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Ist es zum Fürchten um Europa, besteht noch Hoffnung? Die "New York Times" illustriert den Aufstieg rechter Kräfte in den Ländern der EU graphisch: Den kräftigsten roten Balken erhält Österreich. Jetzt muss aufgrund bürokratischer Schlamperei die Wahl des künftigen Bundespräsidenten wiederholt werden. Im Mai 2016 erhielt der Kandidat einer Partei, die fundamentale europäische Werte in Frage stellt, fast die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Ist es Orbánisierung? Jörg Haiders Erbe? Oder nur ein besonderer Fall von Verkommenheit? Es ist, als spürte die krisengeschüttelte EU, dass Österreich wieder…mehr

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Produktbeschreibung
Ist es zum Fürchten um Europa, besteht noch Hoffnung? Die "New York Times" illustriert den Aufstieg rechter Kräfte in den Ländern der EU graphisch: Den kräftigsten roten Balken erhält Österreich. Jetzt muss aufgrund bürokratischer Schlamperei die Wahl des künftigen Bundespräsidenten wiederholt werden. Im Mai 2016 erhielt der Kandidat einer Partei, die fundamentale europäische Werte in Frage stellt, fast die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Ist es Orbánisierung? Jörg Haiders Erbe? Oder nur ein besonderer Fall von Verkommenheit? Es ist, als spürte die krisengeschüttelte EU, dass Österreich wieder einmal die kleine Welt ist, in der die große ihre Probe hält. In seinem fulminanten Essay zeigt Armin Thurnher, was es mit der Europaverdrossenheit auf sich hat und was man der Rechten in der Politik entgegensetzen sollte.
Autorenporträt
Armin Thurnher, geboren 1949 in Bregenz. Mitbegründer, Miteigentümer und Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung Falter. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Preis des österreichischen Buchhandels für Toleranz und Otto-Brenner Preis für seinen Einsatz für ein soziales Europa. Bei Zsolnay erschienen zuletzt Republik ohne Würde (2013), der Essay Ach, Österreich! Europäische Lektionen aus der Alpenrepublik (2016), Fähre nach Manhattan (2019) und Anstandslos. Demokratie, Oligarichie, österreichische Abwege (2023).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.10.2016

Gemütsmenschen,
bedingt europäisch
Armin Thurnher seufzt wütend „Ach, Österreich!“
Eigentlich wollte Armin Thurnher, Herausgeber des Falter und einer der profiliertesten Publizisten Österreichs, sich im vergangenen Sommer in sein Landhaus zurückziehen und dort in aller Stille ein Buch über die Lügenpresse schreiben. Zwar ist, was Österreich angeht, die Presselandschaft eher vom Vorwurf der Mediokrität als vom Vorwurf der Lügerei zerquält, aber so oder so kam Thurnher nicht dazu, das Projekt fertigzustellen. Die Bundespräsidentenwahl respektive die Anfechtung und Verschiebung derselben kam dazwischen, weshalb er sich entschied, doch wieder einmal über sein Heimatland im Allgemeinen und die politische Lage im Besonderen zu schreiben – wie er das zuletzt auch schon in der „Republik ohne Würde“ getan hatte.
  Thurher ist 67 und schreibt im Falter, der sich allwöchentlich irgendwo zwischen Stadtzeitung und New Yorker zu positionieren versucht, in der Regel das Editorial. Dass er ein „durch Weltanschauung nach links gezogener Kapitalist“ ist, dass er die FPÖ für eine letztlich faschistische Partei hält, das weiß die Republik, und dass er sich wünschen würde, der nächste Präsident wäre der bereits gewählte, also Alexander Van der Bellen, ist auch kein Geheimnis. Warum also noch ein Buch von Thurnher über Österreich, wo doch die lokalen Medien voll sind von Selbstbespiegelungen, Abgesängen und Endzeitstimmung?
  „Ach, Österreich“ liest sich tatsächlich über weite Strecken wie ein sehr langes Thurher-Editorial, was ein Vergnügen ist, weil der Autor eine selten gewordene Kunst beherrscht: das politische Feuilleton, wie es berühmte Kollegen früher in Kaffeehäusern verfassten. Er ist bissig und pointiert, witzig und selbstironisch, manchmal arg verschwurbelt, manchmal hart, manchmal resignativ und manchmal absurd in seinen Vergleichen und seiner Überschwänglichkeit.
  Im Kapitel „Was ist los bei euch in Österreich?“ muss er sich noch warmschreiben; man spürt bisweilen, dass die jüngere Geschichte dieser Republik ihn schon zu lange deprimiert, wo „Sklavenmentalität als immer noch geachtete Tugend“ gilt, „Skepsis durch Abwinken und Realismus durch Fatalismus“ ersetzt wird. Österreich sei ein „bedingt europäisches Land mit einer kaputten Öffentlichkeit und einer verdorbenen Politik“, ätzt er, die Medien durch Anzeigengelder aus dem politischen Raum an der kurzen Leine, das Proporzsystem nicht reformierbar. Ein Land der Gemütsmenschen – „das sind jene, die zuschauen, wie die eigene Frau ertrinkt und jemand seine Kinder im Keller einmauert“. Auch Karl Kraus konnte nicht böser sein.
  Diesen Thurnher kennt man, er hat viele Fans. Der Thurnher in „Eine Wahl ist keine Wahl“, quasi dem Mittelteil zwischen zwei Stoßseufzern, ist über Strecken ein Fremder. Er ist wütend. Nein, er ist WÜTEND! Der grüne Kandidat, schreibt er, habe nach der ersten Runde eine ungeheure Aufholjagd hingelegt, von 21 Prozent auf 51 Prozent in der Stichwahl. Der rechte Kandidat, Norbert Hofer, habe lange seine Unschuldslamm-Performance durchgehalten und inszenierte sich als Opfer. Das größte Unrecht sei für ihn wohl gewesen, dass er nicht Präsident wurde. Nun: Er bekommt eine neue Chance.
  Warum? Weil die FPÖ ihre Niederlage nicht ertrug, habe sie versucht, „den Rechtsstaat madig zu machen, und zwar mit den Mitteln des Rechtsstaates“. Ein Schelm, wer dabei an historische Vorbilder denke: Die FPÖ habe schließlich die Nazikeule eingepackt und diesmal das Florett benutzt. Mit Erfolg: Das Gericht gab der Anfechtung statt. Die Verfassungsrichter, mit ihnen die Republik (und, das sei hier eingeräumt, auch die Rezensentin) seien tief betroffen von den „Schlampereien und der Missachtung des Wahlgesetzes“ gewesen. Wie naiv. Alles ein großer Bluff, eine monumentale Heuchelei. Schlamperei in Österreich – dieser Vorwurf habe das Land der Schlamperei in seinen Grundfesten getroffen. Alle Welt hätte nicht entsetzter sein können, wenn ein „Terrorkommando sämtliche Stimmzettel erbeutet und auf dem Heldenplatz abfackelt, worauf sich die Erde auftat und halb Wien verschluckte“.
  Thurher kann es nicht fassen, dass den Richtern die Möglichkeit einer Manipulation ausreichte, um die Wahl aufzuheben, obwohl keine Manipulation behauptet oder gar bewiesen wurde – eine Rechtsprechung im Konjunktiv, eine Auslegung des Gesetzes nicht nach dem Buchstaben, nicht einmal nach dem Sinn des Gesetzes, und damit letztlich im Sinne der FPÖ.
  Dann arbeitet sich Thurnher an den Parteien ab. Fügt eine Liebeserklärung für den großen, unlängst verstorbenen Karikaturisten Manfred Deix und für den Ex-Bundespräsidenten Heinz Fischer bei. Und versucht zum Schluss, nicht ganz pessimistisch zu klingen, weil das Land vor die Hunde geht – auch wenn sich die Zivilgesellschaft noch immer dagegen aufbäumt. Was tun? „Man wird bescheiden und möchte nicht zum Weltuntergang beitragen“, so der Autor, der tatsächlich ein bescheidener Mensch ist, und dann fragt er, scheinbar naiv: „Was braucht es zur Weltenrettung? Die Entmachtung des neoliberalen Denkkollektivs, eine Wiedereinführung der Humboldtschen Universität, die Neuerfindung von Sozialismus und Kapitalismus, die Entpanzerung der Interessenvertretungen und die Neugestaltung der Sozialpartnerschaft. Ein öffentliches Internet, eine gerechte Besteuerung der US-Medienkonzerne, eine Rekonstruktion der Öffentlichkeit.“ Wie, und mehr nicht?
  Das müssen dann wohl andere erledigen. Armin Thurnher hat den Hang, sich nach einem Wutanfall wie „Ach, Österreich“, in sein Landhaus zurückzuziehen und nachzudenken.
CATHRIN KAHLWEIT
Zum Weltuntergang möchte
man nicht beitragen
        
  
  
    
Armin Thurnher:
Ach, Österreich! Europäische Lektionen aus der Alpenrepublik. Zsolnay Verlag, Wien 2016. 176 Seiten,
16 Euro. E-Book 11,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Eigentlich wollte Armin Thurnher kein Buch mehr über Österreich schreiben, doch nach der Aufhebung der Bundespräsidentenwahl 2016 konnte er wohl nicht anders als seiner Verzweiflung einmal mehr Luft zu verschaffen, erfahren wir von Rezensent Ralf Leonhard. In "Ach, Österreich" werde niemand verschont, verspricht der Rezensent, besonders wenig die FPÖ, aber auch ÖVP, SPÖ, der Verfassungsgerichtshof und nicht zuletzt die Bevölkerung, der er "Untertanentum" vorwirft, bekommen ihr Fett ab. Was Leonhard von Thurnhers Tirade hält, erfahren wir leider nicht. Nur wenn man es denn unbedingt will, könnte man seiner Rezension eine leichte Distanz anmerken.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016

Wer will Europas Hüter sein?

Eine Verurteilung der Schlagworte Nation, Nationalstaat und Nationalismus allein reicht nicht aus, um die schwierige Zukunft der EU zu sichern.

Von Michael Gehler

Als Geburtsland der modernen Nation gilt Frankreich. Sie gebar einen Nationalisten, auf den das Wort vom "Chauvinismus" zurückgeht. Vom "christlichen Adel deutscher Nation" sprach schon Luther (1520). Daraus erwuchs die Idee der "Volksnation". Großbritannien und die Vereinigten Staaten begriff man als "Staatsnation", die Deutschen als "Kulturnation" und die Schweizer als "Staatsbürgernation". Sie alle definiert der Historiker Peter Alter als soziale Gruppen, die aufgrund historisch gewachsener Beziehungen kultureller, politischer, religiöser oder sprachlicher Art sich ihrer Interessen und Zusammengehörigkeit bewusst wurden und Selbstbestimmung forderten.

Trotz Ewigkeitsdenken sind Nationen instabil, veränderbar und zeitbedingt, wie Alter zeigt. Geschichtsmanipulation, Heldenkult, Minderheiten- und Fremdenfeindlichkeit verbindet sie. Nationale Bewegungen werden zwar durch Krisen ausgelöst. Sie lösen aber keine übernationalen Probleme, sondern überdecken sie nur. Schon Staatskanzler Fürst Metternich erkannte Anfang des 19. Jahrhunderts, dass der Gedanke der nationalen Souveränität das Ende der Monarchie sei.

In Europas Geschichte war Nationalismus als Geistesverfassung und Glaubenssystem Verheißung und Verhängnis zugleich. Er findet sich erstmals in Herders Schrift "Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit" (1774). Alter definiert Nationalismus nachvollziehbar als Ideologie und Bewegung, die sich auf die Nation und den souveränen Nationalstaat bezieht sowie eine größere Bevölkerungsgruppe politisch mobilisiert. Dabei werden Hoffnungen geweckt, Emotionen ausgelöst und Handlungen bewirkt. Nationalismus ist ein Instrument der politischen Solidarisierung und Aktivierung, um Freiheit, Gleichheit und Größe der Nation zu erreichen, die Individuen als soziales Band, gesellschaftliches Kollektiv und politisches Konstrukt einbindet. Alter bleibt zuversichtlich, dass die EU die "Wirtschaftseuropäer" in eine postnationale Zukunft führt. Doch Nation, Nationalstaat und Nationalismus nur auf Schlagworte zu reduzieren und zu verurteilen reiche nicht aus, denn, so kann der Leser weiter schlussfolgern, mit Europas Einigung bestanden wechselseitige Zusammenhänge.

Das trifft auch für das parteipolitisch instabile und unruhige Österreich zu. Der scharfsinnige Essay des Vorarlberger Journalisten Armin Thurnher ist keine Geschichts-, sondern Gegenwartsanalyse eines Landes, welches aufgrund seines Monarchie-Verlusts nach wie vor an "Phantomschmerzen" leide. An der Niederlage im EM-Spiel gegen Ungarn zeige sich die Spannung zwischen Größenwahn, Kleinmannssucht und Selbstinfantilisierung eines Landes, wo Parteibuchwirtschaft und Postenschacher quer durch alle "Lager" - auch das freiheitliche - gehen. Ämter und Positionen sind wichtiger als Inhalte und die Sache selbst. Warnend und relativ frei von Selbstmitleid seziert Thurnher Österreichs politische Kultur: Dort folge ganz im Unterschied zur Antike stets die Tragödie der Satire. Angesichts einer neuen innenpolitischen Zerreißprobe mit Blick auf die zu wiederholende Bundespräsidentschaftswahl im "Mutterland der Schlamperei" wird versichert, dass Österreich zwar "kein Naziland" sei, aber "nichts" tue, "um den Eindruck zu erwecken, es kämpfe erbittert gegen einen möglichen Rechtsruck". Der rechte Kandidat Hofer ist für Thurnher nicht der rechte Kandidat. Er listet auf, wie mit "Rechtsextremen" und "Faschisten" umzugehen sei, wobei derlei Zuschreibungen wenig hilfreich sind wie auch der bisherige mediale Umgang mit dem vermeintlichen Übel kontraproduktiv war.

Das Österreichische und Europäische passten, so Thurnher, mit der übernationalen Idee weit besser zueinander als die rot-weiß-rote FPÖ-Programmatik, die er als antieuropäisch, chauvinistisch, nationalistisch, aber nicht mehr antisemitisch, sondern proisraelisch, aber umso resoluter antimuslimisch bezeichnet. Nur schwacher Trost bleibt ihm, dass dieser postmoderne Rechtspopulismus auch anderswo anzutreffen sei. Sosehr der EU-Beitritt (1995) zur Modernisierung und Öffnung von Österreichs Wirtschaft beigetragen hat, politisch-mental förderte er Provinzialität und legte die Schwächen des Privilegien- und Schuldenstaats offen.

Was Österreich vor einer "Orbanisierung" sicher machen könne, seien die Existenz von demokratischen Parteien als eine Art Oppositionskartell, Teile der Medien (obwohl ihnen Spitze und Verve fehle) und die vielzitierte, aber wenig verstandene Zivilgesellschaft. Der drohende Abstieg des Mittelstands, die längst schon der FPÖ zuneigende Arbeiterschaft und der anhaltende Unmut über die sich selbst lähmende große Koalition der erodierenden Parteien stehen dem jedoch entgegen. Wer Österreich 2016 verstehen will, greife zur Erzählung Thurnhers, dessen Punktgenauigkeit und Scharfzüngigkeit im eigenen Land eher als Betriebsstörung empfunden werden.

Keine aus Österreich kommenden Gefährdungen für die EU sehen hingegen Helmut Wagner und Thomas Schmid. Der Politikwissenschaftler Wagner bietet eine Neuinterpretation der EU und sagt ihr aufgrund ihrer Originalität, potentiellen Stärken, Begrenzung imperialer Attitüden und Vermeidung außenpolitischer Abenteuer sowie auch des Erhalts der staatlichen Vielfalt ein langes Leben und eine weltweite Verbreitung ihres Systems voraus, zumal die Globalisierung eine Reihe weiterer "Staaten-Unionen" erforderlich mache, um eine Frieden stiftende und Sicherheit schaffende Weltordnung zu gewährleisten. Dabei übersieht der Verfasser keineswegs die Schwächen der EU wie ihre Unfertigkeit und die Vielzahl ihrer Souveräne.

Für das Verhältnis mit Russland werden Konfliktursachenforschung und Zusammenarbeit als Therapie empfohlen. Sich auf Konfrontation mit Moskau einzulassen bedeute das Ende europäischer Selbstbestimmung, weil parallel dazu die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten von Amerika zunehme. Für Ostmitteleuropa bleibe die EU ein Garant für Selbständigkeit und Wohlstand. Ungebrochene Innovationsfähigkeit, die "Normalisierung Deutschlands" im subsidiären Staatenverbund wie nicht zuletzt die geteilte Souveränität werden als Vorzüge für die Trag- und Zukunftsfähigkeit der EU begriffen. Was das zum Teil sehr persönlich gehaltene Buch Wagners reizvoll und spannend macht, sind auch außereuropäische Perspektiven von Experten aus China, Japan, Russland, Südkorea und den Vereinigten Staaten mit Blick auf die jüngere Entwicklung der EU und die Einschätzungen des Autors.

Der Publizist Thomas Schmid argumentiert, dass die EU wie aus früheren Krisen gestärkt und erneuert hervorgehen könne. Ein integrationspolitisches Übel sieht er im unentwegten "Mehr Europa!" und "Weiter so!" oder in fatalistischen Sätzen wie "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa" (Angela Merkel). Zu den unklugen Reaktionen auf die Krise zählt Schmid neben den Durchhalteparolen "fanatischer Berufseuropäer" auch die "Aufbruchsoptimisten", die den großen Willensakt zu den "Vereinigten Staaten von Europa" (so Brendan Simms/Benjamin Zeeb) verkünden, die für Schmid keine realistische Perspektive, sondern eine alte Parole und hohler Pathos sind. Es folgen noch "Aufbruchsdramatiker", die eine politische Utopie wie die "Epiphanie Europas" (Ulrike Guérot) fordern.

Schmid sieht wohltuend gelassen und ganz unaufgeregt zwei realistische Auswege: politischer Wille zur Fehlerkorrektur und Umbau des bestehenden Unionsgefüges. Dazu gehören für ihn auch der temporäre Rückzug von der Eurozone sowie eine flexible und liberale Auslegung der Verträge wie die weichere Form der Assoziierung statt der ehernen Mitgliedschaft, und für die Briten sieht er eine "privilegierte Partnerschaft". Gemeinschaftshandeln beziehungsweise "Vergemeinschaftung" sollten wenn, dann im Bereich der Asyl-, Flüchtlings-, Grenzsicherungs- , Umwelt- und Verteidigungspolitik erfolgen, was nicht wenig populär sei. Existentiell für die Zukunft der EU werde die Befriedung und Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens. Das Verhältnis zwischen der Türkei und der EU entscheide über die Frage, ob der Islam mit der Moderne vereinbar sei. Erdogans autoritäres Präsidialsystem mache den "epochalen Durchbruch" aber unwahrscheinlich.

Mit einem Schlag erfolge nicht die Vereinigung des Kontinents, ließ Robert Schuman schon 1950 wissen. Und der französische Historiker Jacques Le Goff nannte Europa ein langes Geduldsspiel, das es wert sei - wohl auch mit Blick auf Nation, Nationalstaat und Nationalismus.

Peter Alter: Nationalismus. Ein Essay über Europa.

Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2016, 190 S., 14,90 [Euro].

Armin Thurnher: Ach, Österreich! Europäische Lektionen aus der Alpenrepublik.

Paul Zsolnay Verlag, Wien 2016. 171 S., 16,- [Euro].

Helmut Wagner: Unser Europa: Die Konstruktion und Zukunft der Europäischen Union.

Lit Verlag, Münster, 2016. 318 S., 54,90 [Euro].

Thomas Schmid: Europa ist tot, es lebe Europa! Eine Weltmacht muss sich neu erfinden.

C. Bertelsmann Verlag, München 2016. 255 S., 14,99 [Euro].

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"Thurnher verbindet einen kritischen Blick auf die schwarzen Flecken der österreichischen Seele mit einer humanistisch-aufklärerischen Agenda. Dass er darüber hinaus ein Ironiker - und ein Selbstironiker - von Graden ist, verleiht seinen Texten eine spezifisch Wienerische Qualität." Günter Kaindlstorfer, Ö1 kontext, 30.09.16

"Armin Thurnher beherrscht eine selten gewordene Kunst: das politische Feuilleton, wie es berühmte Kollegen früher in Kaffeehäusern verfassten. Er ist bissig und pointiert, witzig und selbstironisch." Cathrin Kahlweit. Süddeutsche Zeitung, 17.10.2016

"Armin Thurnher gehört zu den scharfsinnigsten Analytikern österreichischer Politik." Claudia Kühner, NZZ am Sonntag, 30.10.16

"Wer Österreich 2016 verstehen will, greife zur Erzählung Thurnhers, dessen Punktgenauigkeit und Scharfzüngigkeit im eigenen Land eher als Betriebsstörung empfunden werden." Michael Gehler, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.16

"Thurnher gibt Tipps zum Umgang mit den Rechten, von denen auch die immer noch AfD-geschockten deutschen Journalisten durchaus profitieren können. (...) Und er tut dies über weite Strecken im ironisch-plaudernden Kaffeehaussound, wie er einem Wiener Intellektuellen auch zusteht und den man als deutscher Leser wohl auch erwartet." Claus Heinrich, SWR2, 30.11.16