Marktplatzangebote
15 Angebote ab € 1,10 €
  • Gebundenes Buch

B Ist die Hoffnung noch grün? S Die Grünen, das war bis vor gar nicht allzu langer Zeit eine Erfolgsgeschichte. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich Politik grundlegend geändert, die Grünen wurden unflexibel. Nun laufen sie Gefahr, die Fragen der Zeit zu verschlafen. Und es ist völlig offen, ob es die Grünen schaffen werden, sich noch einmal zu erneuern. Es steht viel auf dem Spiel: Scheitern sie, verschwinden sie nicht nur aus der Regierung, sondern auch von der politischen Bildfläche. Wie können die Grünen ihr inneres Durcheinander überwinden? Wie können sie langfristige Strategien…mehr

Produktbeschreibung
B Ist die Hoffnung noch grün? S Die Grünen, das war bis vor gar nicht allzu langer Zeit eine Erfolgsgeschichte. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich Politik grundlegend geändert, die Grünen wurden unflexibel. Nun laufen sie Gefahr, die Fragen der Zeit zu verschlafen. Und es ist völlig offen, ob es die Grünen schaffen werden, sich noch einmal zu erneuern. Es steht viel auf dem Spiel: Scheitern sie, verschwinden sie nicht nur aus der Regierung, sondern auch von der politischen Bildfläche. Wie können die Grünen ihr inneres Durcheinander überwinden? Wie können sie langfristige Strategien entwickeln und sich in der Regierung profilieren? Werden sie es schaffen, grüne Politik neu zu definieren und wieder junge Wählerinnen und Wähler zu gewinnen? Diese schonungslose Analyse des Grünen-Experten Joachim Raschke stellt die unangenehmen Fragen, die sich die Grünen beantworten müssen, wenn sie eine Zukunft haben wollen. Einst waren die Grünen Hoffnungsträger und Bürgerschreck zugleich. Heute gelten sie als handzahmer Regierungspartnerin Berlin. Sind sie durch Gerhard Schröder domestiziert worden oder blockieren sie sich selbst? Jedenfalls konnten sie bisher die verbreiteten Zweifel an ihrer Regierungsfähigkeit nicht ausräumen. Unklar bleibt ihr Profil,: wo sie wirklich stehen, was sie wirklich wollen, wer sie wirklich sind. So groß die Probleme der Partei auch sind, noch gravierender ist das Führungsversagen. Es ist nicht gelungen, jenseits der Strömungen ein strategisches Zentrum aufzubauen. Es fehlt am Know-how der Regierungssteuerung. Mit Joschka Fischer sitzt der richtige Mann im falschen, mit Jürgen Trittin der falsche Mann im richtigen Ministerium. Erst mit Renate Künast (die inzwischen in die Regierung gewechselt ist) und Fritz Kuhn deutet sich eine Wende in der grünen Politik an. Nur wenn Kuhns "erfolgreiches Notstandregime" greift, können die Grünen gegen die FDP gewinnen. Dieser A usscheidungskampf wird die Bundestagswahl 2002 entscheidend prägen. Dies ist die erste vertiefende Analyse des rot-grünen Regierungsexperiments in Berlin. Der Grünen-Experte Joachim Raschke weiß, wie es hinter den Kulissen der kompliziertesten Partei Deutschlands zugeht. Seine schonungslose Analyse stellt die unangenehmen Fragen, die die Grünen beantworten müssen, wenn sie eine Zukunft haben wollen. Er zeigt, wie Parteien in der Mediendemokratie funktionieren und wie Regierungshandeln gesteuert wird.
Autorenporträt
Der bekannte Parteienforscher Joachim Raschke hat die Grünen seit ihrer Gründung begleitet und ihnen immer kritisch den Spiegel vorgehalten. Er ist Autor des Standardwerkes Die Grünen. Im Campus Verlag erschien von ihm 1985 Soziale Bewegungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2001

Auf der Suche nach dem verlorenen Unterleib
Erst am meisten basisorientiert, dann am basislosesten von allen Parteien: Die Grünen in der Regierung

Joachim Raschke: Die Zukunft der Grünen. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2001. 470 Seiten, 49,80 Mark.

Die Grünen fallen aus dem herkömmlichen politischen Rahmen. Trotz ihres durchaus vitalen Willens zur Macht haben sie in den über zwanzig Jahren ihrer Existenz den Widerwillen gegen klare und effektive Strukturen nie ganz aufgegeben. Ohne daß sie in einer inhaltlich bestimmbaren Weise noch markant anders als die anderen Parteien wären, bleiben sie - der letzte Parteitag in Stuttgart hat es wieder einmal bewiesen - doch schwer berechenbar. Keine andere Partei besitzt ähnlich starke selbstzerstörerische, zumindest selbsthemmende Kräfte wie die Grünen. Obgleich sie in Berlin nicht ohne Geschick mitregieren, ist ihre Zukunft alles andere als sicher.

Warum stehen die Grünen auf schwankendem Boden? Joachim Raschke sucht eine Antwort. Die fällt - was ein Vorteil wie ein Nachteil seiner Studie ist - sehr politologisch aus. Im Mittelpunkt steht eine schlichte, aber treffende Einsicht: Den Grünen fehlt ein "strategisches Zentrum". In einer Mischung aus Sorglosigkeit, antibürgerlichem Ressentiment und Angst vor den disziplinierenden Folgen von Ordnung haben sie es unterlassen, sich eine Struktur zu geben, in der politische Talente möglichst gut zum Zuge kommen können.

Die Grünen haben viel darangesetzt, die Herausbildung eines formell legitimierten Führungspersonals zu verhindern. Das aber schadet den regierenden Grünen heute schwer. Denn in Zeiten verblassender ideologischer Profile brauchen, so Raschke, Parteien dringend ein Führungspersonal, das in der Lage ist, flexibel und bestimmt zu reagieren. Daß die Grünen, die doch einst so stark auf Spontaneität setzten, dazu nicht fähig sind, fällt um so mehr ins Gewicht, als die SPD mit Schröder und Müntefering über zwei Musterexemplare dieses Politikertypus verfügt.

Die drei mittleren Kapitel des Buches (das eine Straffung gut vertragen hätte) sind die stärksten. An Beispielen wie Umweltpolitik, Atomausstieg, Ökosteuer oder Reform des Staatsbürgerschaftsrechts zeichnet Raschke außerordentlich materialreich das grüne Regierungshandeln nach.

Die Bilanz fällt fast durchweg vernichtend aus. Die Grünen haben die Oppositionszeit nicht genutzt, sich aufs Regieren vorzubereiten - ihre Schubladen waren leer, eine Regierungskonzeption fehlte.

Dem vagabundierenden Radikalismus folgte (gerade bei Trittin!) spiegelbildlich ein kleinlauter Realismus, der aus der Defensive nicht herauskommt. Die Partei der "Nachhaltigkeit" hat wenig Lust auf das Bohren dicker Bretter. Und vor der Inthronisierung des Vorsitzenden Kuhn fehlte ihr fast vollständig das Vermögen, Partei, "Basis", Fraktion und Regierungsmitglieder halbwegs schlüssig aufeinander zu beziehen.

Der größte Erfolg der Grünen, die Regierungsbeteiligung in Berlin, hat die Partei zugleich in ihre nachhaltigste Krise gestürzt. Die SPD ging mit ihrem Koalitionspartner lange Zeit ohne jeden Respekt um, verstand es, die Grünen geradezu zu erpressen und, schlimmer noch, wie eine Unterabteilung von sich selbst zu behandeln.

Raschke begleitet das grüne Wirtstier schon lange als kritischer, in Maßen sympathetischer Beobachter. Er kann sich auf Informationen und Einschätzungen führender Grüner (die durchweg ungenannt bleiben) stützen und so mit beeindruckender Präzision das vorherrschende handwerkliche Fiasko sowie die wenigen gelungenen Coups grüner Regierungstätigkeit darstellen.

Haben die Grünen dennoch eine Zukunft? Raschke beläßt es dabei, einen Wettlauf zu beschreiben. Regierend haben die Grünen viel getan, um ihre Partei - und damit letztlich das gesellschaftliche Feld, dem sie entstammen - zu entmächtigen und bedeutungslos zu machen.

Die einst am meisten basisorientierte Partei ist zur basislosesten von allen geworden. Der führenden Handwerkertruppe um Fritz Kuhn geht es nun darum, die Partei nachholend zu modernisieren, à jour zu bringen: die Dame ohne Unterleib auf der Suche nach demselben. Gelingt das, wäre es ein veritables Kunststück. Gelingt es nicht, wäre es vermutlich das Ende der Partei, die - vielleicht stärker als die SPD - etwas von Milieu und Heimat behalten muß, um überleben zu können. Raschke glaubt, daß Parteien in der mittelpunktslosen Mediengesellschaft zu "lose verknüpften Fragment- und Stückwerkstrukturen" werden müssen. Gerade weil sie ohnehin schon so postmodern sind, würde das den Grünen vermutlich aber nicht bekommen.

Im Grunde beschreibt Raschke die Grünen in Funktion zur SPD. Überlebenschancen, wenngleich keine prächtigen, gibt er ihnen nur in der rot-grünen Packung. Raschke sieht natürlich, daß diese Paarung längst ohne Glanz ist - er geht aber offensichtlich davon aus, daß alles andere die zermürbte Partei überfordern würde, in der viele gewundene Patchwork-Biographien zu verteidigen sind. Damit spricht der Autor den Grünen, die immerhin die einzige dauerhafte parteipolitische Innovation seit Jahrzehnten darstellen, einen eigenen Existenzgrund ab.

Nur als Beiboot der SPD habe das grüne Bündnis aus Wehmutslinken und marktfreudigen Postmaterialisten eine Chance. Wohl ist es wahr, daß Linke wie "Realos" viel getan haben, um die Grünen im herkömmlichen Koordinatensystem möglichst in der Nähe der SPD anzusiedeln. Doch ein anderer Weg wäre, in Einklang mit dem Gründungsthema der Grünen, durchaus denkbar. Fortschrittsskeptik, ökologisch motivierte Selbstbeschränkung, soziale Aufmerksamkeit und der Wille, die Zukunft nicht zu verbauen: Das wären Markierungspfosten einer grünen Partei, die auch ohne Schröders Gnade überleben könnte. Raschke, der mehr von oben nach unten als umgekehrt blickt und allzu nah am Kabinettstisch forscht, vermag das nicht zu sehen.

THOMAS SCHMID

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wolfgang Roth zeigt sich recht angetan von diesem Band, auch wenn er einräumt, dass die Ergebnisse, zu denen der Autor kommt, "ziemlich vernichtend für viele Grüne" sein werden - etwa wenn Raschke auf Punkte wie Strategieschwäche, Führungsvakuum oder "Orientierungslücke" zu sprechen kommt. Auch das Problem, grüne "Herzensanliegen" wie den Atomausstieg in der Koalition durchzusetzen, wird hier nach Roth genauer unter die Lupe genommen. Doch Raschke geht es nach Roth nicht um die Zukunft der Regierung, sondern um die der Grünen, und da fällt sein "Urteil schonungslos" aus, wie er durch "profunde, systemverzweigte Analyse und sehr einfachen Wahrheiten" aufzeigt, erklärt der Rezensent. Nicht zuletzt lobt Roth die "sehr guten Informationsquellen innerhalb der Grünen", die der Autor offensichtlich bei seinen Recherchen nutzen konnte sowie die Tatsache, dass Raschke auch ein Zukunftsszenario für die Grünen entwirft.

© Perlentaucher Medien GmbH