfungsreichen Zeit in einem kontinuierlich geführten Briefwechsel, der größtenteils erhalten ist und hier einschränkungslos wiedergegeben wird: über 400 Briefe, bemerkenswert nicht nur als Quelle biographischer und werkgeschichtlicher Informationen, sondern auch als Dokumente eines Versuchs, die Tragik der eigenen Geschichte durch Bezugnahme auf mythologische, literarische und historische Existenzmuster zu verstehen und aushaltbar zu machen.
Autorenporträt
Ernst Jünger, am 29. März 1895 in Heidelberg geboren. 1901-1912 Schüler in Hannover, Schwarzenberg, Braunschweig u. a. 1913 Flucht in die Fremdenlegion, nach sechs Wochen auf Intervention des Vaters entlassen 1914-1918 Kriegsfreiwilliger 1918 Verleihung des Ordens »Pour le Mérite«. 1919-1923 Dienst in der Reichswehr. Veröffentlichung seines Erstlings »In Stahlgewittern«. Studium in Leipzig, 1927 Übersiedlung nach Berlin. Mitarbeit an politischen und literarischen Zeitschriften. 1936-1938 Reisen nach Brasilien und Marokko. »Afrikanische Spiele« und »Das Abenteuerliche Herz«. Übersiedlung nach Überlingen. 1939-1941 im Stab des Militärbefehlshabers Frankreich. 1944 Rückkehr Jüngers aus Paris nach Kirchhorst. 1946-1947 »Der Friede«. 1950 Übersiedlung nach Wilflingen. 1965 Abschluß der zehnbändigen »Werke«. 1966-1981 Reisen. Schiller-Gedächtnispreis. 1982 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main.1988 Mit Bundeskanzler Kohl bei den Feierlichkeiten des 25. Jahrestags des Deutsch-Französisch

en Vertrags. 1993 Mitterrand und Kohl in Wilflingen. 1998 Ernst Jünger stirbt in Riedlingen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2008

Eine andere Disziplin
Keine Brieffreundschaft: Martin Heidegger und Ernst Jünger
Die Herren hatten sich wenig zu sagen. Der Abdruck ihrer Briefe aus fünfundzwanzig Jahren füllt nicht einmal neunzig Seiten. Zusammengebracht hatte sie überhaupt nur ein Verleger, der sie für ein Projekt zu gewinnen suchte, aus dem dann nichts wurde. Fortan ließen sie den Kontakt nie abreißen, aber es wurde keine Brieffreundschaft von Gleich zu Gleich daraus. Martin Heidegger und Ernst Jünger sahen sich nach 1945 in mancherlei Hinsicht in ähnlicher Rolle. An der projektierten Zeitschrift wollte Heidegger nicht mitarbeiten, weil er, wie er Juni 1949 an Jünger schrieb, der „inzwischen schlauer gewordenen Rachsucht nicht das Letzte zum Fraß vorwerfen” wollte, die „Diktatur der Öffentlichkeit” lasse sich „innerhalb ihrer selbst nicht brechen”. Der soldatisch geprägte Schriftsteller antwortet: „Ihre Lagebeurteilung trifft wohl das Richtige.”
Dennoch gedachte der Philosoph nicht, sich des längeren bei der Lagerbeurteilung aufzuhalten. Wie Jüngers Freund Carl Schmitt im sauerländischen Plettenberg vergrämt konstatierte, betrieb Martin Heidegger sorgfältig sein Comeback, ebenso tat es Gottfried Benn und bald auch Ernst Jünger. Von der weltberühmten Viererbande, die im besetzten Deutschland zunächst Publikationsverbot hatte, war nur Jünger nicht auf Hitler hereingefallen. Er hatte den anderen voraus gehabt, dass er die Nationalsozialisten kannte, bevor sie zur Macht kamen. Dieser Vorzug verschaffte ihm jetzt gegenüber den durchaus von ihm als überlegen empfundenen Geistesgrößen die Chance frischer Unbekümmertheit. Er wirkt da wie d’Artagnan in der Gesellschaft der drei Musketiere Arthos, Portos und Aramis.
Kumpanei und Contenance
Heideggers freundlichkeitsgetränkte Zurückhaltung gerade auch dann, wenn Jünger vermeintlich gemeinsame Ressentiments aktivieren will – so wiederholt mit Abfälligem über Karl Jaspers – ist nun aber doch verwunderlich. Der Philosoph hatte sich fast die ganzen dreißiger Jahre hindurch intensiv mit Jüngers Buch „Der Arbeiter” beschäftigt, seine Aufzeichnungen dazu füllen einen stattlichen Band in der Werkausgabe. In dieser Zeit hatten beide eine Zeit lang nah beieinander gelebt: Jünger in Überlingen, Heidegger in Freiburg beziehungsweise Messkirch. Aber offensichtlich hatten sie keine Lust, einander kennenzulernen.
Äußerlich änderte sich das nun im Zuge ihres Bemühens, im geistigen Leben der Zeit wieder Fuß zu fassen, innerlich führte das nicht weit. Benn, Schmitt, Heidegger und Jünger betrieben mit Fleiß die weltgeschichtliche Überhöhung des Jahres 1933 als eines entscheidenden Augenblicks deutscher Geschichte: Je größer der Eindruck des Augenblicks, umso verzeihlicher ihr Irrtum bei der Deutung desselben. Ernst Jünger, der das nicht gemusst hätte, spielt da mit, wenn er im Sommer 1966 an einen französischen Briefpartner schreibt (eine Kopie geht an Heidegger), er schätze den Philosophen „nicht nur seines Werkes wegen, sondern auch deshalb, weil er sich politisch exponiert hat, während es billiger gewesen wäre, das nicht zu tun.” Da war aber in Deutschland auch schon die Studentenbewegung unterwegs, und die Herren ahnten wohl, dass es jetzt wirklich eng für sie werden könnte.
Heidegger hatte an Jünger eigentlich nur „Der Arbeiter” interessiert. Das kommt besonders krass in dem Brief aus dem August 1968 zum Ausdruck, in dem er das ihm zugesandte Buch „Subtile Jagden” das nächst dem „Arbeiter” „am besten geglückte Buch” nennt, „das Sie je geschrieben haben”. Bis dahin hatte Ernst Jünger immerhin die „Marmorklippen” und die „Strahlungen” veröffentlicht. Aber Martin Heidegger, der zu jener Zeit seine Freundschaft mit René Char pflegte, war belletristisch wohl Besseres gewohnt.
So ist dieser Briefwechsel zwischen ungleichen Partnern, von denen der jüngere, Jünger, cochon et frère spielen will, während der ältere Contenance und Liebenswürdigkeit strapaziert, nicht frei von komischen und tragikomischen Stücken. Jünger bittet Heidegger um Hilfe bei der Übertragung einer Stelle im Rivarol. Heidegger sendet ihm ein Opusculum, in dem er beginnend mit Aristoteles heideggert, wie es der genialste Parodist nicht schöner könnte. Die Briefe wechselten selten flugs hin und her. So kommt es, dass wie in einem Vaudeville auf das Kondolenzschreiben Heideggers zum Tod von Jüngers erster Frau Gretha der Glückwunsch zu Jüngers Verheiratung mit dessen zweiter Frau Liselotte folgt.
Besonders deutlich wird die Distanz, die Heidegger zu wahren suchte, als der Schriftsteller ihm 1973 sein Jungensbuch „Die Zwille” zuschickt. Heidegger bedankt sich, verweist auf seine Zeit vor siebzig Jahren in einem erzbischöflichen Knabenkonvikt, zuerst in Konstanz, dann in Freiburg: da habe es eine „andere Struktur und Disziplin” gegeben als in Jüngers „Pension”. Hier hätte sich, auf den Ton Jünger’scher Briefe eingehend, Gelegenheit ergeben zu erzählen, wie das damals war. Auch Konviktschüler besuchten das staatliche Gymnasium. Die Aufsicht, unter der sie standen, war kaum streng zu nennen. Heidegger, der damals schon einem seiner Lebensthemen frönte, dem Angenehmen im Umgang mit dem anderen Geschlecht, musste Konstanz verlassen, weil besorgte Eltern sich über seine Beziehungen zu ihren gleichaltrigen Töchtern beschwerten. Schmitt flog aus dem Konvikt, weil er die falschen Bücher las. Das war Sünde wider den Geist. Heidegger wurde nach Freiburg verbracht, weil die heilige Mutter Kirche wegen einer Sünde wider das Fleisch auf einen Hochbegabten nicht verzichten wollte.
Das als „Briefwechsel” etikettierte Buch aus zwei Verlagen wird dadurch auf Länge gebracht, dass die gegenseitigen Festschriftbeiträge „Über die Linie” und „Zur Seinsfrage” sowie „Federbälle” nochmals zum Abdruck gelangen. Der wie reichlich daherkommende Kommentar ist leider etwas schlampig. So wird zu „Herrn Barth”, der im Brief nicht unbedeutend erscheint, angemerkt: „Jurist, Lebensdaten nicht ermittelt”. Im soeben erschienenen Briefwechsel Carl Schmitts mit seinem Schüler Ernst Forsthoff liest man im Kommentar: „Heinrich Barth (1914-1997), Rechtsanwalt und Notar, 1954-1960 Bevollmächtigter der Freien Hansestadt Bremen beim Bund, 1960-1963 persönlicher Referent des Bundeskanzlers Adenauer, 1963-1969 Staatssekretär im Bundesministerium für Familie und Jugend.” Für das, woran gegenwärtig mit viel Bohei erinnert wird, aber nicht nur dafür, ist eine solche Mitteilung erhellend. JÜRGEN BUSCHE
ERNST JÜNGER, MARTIN HEIDEGGER: Briefwechsel. Unter Mitarbeit von Simone Maier herausgegeben von Günter Figal. Klett-Cotta Verlag und Vittorio Klostermann Verlag, Stuttgart 2008. 317 Seiten, 29,50 Euro.
Martin Heidegger, Jahrgang 1889. Foto: dpa
Ernst Jünger, Jahr- gang 1895. Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Spärlich scheint Jürgen Busche der nun vorliegende Briefwechsel zwischen Martin Heidegger und Ernst Jünger. Der Abdruck ihrer Briefe aus fünfundzwanzig Jahren fülle nicht einmal neunzig Seiten. Der Rest des vorliegenden Bands besteht nach Auskunft Busches aus den Festschriftbeiträgen "Über die Linie", "Zur Seinsfrage" und "Federbälle" sowie einem umfangreichen Kommentar, der zu seinem Bedauern allerdings "etwas schlampig" ausgefallen ist. Bei der Lektüre gewinnt er den Eindruck, dass der Philosoph und der Schriftsteller sich eigentlich nicht viel zu sagen hatten. Von einer echten Brieffreundschaft will er nicht reden. Er beschreibt den Briefwechsel als einen zwischen "ungleichen Partnern". Besonders bei Heidegger registriert er freundliche, aber deutliche Zurückhaltung und das Beharren auf Distanz. Einige unfreiwillig komische Momente findet Busche in dem Band auch: Da zwischen den einzelnen Briefen meist eine geraume Zeit vergeht, kommt es, dass Heideggers Kondolenzschreiben zum Tod von Jüngers erster Frau Gretha gleich der Glückwunsch zu Jüngers Verheiratung mit dessen zweiter Frau Liselotte folgt.

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