Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 12,29 €
  • Gebundenes Buch

Tili, Jenica, Maca, Luca: Sie haben gemeinsam studiert, gearbeitet, und einst, in Kindheitstagen, haben sie das Spiel der hundert Blätter gespielt - eine Allee entlang von einem Kastanienblatt zum nächsten hüpfen und dabei stets auf ein Blatt treten. Wer es am weitesten schaffte, der hatte gewonnen. Heute berät Tili einen Puppenmacher, Jenica betreibt eine Lottokollektur, Maca provoziert die Mitmenschen mit seinem Motorrad. Und Luca? Luca ist verschwunden, noch vor der Revolution. Als Tili Einsicht in die Securitate-Akten erhält, beginnt das Spiel der hundert Blätter aufs Neue. Wie weit und…mehr

Produktbeschreibung
Tili, Jenica, Maca, Luca: Sie haben gemeinsam studiert, gearbeitet, und einst, in Kindheitstagen, haben sie das Spiel der hundert Blätter gespielt - eine Allee entlang von einem Kastanienblatt zum nächsten hüpfen und dabei stets auf ein Blatt treten. Wer es am weitesten schaffte, der hatte gewonnen. Heute berät Tili einen Puppenmacher, Jenica betreibt eine Lottokollektur, Maca provoziert die Mitmenschen mit seinem Motorrad. Und Luca? Luca ist verschwunden, noch vor der Revolution. Als Tili Einsicht in die Securitate-Akten erhält, beginnt das Spiel der hundert Blätter aufs Neue. Wie weit und wohin führen sie jetzt? Ein Roman über Widerstandskraft und Humanität - und über das Trauma der politischen Wende in Rumänien.
Autorenporträt
Varujan Vosganian wurde 1958 in Craiova geboren und verbrachte seine Kindheit in Focsani. Von 2006 bis 2008 war er rumänischer Finanz- und Wirtschaftsminister, 2012 bis 2013 Minister für Handel und Industrie. Er ist Präsident der Vereinigung der Armenier in Rumänien. Bei Zsolnay erschienen die Romane Buch des Flüsterns (2013), Das Spiel der hundert Blätter (2016) und der Erzählband Als die Welt ganz war (2018).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Norbert Mappes-Niediek schätzt Varujan Vosganian als den Autor der großen Armenien-Saga "Buch des Flüsterns". Der Autor ist in Rumänien auch ein bekannter Politiker, doch seinen Konservatismus erkennt der Rezensent in diesem Roman höchstens darin, dass er nicht viel auf Zukunftsversprechen gibt. Die Vergangenheit hält ihm jedoch auch keine Freude bereit. Vosganian, informiert Mappes-Niediek, erzählt locker verknüpft von drei Freunden, die als Erwachsene den rumänischen Systemwechsel erleben. Das sei nicht immer einfach zu lesen, räumt der Rezensent ein, häufig schlage die Erzählung ins Surreale um. Doch auch wenn sich Mappe-Niedieks Rezension nicht wie eine eindeutige Empfehlung liest, lobt er doch den großen Gedankenreichtum des Romans.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.01.2017

Die Rache
der Schatten
Varujan Vosganians neuer Roman
„Das Spiel der hundert Blätter“
Tili hat einen eigenartigen Beruf. Er ist Puppen-Namensgeber. Er schließt die Augen, dann macht er sie wieder auf, sieht die neue Puppe, die der Puppenmacher hochhält, und sagt ihm, wie sie heißen soll. Tili arbeitet nur „eine Stunde täglich, wenn die Sonne im Mittag stand. Dann räumte das aus allen Richtungen gleichzeitig einströmende Licht den Dingen keine Möglichkeit mehr ein, Schatten zu werfen.“ Tili hatte das verlangt. „Sonst kann ich nicht arbeiten (…). Die Schatten verbergen den Kern der Dinge. Und das elektrische Licht trocknet sie aus.“ Die Namen müssen nicht schön sein, nur passen. „Krummerjan“, sagt Tili. Der Puppenmacher biegt die Puppe etwas gerader. „Krummerjan“, meint Tili noch immer. Wenn sich „Linien nach dir richten“, sagt er, „sind sie krumm.“
Im Sommer 2013 erschien Varujan Vosganians rumänisch-armenisches Familien-Epos „Das Buch des Flüsterns“ mit großem Erfolg auf Deutsch. Die Angaben zum Autor verwiesen vor allem darauf, dass Vosganian, der 1958 in Craiova geboren wurde, von 2006 bis 2008 rumänischer Finanz- und Wirtschaftsminister gewesen ist. Von 2012 bis 2013 war er Minister für Handel und Industrie. Dass er schon länger schriftstellerisch arbeitet, blieb damals unerwähnt. Der Wirtschaftswissenschaftler und einfache Parlamentsabgeordnete debütierte 1994 mit einer Sammlung Gedichte, weitere Bücher, darunter zwei Lyrikbände, folgten.
Vosganians neuer Roman „Das Spiel der hundert Blätter“, im rumänischen Original 2013 erschienen, ist literarisch noch dichter gewebt, als das kraftvolle, mit breitem Pinsel angerührte „Buch des Flüsterns“, das auch der Versuch eines Armeniers war, das zeitgeschichtliche Elend seines Volkes bekannt zu machen. „Das Spiel der hundert Blätter“ kümmert sich wenig um irgendwelche Zwecke. Das fängt bei den exzentrischen Hauptfiguren an. Neben Tili gibt es Jenica, den unglücklichen Kioskverkäufer, der Kunden die Lotterie auszureden versucht, und Maca, der eine Lederjacke trägt, Motorrad fährt und herumquatscht. Dabei ist auch er schon älter. Alle drei kennen sich aus der Kindheit. Vor 1989 waren sie Maschineningenieure, bei einer Firma, die es nicht mehr gibt. Jetzt sind sie malerisch-verschmockte Gestalten am Rand der Gesellschaft.
Vosganian gelingt eine bildstarke Mischung aus federleichter Groteske, die vom rumänischen Surrealismus herkommt, und konkreter Politik. Es geht nicht nur um Arbeitslosigkeit. Die drei Ex-Ingenieure wissen vor allem eines: sie waren einmal vier. Luca gehörte zu ihnen, doch er wurde von der Securitate „auf der Flucht erschossen“. Lange hat sich in der Angelegenheit nichts getan. Luca war weg, die anderen versuchten zu überleben. Doch jetzt ist die Zeit der Öffnung der Akten. Tili geht hin. Kopiert werden darf nichts, ein Aufpasser ist dabei, aber es kommt heraus, wer Luca verraten hat. Ganz simpel: der Revierpolizist.
Was dann geschieht, treibt das Geschehen in eine deutlich dunklere Atmosphäre und neue literarische Höhen. Plötzlich beschließen die Freunde, Rache zu nehmen. Vosganian beschreibt, wie die drei skurrilen Loser, die nach Lucas Verschwinden gefoltert wurden, von den Schatten der Vergangenheit getrieben, selber zu „Schatten“ werden, die dem alten, üblen Securitate-Mann auflauern, ihn verspotten und in die Enge treiben. Am Ende scheuchen sie ihn vor den einzigen internationalen Zug, der die Kleinstadt durchrast. Ein gespenstisches Szenario, dramaturgisch und als Stimmungsmalerei schon für sich ein kleines Meisterwerk.
Der Sühnemord gelingt. Aber dass nun klar ist, dass Verrat und Gewalt nur weitere Gewalt provozieren, hilft den dreien wenig. Ihre eigene Gewalt kehrt sich jetzt gegen sie. Sie sind verunsichert, leiden unter Wahnvorstellungen. Zwei begehen, abenteuerlich metaphorisch und real, Selbstmord: Jenica verschwindet im dunklen Zimmer seines geheimnisvollen Vaters; Maca versucht, seinen Schatten an der Wand zu erstechen. Bis er merkt, dass er anders vorgehen muss. Nur einer der drei überlebt: Tili, der Puppen-Namensgeber, der auch dem Spitzel den Namen gegeben hat. Er wird melancholisch, aber auf eigenartig unbeschwerte Weise.
Und weil im Showdown dieses wunderbar bizarren Schattenspiels plötzlich auch die anderen Figuren als Puppen auftauchen, denen Tili Namen gibt, wird er, zusammen mit dem Puppenmacher, am Ende noch zur unerwarteten Schriftsteller-Metapher. Vosganian folgt in diesem Buch einer eigenwilligen Ästhetik der Umwege, die sich in ihrer Handlungs- und Sprachfantasie lässig über die Stromlinienförmigkeit weiter Teile der Gegenwartsliteratur zu amüsieren scheint. Sie findet am Ende zu einem letzten eleganten Dreh. Ernest Wichner hat wie das „Buch des Flüsterns“ auch diesen Roman in eine sehr schöne deutsche Prosa übertragen.
HANS-PETER KUNISCH
Varujan Vosganian: Das Spiel der hundert Blätter. Roman. Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2016. 223 Seiten, 20 Euro. E-Book 15,99 Euro.
Hier gelingt eine Mischung aus
federleichter Groteske und Politik
Dann kehrt sich die eigene
Gewalt gegen die Freunde selbst
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
"Vosganian bringt einen ganz eigenen Ton in die Literatur. Sehr poetisch klingt seine Erzählung, wunderlich, metaphorisch, lakonisch und komisch und tieftraurig, weise und streckenweise wie ein Märchen." Stefan Berkholz, SWR2 Forum Buch, 04.09.16

"Eine düstere, drückende Stimmung beherrscht den Roman, der zugleich durchzogen ist von Poesie und Fantasie wie von Goldadern im schwarzen Fels. Und immer wieder erfreut sich der Leser am Mutterwitz und der Formulierungsfreude der Figuren." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 07.12.16

"Ein kurzer Roman, aber ein großes Stück Literatur." Felix-Emeric Tota, Deutschlandfunk Büchermarkt, 30.12.16