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Die Deutschland AG, das Netzwerk aus kooperierenden und vor Einflussnahme von außen geschützten Großunternehmen, ist in Auflösung begriffen. Der deutsche Finanzsektor wandelt sich zu einer im Bereich des Investmentbankings international operierenden Industrie. Gleichzeitig werden Shareholder-Value-Konzepte zunehmend auf deutsche Unternehmen übertragen. In diesem Band wird analysiert, wie deutsche Unternehmensleitungen auf diese Entwicklung reagieren.

Produktbeschreibung
Die Deutschland AG, das Netzwerk aus kooperierenden und vor Einflussnahme von außen geschützten Großunternehmen, ist in Auflösung begriffen. Der deutsche Finanzsektor wandelt sich zu einer im Bereich des Investmentbankings international operierenden Industrie. Gleichzeitig werden Shareholder-Value-Konzepte zunehmend auf deutsche Unternehmen übertragen.
In diesem Band wird analysiert, wie deutsche Unternehmensleitungen auf diese Entwicklung reagieren.
Autorenporträt
Wolfgang Streeck Direktor am MPI für Gesellschaftsforschung in Köln.

Drf. phil. Martin Höpner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2003

Abwicklung der Deutschland AG
Traditionelles Management unter dem Einfluß von Shareholder Value

Wolfgang Streeck/Martin Höpner (Herausgeber): Alle Macht dem Markt? Fallstudien zur Abwicklung der Deutschland AG. Campus, Frankfurt 2003, 289 Seiten, 30,80 Euro.

Martin Höpner: Wer beherrscht die Unternehmen? Shareholder Value, Managerherrschaft und Mitbestimmung in Deutschland. Campus, Frankfurt 2003, 265 Seiten, 30,80 Euro.

Wie geht es eigentlich der sogenannten Deutschland AG? Gemeint ist jenes politisch gestützte Netzwerk, das durch weitreichende Personalverflechtungen zwischen Unternehmen und Großbanken die Konkurrenz nach innen begrenzt und nach außen Geschlossenheit anstrebt. Sind die Schutzmauern nach den Attacken durch das Modell des "Shareholder Value" noch intakt? Stimmt die Logik dieser deutschen Spielart des organisierten Kapitalismus noch, nach welcher über die Mitbestimmung auch gesamtgesellschaftliche Interessen wahrgenommen werden sollen? Wie steht es mit den Führungskräften, die traditionell nicht über den Markt, sondern aus der Belegschaft des eigenen Unternehmens rekrutiert wurden? Gelten feindliche Übernahmen nach wie vor als kulturschädlich? Solchen und noch viel mehr Fragen geht das Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung nach. Ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstütztes Forschungsprojekt über den Einfluß der Internationalisierung auf das deutsche Modell der industriellen Beziehungen und eine Reihe damit verbundener Dissertationen liefern nun reichlich Stoff für Antworten auf diese Fragen. In zwei Büchern kann sich der Leser davon überzeugen.

Wolfgang Streeck und Martin Höpner zeichnen in ihrem Sammelband nach, wie und warum die Deutschland AG in Auflösung begriffen ist. Ihre These: Der Prozeß der Liberalisierung der Unternehmenskontrolle ist seit den späten neunziger Jahren weit - und irreversibel - fortgeschritten. Und in seiner Einzelschrift fragt Höpner nach den Ursachen und Wirkungen des oft mißverstandenen Shareholder-Value-Phänomens in Deutschland. Daran knüpft er Überlegungen zur neuen Rolle von Mitbestimmung und Managerherrschaft. Beide Bücher stellen nicht in Abrede, daß die Unternehmen der Deutschland AG auf bestimmten Gebieten erfolgreich waren, etwa im Schaffen von Arbeitsplätzen, auf den Produktmärkten und bei der Befriedigung höchst unterschiedlicher Interessengruppen ("Stakeholder"). Allerdings war den Unternehmen Wachstum wichtiger als Profitabilität. Deren im Vergleich zu angelsächsischen Unternehmen niedriges Niveau konnte nur durchgehalten werden, weil mit feindlichen Übernahmen nicht zu rechnen war und die größtenteils passiven Privatanleger keinen Effizienzdruck ausübten.

Das sei zugleich die Sollbruchstelle in den Mauern um die Deutschland AG gewesen, schreiben die Kölner Gesellschaftsforscher. Das Konzept des Shareholder Value - oder weniger spektakulär: einer Kapitalmarktorientierung - zwinge nun die Unternehmen, zumindest die Kapitalkosten zu erwirtschaften und sich auf Kernbereiche zu konzentrieren, statt wie bisher Risikostreuung und Quersubventionierung zu betreiben. Der Wandel in der Unternehmensführung zeige sich auch an der Übernahme internationaler Rechnungsstandards, was im Vergleich zum Handelsgesetzbuch (HGB) die Wahlfreiheiten drastisch einschränke, und in der Beseitigung von Höchst- und Mehrfachstimmrechten. Die Vergütung von Führungskräften werde zunehmend an finanzielle Kennzahlen gekoppelt. Darüber hinaus gebe es klare Anzeichen für eine abnehmende Verflechtung zwischen den deutschen Großunternehmen. Die Deutsche Bank zum Beispiel, früher in fast jedem dritten Kontrollorgan der hundert größten deutschen Unternehmen vertreten, hat sich deutlich zurückgezogen.

Für Streeck und Höpner stellt dieser Wandel allerdings keinen Systembruch dar, sondern vielmehr eine schleichende "Hybridisierung" der Unternehmensverfassungen. Dabei kommen sowohl Elemente des organisierten Kapitalismus als auch des liberalen (angelsächsischen) Modells zur Anwendung. Die beiden Wissenschaftler beleuchten diese Entwicklung anhand von neun aufschlußreichen Fallstudien. So sieht man an dem langen Niedergang der AEG, warum das deutsche System der Unternehmenskontrolle auf Gegenseitigkeit auf den turbulenten Märkten von heute einfach scheitern mußte. Die Fallstudie "Gemeinwirtschaft" soll zudem zeigen, daß auch die Gewerkschaften in ihren eigenen Beteiligungsgesellschaften letztlich ebenfalls auf eine Strategie des Shareholder Value eingeschwenkt sind. Aus der Analyse des Falls Mannesmann/Vodafone wird gefolgert, daß sich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre neben dem Produkt-, Arbeits- und Aktienmarkt in Deutschland ein Markt für Unternehmenskontrolle herausgebildet hat. Der Konkurrenz auf diesem Markt sei eine zwar begrenzte, aber zunehmende Zahl deutscher Unternehmen ausgesetzt.

Wie wenig vom einheitlichen deutschen Modell der Unternehmensführung übriggeblieben ist, veranschaulichen die Analysen der Chemie- und Pharmaindustrie, allen voran Bayer, BASF und Hoechst. Die Maxime des Shareholder Value erweitere den Spielraum der Unternehmensleitungen und werde zunehmend zur Legitimation unbequemer Entscheidungen benutzt. Mit einer vergleichenden Fallstudie über Siemens und Veba wird demonstriert, daß auch und gerade stark mitbestimmte Unternehmen kapitalmarktorientiert geführt werden können, ohne mit einem Abschlag auf ihren Unternehmenswert bestraft zu werden. Es besteht auch, so die Folgerung, kein Anlaß zu der Erwartung, daß - wenigstens bei den dem Weltmarkt ausgesetzten deutschen Unternehmen - die Mitbestimmung angloamerikanischen Verhältnissen weichen müßte. Tradierte Institutionen lösten sich nicht einfach auf, sondern würden vielmehr für neue Zwecke konvertiert.

Im Gegensatz zur Fallstudienmethode des Sammelbandes wählt Höpner in seinem Einzelband den Unternehmensvergleich als Forschungsansatz. Er untersucht am Beispiel der vierzig größten deutschen börsennotierten Nichtfinanzunternehmen die Ursachen und Folgen der zunehmenden Shareholder-Value-Orientierung sowie deren Vereinbarkeit mit dem deutschen Modell der Arbeitsbeziehungen. Der Autor wendet sich unter anderem gegen die These, Shareholder-Value-Politik entstehe nur durch Zwang, das heißt, die deutschen Manager müßten erst zu einer Aktionärsorientierung angehalten werden. Vom Wendepunkt der späten neunziger Jahre an hätten die Unternehmensleitungen offensiv nach der neuen Managerideologie gegriffen. Warum? Erstens hätten sich die Karrieremuster verändert - Hauskarriere, naturwissenschaftlich-technische Ausbildung und lange Verweildauer in den Positionen verlören immer mehr an Bedeutung. Zweitens nehme die Überwachung der Führungskräfte durch Banken und Netzwerke (Insider) ab und die des Kapitalmarkts (Outsider) zu. Drittens komme genau dieser Übergang vom internen zum externen Monitoring den Managern zupaß: Ihre Gehälter hätten sich zum Teil drastisch erhöht - um durchschnittlich 66 Prozent in drei Jahren, wenn man die Vorstandsbezüge ohne Aktienoptionen der vierzig größten deutschen Unternehmen heranzieht.

Höpner wagt sich auch an die Messung der Shareholder-Value-Orientierung. Dafür nutzt er vier Indikatoren: die Informationsqualität der Geschäftsberichte, die Intensität der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt (Investor Relations), die Wahl geeigneter Renditekennzahlen, die den operativen Shareholder Value getreuer widerspiegeln als bloße Gewinnziele, und schließlich die Kopplung der Managervergütung an die gewählten Kennzahlen. Es fällt auf, wie sehr die Kapitalmarktorientierung im Untersuchungszeitraum 1996 bis 1999 von der Branchenzugehörigkeit bestimmt wird. Während die Chemie- und Pharmaunternehmen am oberen Ende der Skala zu finden sind, rangieren die Bau- und Handelsunternehmen eindeutig am Ende. Automobil- und Maschinenbauunternehmen sind hingegen gleichmäßig verteilt. Die zu beobachtende Tendenz zur Individualisierung der Unternehmensführung läßt vermuten, daß eine solche Spreizung in naher Zukunft alle Branchen umfassen wird. Höpner beschließt sein Buch mit einer ausführlichen Zusammenschau, in der er auch auf die Spielarten des Kapitalismus und die besondere Natur des beschriebenen Wandels eingeht.

Beide Bücher sind frei von Polemik, obwohl sie so manches gegen den Strich bürsten. Sie bestechen durch die Sorgfalt ihrer Argumentation. Es wäre zu wünschen, daß auch Praktiker zu diesen Schriften griffen: Wirtschaftssoziologie kann durchaus spannend sein und zum Mit- wie Nachdenken anregen.

HEINZ K. STAHL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Diese Publikation gehört, wie man von Rezensent Heinz K. Stahl erfährt, in den Rahmen eines von der DFG geförderten Forschungsprojekts des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, über "den Einfluss der Internationalisierung auf das deutsche Modell der industriellen Beziehungen". Es gehe also, präzisiert Stahl, um Zustand und Zukunft der "deutschen Spielart des organisierten Kapitalismus", die unter anderem "durch weitreichende Personalverflechtungen zwischen Unternehmen und Großbanken" gekennzeichnet ist, die "die Konkurrenz nach innen begrenzt und nach außen Geschlossenheit anstrebt", dadurch, dass Führungskräfte eher aus der Belegschaft denn auf dem Markt rekrutiert werden, durch vergleichsweise weitgehende "Mitbestimmungsrechte" usw. Für Antworten auf Fragen wie etwa, ob dies alles noch intakt und funktionsfähig ist, liefere der vorliegende Sammelband, lobt Stahl, nun in neun "aufschlussreichen" Fallstudien "reichlich Stoff" und zeige zudem, dass "Wirtschaftssoziologie durchaus spannend sein und zum Mit- wie Nachdenken anregen" könne. Außerdem hebt er hervor, dass der Band durch die "Sorgfalt der Argumentation" besteche und "frei von Polemik" sei, ob wohl er "manches gegen den Strich" bürste.

© Perlentaucher Medien GmbH
Abwicklung der Deutschland AG
"Das Buch ist frei von Polemik, obwohl es so manches gegen den Strich bürstet. Es besticht durch die Sorgfalt seiner Argumentation. Es wäre zu wünschen, daß auch Praktiker zu dieser Schrift griffen: Wirtschaftssoziologie kann durchaus spannend sein und zum Mit- wie Nachdenken anregen." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2003)