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Nach einem Sanatoriumsaufenthalt ist Donatey in seine Zürcher Wohnung zurückgekehrt. Es quält ihn nicht nur die Stange im Rückgrat, die seine Wirbelsäule stabilisieren soll, sondern auch die Befürchtung, von Seraphine, seiner jüngeren Freundin, verlassen zu werden. Er trinkt Kaffee, raucht, blickt aus dem Fenster und erinnert sich: an die Jahrzehnte, die er als Assistent eines berühmten Regisseurs im Theater verbrachte; an die Großeltern, Offenbacher Juden, denen einst im letzten Moment die Emigration gelang; an Mathild, seine Mutter, die sich bis zu ihrem Tod weigerte, über die genauen…mehr

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Produktbeschreibung
Nach einem Sanatoriumsaufenthalt ist Donatey in seine Zürcher Wohnung zurückgekehrt. Es quält ihn nicht nur die Stange im Rückgrat, die seine Wirbelsäule stabilisieren soll, sondern auch die Befürchtung, von Seraphine, seiner jüngeren Freundin, verlassen zu werden. Er trinkt Kaffee, raucht, blickt aus dem Fenster und erinnert sich: an die Jahrzehnte, die er als Assistent eines berühmten Regisseurs im Theater verbrachte; an die Großeltern, Offenbacher Juden, denen einst im letzten Moment die Emigration gelang; an Mathild, seine Mutter, die sich bis zu ihrem Tod weigerte, über die genauen Umstände der Flucht zu berichten; an Freunde wie den für seine zierlichen Gegenstände berühmten Bildhauer Ingo Licht oder an Piotr, den Pariser Anwalt kaukasischer Herkunft. Der berühmte Regisseur Luc Bondy hat seinen ersten Roman geschrieben, ein charmantes Capriccio, dessen Lektüre sinnliches Vergnügen bereitet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.03.2011

Meister des Flüchtigen
Regisseur Luc Bondy bei den "Offenbacher Lesungen"

Er liest, wie er schreibt, und er schreibt, wie er inszeniert: schwerelos - denn er kann loslassen. Als Gast der Max Dienemann/Salomon Formstecher Gesellschaft plauderte Luc Bondy bei den "Offenbacher Lesungen" mit Felicitas von Lovenberg, der leitenden Literaturredakteurin dieser Zeitung, über die Flüchtigkeit künstlerischen Schaffens. "Es gibt kein Bleiben. Die Dinge vergehen. Aber obwohl sie vergehen, kann man mit ihnen etwas geben - für den Moment", sagte Bondy im Büsing-Palais. Auch das Schreiben, dem sich der Intendant der Wiener Festwochen in den vergangenen Jahren zugewandt hat, vermittelt ihm nicht das Gefühl, etwas Bleibendes zu schaffen. Geschweige denn das Theater. Bondy, der sich als Skeptiker und Pessimist outete, sieht kaum noch Zukunft für die Bühnenkunst.

Nach seinen Prosa-Miniaturen von 2005 hatte der Regisseur unter dem Titel "Am Fenster" vor zwei Jahren seinen ersten Roman veröffentlicht. Nun huschte er von Seite zu Seite, um seine Zuhörer möglichst weiträumig mit dem Schicksal des erzählenden Ichs bekannt zu machen. Der 60 Jahre alte Donatey sitzt am Fenster seiner Wohnung und sinniert über sein bisheriges Leben. Seine lädierte Wirbelsäule wird von Eisenimplantaten stabilisiert. Kein Wunder, dass er fürchtet, von seiner jungen Freundin Seraphine verlassen zu werden. Die verschlissenen ererbten Möbel um ihn erinnern ihn aber auch an seine jüdischen Großeltern und seine Mutter, die dem Holocaust über den Fluchtpunkt Marseille entkommen konnte. Mutter Mathild war in Offenbach aufgewachsen und einst aus dem städtischen Schwimmbad verwiesen worden. Hier beginnt das Missverständnis des Abends.

Bondys jüdische Großeltern waren keineswegs in Offenbach zu Hause, wie die Gastgeber gemutmaßt hatten, sondern in Mannheim. Der Gast hatte sich köstlich über die Einladung amüsiert, aber er war gekommen. Gemeinsam mit seiner Gesprächspartnerin bewies er zwei Stunden lang, dass auch ein Irrtum für eine gelungene Veranstaltung gut sein kann. Seine Offenheit, seine stille Heiterkeit wirkten bestechend. Seine Brillengläser, die er jedes Mal vor dem Lesen über der Nasenwurzel wie ein klassisches Symbolon, ein Zeichen des Wiedererkennens, zusammensetzte, verlagerten die Aufmerksamkeit von den Rückenproblemen seines Helden, eines einstigen Regieassistenten, auf die Augen des Regisseurs - dem die eigenen Kreuzschmerzen das Sitzen erschwerten. Autobiographisches hat also doch, nur anders als erwartet, Eingang in den Roman gefunden.

Der kreative Blick des Regisseurs sah in den Glühbirnen an der Decke des Saales "Sterne". Dem Romancier dagegen war der ein oder andere Grammatikfehler unterlaufen, obwohl Peter Handke das Manuskript lektoriert hatte, als Bondy im Krankenhaus lag und sein Lektor vom Paul Zsolnay Verlag sich atmosphärisch überfordert fühlte. Seitenweise hatte Bondy damals in seinen Blackberry geschrieben, was eigentlich zunächst als Erzählung gedacht war. "Aber es ging immer weiter", wunderte sich nun der Verfasser dieses Zukunftsromans, in dem es an einer Stelle heißt: "Man nannte sie Regisseure." So jedenfalls wird seine Zunft in dem Roman bis 2014 definiert. Wann also spielt der Roman? Das verriet Bondy nicht. Auch als Autor hält er sein Werk in der Schwebe, wie es das Theaterpublikum von seinen Inszenierungen gewöhnt ist.

CLAUDIA SCHÜLKE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2009

Trauern mit Wanze
Luc Bondy hat seinen ersten Roman geschrieben: „Am Fenster” ist ein wundersam graziöses Erzählgespinst
Geschrieben hat er immer schon, unterwegs oder zwischen den Proben. So oft der vielbeschäftigte Regisseur Gelegenheit dazu findet, macht sich Luc Bondy Notizen, um die Zeit zu verlangsamen, nach Verlorenem zu haschen „wie nach Schmetterlingen”. Wie nebenher sind dabei zwei wunderschöne autobiographische Prosabände entstanden – „Wo war ich?”(1998) und „Meine Dibbuks” (2005).
In beiden Büchern hat sich Luc Bondy nicht nur als Experte für die Hypochondrien der Seele gezeigt, der er auch in seinem Hauptberuf ist, sondern zugleich als subtiler Erzählkünstler, der alles Feinstoffliche und Flüchtige des Lebens in einer ebenso duftigen wie luftigen Sprache einfängt wie ein Aroma in einem fragilen Flakon. Bondys Sätze wirken nie gebaut, sie sind so ätherisch, als würden ihm die Schmetterlinge von selbst ins Netz flattern: in Gestalt von Aperçus und Anekdoten, szenischen Skizzen und physiognomischen Miniaturen. Und doch ist dieses leichtfüßige, gleichsam moussierende Prosa-Parlando nur eine Maske. Dahinter lauert ein scharfer, sezierender Beobachter. Bondy ist ein Flaneur, der das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat, wenn er das Florett zückt.
Jetzt, im Alter von 61 Jahren, hat Luc Bondy seinen ersten Roman geschrieben. Erschienen ist er unmittelbar, nachdem Bondy angekündigt hat, seinen Vertrag als Intendant der Wiener Festwochen nicht über 2013 hinaus zu verlängern. Bondy wird dann das übliche Rentenalter erreicht haben, und in gewisser Weise liest sich „Am Fenster” als grausig-komische Phantasie über das Leben danach, ein düsteres, mit schonungsloser Delikatesse ausgebreitetes Zukunftsszenario über das Altern und Sterben, aufgehellt durch Glanzlichter aus Geist und Witz.
Allein schon die Figur des Ich-Erzählers Donatey, in dessen Biographie Bondy zahlreiche Verweise auf sein eigenes Leben versteckt hat, liest sich wie eine misanthropische Selbstparodie. Anders als Bondy ist dieser Donatey kein Regisseur, sondern er war dreißig Jahre lang Assistent eines großen Regisseurs und als solcher ein bekennender Opportunist. Seinen Opportunismus versteht er als Schutzhaltung, was Donatey darauf zurückführt, als Jude „nackter zu sein als andere” und also verletzlicher.
Seit dem Tod des Regisseurs liegt Donatey nicht nur beruflich brach. Eine schwere Rückenoperation schränkt seinen Aktionsradius ein, so dass er die Tage am Fenster seiner Zürcher Wohnung verbringt – rauchend, sauren Kaffee trinkend und den schalen Nachgeschmack eines verfehlten Lebens auf der Zunge. Wie eine bittere Ironie wirkt die Stahlstütze in seinem Rücken, die ihn, der zunehmend jeden Halt verliert, aufrichtet. Zum körperlichen Verfall kommt quälende Eifersucht. Verlustängste lähmen ihn gegenüber seiner jungen Freundin, von der er weiß, dass er sie nicht wird halten können, auch wenn er sie mit einer Wanze abhört, um einem etwaigen Nebenbuhler zu überführen. Das Leben entgleitet Donatey, selbst sein Schreiben bezeichnet er als „Inkontinenz”, ein so einsames wie peinsames Geschehenlassen.
Und auch der Blick aus dem Fenster zeigt ihm nur seine Innenwelt. In den Passanten auf der Straße erkennt er Gestalten aus der Vergangenheit, die Freunde, die Familie: eine Geisterbeschwörung. Die meisten dieser Menschen hat er bereits überlebt, doch in der Erinnerung zeigt sich, dass er sie schon viel früher verlor. Lakonisch und dadurch umso wirkungsvoller schildert Bondy, wie der Großvater, den Nazis knapp entkommen, sich in die Demenz flüchtet, wie die Mutter sich zeitlebens verhärtet – das ganze beschädigte Leben der Entronnenen, unter ihnen ein Mann, der keine Berührung mehr ertragen kann, weil sich selbst Zärtlichkeit für ihn wie Schmerz anfühlt.
Vom Theater handelt das Buch nur am Rande, und doch ist „Am Fenster” ein Theaterbuch, getragen von der Überzeugung, dass Verwandlung und Selbsterkenntnis sich nicht ausschließen, sondern bedingen. Bondy, als Regisseur ein Mann der Literatur, bleibt auch als Literat Regisseur. Sein Schreiben ist die Fortsetzung des Theaters mit anderen Mitteln. Denn der Beruf des Regisseurs habe aufgehört zu existieren, heißt es im Roman. Der Grund dafür sei, dass jeder sich selbst darstellen wolle und man keinen Unterschied mehr wahrnehmen könne „zwischen einer zufälligen und einer wie Zufall wirkenden Komposition”. Da bleibt nur die Bühne im eigenen Kopf.
Die Kunst des arrangierten Zufalls, die auf dem Theater im Sterben liegt, in Bondys Roman lebt sie noch einmal triumphal auf: als eine Komposition, deren todtraurige Melodie unsagbar glücklich macht. CHRISTOPHER SCHMIDT
Luc Bondy
Am Fenster
Roman. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2009. 160 Seiten, 17, 90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Christopher Schmidt hat den Theaterregisseur Luc Bondy bereits in seinen zwei autobiografischen Büchern als "subtilen Erzählkünstler" und scharfen Beobachter schätzen gelernt. Auch Bondys erster Roman, "Am Fenster", findet seine uneingeschränkte Begeisterung. Im Zentrum steht ein durchaus an den Autor erinnernder Assistent eines soeben verstorbenen Theaterregisseurs, der zudem von einem gravierenden Rückenleiden gebeutelt ist. Schmidt hat den Roman als schonungslose, "grausam-komische Phantasie" über Alter und Tod gelesen und darin auch so etwas wie eine "misanthropische Selbstparodie" entdeckt. Vor allem aber ist er in der Romankomposition auf die "Kunst des arrangierten Zufalls" gestoßen, die, wie die Hauptfigur an einer Stelle seines Romans äußert, am Theater immer mehr ausstirbt und die dem hingerissenen Rezensenten trotz des traurigen Grundtons von Bondys Roman wahre Glücksgefühle vermittelt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Melancholie ist hier frei von Sentimentalität, das sich dem Ende zuneigende Leben hat einen Trauerrand höherer Heiterkeit. Die Sätze haben die Gnade der Grazie, die noch das Schwere schweben macht. Sie scheinen stets an der Oberfläche zu bleiben, weil sie gerade dort verborgene Tiefe entdecken." Ulrich Weinzierl, Die Welt, 05.09.09

"Bondy hat seine Melodie gefunden." Peter Pisa, Kurier, 05.09.09

"Voller Esprit debütiert der renommierte Theatermacher Luc Bondy als Romancier." Norbert Mayer, Die Presse, 11.09.09

"Man liest und lacht, liest und schaudert, liest und staunt - ein unglaubliches Buch." Barbara Villiger Heilig, Neue Zürcher Zeitung, 15.09.09

"Was einem am Theatermann Bondy imponiert... darauf versteht sich auch der Romanerzähler." Stephan Sattler, Focus, 14.09.09

"Eine wundersam feine und ehrliche Selbsbefragung." Bernd Noack, Nürnberger Nachrichten, 19.11.09

"Ein feines einfühlsames Buch über das Altern und das Erinnern." Britta Helmbold, Ruhr Nachrichten, 19.11.09

"Ein verführerischer Erzähler." Der Spiegel, 30.11.09

"Das Leben ist weder tragisch noch komisch. Es ist, wie dieses Buch und sein Autor: originell." Gabriele Killert, Die Zeit, 18.02.10