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Was Robert Altmans Film »Prêt-à-Porter« für die Modewelt war, ist Sarah Thorntons Buch für die Welt des riesigen Boom-Marktes der Gegenwartskunst: Nach welchen Regeln funktioniert sie? Wer entscheidet, welcher Künstler einer der ganz großen (und ganz teuren) wird? Was treibt die Sammler, die Galeristen - und was bedeutet all das für die Kunst und die Künstler selbst?Mit dem Handwerkszeug einer Ethnologin erkundet Sarah Thornton diese einzigartige Welt aus Kreativität, Geschmack und Macht, aus Status, Hoffnung, Geld und Intrigen. Sie hat mit über 250 Insidern, Künstlern, Galeristen, Kritikern,…mehr

Produktbeschreibung
Was Robert Altmans Film »Prêt-à-Porter« für die Modewelt war, ist Sarah Thorntons Buch für die Welt des riesigen Boom-Marktes der Gegenwartskunst: Nach welchen Regeln funktioniert sie? Wer entscheidet, welcher Künstler einer der ganz großen (und ganz teuren) wird? Was treibt die Sammler, die Galeristen - und was bedeutet all das für die Kunst und die Künstler selbst?Mit dem Handwerkszeug einer Ethnologin erkundet Sarah Thornton diese einzigartige Welt aus Kreativität, Geschmack und Macht, aus Status, Hoffnung, Geld und Intrigen. Sie hat mit über 250 Insidern, Künstlern, Galeristen, Kritikern, Kuratoren und Sammlern gesprochen und ist als kritische Beobachterin für eine Zeit selbst Teil der Kunstwelt geworden.Ihr Buch schildert lebensprall und gespickt mit intelligentem Klatsch und Tratsch die Menschen und Instituitionen, die die Kunstgeschichte der Zukunft schreiben.
Autorenporträt
Sarah Thornton studierte Kunstgeschichte und Soziologie, promovierte über die britische Technoszene und lehrte Soziologie an der University of Sussex und am Goldsmith College. Heute ist sie Autorin für internationale Magazine, u.¿a. für den »Economist« und artforum.com, für den »New Yorker« sowie für zahlreiche weitere Zeitungen, wie z.¿B. die »Süddeutsche Zeitung«. Im S. Fischer Verlag erschien von ihr die hochgelobte Reportage ¿Sieben Tage in der Kunstwelt¿.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2009

Farbig sei das Bild und passend sein Format

Von der Auktion über das Kritikerseminar bis zum Atelierbesuch: Sarah Thornton hat sich auf recht forsche Weise in der Kunstwelt umgetan.

Was für ein Titel, was für ein Versprechen: sieben Tage in der Kunstwelt, auf jenem Territorium also, das den meisten Leuten nicht nur fremd ist, sondern obendrein verschlossen - voller Geheimnisse und unverständlicher Hervorbringungen, einer nichtalltäglichen Population vorbehalten, die sich auf der Produzentenseite ganz der Kunst verschrieben hat, auf der Distributionsseite ein Spiel mit praktisch undurchschaubaren Regeln exerziert und auf der Konsumentenseite Wahnsinnspreise bezahlt. Alles läuft in diesem Paralleluniversum hinter verschlossenen Türen, die selbstkritischen Exerzitien der Künstler genauso wie die ganz großen Geschäfte mit ihren Werken. Da muss erst mal einer von draußen reinkommen. Sarah Thornton hat das also geschafft! Hat sie es wirklich geschafft?

Nein, das hat sie nicht. Aber sie hat um den heißen Kern dieses süßen Breis herum ein streckenweise immerhin ganz unterhaltsames Buch geschrieben, das sich indessen selbst im Wege steht: Denn die Autorin hat sich nicht entscheiden können, wer eigentlich ihre Leserschaft sein soll. Ob sie atmosphärische Schilderungen und gehobenen Gossip verbreiten will für die Uneingeweihten oder wirkliche Einblicke bieten für ein Publikum, das schon einige Kenntnisse hat. Wobei, das sei ihr ausdrücklich zugute gehalten, Letzteres nicht ohne weiteres erwartet werden darf: Es gehört zu den unverbrüchlichen Merkmalen der Kunstwelt, vor allem, wo der Kunstmarkt im Spiel ist - mithin im Grunde überall -, dass sie ihre Arkana wahrt. Das Geschäft mit der Kunst gehört zu den denkbar diskretesten überhaupt, ganz einfach, weil es zutiefst verstrickt ist mit dem Kapital und seinen Bewegungen. Das war auch schon so, bevor die globale Finanzkrise ausbrach. Zu keiner Zeit hatte einer der Big Players auf einem der Plateaus in dieser Szene auch nur das geringste Interesse, sich ernsthaft in die Karten schauen zu lassen.

Nehmen wir zwei Beispiele aus dem Buch, das erste aus dem durchaus temperamentvollen Eröffnungskapitel "Die Auktion", in dem eine der prestigeträchtigen New Yorker Versteigerungen beschrieben ist. Eine ranghohe Angestellte des Auktionshauses hat Thornton Auskunft über mögliche Kriterien für hohe Preise gegeben, nachdem für ein Gemälde der südafrikanischen Künstlerin Marlene Dumas der Hammer bei starken 1,1 Millionen Dollar fiel, zugunsten eines unbekannten Bieters, was einiges Aufsehen im Saal erregte. Das Bild zeigt in roten Tönen das Gesicht einer hübschen jungen Frau. In Thorntons Diktion klingt das gleich so: "Es zeigt eine Frau, die unter ihrem Pony den Betrachter erwartungsvoll ansieht. Ihr Mund ist leicht geöffnet, ihr Zeigefinger, der einem Phallus ähnelt, berührt kokett die Unterlippe." Jeder sieht eben, was er sehen will.

Zur Kaufentscheidung also tragen, so erläutert die Angestellte der Auktionsfirma, eine ansprechende Farbigkeit und das Geschlecht der dargestellten Person bei, die technische Unkompliziertheit des Werks und endlich das Format, das am besten in einen Aufzug in der Park Avenue passen müsse. Thornton fragt folgerichtig nach dem Verhältnis zwischen ästhetischem und kommerziellem Wert eines Kunstwerks und wird von ihrer Gesprächspartnerin beschieden, es gebe "kein Verhältnis eins zu eins. Etliche großartige Künstler haben keinen starken Markt. In welchem Verhältnis steht gutes Aussehen zu dem Glück, das man im Leben hat? Eine fruchtlose Diskussion. Sie führt zu nichts."

Die Autorin folgert daraus: "Hmm. Die Beurteilung guten Aussehens und die Beurteilung des ästhetischen Werts hängen vom Betrachter ab, aber die Betrachter sind soziale Wesen, die (bewusst und unbewusst) zum Konsens neigen." So ist das, in der Tat. Eine Wahrheit wie ein Glas Milch, aber wahrlich keine Enthüllung über den Kunstmarkt. Nur ergänzend angemerkt sei hier: Der Käufer von Marlene Dumas' Gemälde "Julie Die-vrou" aus dem Jahr 1985 in der geschilderten Auktion, die bereits 2004 stattfand, war der britische Sammler-Tycoon Charles Saatchi, über dessen Usancen Thornton sich ein paar Seiten zuvor äußert. So viel Insiderwissen wäre dann schon vertrauenstiftend gewesen.

Das zweite Beispiel ist, zwei Kapitel später unter "Die Messe" - es geht um die "Art Basel", die weltweit wichtigste Messe für moderne und zeitgenössische Kunst -, die knappe Beschreibung des Direktors einer prominenten Londoner Galerie: Er sei "eine attraktive südostasiatisch-britische Mischung, und sein schwer lokalisierbarer Akzent verrät, dass er seit Jahren in der ganzen Welt unterwegs ist. Ein Schwuler, der sich wohl fühlt in einer Welt, in der selbst so manche Heteros als tuntig erscheinen." Das mag ja kess gemeint sein, aber platter geht's nimmer.

Anmerkungen, die sich an einzelnen Passagen eines mehr als dreihundert Seiten starken Buchs festmachen, sind naturgemäß nicht ganz fair, aber der angeschlagene Grundton fordert sie regelrecht heraus. Die Beispiele stehen durchaus paradigmatisch für Sarah Thorntons Vorgehen und Einsichten. Sie hat sich mit hoher Energie und recht forsch an diverse Orte eines Geschehens begeben, das sie unter "die Kunstwelt" subsumiert. Doch am Ende kann sie nur Oberflächen beackern - in gewollt lockerem Zungenschlag.

Das gilt für einen Tag beim Kritikseminar am California Institute of the Arts in Los Angeles, wo Kunststudenten in die Mangel genommen werden, so gut wie für einen Besuch im Tokioter Atelier des umstrittenen Kunstmarkt-phänomens Takashi Murakami oder für ein Intermezzo in New York bei "Artforum", einer noch immer enorm einflussreichen Kunstzeitschrift, die weltweit gerade mal eine Auflage von 60 000 Exemplaren hat und um ihr Profil ringt zwischen Anspruch und Realität, zwischen Kunstrichtertum und Anzeigenaufkommen.

Als Methode - man könnte auch sagen als captatio benevolentiae - hat Thornton sich ausdrücklich die "teilnehmende Beobachtung" auf die Flagge geschrieben. Leider tritt der Mangel an Abstand, den dieses genuin soziologische Vorgehen definitionsgemäß in sich birgt, am schärfsten zutage, wo die Autorin in die chicsten Gehege des von ihr gewählten Spielplatzes vordringt. Nicht umsonst ist das Buch in der "Ich"-Form abgefasst, mit der unkaschierten Attitüde: Eine attraktive Frau kommt überall hin. Sie ist da auf hohen Absätzen unterwegs als eine, der sich Cocktails und Dinners und Gesprächspartner öffnen oder das Hotel Cipriani in Venedig, als dort 2007 die Kunst-Biennale ausbrach: "Ich bin gerade ins Wasser getaucht und stoße mich vom Rand des menschenleeren, 32 Meter langen Swimmingpools mit gefiltertem Salzwasser ab. Nach einer Woche mit viel zu viel Kunst und viel zu vielen Gesprächen, dazwischen immer wieder Regenschauer, genieße ich es jetzt, unter einem wolkenlosen Himmel ein paar meditative Bahnen zu schwimmen. Erst aus der Rückschau lässt sich die Gegenwart begreifen."

Der siebte Tag in der "Kunstwelt" - als letztes Kapitel mit "Die Biennale" überschrieben - währte offenbar doch länger als nur vierundzwanzig Stunden. Gerade beginnt die Venedig-Biennale 2009. Wer sitzt in diesem Jahr an den Rändern des Pools, wer schwimmt im Becken des Cipriani? Denn die Kunst - und ihr Markt - sind neu aufgemischt seit Monaten, und die Reden mancher Herrn von 2007 sind Schnee von gestern.

ROSE-MARIA GROPP

Sarah Thornton: "Sieben Tage in der Kunstwelt". Aus dem Englischen von Rita Seuß. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. 320 S., Abb., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Mit gemischtem Gefühl nimmt Rezensentin Isabelle Graw diese "Mischung aus Reportage und Tagebuch" über ethnografische Reisen in die Kunstwelt auf (das laut Verlagsangaben im Mai erscheint). Denn so plastisch sie die Schilderung der Autorin auch findet, auf die Dauer findet sie die vielen beschriebenen Akteure, Orte, Strategien und Verstrickungen doch ein wenig ermüdend. Denn so plastisch manches Phänomen in der Beschreibung auch wird, zur Analyse dringt das Buch aus Sicht der Rezensentin nicht wirklich vor. Denn dazu fehlt es ihrer Einschätzung nach der Autorin an Distanz.

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