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Was hat Alexander von Humboldt, der vor mehr als 150 Jahren starb, mit Klimawandel und Nachhaltigkeit zu tun? Der Naturforscher und Universalgelehrte, nach dem nicht nur unzählige Straßen, Pflanzen und sogar ein »Mare« auf dem Mond benannt sind, hat wie kein anderer Wissenschaftler unser Verständnis von Natur als lebendigem Ganzen, als Kosmos, in dem vom Winzigsten bis zum Größten alles miteinander verbunden ist und dessen untrennbarer Teil wir sind, geprägt. Die Historikerin Andrea Wulf stellt in ihrem vielfach preisgekrönten - so auch mit dem Bayerischen Buchpreis 2016 - Buch Humboldts…mehr

Produktbeschreibung
Was hat Alexander von Humboldt, der vor mehr als 150 Jahren starb, mit Klimawandel und Nachhaltigkeit zu tun? Der Naturforscher und Universalgelehrte, nach dem nicht nur unzählige Straßen, Pflanzen und sogar ein »Mare« auf dem Mond benannt sind, hat wie kein anderer Wissenschaftler unser Verständnis von Natur als lebendigem Ganzen, als Kosmos, in dem vom Winzigsten bis zum Größten alles miteinander verbunden ist und dessen untrennbarer Teil wir sind, geprägt. Die Historikerin Andrea Wulf stellt in ihrem vielfach preisgekrönten - so auch mit dem Bayerischen Buchpreis 2016 - Buch Humboldts Erfindung der Natur, die er radikal neu dachte, ins Zentrum ihrer Erkundungsreise durch sein Leben und Werk. Sie folgt den Spuren des begnadeten Netzwerkers und zeigt, dass unser heutiges Wissen um die Verwundbarkeit der Erde in Humboldts Überzeugungen verwurzelt ist. Ihm heute wieder zu begegnen, mahnt uns, seine Erkenntnisse endlich zum Maßstab unseres Handelns zu machen - um unser aller Überleben willen.

Ausstattung: 8 S. Farbbildteil, 69 s/w-Abb. im Text, 3 Karten
Autorenporträt
Andrea Wulf, geboren in Indien und aufgewachsen in Deutschland, lebt seit anderthalb Jahrzehnten in London. Seit ihrem Studium der Designgeschichte am Royal College of Art arbeitet sie als Sachbuchautorin und Journalistin. Sie wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, ihr Buch "The Brother Gardeners" wurde u.a. für die Longlist zum Samuel Johnson Prize nominiert. Sie schreibt u.a. für "Wall Street Journal", "Sunday Times", "New York Times", "Guardian" und "Times Literary Supplement" und arbeitet zudem regelmäßig für die BBC. 2012 erschien ihr Buch "Die Jagd auf die Venus".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016

Der größte Mann seit der Sintflut

Andrea Wulf porträtiert den Forschungsreisenden Alexander von Humboldt. Etwas weniger Einfühlung und mehr Einsichten hätten nicht geschadet.

Von Alexander Kosenina

Mindestens ein Gemälde des "größten Forschungsreisenden" aller Zeiten, wie Darwin ihn nannte, ist ins kollektive Gedächtnis eingegangen: Darauf ist Alexander von Humboldt neben seinem Begleiter Aimé Bonpland an einem mit Naturalien und Instrumenten übersäten Tisch im tropischen Urwald zu sehen. Hans Magnus Enzensbergers lyrisches Porträt von Humboldt im "Mausoleum" ruft dieses Bild von Eduard Ender auf, und es schließt mit der Pointe: Humboldt sei "die Zerstörung dessen zu melden gekommen", was er in seinen Naturgemälden bis ins hohe Alter "liebevoll malte".

Die in Deutschland aufgewachsene Londoner Publizistin Andrea Wulf entwickelt den gleichen Gedanken in einem umfangreichen Buch, das im vergangenen Jahr auf Englisch erschien und gleich viel Lob erhielt. Ausführlich erzählt es von Humboldts großen Reisen durch Mittel- und Südamerika 1799 bis 1804 sowie durch Russland 1829. Zugleich versucht es den immensen Wissenshorizont dieses Mannes zu erhellen, der von der Natur- und Völkerkunde über die Sprach- und Kulturgeschichte bis zu Kunst und Politik reichte. Wenn dem selbst höchst belesenen Präsident Thomas Jefferson ein zweistündiges Gespräch mit Humboldt ergiebiger als zweijährige Lektüren erschien, wenn Goethe ihn als unerschöpflichen Brunnen des Wissens bewunderte oder Friedrich Wilhelm IV. dieses wandelnde "Wörterbuch" an seinem Hof den "größten Mann seit der Sintflut" nannte, dann sind das nicht bloß Schmeicheleien.

Will man die Kategorie eines Universalgelehrten überhaupt anwenden, hier wäre es geboten. Für ein Lebensbild, besser noch eine "intellectual biography" im angelsächsischen Sinn, stellte das eine gewaltige Herausforderung dar. Wulf wird ihr nur stellenweise gerecht. Das Buch ist für ein breites britisches und amerikanisches Publikum geschrieben, dem allzu viele Selbstverständlichkeiten erklärt werden müssen, etwa dass Humboldt "ein Kind der Aufklärung" war und Goethe "der berühmteste Dichter Deutschlands", wo Frankfurt an der Oder, Jena oder Weimar liegen und dass Deutschland ein Teil des Heiligen Römischen Reichs war.

Vor allem anfangs stört der Gestus der Einfühlung, ständig erfährt man, was Humboldt gerade "dachte", "fühlte", "hasste" oder auch: "Das Fernweh war sein treuester Begleiter." Anlässlich eines Weimarer Gewitterexperiments sieht man sich in kitschige Unmittelbarkeit versetzt: "Der Regen prasselte, und der Donner grollte über den Feldern, wild zuckende Blitze erhellten die kleine Stadt. Humboldt war in seinem Element."

Weniger Stimmungen als Einsichten wären da willkommen. Statt etwa die schlichte und mit einem Bild Kleists vermengte These, dass "sowohl unsere Sinne als auch unsere Vernunft einer getönten Brille" gleichen, Immanuel Kant zuzuschreiben, hätten dessen Idee einer physischen Geographie oder Blumenbachs Begriff des "Bildungstriebs" Perspektiven versprochen. Denn aus solchen früh rezipierten Vorstellungen ließe sich Humboldts großes Programm entwickeln. Mit den "Ansichten der Natur" (1808) und der fünfbändigen Summe des "Kosmos" (1845 - 1862) wollte Humboldt Analogien zwischen organischer und geistiger Bildung in allen Weltteilen entwickeln und so eine "ästhetische Behandlung naturhistorischer Gegenstände" vorlegen.

Der englische Titel "The Invention of Nature" kündigt eine solche Ideengeschichte eigentlich an; der originale Untertitel "The Adventures of Alexander von Humboldt - The Lost Hero of Science" charakterisiert das Buch jedoch weitaus treffender. Wulf konzentriert sich auf das Abenteuer der entbehrungsreichen und gefährlichen Reisen durch Amerika und Asien, den erfolglosen Kampf mit der britischen Ostindien-Kompanie um eine Genehmigung für eine Expedition in den Himalaja, aber auch auf die lange Liste erstmals gesammelter, vermessener, beschriebener Naturalien, Landschaften oder Klimadaten - nicht zuletzt die Erfindung der Isotherme und die Entdeckung des magnetischen Äquators.

Mit keinem Namen sind Pflanzen, Tiere, Mineralien, Meeresströmungen, Berge oder Naturerscheinungen häufiger verbunden worden als mit dem von Alexander von Humboldt. Und kaum jemand war von vergleichbarem Einfluss. Diese Wirkung stellt Wulf in mehreren gelungenen Kapiteln dar, etwa auf Darwin oder Henry David Thoreau, auf George Perkins Marsh, den ersten Kämpfer gegen die Zerstörung der Wälder, auf Ernst Haeckel als Vater der Ökologie oder auch auf den frühen Umweltschützer John Muir. Diese Exkurse spiegeln den Forschungstrend, Humboldt nach Phasen des wissenschaftsgeschichtlichen und postkolonialen Interesses nun auch als frühen Warner vor Klimakatastrophen, Artensterben und Umweltzerstörung zu präsentieren.

Mit den vielen wichtigen Neueditionen, die hierzulande etwa gleichzeitig mit Daniel Kehlmanns Roman "Die Vermessung der Welt" (2005), in dem Alexander von Humboldt neben Carl Friedrich Gauss auftritt, ist Wulf hingegen gar nicht vertraut. Sie benutzt ausschließlich ältere englische und deutsche Ausgaben des überwiegend auf Französisch erschienenen OEuvres von Humboldt. Die mittlerweile vorliegenden vollständigen Übersetzungen und von umfangreichen Studien begleiteten Editionen finden keinerlei Erwähnung.

Übergangen werden auch die zahlreichen Aufsätze und Essays Alexander von Humboldts in Zeitschriften, von denen Oliver Lubrich bereits zwei Bände mit anthropologisch-ethnographischen und historisch-politischen Beiträgen sowie eine vermischte Sammlung als "Lesebuch" (2009) vorgelegt hat. Diese kleinen Schriften, die in drei Jahren als kommentierte "Berner Ausgabe" in vierzehn Bänden erscheinen sollen, hätten allein schon überreichen Stoff für die Darstellung von Humboldts "Erfindung der Natur" geboten. Aber Andrea Wulfs Buch will eben doch lieber packende und lehrreiche Lebensbeschreibung sein als die intellektuelle Biographie eines großen Forschers.

Andrea Wulf: "Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur".

Aus dem Englischen von Hainer Kober. C. Bertelsmann Verlag, München 2016. 556 S., Abb., geb., 24,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2016

Gipfelstürmer
Andrea Wulf folgt den Lebensabenteuern Alexander von Humboldts
– und zeigt, wie er unser Naturverständnis prägte
VON JENS BISKY
Wie furchtbar es ist, wenn man nicht fortkommt. Nach dem Tod seiner Mutter im November 1796 erbte Alexander von Humboldt ein ansehnliches Vermögen. Er habe nun, schrieb er, „so viel Geld, dass ich mir Nase, Mund und Ohren vergolden lassen kann“. Unverzüglich kündigte der 27-Jährige seine Stellung als Bergassessor und begann sich auf eine weite Reise, eine wissenschaftliche Expedition vorzubereiten. Nur wohin? Und mit wem? In Paris traf er den jungen Naturforscher Aimé Bonpland, doch scheiterte vorerst ihr Bemühen, an oder auf ein Schiff zu gelangen. Die Revolutionskriege, die europäische Politik versperrten die Welt.
  Kurz entschlossen reiste Humboldt, Bonpland im Schlepptau, nach Madrid und erhielt, was zuvor nur wenigen geglückt war, vom König einen Pass für die Erkundung der spanischen Kolonien in Südamerika und auf den Philippinen. Im Juni 1799 zog er los an Bord der Pizarro hinaus auf den Atlantik, über Teneriffa nach Neuandalusien, wo er und Bonpland in Cumaná, im heutigen Venezuela, von Bord gingen. Fünf Jahre würde er in Amerika verbringen, den Süden des Kontinents, die Llanos, den Orinoco und die Anden erkunden, den Chimborazo besteigen, der damals für den höchsten Berg der Erde gehalten wurde, nach Washington reisen und Thomas Jefferson treffen, Kuba besuchen.
  Er war, dank seiner Briefe, dank der Gerüchte und Nachrichten von seinen tollkühnen Forschungsreisen, eine Berühmtheit, als er im Sommer 1804 nach Europa zurückkehrte. Und brachte einen Schatz von Beobachtungen und Aufzeichnungen mit, wie sie so reichhaltig und vielgestaltig kaum ein Zweiter zusammengetragen hatte. Er konnte den Rest seines langen Lebens – Alexander von Humboldt starb 1859 – von diesem Vorrat zehren. Er veröffentlichte seine Forschungsergebnisse in vielen Bänden, hielt Vorträge, beriet Kollegen. Und er sehnte sich doch immer wieder hinaus in die Ferne, ins Unerkundete jenseits des Stubenhockerdaseins.
  Seit seinem 200. Geburtstag ist viel unternommen worden, Alexander von Humboldt für die Gegenwart zurückzugewinnen. Daniel Kehlmann hat ihn als Romanfigur wiederbelebt, die „Ansichten der Natur“ und der legendäre „Kosmos“ sind in der Anderen Bibliothek erschienen, seine Tagebücher wurden ediert und sein Name so oft beschworen, dass es schien, als wollten die Deutschen sich mit Macht zu „Humboldt-Deutschen“ veredeln. Der Verdacht, Alexander von Humboldt, sei dennoch ein kaum gelesener, nur in Auszügen bekannter Klassiker der Moderne geblieben, ist freilich bis heute nicht ausgeräumt.
  Die deutsch-britische Kulturhistorikerin Andrea Wulf lädt nun dazu ein, ihn „als unseren Helden und Vorkämpfer wiederzuentdecken“, als Pionier der Umweltbewegung und einen der Erfinder des zeitgenössischen Naturverständnisses. Ihr Buch, dessen englische Ausgabe mehrfach ausgezeichnet wurde, ist Biografie und ideenhistorische Studie in einem. Die wichtigen, die interessanten Abenteuer der Lebensreise des preußischen Adligen im Zeitalter der Revolutionen werden rekapituliert. Zugleich aber will Andrea Wulf zeigen, wie die Vorstellung von der Natur als einem Organismus, vom „Zusammen- und Ineinanderweben aller Naturkräfte“ und andere Ideen dieses Forschers populär wurden und – gleichsam durch Osmose – so selbstverständlich, dass wir ihren Humboldtschen Ursprung vergessen haben. Deshalb erzählt sie ausführlich auch von Simón Bolívar, der auch dank der Begegnung mit Alexander zum Befreier Südamerikas wurde; sie berichtet, wie sehr Charles Darwin sich von Humboldts Schriften inspirieren ließ; und schildert, was der Dichter Henry David Thoreau, der Naturschützer John Muir und einige andere mehr ihnen verdankten.
  Alexander von Humboldt war ein rastloser Mann, der mit wenig Schlaf auskam und immer etwas vorhatte. Er sprach schnell, viel, ununterbrochen, und war es gewohnt, die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen, sobald er einen Raum betrat. 1842 traf er Darwin, der mit ihm über die „allmählichen Umänderungen der Arten“, so eine spätere Formulierung Humboldts, hatte sprechen wollen. Der 32-Jährige arbeitete damals an ersten Darstellungen seiner Evolutionstheorie. Humboldt, knapp vierzig Jahre älter, 1,73 groß, war gekleidet „wie bei seiner Russlandexpedition: dunkler Gehrock und weißes Halstuch“. Diesen „kosmopolitischen“ Anzug trug er immer. Es gelang Darwin nicht, ein Gespräch zu beginnen, Bemerkungen einzustreuen. Humboldt machte Komplimente und monologisierte drei Stunden lang, ein Wortschwall, so Darwin, „ohne Maß und Ziel“.
  Trotz des Ruhms, der ausgedehnten Korrespondenz, der vielen Geselligkeiten und Kontakte, all der Besucher, war Humboldt zeitlebens einsam. Er hatte nie geheiratet, sein Desinteresse an Frauen fiel auf, er schwärmte für Männer. Waren die physischen Strapazen, die er in Südamerika oder Russland auf sich nahm, auch eine Flucht vor dem Drang der Leidenschaften, vor der eigenen Sinnlichkeit?
  Andrea Wulf gelingt es, in sprechenden Szenen ein klares, lebendiges Bild ihres Helden zu zeichnen. Seinen Bildungsgang allerdings behandelt sie vergleichsweise knapp, die Freundschaft mit Goethe ausführlich, aber mit zu groben Unterscheidungen. Manfred Geiers Buch über „Die Brüder Humboldt“ aus dem Jahr 2010 ist in diesen Fragen genauer, aufschlussreicher. Zum entscheidenden Augenblick im Leben des Naturforschers stilisiert auch Andrea Wulf die Besteigung des Chimborazo, als anschaulich geworden sein soll, dass man die Zusammenhänge der Natur von einem höheren Standpunkt aus betrachten müsse, als der Erschöpfte erlebte, wie alles mit allem verbunden sei. Sein Forschungsobjekt war ihm kein „totes Aggregat“, sondern ein „belebtes Naturganzes“.
  Wie fruchtbar die Suche nach Zusammenhängen, Verbindungsfäden, Analogien werden konnte, zeigt ein Beispiel von der Russlandexpedition 1829, der letzten großen Reise Humboldts, der sich lange vergeblich um eine Expedition nach Indien bemüht hatte. Da in den Bergwerken Brasiliens Diamanten gefunden wurden, war Humboldt davon überzeugt, es müsse in den Gold- und Platinlagerstätten des Ural ebenfalls Diamanten geben. Seinen Begleitern erschien er daraufhin als „verrückter preußischer Prinz Humplot“. Er selbst fand keine Edelsteine, aber einer, den er mit seiner Gewissheit beeindruckt hatte, entdeckte wenige Wochen später bei Jekaterinburg zum ersten Mal einen Diamanten im Ural.
  Die „Ansichten der Natur“ sollten dem Leser „einen Theil des Genusses gewähren, welchen ein empfänglicher Sinn in der unmittelbaren Anschauung findet. Da dieser Genuß mit der Einsicht in den inneren Zusammenhang der Naturkräfte vermehrt wird, so sind jedem Aufsatze wissenschaftliche Erläuterungen und Zusätze beigefügt. Überall habe ich auf den ewigen Einfluß hingewiesen, welchen die physische Natur auf die moralische Stimmung der Menschheit und auf ihre Schicksale ausübt.“ Nach einer schlagenden Beobachtung des Kulturwissenschaftlers Hartmut Böhme ist Humboldt die beabsichtige Integration von Naturbild und Forschungsergebnissen immer weniger gelungen. Von Ausgabe zu Ausgabe wuchern die Fußnoten, werden es mehr „wissenschaftliche Erläuterungen und Zusätze“ neben den Ansichten und Beschreibungen. Totalität wird behauptet, aber die Fülle der Aspekte und Erkenntnisse fügt sich nicht zu einem geschlossenen Ganzen.
  Die Wissenschaft unterläuft das poetische Bild, die Wissenschaftsgeschichte weiß zu berichten, wie weitere Erkenntnisfortschritte gerade in der Abkehr von Humboldts Drang aufs Ganze zustande kamen. Andrea Wulf ficht mit begeisternder Euphorie für ihren Helden, weist unermüdlich auf dessen Verurteilung der Sklaverei, der Monokultur, des bloßen Registrierens und Benennens hin. Der Leser folgt ihr gern, weil vielleicht nicht Humboldts Programm, wohl aber die Spannung zwischen Detailerkenntnis und Ganzheitssehnsucht noch immer gegenwärtig ist.
Als Darwin 1842 mit Alexander
von Humboldt zusammentraf,
kam er nicht zu Wort
Steve McCurrys Lesende überwinden Raum und Zeit, manchmal buchstäblich: „Über dem Atlantik“.
  
Andrea Wulf: Alexander
von Humboldt und
die Erfindung der Natur.
Aus dem Englischen
von Hainer Kober.
C. Bertelsmann Verlag,
München 2016.
560 Seiten, 24,99 Euro.
E-Book 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

An aufwändigen Editionen zu Alexander von Humboldt gibt es keinen Mangel, weiß Jens Bisky, doch fürchtet er, dass der große Forschungsreisende weiterhin zu jenen Klassikern zählt, die beschworen, aber kaum gelesen werden. Andrea Wulfs Biografie weiß er sehr zu schätzen, weil sie Humboldt in seiner Rastlosigkeit sehr lebendig präsentiert, aber auch ideengeschichtlich verortet und mit Goethe, Darwin oder Thoreau kurzschließt. Auch wenn Bisky nicht ganz überzeugt von Wulfs Elan scheint, Humboldt zum Pionier der Umweltbewegung zu stilisieren, kann die Autorin ihm durchaus Humboldts Vorstellung von der Natur als Organismus näherbringen, von einer Natur, die nicht "totes Aggregat", sondern "belebtes Ganzes" sei. Und ihren Enthusiasmus findet er auch ziemlich einnehmend, bleibt sie darin doch Humboldt treu, dem die wissenschaftliche Monokultur des Registrierens und Benennens ebenfalls viel zu eintönig und unpoetisch war.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Keiner hat die Welt so gesehen wie er: Alexander von Humboldt. Ihm hat Andrea Wulf eine wunderbare, eine herrlich zu lesende, monumentale Biografie gewidmet. Eine glänzende Lektüre, ein Abenteuerspielplatz des Geistes." Denis Scheck in ARD "druckfrisch"