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Colin McGinn ist überzeugt, dass es neben diesen Problemen eine "Lücke" gibt, die man philosophisch noch nicht ausreichend erkundet hat. Dies verdeutlicht er an Gleichnissen oder Erzählungen, um die ethischen Gebote zu schildern und zu erläutern. Man kann natürlich auch die Zehn Gebote notieren und auswendig lernen lassen. Das hat nur den Nachteil, dass sie so spannend wie die Gebrauchsanleitung für eine Waschmaschine sind. Die Ethik der Gebote oder "Gebrauchsanleitung" ist abstrakt, allgemein, verbindlich und widerspruchsfrei. Die Ethik der Gleichnisse oder Erzählungen hingegen voller Bilder,…mehr

Produktbeschreibung
Colin McGinn ist überzeugt, dass es neben diesen Problemen eine "Lücke" gibt, die man philosophisch noch nicht ausreichend erkundet hat. Dies verdeutlicht er an Gleichnissen oder Erzählungen, um die ethischen Gebote zu schildern und zu erläutern. Man kann natürlich auch die Zehn Gebote notieren und auswendig lernen lassen. Das hat nur den Nachteil, dass sie so spannend wie die Gebrauchsanleitung für eine Waschmaschine sind.
Die Ethik der Gebote oder "Gebrauchsanleitung" ist abstrakt, allgemein, verbindlich und widerspruchsfrei. Die Ethik der Gleichnisse oder Erzählungen hingegen voller Bilder, Vergleiche, sie ist lebendig, widersprüchlich, literarisch, metaphorisch. Ihre Sätze haben vor allem nie nur eine Bedeutung. Genau auf diese Art vermitteln Romanautoren und Filmemacher ethische Fragen, ohne sie im voraus zu entscheiden. Sie erzählen eine besondere Geschichte über ein allgemeines, ethisches Problem.
McGinn prüft, welche besonderen ethischen Erkenntnisse wir aus der Litera tur, der Kunst, dem Ästhetischen gewinnen können. Neben der Bestimmung wird auch der Zusammenhang von Gutem, Bösem und Schönem untersucht, am Beispiel der Welt des Hässlichen und Monströsen. Finden wir "Frankenstein" faszinierend, weil wir uns stillschweigend mit ihm identifizieren? Ist das Monströse in uns angelegt? Versinnbildlicht es jenes Böse in uns? McGinn legt klar und anschaulich dar, wie sehr die Literatur oder das Ästhetische überhaupt unser Handeln unterbewusst bestimmt, weil keine umständlichen "Gebrauchsanleitungen" hergeleitet werden. Es wird geschildert, erzählt, und in einem Augenblick blitzt auf, was den "Technikern der Ethik" möglicherweise ein Leben lang verborgen bleibt.
Autorenporträt
Colin McGinn ist Professor für Philosophie und lehrt an der Rutgers University (USA). Darüber hinaus verfasst er häufig Beiträge unter anderem für die New York Times, Lingua Franca und The New Republic.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001

Moral als Fango-Packung
Also spricht Colin McGinn: "Du sollst nicht auswendig lernen!" und lehrt Gut und Böse ohne Gebote / Von Michael Pawlik

Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer, die wache Vernunft hingegen wirkt Taten der Güte. Allein das Gute ist nach klassischer philosophischer Überzeugung vernunftgemäß, und weil die Philosophie sich als die Wissenschaft vom Vernünftigen versteht, spricht sie weitaus lieber vom Guten als vom Bösen. Freilich ist den Philosophen nicht verborgen geblieben, daß Gut und Böse wie alle echten Feinde zugleich in einem prekären Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit voneinander stehen. Worin findet der Gütige die Bestätigung seiner Tugend, wenn nicht in dem Befund, daß seine Umwelt nicht so verfeinert ist wie er selbst, sondern täppisch, grobschlächtig, ja häufig monströs? Was wäre die Jungfrau ohne den Drachen, dem sie sich hinopfern kann? Das Böse mit der moralphilosophischen Tradition als ein rein defizitäres Phänomen, als einen Mangel an Gutem zu fassen wird seiner systematischen Gleichrangigkeit mit diesem ebensowenig gerecht wie seiner überwältigenden lebensweltlichen Präsenz. Auch die Monstren müssen endlich dem vollen Licht der philosophischen Aufklärung ausgesetzt werden. Dieser Aufgabe widmet sich Colin McGinn, Professor an der Rutgers University, in seinem neuesten Buch, dessen englischer Originaltitel "Ethics, Evil, and Fiction" die Fokussierung auf das Phänomen des Bösen noch deutlicher zum Ausdruck bringt als der deutsche Titel "Das Gute, das Böse und das Schöne".

In einer anderen Hinsicht ist allerdings der deutsche Titel der präzisere. Anders als man es von einem prominenten Vertreter der analytischen Philosophie erwarten würde, beschränkt McGinn sich nicht darauf, geradewegs vom Guten und Bösen zu reden. Vielmehr verknüpft er beide Begriffe mit einem der Ästhetik entlehnten Vokabular. Tugend, so erfährt der überraschte Leser an einer zentralen Stelle des Buches, fällt mit Schönheit der Seele zusammen und Laster mit Häßlichkeit der Seele. Diese definitorische Festsetzung befördert McGinn rasch in den Rang einer Theorie; er beansprucht, nichts Geringeres vorgelegt zu haben als die "Ästhetische Theorie der Tugend". In der Gleichsetzung von Tugend und Schönheit sowie von Laster und Häßlichkeit mag man eine metaphorische Umschreibung der genannten moralphilosophischen Grundbegriffe sehen: inhaltlich redundant, aber literarisch ansprechend. McGinns Ambitionen gehen allerdings erheblich weiter; nicht umsonst ernennt er Platon zum Stammvater seiner Konzeption. Der von ihm vorgenommenen Gleichsetzung kommt nach McGinn eine ontologische Qualität zu: Die tugendhafte Seele ist wirklich schön, die lasterhafte Seele wirklich häßlich.

Es gelingt McGinn jedoch nicht, den Begriffen der moralischen Schönheit und Häßlichkeit irgendeinen greifbaren Sinn beizulegen. Wie sollte dieser auch aussehen? Äußere Schönheit kann nicht gemeint sein; Quasimodo ist ein Ausbund an Häßlichkeit. Und innere Schönheit mögen Wellness-Farmen ihrer gestreßten Kundschaft anpreisen, wohlwissend, daß sie damit alles und nichts versprechen - aber ist die praktische Philosophie eine Fango-Packung? Auch McGinns Hinweis, daß wir uns häufig ästhetischer Begriffe bedienen, um damit moralische Werturteile zum Ausdruck zu bringen, vermag seine Sache nicht zu retten. Ist es eine ontologische Aussage, wenn ich sage, daß ich den intriganten Herrn Fachkollegen nicht riechen kann? McGinn arbeitet hier mit vagen Assoziationen, ohne auch nur in die Nähe einer derart anspruchsvollen Metaphysik zu gelangen, wie er sie vorlegen müßte, um seine ontologische These plausibel zu machen.

Im weiteren Verlauf seines Buches scheint McGinn Angst vor seiner eigenen Courage zu bekommen. Jedenfalls begnügt er sich nunmehr mit einer weitaus harmloseren methodologischen These. Er unterscheidet zwei Typen moralischer Texte. Der erste Typus, repräsentiert durch den Dekalog, sei durch einen "Gebotsstil" gekennzeichnet: Er weise knappe Regeln auf, die kaum einer subtilen Betrachtung oder gar der Interpretation bedürften. Der Hörer sei dazu angehalten, die betreffenden Vorschriften passiv in sich aufzunehmen und sodann ihnen entsprechend zu handeln. Es versteht sich fast von selbst, daß McGinn einen derart autoritativen Stil nicht gutheißt. Wie die Verknüpfung von "ethics" und "fiction" im englischen Titel seines Buches bereits befürchten ließ, bevorzugt McGinn statt dessen den "Gleichnisstil des moralischen Diskurses", die Einübung moralischer Kompetenz anhand der Interpretation literarischer Texte. Diese Art der Unterweisung habe - Lehrer aufgepaßt! - wesentliche Vorzüge: "Auswendiglernen ist nicht nötig; alles scheint ganz wie von selbst zu laufen. Dies ist die Art und Weise, in der unser moralisches Vermögen gerne arbeitet." Das Bild, das McGinn vom "Gebotsstil" entwirft, ist geradezu ins Groteske verzerrt. Jeder Jurastudent, der sich durch die vielfältigen Probleme des Diebstahls- tatbestandes gekämpft hat, wird darüber lachen, daß ein elementares moralisches Gebot wie der Satz "Du sollst nicht stehlen!" keine nennenswerten Interpretationsschwierigkeiten aufwerfe.

Aber auch davon abgesehen ist die Leistungsfähigkeit des narrativen Ansatzes begrenzt. Eine Erzählung kann sich nicht aus eigenen Kräften moralisch disziplinieren. Die Herausbildung eines stabilen Charakters - eine gerade auch nach McGinn zentrale moralische Forderung - kann mir nur dadurch gelingen, daß ich mich von der Verzauberung durch die jeweilige Einzelsituation frei mache und mein Leben, kantianisch gesprochen, unter verallgemeinerungsfähige Maximen stelle. Freilich können verschiedene Maximen bei der Anwendung auf konkrete Einzelfälle kollidieren. Um einen Begriff davon zu haben, wer ich bin, und mir selbst treu bleiben zu können, muß ich mich aber auch in derart heiklen Fällen allgemeiner Grundsätze bedienen.

Gleichgültig, ob ontologisch oder methodologisch verstanden - McGinns Verknüpfung von Ethik und Ästhetik kann nicht überzeugen. Wie steht es nun mit seiner Moralphilosophie als solcher? Ist es ihm wenigstens gelungen, der Monstergestalt des Bösen den ihm gebührenden Käfig im philosophischen Begriffszoo anzuweisen? Auch dies ist leider nicht der Fall. McGinn versteht das Böse in psychologisch-hedonistischer Manier. Einen bösen Charakter haben heiße, aus dem Leiden anderer Menschen Lust und aus der Lust anderer Menschen Leiden zu gewinnen. Der Sadist ist demnach die Inkarnation des Bösen. Die Rache fällt nach einem Beispiel McGinns ebenfalls unter die Kategorie des Bösen, obwohl in ihr, wie er einräumt, auch die Gerechtigkeit zum Zuge komme. Diese Einordnung mag man im Ergebnis noch hinnehmen. Aber wie verhält es sich mit der Strafe? Wie ist ein Richter zu beurteilen, der dem Angeklagten seine verdiente Strafe "gönnt"? Kant würde eine solche Haltung als Zeichen eines moralischen Charakters rühmen, McGinn müßte sie als böse verdammen. Die krasse Unplausibilität dieses Ergebnisses zeigt, daß man den Bedeutungsgehalt von Gut und Böse nicht anhand der Kategorien von Lust und Leiden, sondern nur anhand strikt normativer Begriffe zu fassen bekommt. Gerechtigkeit und Güte, Achtung und Wohltun sind die Vokabeln, aus denen die Ethik zwischenmenschlichen Verhaltens zu entwickeln ist.

Selbst wenn man McGinns überaus problematische Prämisse akzeptiert, daß zur angeborenen Ausstattung des Menschen auch gewisse Vorstellungen über den angemessenen Umgang mit anderen Menschen gehörten, bleibt doch die entscheidende Frage offen, inwieweit diese Vorstellungen sich mit dem Ehrentitel der Moral schmücken dürfen. Jedes Elternpaar kann bestätigen, daß ein beträchtlicher Teil der Erziehungsarbeit darauf entfällt, dem Kind zahlreiche seiner ursprünglichen Verhaltensweisen abzugewöhnen. Die Fähigkeit, danke zu sagen, ist eine höchst voraussetzungsreiche zivilisatorische Errungenschaft. Das Buch McGinns gibt allerdings keinen Anlaß dazu.

Colin McGinn: "Das Gute, das Böse und das Schöne". Über moderne Ethik. Aus dem Englischen von Joachim Schulte. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2001. 294 S., geb., 59,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Colin McGinn versucht, wie der Titel schon andeutet, Tugend und Ästhetik zusammenzudenken. Damit jedoch, so ließe sich Michael Pawliks Rezension bündig zusammenfassen, scheitert er auf der ganzen Linie. Das liegt schon einmal daran, dass er nicht in der Lage ist, "den Begriffen der moralischen Schönheit und Hässlichkeit irgendeinen greifbaren Sinn beizulegen". Mehr als "vage Assoziationen" habe der Philosoph da nicht zu bieten und noch dazu fällt er im Verlauf des Buches auf eine weit weniger anspruchsvolle These zurück, die Unterscheidung zwischen einem moralischen "Gebotsstil" und einem "Gleichnisstil", der ethisches Handeln anhand der Interpretation literarischer Texte lehrt. Das Böse wird, nach Meinung des Rezensenten: entschieden unterkomplex, verstanden als Lust am Bösen. Das kann Pawlik nur "krass" unplausibel finden, wie überhaupt, das ist jedenfalls der Eindruck, den man bekommt, das ganze Buch.

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