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Joyce Carol Oates' Blond ist ein Monumentalgemälde, ein Roman in Cinemascope, der das Leben der Marilyn Monroe als amerikanisches Epos des 20. Jahrhunderts erzählt. Geleitet von der Frage, wie sich die Schauspielerin selbst sah, bietet uns Joyce Carol Oates eine intime Nahaufnahme von Norma Jeane Baker. Die Mutter, die statt des sonntäglichen Kirchgangs mit ihr die Villen der Hollywoodstars abfährt, der Sohn des politisch geächteten Charles Chaplin, schließlich der 'Stückeschreiber' Arthur Miller oder Präsident Kennedy: Im Reigen der Bekanntschaften und Berühmtheiten geht es Joyce Carol Oates…mehr

Produktbeschreibung
Joyce Carol Oates' Blond ist ein Monumentalgemälde, ein Roman in Cinemascope, der das Leben der Marilyn Monroe als amerikanisches Epos des 20. Jahrhunderts erzählt. Geleitet von der Frage, wie sich die Schauspielerin selbst sah, bietet uns Joyce Carol Oates eine intime Nahaufnahme von Norma Jeane Baker. Die Mutter, die statt des sonntäglichen Kirchgangs mit ihr die Villen der Hollywoodstars abfährt, der Sohn des politisch geächteten Charles Chaplin, schließlich der 'Stückeschreiber' Arthur Miller oder Präsident Kennedy: Im Reigen der Bekanntschaften und Berühmtheiten geht es Joyce Carol Oates um die fragile Mitte des Menschen, der zur Ikone aufgeladen wurde, bis er zerbrach. In Blond zieht Joyce Carol Oates alle Register ihrer Kunst: In realistischen Tableaus zeigt sie Szenen aus einem heimgesuchten Leben, in rhythmischen Passagen bildet ihre Sprache die ekstatische Atmosphäre einer Epoche nach.
Autorenporträt
Oates, Joyce Carol
Joyce Carol Oates wurde 1938 in Lockport (New York) geboren. Sie zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Autorinnen der Gegenwart. Für ihre zahlreichen Romane und Erzählungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem National Book Award. 2019 wurde sie mit dem Jerusalem Prize ausgezeichnet. Joyce Carol Oates lebt in Princeton (New Jersey), wo sie Literatur unterrichtet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2000

Geblümte Unterhosen baumeln an Wäscheleinen
Joyce Carol Oates treibt den Eissplitter mitten ins Herz der Blonden / Von Elke Schmitter

Die Toten sterben nicht mehr. Obwohl schätzungsweise erstmals in der Geschichte der Menschen die Zahl der Lebenden die der Toten übertrifft, sind wir umgeben von ehemals Lebenden, deren Wirksamkeit über ihr Sterbedatum beträchtlich hinausgeht. Ein erhebliches Teil an dieser Tatsache verdanken wir den technischen Errungenschaften seit dem neunzehnten Jahrhundert: Fotografie und Tondokumentation erhalten Familienmitglieder und Berühmtheiten aller Art in Aussehen und Stimme präsent. Gerade die Täuschung des Echten, nicht mehr Interpretationsbedürftigen bringt die Erinnerung in Schwierigkeiten und erfordert immer neue Interpretationen, so daß die Zeitgeschichte - wie zuletzt bei der Wehrmachtsausstellung - gerade durch die Fülle scheinbar objektiven Materials in ungeahnte Schwierigkeiten kommt. Vielleicht ist auch daraus unsere anhaltende Neigung zum Historismus erklärbar, die permanente Vergewisserung der Gesellschaft über die Bestände des Vergangenen.

Sicher jedoch hat der Film, vor allem die Filmindustrie, mit größter Macht dazu beigetragen, daß wir umgeben sind von Personen, die über die Grenzen ihrer irdischen Existenz hinaus unseren Alltag bewohnen: Zum ersten Mal in der Historie bleiben die Toten nicht durch ihr Werk in unserer Erinnerung, durch hinterlassene Dokumente, durch Berichte anderer oder Bruchstücke ihres Seins - wie einzelne Fotos, Redenmitschnitte und dergleichen. Sondern Gang und Stimme, Aussehen und Habitus, schließlich sogar etwas so schwer Bestimmbares wie Ausstrahlung werden durch immer neue Präsentationen des Immergleichen frisch gehalten: Nachleben in Aspik.

Zum Beispiel Marilyn Monroe. Als sie starb, war ich noch kein Jahr alt, und trotzdem gehört sie nicht nur unzweifelhaft zum Personeninventar meiner Welt: Es gibt auch keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß sie mich wie alle Zeitgenossen bis zu unserem Lebensende unverändert begleiten wird. Ihre kieksig-hauchende Stimme, die Frau mit den gespreizten Beinen auf dem Luftschacht, die Komödiantin aus "Blondinen bevorzugt", die letzten Fotos ihres nackten Körpers hinter Chiffon - all das wird, wie das Platinblond ihres Haars, ihre unglückliche Kindheit, ihre Affäre mit dem Präsidenten und eine endlose Kette weiterer Details, immer so bleiben, wie es war.

Gerade das scheint Joyce Carol Oates keine Ruhe gelassen zu haben. Nach einem kurzen und durchaus intensiven Roman über den Autounfall Edward Kennedys, bei dem eine junge Wahlhelferin und mögliche Geliebte des Senators ums Leben kam ("Schwarzes Wasser", deutsch 1993), hat sie sich nun erneut in die ersten Kreise des Jahrhunderts begeben und ein Buch über Marilyn Monroe geschrieben, das sie keineswegs als Biographie mißverstanden wissen möchte: sondern als "ein literarisch verdichtetes ,Leben' und dessen Anverwandlung trotz des Buchumfanges synekdochisch". Daran ist wahr, daß die Autorin "synekdochisch" diverse Umbenennungen vornimmt - möglicherweise um sich gegen Prozesse um die Verletzung der Persönlichkeitsrechte noch Lebender zu schützen, sicher aber, um das Literarische ihres Unternehmens zu belegen. So heißt die Hauptfigur streckenweise "die Blonde Darstellerin", ihr dritter Ehemann Arthur Miller wird zum "Bühnenautor" usw. Daran ist nicht wahr, daß es sich bei "blond" um eine Verdichtung irgendeiner Art handelt, wenn man von dem Ideal absieht (das Oates aber vielleicht doch hat), ein Leben genau dann ganz richtig zu erzählen, wenn man jede Minute, jedes Wort und jeden Gedanken, jede Unterhose und Wetterlage beschreibt - in Echtzeit und in gnadenloser Umfänglichkeit. Das Buch, das Oates vermutlich am liebsten geschrieben hätte, würde eine Lektüre von sechsunddreißig Jahren erfordern; dann wüßten wir, ihrer geheimen Ästhetik nach, tatsächlich alles über Marilyn Monroe. Sie hat sich auf 911 Seiten beschränkt.

Ihr Programm ist schon mit den ersten Seiten klar: "Es kam der Tag, die Stunde, da sie erkannte, daß die Goldene Prinzessin, die so schön ist, weil sie so schön ist und weil sie die Goldenen Prinzessin ist, dazu verdammt sein muß, den Beweis ihrer eigenen Existenz in den Augen der anderen zu suchen. Denn wir sind nicht das, was man von uns sagt, wenn man es uns nicht sagt. Oder?" Damit weiß der Leser alles. Es handelt sich um die Geschichte eines Opfers. Die Unterscheidung zwischen dem empirischen Menschen Norma Jeane Baker und der Glamourfigur und öffentlichen Fiktion Marilyn Monroe verfolgt Joyce Carol Oates mit einer Gewissenhaftigkeit und einem Selbstbewußtsein, als habe sie diese Differenz überhaupt entdeckt und müsse nun den Vorschülern, die ihre Leser sind, diese überraschende Einsicht erst beibringen. ("Jedes Klick! ein Eissplitter mitten ins Herz. Als könnte er sie, wenn er durch den Sucher der Kamera blickte, gar nicht sehen.") Wo die Erzählerin ihrer Geschichte (oder der Intelligenz des Publikums) nicht mehr vertraut, hilft sie dem Verständnis mit Kursivierungen nach. Oder?

Es wäre unredlich zu unterschlagen, daß es auch in diesem Roman einige schöne Stellen gibt, ein paar gelungene Formulierungen. Anders wäre es allerdings interessanter gewesen: als der Beleg dafür, daß es einer weltberühmten und erfahrenen Autorin gelingen kann, 911 Seiten zu verfassen, in denen sich keine einzige schöne Stelle findet; eine Einzigartigkeit der ganz besonderen Art. Doch diese Grandiosität bleibt uns verwehrt.

Wir erfahren über Marilyn Monroe, was jeder von ihr weiß oder zumindest wissen kann, wenn er auch nur ein Bruchteil dessen liest, was über sie geschrieben wurde. Joyce Carol Oates häkelt ihr Leben in beflissener Ordentlichkeit nach, vom Anfang bis zum frühen Ende. Hier und da verrätselt sie ein bißchen, führt einen "dunklen Prinzen" ein, dessen Identität sich nur mühsam entschlüsselt, oder "verdichtet" das, was man nicht wissen kann, zu einer raunenden Vagheit. Sie beschreibt die Biographie der Monroe als eine Rutschpartie: von rätselhafter Zeugung zu ungeliebter Kindheit, von pubertärer Verwahrlosung zu Unordnung und frühem Leid, von früher Ehe mit - natürlich - verständnislosem Mann zur ersten Prostitution durch Aktfotos, von steiler Karriere zu Drogenmißbrauch, von Depression zu Abtreibung und vice versa. Traurig, trostlos und ausweglos, ohne einen Hauch von Subjektivität: Denn allein das Zugeständnis, das Leben der Monroe nicht nur als Resultat seiner Umstände zu begreifen, hätte ihr jene Würde verliehen, die Oates ihr offenbar verschaffen will.

Statt dessen ergreift sie Partei für ihre Heldin nur als Opfer, immer und unbedingt. Sie ist eine redselige Anwältin in einem Gerichtsverfahren, das lange schon entschieden ist, denn niemand zweifelt daran, daß Norma Jeane Baker ein ganz armes Mädchen war, Mrs. Bucky Glazer eine einsame Ehefrau, der Filmstar Marilyn Monroe ein bedürftiges Geschöpf. Der Freispruch ist längst erfolgt, schon in den Frauenbuchläden der Siebziger, die das Sexsymbol der Nachkriegszeit als Opfer adoptieren konnten - weshalb die blonde Göttin MM inzwischen für Machos wie Feministinnen, Hausfrauen wie Schülerinnen, Prostituierte in den südamerikanischen Elendsvierteln und eine erfolgreiche US-Unternehmerin wie Madonna gleichermaßen konsumierbar ist.

Die Gedankenlosigkeit der Autorin wäre zu entschuldigen durch die Erzählung selbst. Da die Konsumierbarkeit der Monroe durch alle und jeden sie nicht beschäftigt und da sie dem bekannten Bild keine eigene Ansicht hinzufügt, hätte sie dennoch einen Roman schreiben können, der literarisch interessant ist. Doch was macht man mit einem Buch, bei dessen Heldin das Herz unentwegt "wild wie ein Vögelein" in der Brust schlägt, wenn es nicht gerade wieder "bricht" oder "ein Eissplitter" hindurchfährt, weil "die geheime Stelle zwischen den Beinen vom Dunklen Prinzen aufgerissen und mit Blut besudelt worden ist", die Augen "der Bettelmagd voller Tränen" sind und dann "Brillanten gleich auf ihren Wangen glitzern"? Was darf man von einer Autorin halten, deren poetische Zusatzleistung in der Erfindung von Gedichten besteht, die ihre Hauptfigur ihrer Einfühlung nach geschrieben haben könnte und die beispielsweise so lauten: "An mein Baby // Durch dich / entsteht die Welt für mich. / Vor dir - / gab es sie nicht." Und was kann die Lektüre erträglich machen, wenn die Autorin selbst, vielleicht zu Zwecken künstlerischer Aufhebung ihrer Neigung zum offensiven Kitsch, sich immer wieder durch Reflexionspassagen rhapsodisch in Stimmung bringen muß, die seitenweise so verlaufen: "aber war das so komisch? war das komisch? war das komisch? warum war das komisch?" Oder, würde Joyce Carol Oates vermutlich fragen, ist das komisch, soll es das sein?

Es ist sogar sehr traurig - wenn man die Vergeudung von Lebenszeit denn traurig nennen will. Eines allerdings ist Oates gelungen: Auf ihre Weise hat sie Marilyn Monroe endgültig begraben. Möglicherweise aber auch ihren eigenen Ruhm gleich mit. Friede ihrer Lesebrille.

Joyce Carol Oates: "Blond". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Uda Strätling, Sabine Hedinger und Karen Lauer. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2000. 911 S., geb., 49,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Auf den ersten Blick haben die beiden Neuerscheinungen über Marilyn Monroe und Janis Joplin, die Yaak Karsunke vorstellt, viel Gemeinsames: Beide kreisen um das Leben von Frauen, die Massenidole waren und im Selbstmord endeten. An diesem Punkt scheinen sich aber die Gemeinsamkeiten bereits zu erschöpfen, und dies betrifft, erläutert der Rezensent, sowohl den Ansatz wie die Bewertung der beiden Bücher.
1) Joyce Carol Oates: "
»Oates, die Fiktion und Biografie bewusst mischt, räumt in ihrem anarchischen Epos mit jahrzehntealten Männervorstellungen aus. [...] grandioser Roman.« Uli Kreikebaum Kölner Stadt Anzeiger 20220804
» [...] fiebriger Roman, der dem schillernden Leben Monroes so nah kommt wie nichts anderes.« Dresdner Morgenpost 20221001