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Jan Landers, 34, ist Tagesschau-Sprecher in Hamburg. Aufgewachsen in Ostberlin, hat er in den Jahren nach der Wende schnell Karriere gemacht - vom Wetterfrosch eines Lokalsenders zu dem Mann, der jeden Abend die Wahrheit der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes verkündet. Doch obwohl er seine ostdeutsche Vergangenheit längst hinter sich gelassen zu haben scheint, ist er nie richtig im Westen angekommen. Er bewegt sich in den eleganten Kreisen der Stadt - und zugleich in einem gesellschaftlichen Niemandsland, dessen Gesetze undurchschaubarer sind als die seiner alten Heimat.Als sich das…mehr

Produktbeschreibung
Jan Landers, 34, ist Tagesschau-Sprecher in Hamburg. Aufgewachsen in Ostberlin, hat er in den Jahren nach der Wende schnell Karriere gemacht - vom Wetterfrosch eines Lokalsenders zu dem Mann, der jeden Abend die Wahrheit der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes verkündet. Doch obwohl er seine ostdeutsche Vergangenheit längst hinter sich gelassen zu haben scheint, ist er nie richtig im Westen angekommen. Er bewegt sich in den eleganten Kreisen der Stadt - und zugleich in einem gesellschaftlichen Niemandsland, dessen Gesetze undurchschaubarer sind als die seiner alten Heimat.Als sich das Gerücht verbreitet, Landers habe als »IM« mit der Stasi zusammengearbeitet, wird er sofort von seiner Arbeit suspendiert. Um den Verdächtigungen nachzugehen, reist er in seine Heimatstadt Berlin, zurück in seine Vergangenheit und die unsicheren Regionen seiner Erinnerung. Bald wird ihm klar, wieviel ihn inzwischen von seinem früheren Leben trennt - aber auch, wieviel ihn künftig von seinen Hamburger Freunden trennen wird.Alexander Osangs Roman »die nachrichten« ist die spannende Geschichte eines Mannes, der erst seine Illusionen und dann sich selbst verliert. Ein Buch über die Medienwelt und das schillernde Wesen der Wahrheit: ein ebenso scharfsinniger wie scharfzüngiger Gesellschaftsroman über das Deutschland der neunziger Jahre. »Er sah gut aus, war pünktlich und versprach sich nicht. Das waren die wichtigsten Eigenschaften eines Nachrichtenvorlesers. Er erfüllte sie.«
Autorenporträt
Alexander Osang, geboren 1962 in Berlin, studierte Journalistik in Leipzig und arbeitete nach der Wende als Chefreporter der Berliner Zeitung. Für seine Reportagen erhielt er mehrfach den Egon-Erwin-Kisch-Preis und den Theodor-Wolff-Preis. Alexander Osang schreibt heute für den ¿Spiegel¿ aus Tel Aviv, davor lebte er in Berlin und acht Jahre lang in New York. Sein erster Roman ¿die nachrichten¿ wurde verfilmt und mit zahlreichen Preisen, darunter dem Grimme-Preis, ausgezeichnet. Im S. Fischer Verlag und Fischer Taschenbuch Verlag sind darüber hinaus die Romane ¿Comeback¿, ¿Königstorkinder¿, ¿Lennon ist tot¿  und ¿Die Leben der Elena Silber¿ erschienen, die Reportagenbände ¿Im nächsten Leben¿ und ¿Neunundachtzig¿ sowie die Glossensammlung ¿Berlin ¿ New York¿.Literaturpreise:Theodor-Wolff-Preis 1995Egon-Erwin-Kisch-Preis für die beste deutschsprachige Reportage 1993, 1999 und 2001Reporter des Jahres 2009TAGEWERK-Stipendium der »Guntram und Irene Rinke Stiftung« 2010
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Der IM und die Leere
Alexander Osangs Ethnologie des Westens / Von Mark Siemons

Dem ostdeutschen Journalisten Alexander Osang ist mit diesem Buch die Umkehrung der Blickrichtung gelungen, wie man sie sich seit der Wende wünschte: daß so, wie bisher bloß das östliche Leben von ethnologisch interessierten Westdeutschen in seine Einzelteile zerlegt wurde, einmal auch die West-Gesellschaft von einem Fremden (um nicht zu sagen: Wilden) ostdeutscher Herkunft, der sich in sie eingeschlichen hat, ihrer vermeintlichen Selbstverständlichkeit entkleidet und von innen her, aber kalt, analysiert und beobachtet wird wie eine seltsame Population in exotischen Gefilden.

Die Wiedervereinigung des Landes bot ja von Anfang an die Chance, daß diese scheinbar so souveräne und dabei über ihre eigenen Bedingungen völlig unaufgeklärte Bundesrepublik von innen und außen zugleich betrachtet werden könnte. Doch bisher lag diese Chance ungenutzt brach. Der Roman "die nachrichten" erzählt nun die Aufsteigergeschichte eines Ostlers im Westen sowie dessen kurzzeitige Verwicklung in einen Stasi-Verdacht. Doch sein eigentliches Thema ist, wie "der Westen" funktioniert, und dies in einer Sphäre, die hier als Teil für das Ganze genommen wird: in der Medienwelt. Ohne daß der Name Luhmann fällt, wird doch dessen Voraussetzung übernommen, daß "die Gesellschaft" eine Sache der Kommunikation ist und nicht etwa irgendwelcher feststehender Fakten, geschweige denn "Nachrichten".

Geschildert wird, wie eine "Nachricht" zustande kommt. Über den Tagesschau-Sprecher Jan Landers, den Helden des Romans, soll in der Gauck-Behörde (die hier etwas anders heißt, weil das Psychogramm ihres Leiters eine nicht unwichtige Rolle für die Dramaturgie spielt) eine IM-Akte existieren. Das ist eine von jenen Nachrichten, die ein ganzes Koordinatensystem von Urteilen installieren, in dem der einzelne, der sich in ihm verfängt, sich nicht mehr bewegen kann. Wer mit der Stasi zu tun hatte, über den weiß die westdeutsche Gesellschaft Bescheid. Das Wort "Stasi" mit seiner eigentümlichen Aura genügt, um in der Öffentlichkeit - und zumal im finsteren Herzen der Öffentlichkeit, der Medienwelt - einen Automatismus zu erzeugen, in dem keinem Beteiligten die Chance einer Besinnung, geschweige denn Abweichung bleibt. Landers wird augenblicklich beurlaubt, und zwar vor allem aufgrund der Vorstellung, wie es wirken würde, wenn er selber die Nachricht seiner eigenen Enttarnung zur besten Sendezeit verlesen müßte.

Von diesem Moment an schwebt das Gespenst der Veröffentlichung über den Akteuren. Was wird am Montag im "Spiegel" stehen, was passiert innerhalb der "Behörde" selbst? Die Geschichte kommt, leider erst nach 175 Seiten, in Gang und entfesselt einen verblüffenden satirischen Aberwitz. Es macht nichts, daß sich der Plot am Ende als etwas überkonstruiert herausstellt. Die Überzeichnung gibt dem Roman im zweiten Teil erst die spielerische Distanziertheit, die ihm im ersten fehlte. Erst in dieser Klaustrophobie erhält die zunächst bloß erschöpfende Detailgenauigkeit der Beobachtungen eine dramaturgische Funktion. Hinter der Oberfläche der heiteren Welt kommt ein Pandämonium einander grotesk verstärkender Zynismen zum Vorschein.

Entscheidend für die polemische Wirkung ist dabei, daß die im ganzen fiktive Fabel im Detail erstaunlich glaubwürdig wirkt. Alle diese Menschen beim "Spiegel", bei der ARD, bei der Gauck-Behörde, in den PDS-Milieus Ost-Berlins erwecken den Eindruck, daß es sie tatsächlich gibt, so "frei erfunden" die Mischung ihrer Eigenschaften im Roman auch sein mag: die eifernde Spiegel-Reporterin, die im Zusammenspiel mit dem von ihr auch privat verehrten Leiter der Behörde das Kesseltreiben mit einer Routinenachfrage in Gang bringt; der versoffene Reporter bei einer ehemaligen SED-Bezirkszeitung, der es sich und der Welt mit einem investigativen Artikel noch einmal zeigen will und dabei einen Verrat nach dem anderen an den Leuten begeht, die ihm vertrauten; der komplexbeladene Archivar in der Neubrandenburger Außenstelle der Behörde, der endlich einmal einen Akt der Zivilcourage setzen will und damit das Verhängnis unfreiwillig beschleunigt; der ehemalige Stasi-Offizier, der ein letztes Mal in seinem Leben ernst genommen werden will und dafür bereit ist, die sozialistische Sache dem "Spiegel" zu verkaufen.

So tragikomisch, ja absurd die Verkettung der Umstände bisweilen auch anmutet, so gibt ihr doch der journalistische Gestus des Buches eine bestechende Plausibilität. Dem Reporter Osang entgeht kein Geräusch, kein Geruch, nicht die verstohlenste Bewegung; er hat ein beeindruckendes Gespür für den Ton der verschiedenen Milieus. Zum Beispiel eine Hamburger Journalisten-Party: "Lilo Kneese aus der Deutschland-II-Redaktion der Tagesthemen brachte eine große Glasschale. Sie hatte in der Küche geholfen." Der Name, die Funktion, die Glasschale, der schlichte Hinweis, sie habe "in der Küche geholfen": Allein diese Details könnten ausreichen, damit künftige Generationen einen Geschmack von der Bundesrepublik der neunziger Jahre bekommen.

Im Zentrum des Stasi-Komplexes, wie Osang ihn darstellt, kommt die Beschreibung freilich an ein Ende. Der unverhofft mit dem Stasi-Verdacht konfrontierte Nachrichtensprecher Landers reagiert nämlich exakt so, wie man es von allen Stasi-Tätern gewohnt ist: Er kann sich an nichts erinnern. Die Pointe ist, daß es in diesem Fall stimmt. Landers weiß wirklich nicht mehr, ob er während seiner Armeezeit etwas mit der Stasi zu tun hatte. Beim Ortstermin in seiner alten Kaserne schwant ihm schließlich, daß er sich dort tatsächlich einmal mit Stasi-Leuten getroffen hatte. Sie hatten mit ihm, dem Diskjockey, über Musik geredet, über Led Zeppelin vor allem, wonach sie ihm, ohne daß er es wußte, den IM-Namen Jimmy Page gaben. "Er hatte keine Angst gehabt, das war es. Deswegen hatte er es vergessen. Es war unbedeutend gewesen."

Man kann diese Erklärung mager, fast wieder wie eine Ausflucht finden. Aber es spricht für sie, daß sie so stehengelassen wird, ohne Anspruch auf Gesamteinordnung. Überhaupt spielen die großen Konzepte, der Sozialismus voran, eine frappierend geringe Rolle in diesem Buch, und auch das wirkt realistisch. "Der Zweck. Das war sein wunder Punkt", heißt es an einer Stelle über den ost-westlichen Helden Landers: "Er wußte nie, ob sie recht hatten. Er war anfällig für die Vernunft, die überwältigende, beruhigende Vernunft. Du mußt das im Zusammenhang sehen." Aber letztlich spielte die "Vernunft" für sein Leben im sozialistischen Land auch keine größere Rolle als etwa die "Professionalität" für seine West-Existenz. Landers ist überall gewillt, die Anforderungen seiner Umgebung für selbstverständlich zu nehmen.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt; in jedem Kapitel ist es ein anderer, der die anderen beobachtet, so daß sich auf die Dauer eine Art Gesellschaftsmosaik zusammensetzt. Es ist ein Horrorbild, denn alle belauern sich gegenseitig, daß einem die Luft wegbleibt. Keine Beobachtung an einer Person, einer Garderobe, einem Milieu bleibt für sich stehen, stets dient sie der ressentimentgeladenen Selbstvergewisserung oder Ich-Skepsis des jeweils Beobachtenden. Mit ihrem verzweifelten Bemühen, sich über äußere Accessoires in Beziehung zur Welt und zu sich selbst zu setzen, offenbaren sie die Unsicherheit, die hinter ihrer chronischen Überwachheit steht. Aus diesem Spiegelkabinett der Lebensstilgesellschaft führt kein Weg ins Freie. Jeder bleibt eine Monade für sich, unfähig, etwas anderes wahrzunehmen als die skrupulöse Arbeit am eigenen Selbst. Das ist der Clou der Verfremdung, die Osang, der Ethnologe aus dem Osten, an der West-Gesellschaft exerziert: Er demonstriert, wie der Drang nach Distinktion noch die existentiellsten Winkel besetzt und auch die öffentlichsten Fragen entleert. In solch einer Geschlossenheit war das bisher nicht zu lesen. 

Um die Geschichte einer radikalen Westwerdung nachzuzeichnen, ist die mimetische Methode des Autors also durchaus überzeugend. Der Held ist, streng genommen, ein Ekel, verliebt in seine ebenen Gesichtszüge, der Frau und Kind im schmuddligen Osten zurückläßt, um unter den geschmackssicheren Hamburgern Karriere zu machen. Er ist so sehr damit beschäftigt, im Westen anzukommen, daß er sein Ostleben und die dazugehörigen Menschen glatt vergißt. Erst nach dem Stasi-Verdacht, der ihm die Augen öffnet, bricht diese Fiktion zusammen: "Es war egal, ob sich die Zahnärzte Mirós in die Wartezimmer hängen. Seine Gästeliste zerfiel zu Staub. (. . .) Er konnte sich gar nicht mehr richtig verhalten." Am Ende geht alles gut aus, es kommt heraus, daß er niemanden verraten hat, und er darf wieder die Nachrichten lesen. Die böseste Pointe ist, daß dieser Held, nachdem ihm die Eitelkeit seines westlichen Daseins zur Genüge klargeworden ist, genauso weiterlebt wie zuvor.

Leider, und das ist der gewichtigste Einwand, den man gegen das Buch vor allem im ersten Teil erheben muß, steht Osang kein anderer Stil zur Verfügung, um die Innenausstattung seiner Figuren zu kennzeichnen. Es ist der immer gleich wache, detailgenaue, ressentimentgeladene Blick des Reporters, mit der die Tagesschau-Redaktion, ein Hamburger Restaurant oder die Gauck-Behörde geschildert werden. Diese ständige Reflexion über die eigenen Zähne, über die richtige Art zu küssen oder den passenden Wein, den man zu einer Einladung mitbringt, wirkt auf Dauer wie ein sich leerlaufendes Stilprinzip. Alle jammern über ihr "verpfuschtes kleines Leben" - ein im übrigen schon etwas verbrauchter Ausdruck von Reportern, die im amerikanischen Erzählstil schreiben -, aber alle auf ähnliche Weise. Aus jeder Ecke blinkt dem Betrachter dieses Sittenbilds ein Vanitas-Zeichen entgegen.

Osang kann behende und routiniert die Rollen wechseln, aus denen heraus er seine Szenen erzählt. Aber er kann nichts auslassen, kann nicht Atem holen. So besteht die Gefahr, daß mancher Leser, schon nach wenigen Seiten erschöpft von so viel Dauerpräsenz, gar nicht erst zum zweiten Teil vordringt, in dem die Leere all dieser Observationen und Obsessionen auch zum Gegenstand der Handlung wird. Manchmal schreckt der Autor nicht einmal vor Reportage-Weisheiten zurück, die man schon tausendmal gelesen hat: "Der Parkplatz ist jetzt das Maß aller Dinge. Auf ihm wird festgestellt, wer gut angekommen ist in der neuen Gesellschaft." Die notorische Besinnungslosigkeit sämtlicher Figuren, deren Leben sich in Relationen und Konventionen erschöpft, geht einem bisweilen auf die Nerven, vielleicht weil sie an gerade jene Medienattitüde erinnert, die Osang geißelt.

In der satirischen Entfesselung des zweiten Teils wird diese konsequente Anti-Metaphysik dagegen zum Kabinettstück. Um so rührender, daß das Prinzip dann doch an einer Stelle unterbrochen wird - als besondere Perfidie gegen die Korrektheit der Bescheidwisser gewissermaßen. Das einzige unmittelbare zarte Gefühl gesteht Osang ausgerechnet dem Stasi-Oberst zu, der über alten Filmen seinem Ende entgegendämmert, während sich seine Frau im Nebenzimmer der Trunksucht ergibt. "Er hatte sie geschlagen, ja", heißt es von ihm, "aber er hatte es bereut, denn er liebte sie." So etwas wird über keine andere Figur in diesem Roman gesagt.

Alexander Osang: "die nachrichten". Roman. S. Fischer, Frankfurt am Main 2000. 448 S., geb., 39,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2000

Alles so gut wie zuvor
Der Reporter Alexander Osang gibt seinen Einstand als Romancier
Die Medien beobachten sich selbst mit zunehmender Hingabe. Und zunehmend werden sie auch zum Gegenstand erzählender Literatur. Bald schon kann man vielleicht vom Genre des Medienromans sprechen. Alexander Osang, Reporter beim Spiegel, hat das jüngste Beispiel geliefert: Die Nachrichten, seinen ersten Roman. Dabei hat er sogleich ein paar Zentralorgane und Kardinalprobleme aufs Korn genommen, deren Aufzählung allein schon geeignet ist, den Griff nach dem Buch zu beschleunigen: die Tagesschau, die Gauck-Behörde, deren Fluch und Segen, die menschlich-allzumenschlichen Abgründe des Journalismus, das unverminderte Fremdeln zwischen Ossis und Wessis und nicht zuletzt ein Hamburger Nachrichtenmagazin.
Eigentlich steht dem Aufstieg von Jan Landers in die Liga der Medienprominenz nichts mehr entgegen. Obwohl erst seit zwei Jahren Tagesschau-Sprecher erkennen ihn die Leute schon auf der Straße. Und allmählich gelingt es dem Ostdeutschen, wenn auch mühsam, sich westlichen Lifestyle-Standards anzupassen. Doch plötzlich beginnt jemand heftig an der Karriereleiter zu rütteln. Eine dubiose Wessi-Koalition – so stellt es der ostwärts geborene Osang dar – überprüft, ob sich gegen den verblüffenden Erfolg ihres neuen Landsmannes nicht was tun lässt. Dazu gehören der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes mitsamt seinen Hintersassen, weil sie dringend neue IM-Entlarvungen brauchen, um ihre Unentbehrlichkeit zu beweisen. Eine Edelfeder vom Spiegel ist als knallharte Investigatorin mit von der Partie, außerdem ein Provinzjournalist, der von all jenen Journalistenpreisen träumt, die sein Autor bereits hat.
Der Ossi passt sich an
Jan Landers wird jedenfalls durch den Stasi-Verdacht weggewischt von den Bildschirmen der ehrwürdigen Tagesschau. Der Sturz bringt ihn zur Verzweiflung und an die Flasche, andererseits wird ihm erstmals bewusst, wie eilfertig er seine DDR-Biografie gegen Westanpassung eingetauscht hat. Schließlich jedoch, nach vielen Intrigen und figurenreichen Handlungswindungen, erweist sich seine Unschuld. Alles wird so gut wie zuvor und eine über die Krise hinweg gerettete Millionärstochter wird seine Frau. Der Westen und das Fernsehen haben ihn wieder aufgenommen und verschluckt. Am Ende kann er sein Gesicht auf dem Kontrollmonitor nicht mehr erkennen.
Spannender Stoff und Welthaltigkeit also in Hülle und Fülle. Alexander Osang kennt seine Themen, wie es sich für einen Reporter gehört, von der Sachlage bis zu den Schauplätzen und Figuren. Geschrieben ist das auch, nein, nicht brillant, aber höchst versiert. Eine Vielzahl von scharfen Detailbeobachtungen und oft bissigen Pointierungen fügt sich zu sehr überzeugenden Szenen und Handlungsstrecken. Um es mal exportfreundlich und genrespezifisch zu formulieren: Osang erklimmt spielend das hierzulande ewig herbei geflehte Niveau guter angelsächsischer Unterhaltungsromane.
Was nicht heißt, dass es auch im spezifisch literarischen Sinne hier viel zu bewundern gäbe. Aufs Ganze gesehen dominiert doch eher der inspirierte Reporter über den Romancier. Das klingt nach maßgeschneiderter Krittelei, aber es lässt sich begründen. Osangs Stil und Erzählerperspektive wirken, weil er sich weitgehend auf seinen Vorrat an handfesten Details verlässt, auf die Dauer flach und eindimensional. Seine Figuren bleiben, obwohl ihre Schilderung breitesten Raum einnimmt, fast karikaturhaft reduziert auf ein paar wenige Züge. Ihre vorwiegend auf Körperlichkeit, Schwächen, Defekte und Macken abgestellte Darstellung gehorcht als solche selbst den Enthüllungsgesetzen der Journaille. Wenn aber der sarkastische, zynische Betrieb noch mal mit professioneller Abgebrühtheit durchleuchtet wird, dann tritt eine doppelte Vergröberung ein, die leicht langweilig wird. Diese Schwächen sind nicht untypisch für das Genre des Medienromans. Die oben erwähnten Stärken dagegen hat Osangs Buch weitgehend für sich. Und darum lohnt die Lektüre dann doch.
EBERHARD FALCKE
ALEXANDER OSANG: Die Nachrichten. Roman. S.  Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2000. 448 Seiten, 39,90 Mark.
Alexander Osang Foto: Christian Härtel
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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