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Wie entsteht eine Gewaltkarriere?Polen sind das Allerletzte, findet Mari, die ständig von einer Polenclique gepiesackt wird. Da ist es nur ihr gutes Recht, sich zu wehren und brutal zuzuschlagen. Auf die Fassungslosigkeit ihrer Familie und Freunde reagiert Mari voller Frust, Hass und Aggression. Dann ist auch Mari fassungslos: Das Gericht schickt sie zur Rehabilitation nach Polen. Dort sieht sie sich gezwungen, so manches Vorurteil zu überdenken.

Produktbeschreibung
Wie entsteht eine Gewaltkarriere?Polen sind das Allerletzte, findet Mari, die ständig von einer Polenclique gepiesackt wird. Da ist es nur ihr gutes Recht, sich zu wehren und brutal zuzuschlagen. Auf die Fassungslosigkeit ihrer Familie und Freunde reagiert Mari voller Frust, Hass und Aggression. Dann ist auch Mari fassungslos: Das Gericht schickt sie zur Rehabilitation nach Polen. Dort sieht sie sich gezwungen, so manches Vorurteil zu überdenken.
Autorenporträt
Birgit Schlieper, geb. 1968 in Iserlohn, hat Amerikanistik, Romanistik und Anglistik studiert, ihr Studium aber abgebrochen, als ihr ein Zeitungsvolontariat angeboten wurde.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.12.2006

Wie ein voller Mülleimer
Opfer und Täter: Ein Mädchen verzweifelt an ihrem Umfeld
Mari flippt aus. Sie steigert sich in einen Rausch aus Wut und Gewalt, der dem polnischen Jungen Marius fast das Leben kostet. Soll er doch sterben, denkt sie, als sie ihm das Gesicht zertritt, dann kann er sie nicht mehr bespucken und quälen, zusammen mit der Bande junger Migranten, die ihr das Leben schwer machen. Sie hasst diese Jugendlichen, die wie sie in dem heruntergekommenen deutschen Vorort wohnen. Ihre Mitschüler verachten sie dafür. „Die Polenhure bin ich. Weil ich dort wohne, wo ich wohne. Dabei war ich zuerst da. Das interessiert aber niemanden. Vor allem nicht die Haarspangenmädchen.”
Als die Polizei sie festnimmt und in ein Heim bringt, gibt sie sich frech und cool. In Gegenwart der entsetzten Eltern, des Psychologen und Sozialhelfers zeigt ihre Fassade aber Risse, ihre Stimmung schwankt. Sie wünscht sich, dass die Mutter sie in den Arm nimmt, sie nicht immer nur mit Sprüchen abspeist. Doch sie weiß, dass dieser die Arbeit als Ausländerbetreuerin wichtiger ist als die eigene Tochter. Auch vom Vater ist keine Hilfe zu erwarten. Er musste seine Pizzeria, die er zusammen mit dem italienischen Großvater betrieben hatte, schließen und hockt teilnahmslos in der Wohnung.
Birgit Schliepers Jugendroman dokumentiert glaubwürdig die Situation eines Mädchens, das zugleich Opfer und Täter ist. Der Leser wird überfallen von dem unkontrollierten emotionalen Gedankenfluss, mit dem die Ich-Erzählerin ihre Not und ihren Hass herausschreit. Er wird hin- und hergerissen zwischen Abscheu und Mitleid. Die Erwachsenen sind ratlos. Mari, die früher nie auffällig war, gibt sich uneinsichtig, aggressiv, beschimpft mit unflätigen Ausdrücken alles Polnische und wird doch selbst in dem geschlossenen Mädchenheim von einer psychisch gestörten Polin massiv bedroht, unbemerkt von der Heimleitung.
„Wie lange bin ich schon in diesem Paralleluniversum. Mir war immer klar gewesen, dass ich nicht in meine Welt gehörte. Nicht in meine Schulklasse, nicht in mein Viertel, nicht zu meinen Eltern. Aber hier gehöre ich ganz sicher auch nicht hin. Nicht in diesen ordinären Sumpf, wo Gewalt immer präsent ist.”
Der Mutter gelingt es schließlich, eine Gefängnisstrafe abzuwenden, sie schlägt eine Resozialisierungsmaßnahme vor. Das Mädchen wird mit einer jungen Sozialhelferin nach Polen auf einen einsamen Bauernhof gebracht. Hier soll sie arbeiten, Eigenverantwortung lernen und ihre Aggressionen gegen Polen verlieren. Eine Aufgabe, die in dieser armseligen Umgebung und einer Bauernfamilie, die selbst große Schwierigkeiten hat und die beide nur aufnahm, weil sie Geld braucht, ziemlich unmöglich scheint.
Es wird eine harte Zeit für Mari und die Sozialarbeiterin Simone, denn das Mädchen macht es niemandem leicht, auch nicht sich selbst, schwankt sie doch zwischen Einsicht und aggressivem Verhalten. Das Projekt droht zu scheitern. An den langen Abenden oder auf Spaziergängen durch die eintönige Landschaft bewegt sie die Frage, wie sie in diese schreckliche Lage gekommen ist. Keine Illusionen macht sie sich um ihre Zukunft. „Ich versuche, mir vorzustellen, wie es werden wird. Wenn ich wirklich die drei Monate durchstehen sollte und wieder in mein Leben entlassen werde, wie soll das denn bitteschön weitergehen? Ich werde so willkommen und beliebt sein wie ein voller Mülleimer.”
Doch plötzlich wird das Sozialprojekt vorzeitig beendet, Mari wird gute Führung und Eigeninitiative attestiert. Auch ihr Kokon aus Angst, Trotz und Vorurteilen wird gesprengt, sie lernt eine junge Frau kennen, die sie das Leben in Polen mit anderen Augen sehen lässt. Sie sieht eine Möglichkeit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und plant, zu Verwandten nach Italien zu ziehen.
Dieser glaubwürdige Schluss ist kein Happy End, sondern signalisiert, dass man auch in scheinbar aussichtslosen Situationen, nicht in Hoffnungslosigkeit versinken muss. ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
BIRGIT SCHLIEPER: Polnisch für Anfänger. cbt/cbj Verlag, München 2006. 187 Seiten, 5,95 Euro. Ab 14 Jahre
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In ihrem Jugendroman "Polnisch für Anfänger" erzählt Birgit Schlieper die Geschichte des Mädchens Mari, die angeblich in einer vor allem von polnischen Einwanderern bevölkerten Siedlung wohnt. Weil sie deshalb von ihren eigenen Mitschüler abgelehnt wird, entwickelt sie so viel Hass auf die Polen, dass sie den Jungen Marius fast umbringt. Ihre eigene Mutter vernachlässigt sie übrigens, sie arbeitet als "Ausländerbetreuerin". Rezensentin Roswitha Budeus-Budde ist von dieser Konstellation sehr beeindruckt, findet alles glaubwürdig und sich selbst zwischen Abscheu und Mitgefühl hin- und hergerissen. Denn nach dem Überfall kommt Mari in ein Jugendheim, und auch hier ist sie wieder "Opfer und Täter". Sie ist einerseits aggressiv und uneinsichtig, anderseits wird sie von einer psychisch gestörten Polin bedroht. Zur Resozialisierung geht es, man ahnt es schon, auf einen polnischen Bauernhof.

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