12,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Bilder sind keine unschuldigen Illustrationen - sie wirken buchstäblich an der allmählichen Verfertigung der Gedanken mit. In ihrer brillanten Studie untersucht Julia Voss die Rolle der Bilder bei der Entstehung der Evolutionstheorie: von den berühmten Galapagosfinken, dem Evolutionsdiagramm, dem Argusfasan bis hin zum lachenden Affen. Sie zeigt spannend und anschaulich, wie Darwin "mit dem Auge denkt" und wie Bilder und Evolutionstheorie aufs Engste zusammenhängen.

Produktbeschreibung
Bilder sind keine unschuldigen Illustrationen - sie wirken buchstäblich an der allmählichen Verfertigung der Gedanken mit. In ihrer brillanten Studie untersucht Julia Voss die Rolle der Bilder bei der Entstehung der Evolutionstheorie: von den berühmten Galapagosfinken, dem Evolutionsdiagramm, dem Argusfasan bis hin zum lachenden Affen. Sie zeigt spannend und anschaulich, wie Darwin "mit dem Auge denkt" und wie Bilder und Evolutionstheorie aufs Engste zusammenhängen.
Autorenporträt
>Die Menschheit in Erstaunen versetzen<« (2020). Heute lehrt sie als Honorarprofessorin an der Leuphana Universität in Lüneburg und arbeitet im Präsidium des Deutschen Historischen Museums. Julia Voss lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.08.2007

Koralle von oben
Darwin, der mäßige Zeichner: Julia Voss erzählt die Geschichte der Evolutionstheorie anhand ihrer Bilder
Die Evolutionstheorie verdankt ihre bis heute ungebrochene Geltung nicht zuletzt, ja vielleicht sogar in erster Linie der großen Kraft ihrer Bilder. Texte mäandrieren von Zeile zu Zeile, man muss sich so viel gemerkt haben, ehe man sie abschließend verstehen kann; Bilder sind auf einen Blick ganz da, Bilder leuchten ein. Man glaubt sie sofort zu begreifen, weil alles an ihnen scheinbar so offen zutage liegt; und gerade so tappt man nicht selten in die Falle.
Vier Bilder beziehungsweise Bilderreihen, die Darwin geschaffen hat oder schaffen ließ und die ihn, indem er es tat, wiederum inspirierten und leiteten, führt Julia Voss vor. Das scheint nicht viel; aber es erweist sich, dass die mehr als dreihundert Seiten ihres Buchs eben hinreichen, um diese Bilder nach ihren Beziehungen, Voraussetzungen und Hintergründen zu entfalten. Da sind zunächst die berühmten Finken von den Galápagos-Inseln. Darwin, der ein schlechter Zeichner war, hat sie beim berühmtesten Ornithologen seiner Zeit, John Gould, in Auftrag gegeben. Sein eigener kreativer Beitrag bestand in der Reihenfolge, in die er sie setzte; sie legt die Idee einer Entwicklung nahe. Was den heutigen Betrachter geradezu anspringt, das lag jedoch für die Zeitgenossen noch keimhaft verborgen, nicht zuletzt für Darwin selbst, der Jahre brauchte, bis er das scheinbar Offensichtliche sah – woraufhin er sich die Haare raufte, dass er die Provenienz seiner Bälge nicht genauer verzeichnet hatte. Für seine Theorie war diese Gruppe, die heute ihm zu Ehren Darwin-Finken heißt, damit verloren; und mit Erstaunen erfährt man von Voss, dass er selbst auf das, was immer noch als sein schlagendstes Beispiel gilt, nie wieder zurückkam.
Am reichsten belohnt wird der Leser im Kapitel zwei, das sich mit den verschiedenen taxonomischen Bildmodellen befasst. Zu diesem Thema hat bereits vor einiger Zeit Horst Bredekamp gearbeitet („Darwins Korallen”); Voss erweitert dessen faktische Basis noch einmal beträchtlich. Die Zoologen des 19. Jahrhunderts tasten angesichts der ungeheuer rasant anwachsenden Zahl beschriebener Spezies nach angemessener graphischer Wiedergabe der Verwandtschaft; und gebannt verfolgt man, wie ihre gezeichneten Lösungen sie zunächst der Einsicht zutreiben, dann aber die scheinbar unausweichliche Folgerung – nämlich dass Verwandtschaft zuletzt immer in Abstammung wurzelt – rätselhaft ausbleibt.
Man betrachtet das durch die Zeit aufsteigende Diagramm von Louis Agassiz mit seiner Palmwedelstruktur, aber wenn man genau hinsieht, bemerkt man, dass zwischen diesen sich verbreiternden und verschmälernden Bahnen Spalten bleiben, es ist ein Baum ohne Zusammenhang; das Naheliegende scheint mit beträchtlicher unbewusster Energie unterdrückt. Andere Wissenschaftler entwerfen Graphiken, die einer Landkarte oder dem Wachstum eines Pilzmyzels gleichen. Natürlich herrscht der Baum vor, dessen Anschauung es gleichwohl offenlässt, ob man sein Oben im Sinn der Hierarchie (man denke an die „Krone der Schöpfung”) oder der zeitlichen Abfolge zu deuten hat; hier wandelt sich das Hilfsmittel zum verunklärenden Hindernis.
Darwin wird seine Lösung schließlich im Gleichnis der Koralle finden, und zwar weniger in deren Seitenansicht unter Wasser (hier widerspricht die Autorin Bredekamp) als in der senkrechten Aufsicht aus der Luft: Unsichtbar, aber durchaus zu erschließen, steht unter dem inselhaft zerrissenen Erscheinungsbild der Atoll-Oberfläche die ungeheure Tiefendimension der ausgefächert aufsteigenden, zu großen Teilen auch abgestorbenen und versunkenen Äste: So führt Darwins Bild-Denken den Baum und die Landkarte zusammen, das Notwendige und das Kontingente. Erst in dem Augenblick, wo die Identität dieser einander scheinbar ausschließenden Qualitäten Evidenz erlangt, ist der Weg frei für die Evolutionstheorie.
Texte kann gut einer allein schreiben; bei Bildern braucht er oft die Mitwirkung anderer. Voss benutzt diesen Umstand als willkommene Gelegenheit, ökonomische und gesellschaftliche Zusammenhänge zu beleuchten. Der Bourgeois Darwin ist nicht völlig zufrieden mit seinem Zuarbeiter, dem handwerklich orientierten Gärtnersohn Gould, der vor allem zwei kalkuliert ineinander verschränkte Dinge will, möglichst viele neue Arten bestimmen und möglichst teure Bildbände verkaufen; darum benimmt er sich gegen Darwins Lehre mit hinhaltender Gleichgültigkeit.
Das dritte Bild, das Voss verhandelt, zeigt den Argusfasan, dessen Gefieder, vollkommen täuschend mit einem dreidimensional wirkenden Augenmuster geschmückt, als das malerische Prachtstück der Natur überhaupt gelten darf. Diesen Fasan verwendet der Herzog von Argyll in seinem Buch „The Reign of Law”, das sich gegen die Evolutionstheorie kehrt, um darzutun, dass es in der Natur doch so etwas wie perfekte, zweckfreie Schönheit gebe. Er bezieht den Gesichtspunkt des nicht arbeitenden Edelmanns, der sich den Luxus des ästhetischen Gesamtblicks über Parks und Menagerien gönnt. Darwin holt zum Zweck der Widerlegung die Lupe hervor und zeichnet, mit ergrimmter Genauigkeit und sozusagen vorsätzlich ungelenk, das Augenmuster in Bleistift nach, um es als das mit Mängeln behaftete Produkt einer langen Geschichte zu erweisen; vom Balzgefieder dieses Vogels wird er auf das Konzept der sexuellen Auslese gelenkt, das die Schönheit dem praktischen Nutzen zuführt und ihr das Müßige nimmt.
Voss zeigt Darwin zwischen diese beiden Gegentypen, Gould und den Herzog, den Kleinbürger und den Aristokraten, förmlich eingeklemmt und trägt damit Erhellendes zur soziologischen Verortung der Theorie bei.
Zum Schluss wendet sie sich dem „lachenden Affen” zu, dem bemerkenswertesten Bild in Darwins späterem Werk „The Expression of the Emotions in Man and Animals”. Darwin, auch das hebt sie hervor, hat niemals den Menschen in herabsetzender Absicht in eine Reihe mit Affen gestellt, das besorgen erst seine polemisch vergröbernden Nachtreter wie Thomas Henry Huxley und Ernst Haeckel. Im Gegenteil, er will auch die Tiere zu dem emporheben, was bislang als rein menschliches Vorrecht galt: Tränen und Heiterkeit. Das und manches andere erfährt man in diesem materialreichen und ausnehmend gut lesbaren Buch. BURKHARD MÜLLER
JULIA VOSS: Darwins Bilder. Ansichten der Evolutionstheorie 1837-1874. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007, 2007, 380 Seiten, 12,95 Euro.
„Fötus eines Orangs” aus Darwins „Abstammung des Menschen” Foto: AKG
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2007

JULIA VOSS, Redakteurin im Feuilleton dieser Zeitung, erzählt in ihrem Buch, wie Charles Darwin seine Evolutionstheorie anhand von Bildern entwickelte. Als ihm erste Zweifel an der Schöpfungstheorie kamen, zeichnete der junge Weltreisende, der die Jahre zuvor auf dem Forschungsschiff H.M.S. Beagle verbracht hatte, im Sommer 1837 eine kleine Skizze in sein Notizbuch. Diese Skizze legte den Grundstein zu seiner epochalen Gegenthese: Naturgeschichte wird als Stammbaum erklärlich. Von da an sollte Darwin die Evolutionstheorie immer wieder neu in Bildern entwerfen. Eng arbeitete er mit Künstlern zusammen und schuf Ikonen, die unser Bild der Evolution prägen. Wenig bekannt ist aber, wie groß der Einfluss bestehender Bilder auf seine Forschung war. Wie eine der bedeutendsten Theorien der Moderne populär werden konnte und ein völlig neues Denken in Bildern entstand, zeigt dieses Buch. (Julia Voss: "Darwins Bilder". Ansichten der Evolutionstheorie 1837-1874. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 380 S., br., 12,95 [Euro].)

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Helmut Mayer ist schlichtweg begeistert von Julia Voss' Studie über die Bilder, mit denen Charles Darwin seine Evolutionstheorie entwickelte und untermauerte. Die Kunst- und Wissenschaftshistorikerin kann Darwin große Sorgfalt und Vorsicht in der Entwicklung von Darstellungen attestieren und zeigt, wie aufmerksam es der Forscher beispielsweise vermied, seine Evolutionstheorie in einem gefällig symmetrischen Stammbaum zu stilisieren. Interessant findet Rezensent Mayer auch, wie Voss die Bilderauswahl bewertet, die Darwin für seinen Vergleich der mimischen Besonderheiten bei Mensch und Tier heranzog. Und ganz nebenbei, lobt Mayer weiter,  erfahre der Leser dieser Studie auch noch viel über die Entwicklung der Evolutionstheorie und ihre Etablierung im allgemeinen Bewusstsein.

© Perlentaucher Medien GmbH