12,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Die Niederschlagung von Polens Widerstand gegen die deutschen Besetzer gilt als eines der schwärzesten Kapitel der Geschichte während des Zweiten Weltkrieges. Innerhalb von 63 Tagen wurden ca. 180.000 Menschen, überwiegend Zivilisten, getötet und die Reste der Hauptstadt dem Erdboden gleichgemacht.

Produktbeschreibung
Die Niederschlagung von Polens Widerstand gegen die deutschen Besetzer gilt als eines der schwärzesten Kapitel der Geschichte während des Zweiten Weltkrieges. Innerhalb von 63 Tagen wurden ca. 180.000 Menschen, überwiegend Zivilisten, getötet und die Reste der Hauptstadt dem Erdboden gleichgemacht.
Autorenporträt
Wlodzimierz Borodziej, 1956 in Wien geboren, ist Professor für Neuere Geschichte am Historischen Institut und Vizepräsident der Universität Warschau. Er studierte in Warschau Geschichte und Germanistik. Diverse Stipendien und Gastprofessuren führten ihn nach Tübingen, Wien und Marburg. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, u.a. zur Vertreibung der Deutschen aus Polen und zur polnischen Widerstandsbewegung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2001

Verfehlte Spekulation
Der Warschauer Aufstand scheiterte, weil alle Hoffnung trog
WLODZIMIERZ BORODZIEJ: Der Warschauer Aufstand 1944. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001. 250 Seiten, 39,90 Mark.
   Noch immer wird er gelegentlich mit dem anderen verwechselt – mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto, der gut ein Jahr früher ausgebrochen war. Dabei war der sogenannte Warschauer Aufstand von 1944 die größte und folgenschwerste Erhebung der Polen während des Krieges. Bis heute wird unter den polnischen Historikern über seine Hintergründe und Folgen debattiert. Aus der Fülle der Publikationen hat sich vor allem ein Werk auf dem Buchmarkt etabliert: „Kampf um Warschau” von Janusz Piekalkiewicz (deutsch 1994), eine Chronik des Geschehens, in der jeder einzelnen Woche ein eigenes Kapitel gewidmet ist.  Nun liegt im S. Fischer Verlag ein weiteres Buch vor: „Der Warschauer Aufstand 1944”  von Wlodzimierz Borodziej.
Dem 45-jährigen Geschichtsprofessor von der Universität Warschau, der sich seit langem mit der polnischen Widerstandsbewegung beschäftigt, ist insofern ein äußerst lesenswertes Buch gelungen, als er sich konsequent an das in der Einleitung gegebene Versprechen gehalten hat: Statt den Leser mit Details zu dem Aufstand zu ermüden, versucht er in erzählerischem Duktus dessen Vorgeschichte und politische Hintergründe zu beleuchten sowie – nach der Darstellung des Geschehens – die Wirkungsgeschichte jener Tage in der polnischen Nachkriegsgeschichte zu untersuchen.
Dadurch gelingt es ihm, darzulegen, was sein Vorgänger Piekalkiewicz in seinem Buch nur am Rande behandelte, was aber für die Einordnung des Aufstands von elementarer Bedeutung ist: dass dies nicht nur ein militärischer Kraftakt, sondern auch, wenn nicht gar vor allem, ein politischer Seiltanz war. Denn bei diesem Aufstand ging es nicht allein um die Befreiung Warschaus – auf dem Spiel stand die politische Zukunft des Landes. Selbst unter den Aufständischen  gab es wenige, die sich darüber im klaren waren – um so bewusster war dies aber der Exilregierung, die aus London den Befehl zum Beginn des Aufstands gab.
Der brach am 1.August 1944 aus und erfasste alle Stadtteile zugleich. Der Zeitpunkt, so schien es, war gut gewählt: Die Aufständischen, überwiegend Angehörige der sogenannten „Armia Krajowa” (Heimatarmee), waren gut vorbereitet, die Truppen der Roten Armee befanden sich nur noch 20 Kilometer von  Warschau entfernt, die Wehrmacht erlitt an der Ostfront eine Niederlage nach der anderen. Dennoch war es eine riskante und paradoxe Situation: Die Aufständischen unterstanden der Londoner Exilregierung, wollten ihr den Weg zur Rückkehr nach Polen ebnen, glaubten, über sie die Unterstützung der Westalliierten zu bekommen. Zugleich aber hofften sie auf das Eingreifen der Sowjetunion, mit der die polnische Regierung keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. In Wirklichkeit also war die Erwartung der Hilfe von beiden Seiten reine Spekulation.
Es gab zwar einen Versuch, zwischen London und Moskau einen Konsens zu erreichen, er scheiterte aber bereits kurz nach Ausbruch des Aufstands. Der Chef der polnischen Exilregierung, Stanislaw Mikolajczyk, wurde von Stalin empfangen, dessen Forderungen erwiesen sich aber als unakzeptabel: Mikolajczyk solle die Curzon-Linie anerkennen und sich mit dem von Moskau eingesetzten „Polnischen Komitee der Nationalen Befreiung” über eine Koalitionsregierung einigen. Die von Stalin gewünschte Einigung blieb aber aus.
Haus um Haus
Währenddessen lieferten sich die deutschen und die polnischen Truppen in Warschau weiterhin erbitterte Gefechte. Es wurde um jede Straße, um jedes Haus gekämpft. Doch schon bald wurde den Warschauern klar, dass ihnen ein einsamer Kampf bevorstand. Am dritten Tag des Aufstands stellte die Rote Armee die Offensive gegen die Deutschen ein und ging jenseits der Weichsel in Wartestellung. Auch dies war ein Teil des Plans Moskaus. Dennoch gelang der Heimatarmee ein militärisches Kunststück: Sie hielt exakt neun Wochen durch.
Erst am 1.Oktober begann General Bór-Komorowski, der Oberbefehlshaber der Aufständischen, mit den Deutschen über die Kapitulation zu verhandeln. Vier Tage später verließ er die  Ruinen mit den letzten Verbänden – fast 16000 meist Sechzehn- bis Zwanzigjährigen, die in der patriotischen Tradition Polens und der hoffnungsvollen Atmosphäre der jungen Zweiten Republik aufgewachsen waren. Nach  63 Tagen erbitterten Kampfes erwartete sie nun eine lange Gefangenschaft. Diese 63 Tage, auch das geht aus dem Buch klar hervor, stellen für die Warschauer bis heute ein Trauma dar. Aber auch für die Polen im restlichen Land. Denn der Aufstand hatte etwas dahingerafft, was für ihr Nationalbewusstsein elementare Bedeutung hatte: ihre Hauptstadt.
MARTA KIJOWSKA
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.2001

Ein Drama, das seinesgleichen sucht
Der Warschauer Aufstand: Mischung aus romantischem Abenteuer und grandioser Verrücktheit?

Wlodzimierz Borodziej: Der Warschauer Aufstand 1944. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001. 256 Seiten, 22,- Euro.

Keine schöne Geschichte, aber eine notwendige. Und eine, die nicht wirklich aufgeht . . . Ihr gerecht zu werden ist kaum möglich. Wlodzimierz Borodziej hat sich ihr dennoch gestellt.

Es war im Sommer 1944, und die Sache stand schlecht für die Deutschen. Fast alle Verbündeten hatten sie verlassen, im Westen waren die Alliierten gelandet, an der Ostfront klaffte nach der Vernichtung der Heeresgruppe Mitte ein riesiges Loch. Um so besser schien die Sache der übrigen Völker zu stehen. Nun endlich konnten sich die Hoffnungen auf ein Ende der deutschen Okkupation erfüllen. Am längsten hatten die Polen gehofft. Kaum ein zweites Volk hatte so sehr unter der deutschen Besatzungsmacht gelitten. Und doch schien ihre Stunde noch immer nicht gekommen. Denn an ihren alten Grenzen standen nicht die Westalliierten, die einst wegen der Polen in den Krieg eingetreten waren. Es war die Sowjetunion, die im Sommer 1944 die deutsche Front bis kurz vor Warschau zurückschob - jene Macht, die noch wenige Jahre zuvor in völliger Harmonie mit Hitler-Deutschland die polnische Nation aufgeteilt hatte.

Die Polen hatten ihre Sache nicht verloren gegeben, auch damals nicht, im Herbst 1939. Ihre revolutionäre Tradition hatte eine lange Vergangenheit und mit ihr auch die vielen Niederlagen und die Friedhofsruhe, die über der polnischen Geschichte des 19. Jahrhunderts lastete. In jenem Herbst eröffneten die Polen ein neues Kapitel in dieser Geschichte. In Paris, später in London richtete man eine Exilregierung ein mit regulären polnischen Streitkräften. Aber auch im besetzten Vaterland entstand abermals ein weitverzweigter Schattenstaat, der eng mit der Exilregierung kooperierte und vieles konnte und kontrollierte, im Sommer 1944 schließlich auch eine Streitmacht von bis zu 350 000 Kämpfern.

Diese Heimatarmee, die Armia Krajowa (AK), war bislang nur vereinzelt auf den Plan getreten. Man wollte sie bewahren für einen Schlag wie im November 1918, als der Zusammenbruch der deutschen Monarchien den Polen die einzigartige Gelegenheit verschafft hatte, sich selbst zu befreien. In völliger Verkennung der Realität sah die Führung des polnischen Untergrunds mit dem 20. Juli 1944, dem Attentat auf Hitler, das definitive Ende der NS-Herrschaft kommen.

Es ist das große Verdienst Borodziejs, daß seine Darstellung keine einfachen Lösungen anbietet, daß er auf jede vordergründige Schuldzuweisung verzichtet und daß er ruhig und abgewogen von einer Konstellation berichtet, die in ihrer Ausweglosigkeit, aber auch in ihrer Größe einer antiken Tragödie gleicht. Denn bei den Führern der polnischen Heimatarmee handelte es sich nicht um Dilettanten. Die meisten waren militärische Profis mit erstaunlichen, oft abenteuerlichen Lebensläufen. Sie hatten viel von der Welt gesehen. Und sie wußten, daß die Zeit gegen sie arbeitete.

Der neue Herr im Hause

Die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Moskau und der polnischen Exilregierung waren nach der Entdeckung der Massengräber in Katyn im April 1943 vollends abgerissen. Vor allem aber begannen die Vereinigten Staaten und auch Großbritannien das Interesse an der "polnischen Frage" zu verlieren. Es ging um die Konstruktion einer neuen Weltordnung, um die Definition von Einflußsphären - und Polen lag nun einmal in der sowjetischen.

Als die Rote Armee im Januar 1944 die alten polnisch-sowjetischen Grenzen überschritt, ließ sie wenig Zweifel daran, wer der neue Herr im Hause war. Die nationalpolnischen Partisanen, die ihren Teil zur Befreiung Ostpolens beigetragen hatten, wurden entwaffnet oder in die vergleichsweise schwachen Verbände der polnischen Kommunisten gesteckt. Alles deutete darauf hin, daß lediglich eine Fremdherrschaft durch eine andere ersetzt werden würde. Der polnische Untergrund hatte nur noch eine Chance: vor der sowjetischen Besetzung selbst eine Entscheidung gegen die Deutschen zu erzwingen. Militärisch schien das fast unmöglich. Aber ließ die große Politik den Polen eine andere Wahl?

Die Kämpfe begannen in Warschau am 1. August 1944, hier sollte diese Entscheidung fallen. Tatsächlich gelang es der polnischen Stadtguerilla in den ersten Tagen, große Teile ihrer Hauptstadt zu befreien, über der nun weiß-rote Fahnen gehißt wurden. Wenn sich dennoch das Blatt schon bald zu wenden begann, so lag dies nicht allein an der militärischen Überlegenheit und der beispiellosen Härte der deutschen Besatzer. Ausschlaggebend war vielmehr, daß die sowjetische Offensive wenige Kilometer östlich vor Warschau zum Stehen kam. Dafür gab es auch militärische Gründe. Doch war es ganz offensichtlich, daß Stalin zynisch die Vernichtung der polnischen Heimatarmee abwartete. Ein letztes Mal spielten sich die beiden großen Diktatoren, der deutsche wie der sowjetische, gegenseitig in die Hände.

Nach 63 Tagen kapitulierten die letzten Aufständischen. Um die 200 000 Polen, davon 90 Prozent Zivilisten, hatten das Abenteuer des Aufstands mit dem Leben bezahlt. Große Teile Warschaus waren zerstört, der Rest wurde von den Deutschen systematisch gesprengt und eingeäschert. Hatten sie anfangs alle Gefangenen erschossen, so gab sich der deutsche Kommandant, SS-Obergruppenführer von dem Bach-Zelewski, am Ende mit einer regulären Kapitulation zufrieden. Dennoch endeten viele der knapp 520 000 polnischen Überlebenden als KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter.

Borodziej, 1956 in Wien geboren und mittlerweile stellvertretender Präsident der Universität Warschau, versteht sein Buch nicht als "ein zusammenfassendes letztes Wort", eher als eine "vertiefte Einführung". Das ist notwendig, nicht nur weil der Autor viele Ergebnisse der polnischen Forschung zugänglich macht. Lange hat dieses Drama, das seinesgleichen sucht, nicht die Würdigung erfahren, die es verdient hätte - nicht durch die kommunistischen Machthaber in Polen und erst recht nicht durch die Sowjets. Aber auch in Deutschland war (und ist) es mit den Kenntnissen nicht weit her.

Wie aber kann man dieser inkommensurablen Geschichte gerecht werden? Borodziej argumentiert verhalten und verweist auf die Friedlichkeit der polnischen Nachkriegsgeschichte, die ihre Wurzeln im Trauma des Warschauer Aufstands habe; das sei auch der Demokratisierung Polens zugute gekommen. Das mag so sein. Aber wenn es richtig ist, daß dieses Fanal eine ganz eigene Mischung aus romantischem Abenteuer und grandioser Verrücktheit gewesen ist, so dürfte wohl auch zutreffen, daß seine namenlosen Helden für mehr stehen als nur für ein Trauma und eine Niederlage: für Tapferkeit, Freiheitsliebe und Todesverachtung und nicht zuletzt für die Bereitschaft, für die eigene Sache einzustehen, selbst wenn diese schon längst aussichtslos geworden zu sein scheint.

CHRISTIAN HARTMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr