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Die große Biografie einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichterinnen
Seit dem tragischen Tod Ingeborg Bachmanns am 17. Oktober 1973 in Rom überlagern Mythen und Legenden das Leben der gefeierten Schriftstellerin. Doch wer war die Frau hinter der strahlenden Ikone, die ihr Privatleben eisern zu verteidigen wusste und der nur wenige Freunde wirklich nahekamen? In ihrer Biografie zum 40. Todestag macht Andrea Stoll das Drama einer Frau und Künstlerin lebendig, die ihr Schreiben nie nur als Berufung, sondern immer auch als Zwang, Obsession, Verdammnis und Strafe empfunden hat.…mehr

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Produktbeschreibung
Die große Biografie einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichterinnen

Seit dem tragischen Tod Ingeborg Bachmanns am 17. Oktober 1973 in Rom überlagern Mythen und Legenden das Leben der gefeierten Schriftstellerin. Doch wer war die Frau hinter der strahlenden Ikone, die ihr Privatleben eisern zu verteidigen wusste und der nur wenige Freunde wirklich nahekamen?
In ihrer Biografie zum 40. Todestag macht Andrea Stoll das Drama einer Frau und Künstlerin lebendig, die ihr Schreiben nie nur als Berufung, sondern immer auch als Zwang, Obsession, Verdammnis und Strafe empfunden hat. Weltbürgerin und Heimatsuchende in einem, über Jahre gefangen in einem Dickicht hochkomplizierter Liebesbeziehungen und Freundschaften, allen voran zu Paul Celan, Hans Werner Henze und Max Frisch, hat Bachmann doch immer auch um ihre persönliche Freiheit gerungen und ihre literarischen Ziele kompromisslos verteidigt. Wie sehr Bachmann ihrer Zeit voraus war und welchen Preis sie dafür bezahlen musste, führt uns diese Biografie in eindrucksvoller Weise vor Augen.
Autorenporträt
Dr. phil. Andrea Stoll studierte Germanistik, Philosophie und Publizistik in Mainz und Wien. Seit 1992 ist sie als freie Autorin und Herausgeberin für Verlage, Filmproduktionen und Fernsehsender tätig. Sie hat zahlreiche Aufsätze und Bücher zu Literatur und Film veröffentlicht. Von 1992-2007 war sie als Dozentin für Literatur und Drehbuchentwicklung an der Salzburger Universität tätig. Die gesellschaftspolitischen Themen ihrer Filme begeistern gleichermaßen die Kritik wie ein Millionenpublikum, ihre biographischen Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2013

Das ewige Leiden der Ingeborg Bachmann

Wie oft will man die ewig gleichen Bachmann-Klischees noch wiederholen? Das Leben dieser Dichterin muss viel interessanter gewesen sein, als es sich ihre Biographin träumen lassen kann

Leute sprechen über Ingeborg Bachmann, und sie werden sofort toternst. Sie ist vielen Menschen eine Heilige, sie ist das moderne Autorinnenbeispiel schlechthin, eines, das an sich und der Kunst zeitlebens gelitten und das sich vollständig dafür verausgabt hat, bis es schließlich daran gestorben ist.

Darüber gibt es nichts zu lachen. Und dennoch: Es kann nicht sein, dass ein Mensch lebt und dabei von morgens bis abends, dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr bis zu seinem Tod nur dieser eine Mensch ist, der elfenhaft an der Kunst leidet, zittert und darüber verrückt wird, aber in genau jenes Künstlerbild sind die Menschen hierzulande verliebt, weswegen sie es unausgesetzt reproduzieren, und es ist genau jene Ernsthaftigkeit-und-Trauer-Verpflichtungsklausel, welche man in der Universität, in den Feuilletons und beim Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt unterschreiben muss, bevor man zum wirklich sehr besonderen Werk Ingeborg Bachmanns durchgelassen wird, welche es kaputt und unzugänglich und monströs macht.

Nun ist, anlässlich des 40. Todestages der Autorin, eine neue Biographie erschienen, deren Verfasserin Andrea Stoll es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine "vielschichtig fundierte Biographie Bachmanns" vorzulegen, wobei ihr Anspruch war, sich von der "Vorstellung einer einzigen zielführenden Perspektive" zu verabschieden und stattdessen die "Vielstimmigkeit des biographischen Erzählens" sprechen zu lassen. Andrea Stoll hat mit den beiden jüngeren Geschwistern und Freunden Bachmanns gesprochen, daher die "Vielstimmigkeit", und diese Vielstimmigkeit meint wohl, dass unterschiedliche Perspektiven auf Ingeborg Bachmann in den Text einfließen, um ein möglichst komplexes Bild zu zeichnen. Es geht darum, mehr, umfassender und vielleicht anders über den Menschen Ingeborg Bachmann zu erzählen.

Inwiefern also trifft man beim Lesen eine andere Frau als jene verordnete Künstlerperson? Man trifft sie, etwa, wenn man liest, wie intensiv und liebevoll der Kontakt war, welchen Bachmann zu ihrer wohl tatsächlich heilen Familie pflegte. Regelmäßig schrieb sie Briefe nach Hause, nach Klagenfurt, wohin sie sich zurückzog, wenn sie sich von den Strapazen ihres freien Autorendaseins erholen wollte und ihre Ruhe brauchte. Insbesondere zu ihrem Vater Heinz Bachmann hatte sie eine enge Beziehung, er soll in ihr die Liebe zur Literatur geweckt haben. Ingeborg Bachmann selbst schrieb über ihre Kinderzeit, dass man ihre Erziehung insgesamt als "vorbildlich" bezeichnen könne: "der Mangel an Luxus, aber nicht an Freude, nie ein ordinäres Wort, fast keine Spielsachen, keine Verwöhnung, keine Hilfe in Schuldingen, keine Beachtung der Noten". Die kleine Schwester von Ingeborg Bachmann, Isolde Moser, stand ihr ebenfalls sehr nahe, und sie bekam, anders als Ingeborg Bachmann, viele Kinder, welchen diese dann, sofern sie Geld hatte, schicke Kleider schenkte. Und: Ingeborg Bachmann soll Sehnsucht nach eigenen Kindern gehabt haben. Das zumindest haben "Freunde und Familie" bei ihr "verspürt". Aber: "Ihr Leben war unbehaust, wo hätte da ein Kind Platz finden können?" Dass irgendetwas an Ingeborg Bachmann auch heil gewesen sein könnte, habe ich bislang nicht für möglich gehalten (wenngleich das Heile nur so lange dauert, bis der Krieg kommt, ihr Vater NSDAP-Mitglied und Klagenfurt zerstört wird), aber es kommt noch heiler, noch toller: Sie soll sehr gut darin gewesen sein, Anekdoten unterhaltsam zu erzählen, und bisweilen, so bezeugten Freunde, genoss sie es sogar, sich auf Festen in der vornehmen Gesellschaft Roms oberflächlich zu unterhalten. Das ist so erleichternd! Und: "Haushalterisches Denken und Planen blieb ihr völlig fremd, was überwog, war die Freude am Augenblick, der Genuss im Hier und Jetzt." Sie bevorzugte Schuhwerk von Bruno Magli und liebte überhaupt schöne Kleider, was man auf den Fotos, welche in der Biographie abgebildet sind, sehen kann. Da strahlt sie mitunter so stark und schön, dass man ganz traurig wird, weil es nicht gut ausgeht.

1961 zieht sie mit Max Frisch in eine gemeinsame Wohnung. Zweistöckig, Marmorböden und: Buchattrappen. Die beiden Schriftsteller bewohnten eine Wohnung, in der Buchrücken herumstanden, in denen angeblich Baudelaire drin sein sollte, aber es war kein Baudelaire dahinter - was, wenngleich bekannt, sehr lustig ist, und bestimmt hatte das Paar auch ein bisschen Spaß. Und gleichzeitig ist es so traurig, genauso wie die fünfunddreißig Rosen, welche in Bachmanns Krankenhauszimmer standen, nachdem sie zusammengebrochen war, weil Frisch sie für eine jüngere Frau verlassen hatte. Als der sie dann im Krankenhaus besuchte, erwähnte sie einen Verehrer, der ihr regelmäßig Blumen schicke. Die fünfunddreißig Rosen aber hatte sie sich selbst geschickt, um Frisch eifersüchtig zu machen.

Und wenn man all diese kleinen Geschichten liest, dann lebt diese immer wieder als Dichter-Elfe, als Femme de lettres, als weinendes Rehkitz mit genialen Einfällen beschriebene Frau ein bisschen, dann bekommt man ein Gefühl für sie und glaubt, dass sie vielleicht an manchen Tagen ganz ordinär überlegt hat, was sie anziehen soll, bevor sie sich etwas zu essen kauft.

Leider war es das dann auch mit dem Treffen dieser anderen Frau, die sich bei 336 Seiten Buch doch sehr gut versteckt. Dabei ist die Biographie absolut supersorgfältig und gewissenhaft verfasst, und die Autorin hat sich die größte Mühe gegeben. Wenn man damit in einem literaturwissenschaftlichen Seminar auftaucht, macht man mit Sicherheit nichts falsch, und genauso liest es sich auch: ermüdend, brav. Universitätssprache mit so ein paar "lockeren" Sätzen dazwischen ("last but not least", oft, zu oft, was haben die Lektoren gemacht? Wo waren sie? Auch häufigst verwendet: Ingeborg Bachmann ließ sich nicht "in die Karten" schauen oder gucken). Kein Risiko, keine These, ich verstehe es einfach nicht, es ist mir schleierhaft! Wozu dann die ganze große Arbeit? Und solche Sätze: "Der für Süditalien unerwartete Kälteeinbruch inspirierte sie zu einer lyrischen Form, in der die Ausgesetztheit ihrer modernen weiblichen Existenz mit poetischen Bildern von archaischer Kraft verschmilzt." Eben jene Ausgesetztheit der modernen Frau, die Ausgesetztheit der Ingeborg Bachmann ist es auch, welche anhand ihrer biographischen Daten, ihrer Liebesbeziehungen, Veröffentlichungen und Ortswechsel erzählt wird. Klagenfurt, Wien, Gruppe 47, Paul Celan, Reisen, immer wieder Reisen, Hans Werner Henze, Rom, Pause, Klagenfurt, Berlin, keine Ruhe, Max Frisch, Rom, Tod.

Die Biographie heißt "Der dunkle Glanz der Freiheit" und legt ihren Schwerpunkt auf Bachmanns freie Autorenexistenz als Frau, was insofern gut und lesenswert ist, als häufig davon ausgegangen wird, Schriftstellerinnen seien eben frei, also ohne feste Anstellung, die müssten dafür nichts weiter tun, obwohl das Freiwerden und Freisein in Wahrheit der größte Krampf ist.

Es geht dann aber, wie angedeutet, nicht so gut weiter: "Wenn wir heute nach den Bedingungen von Bachmanns Autorenexistenz fragen, so müssen wir den Besonderheiten nachgehen, die eine freie Autorenexistenz in den 50er- und 60er-Jahren für eine Frau bereithielt, die ihre Weiblichkeit nicht verstecken wollte, die sich aber mit jedem Schritt im Dickicht der damals noch festgeschriebenen Geschlechterrollen behaupten musste", schreibt Andrea Stoll auf den ersten Seiten und verspricht somit, sich mit einem absolut interessanten Thema zu befassen (ganz abgesehen davon, dass es überhaupt nicht sicher ist, dass diese Geschlechterrollen heute nicht mehr festgeschrieben sind). Aber es wird einfach nicht interessant. Bestimmt liegt das auch an der vorsichtigen Erzählweise, den germanistischen Wörtern - aber es liegt ebenso daran, dass sich Andrea Stoll an den biographischen Stationen entlanghangelt, ohne - zumindest die Fragen der weiblichen Existenz als Autorin betreffend - in die Tiefe zu gehen, oder genauer: danach zu fragen.

Es ist im Gegenteil so, dass das Stereotyp der Frau als Opfer, als Ausgelieferte, Wehrlose ununterbrochen wiederholt wird, und zwar unhinterfragt: das "existenzielle Ausgeliefertsein der weiblichen Stimme", die Frau, welche mit dem Künstlerdasein geschlagen ist, für die es keinen Schutz gibt, die meist unter Tränen vorliest und dabei ihre Manuskriptblätter fallen lässt, die seit jeher ahnte, dass sie ihr künstlerisches Auserwähltsein teuer zu stehen kommen würde, die Schwache, die Erschöpfte, also kurz: die total Passive. Dennoch betont Andrea Stoll Bachmanns Geschick beim Erreichen ihrer Ziele und ihren unbeugsamen Willen. Beides, das Passive und der Willen, müssen kein Widerspruch sein, sie gehören wahrscheinlich sogar absolut zusammen, insbesondere in einer Zeit, in der sich das Rollenverhalten ganz langsam zu ändern begann. Aber genau das wird nicht reflektiert, auch und insbesondere nicht in Bezug auf Bachmanns Bewusstsein ihres Rollenverhaltens. Woher kam denn ihr auffällig starkes Gefühl des Ausgeliefertseins, der Schutzlosigkeit? Brauchen alle Menschen Schutz, oder nur Frauen? Nur Schriftstellerinnen oder auch Schriftsteller?

In Stolls Biographie von Bachmann jedenfalls funktioniert es so: Bachmann liest vor der Gruppe 47 einen Text vor. Sie haucht, sie weint, die Männer eilen herbei, um ihr zu helfen. Und dabei handelt es sich für Stoll nicht um ein rollentypisches Häschen-Verhalten (was ja nicht schlimm wäre), sondern um eine bewusst gewählte Inszenierung. An anderer Stelle ist Bachmann dann wieder das Opfer des eigenen Geschlechts und ihrer Begabung, das schließlich traurig scheitert, womit der Ernsthaftigkeit-und-Trauer-Verpflichtungspakt ein weiteres Mal geschlossen wäre, und das ist nicht neu, nicht frei, nicht unverstellt, das ist ein ehrfürchtiges Bachmann-Verehrungsbuch, von denen die ganze Bachmann-Welt voll steht. Beim Lesen denkt man, man folge einer Lehrerin, die ihrer besten Schülerin ein sehr gutes Zeugnis ausstellen will: Die Männer Celan, Henze und Frisch kommen immer ein bisschen schlechter weg als Bachmann, die gut und heilig erstrahlt. Warum? Kann nicht darüber mal jemand ein Buch schreiben?

ANTONIA BAUM

Andrea Stoll: "Ingeborg Bachmann. Der dunkle Glanz der Freiheit". C. Bertelsmann, 380 Seiten, 22,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Beatrice von Matt weiß Andrea Stolls "reichhaltige" Biografie über Ingeborg Bachmann zu schätzen. Sie hebt hervor, dass Stoll Einblick in bislang unbekannte Dokumente nehmen konnte. Dadurch gelingt es der Autorin ihres Erachtens überzeugend statt nur den "Mythos Bachmann" zu wiederholen in weiten Strecken das Bild eines "widersprüchlichen Menschen" zu zeichnen. Besonders lobt sie die ausführliche Behandlung von Bachmanns Kindheit. Kritisch äußert sie sich dagegen über Stolls Schilderung des Verhältnisses von Bachmann und Max Frisch. Hier kommt die Rezensentin nicht umhin, der Autorin grobe Unkenntnisse zu attestieren" die zu einem verzerrten Bild des Schweizer Schriftstellers führen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2013

Dunkler Glanz, hell poliert
Die Rätsel werden immer größer: Andrea Stoll hat sich an eine umfassende Biografie über Ingeborg Bachmann gewagt, und
Ingeborg Gleichauf spürt ihrem Verhältnis zu Max Frisch nach – aber noch scheint die Zeit nicht reif für eine Würdigung aus der Distanz
VON HELMUT BÖTTIGER
Man wusste nie viel über Ingeborg Bachmann, auch deshalb erschien sie vielen geheimnisvoll und widersprüchlich. Jetzt weiß man immer mehr über sie – und die Rätsel werden immer größer. Die Schriftstellerin, die im Herbst 1973, vor 40 Jahren, siebenundvierzigjährig starb, durchlief mehrere Stationen öffentlicher Aufmerksamkeit – vom Covergirl der Gruppe 47 auf dem Titelbild des Spiegel 1954 bis hin zur Ikone der Frauenbewegung der siebziger Jahre. In der Rezeption jüngerer Generationen hat ihr dieses Image wiederum eher geschadet.
  Dass sich bisher niemand an eine umfassende Biografie Ingeborg Bachmanns gewagt hat, ist nachvollziehbar: wichtige persönliche Aufzeichnungen sind immer noch nicht zugänglich, etwa der Briefwechsel mit ihrem zeitweiligen Lebensgefährten Max Frisch. Andrea Stoll legt jetzt einen ersten größeren Versuch vor. Doch bereits der Titel lässt ahnen, dass es hier nicht um eine distanzierte, objektivierende Studie geht. „Der dunkle Glanz der Freiheit“ ist eine suggestive Genitivmetapher, die noch aus der Hochzeit der siebziger Jahre stammen könnte, als in Proseminaren schon bei Nennung des Namens der Bachmann die Augen größer und runder wurden. Das Buch zielt auf genau dieses Publikum. Es mag mittlerweile ein bisschen älter geworden sein, fällt aber statistisch immer noch sehr ins Gewicht.
  Andrea Stoll hat Zugang zu vielen Quellen und einen sehr guten Überblick. Ein Vorzug ihres Buches ist, dass sie Einblick in die Briefe der Autorin an deren Eltern und Geschwister nehmen konnte, die noch in Privatbesitz sind. Ihre Biografie ist somit über weiteste Strecken so etwas wie eine offizielle Biografie, die die Sichtweise der Erben und Nachlassverwalter nachvollzieht – gelegentlich wird etwas forciert betont, „wie frei in der Familie Bachmann gedacht wurde“. Die Briefe Bachmanns an die Eltern, aus denen Andrea Stoll zitiert, zeugen immerhin in den verschiedensten Lebensphasen von einer gewissen Nähe, von Vertrauen. Auch, dass sie ihre „Sommerfrische“ fast immer im heimatlichen Kärnten bei ihrer Familie verbracht hat, passt in dieses Bild. Und in Krisenzeiten blieb Kärnten oft die einzige Anlaufstelle.
  Dass man die düstere, geschichtlich aufgeladene Vatermetaphorik im Roman „Malina“ nicht autobiografisch lesen sollte, war für die meisten immer unstrittig. Matthias Bachmann, ein Lehrer, trat allerdings schon früh, 1932, in die NSDAP ein, und erkennbar ist, dass er für seine Tochter in vieler Hinsicht eine positiv besetzte autoritäre Größe darstellte: sein Ehrgeiz, sein Bildungs- und Kulturhunger hat sich unmittelbar auf sie übertragen.
  Da entstehen Reibungsflächen, die aber die Biografin nicht sonderlich interessieren. Ihr Bild der Bachmann steht von Anfang an fest. Schon in den reichlich backfischhaften Tagebuchblättern vom Kriegsende, von denen einige wenige überliefert sind, sieht sie eine feministische, antifaschistische, unbeirrbare Persönlichkeit walten. „Nein, mit den Erwachsenen kann man nicht mehr reden“, schrieb die achtzehnjährige Bachmann, sie wollte sich trotz der kommenden Bombenangriffe in den Garten setzen und lesen. Hier liegt für die Biografin „die literarische wie biografische Urszene der Schriftstellerin“, das Zentrum ihrer Auffassung der Dichtung als „letzter Statthalterschaft des Humanen“.
  Nicht nur diese Formulierungen wirken reichlich überinstrumentiert. Auch die imaginäre Beziehung der jungen Maturantin Bachmann zu dem Deutschlehrer Josef Friedrich Perkonig, die ihre posthum veröffentlichten schwärmerischen „Briefe an Felician“ eindeutig befeuert, wird nicht allzusehr problematisiert: immerhin war Perkonig ein bekannter Kärntner Heimatdichter und gehörte dort zu den Kulturgrößen während der Nazizeit. Bachmanns Prägungen durch männliche Autoritäten, der lange und schwierige Weg, dazu Abstand zu gewinnen – das verbirgt schwierigeres Gelände als jenes, das die Biografin mit Sätzen wie diesen evoziert: „Die früh und machtvoll erfahrende Triebfeder der Einsamkeit schließlich hat schwer auf all ihren persönlichen Beziehungen gelastet.“
  Da Bachmann schon sehr früh „zum Suchen und Finden einer eigenen Sprache“ in der Lage gewesen sei, brauchte die Dichterin Andrea Stoll zufolge auch kaum dazuzulernen. Welch entscheidender Einschnitt in der künstlerischen Entwicklung der Dichterin ihre Beziehung zu Paul Celan war, wird in dieser Biografie kaum sichtbar. Die 21-Jährige begegnet dem 27-Jährigen hier auf Augenhöhe. Einmal bezeichnet Stoll Bachmann gar als „poetische Geburtshelferin“ Celans – das ist angesichts des qualitativen Sprungs, den ihre Lyrik seinem Einfluss verdankt, ziemlich irreführend. Ihre volksliedhaften, traditionellen Gedichte werden nach der Begegnung mit Celan gebrochener, rauher und welthaltiger. In ihrem berühmten Gedichtband „Die gestundete Zeit“ finden sich zahlreiche, schon oft nachgewiesene direkte Zitate und Verweise auf seine Lyrik. Erst ein paar Jahre später wird Celan seinerseits auf sie reagieren, das allerdings verzeichnet Andrea Stoll dann sehr genau.
  Kein Zweifel wird an den grundsätzlichen ästhetischen Unterschieden zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch gelassen. Warum die Dichterin nach der vierjährigen Liaison mit Frisch einen derartigen Zusammenbruch erlitt, wirkt in dieser Biografie reichlich überraschend – als allzu überlegen wurde vorher Bachmann geschildert.
  Dennoch hat dieses Buch seine Berechtigung. Es liefert vor allem über die sechziger Jahre und die Umstände des Unfalltodes von Bachmann 1973 zum ersten Mal eine ausführlichere und differenzierte Darstellung. Manches deutet Stoll nur an, das lebenslange Verhältnis zum Franzosen Pierre Evrard etwa taucht nur einmal beiläufig als „sporadische Liebesbeziehung“ auf. Die vorhandenen Materialien erscheinen jedoch zuverlässig ausgewertet, und auch die Erinnerungen aus Bachmanns familiärem Umfeld tragen zu einer Entmystifizierung bei. In der Affäre mit Adolf Opel, der als wichtige Bezugsperson ernst genommen wird, oder in den letzten Jahren mit Tabletten- und Alkoholsucht werden die Haltlosigkeiten nicht verschwiegen.
  Neben dieser Bachmann-Biografie gibt es in diesem Herbst einen Essay von Ingeborg Gleichauf über das Verhältnis von Bachmann und Max Frisch. Die gängige Deutung, der Macho Max Frisch sei schuld an Bachmanns Lebenskatastrophe, übernimmt die Autorin nicht, im Gegenteil: sie sucht vehement nach Anzeichen, dass die beiden „ein einmaliges literarisches Gespräch nach der Trennung“ geführt hätten, dass sie immer noch positiv aufeinander bezogen gewesen seien.
  Vielleicht liegt dieses fragwürdige Erkenntnisinteresse daran, dass Gleichauf sich im Werk Frischs offenkundig weitaus besser auskennt als in dem Bachmanns; sie nimmt, ohne dass dies wohl beabsichtigt war, automatisch eher die Perspektive Frischs ein. Vor allem aber werden einige interessante Ideen, die es in diesem Buch auch gibt, durch den prätenziösen, magazinartigen Kurzsatz-Präsens-Stil entwertet: „Die Lyrikerin, hier zeigt sie sich.“ Oder: „Aber das Leben, vor allem das Leben mit den anderen, das ist schwer, da ist sie voller Unsicherheit.“ Oder: „Wie hart der Alltag sein kann, weiß Max Frisch.“ Wie hart das Schreiben über Autoren ist, wissen wir jedoch alle.
      
Andrea Stoll: Ingeborg Bachmann. Der dunkle Glanz der Freiheit. Biografie. Verlag C. Bertelsmann, München 2013. 381 Seiten, 22,99 Euro.
I ngeborg Gleichauf: Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit. Piper Verlag, München 2013. 218 Seiten, 19,99 Euro.
Die Begegnung mit Paul Celan
war für ihre Lyrik entscheidend
Die Tabletten- und Alkoholsucht
prägte die letzten Jahre
Ingeborg Bachmann (in der unteren Reihe, Zweite von rechts) 1965 bei einer von Günter Grass organisierten Wahlversammlung zugunsten der SPD in der Bayreuther Stadthalle.
FOTO: AP
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