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Per Oehrgaards großer Essay über Günter Grass würdigt den deutschen Nobelpreisträger aus europäischer Perspektive. Er verfolgt das Leben des Autors von seinen Anfängen bis heute, von der frühen Lyrik und der Danziger Trilogie bis zum Nobelpreis und der jüngsten Novelle "Im Krebsgang". Dabei sind Leben und Werk nicht zu trennen, der Schwerpunkt liegt hier jedoch auf dem Werk selbst. Das Buch des renommierten Germanisten und Grass-Übersetzers Oehrgaard, 2001 mit dem Henrik-Steffens-Preis ausgezeichnet, ist nicht nur Grass-Kennern, sondern auch als Einführung zu empfehlen.

Produktbeschreibung
Per Oehrgaards großer Essay über Günter Grass würdigt den deutschen Nobelpreisträger aus europäischer Perspektive. Er verfolgt das Leben des Autors von seinen Anfängen bis heute, von der frühen Lyrik und der Danziger Trilogie bis zum Nobelpreis und der jüngsten Novelle "Im Krebsgang". Dabei sind Leben und Werk nicht zu trennen, der Schwerpunkt liegt hier jedoch auf dem Werk selbst. Das Buch des renommierten Germanisten und Grass-Übersetzers Oehrgaard, 2001 mit dem Henrik-Steffens-Preis ausgezeichnet, ist nicht nur Grass-Kennern, sondern auch als Einführung zu empfehlen.
Autorenporträt
Per Ohrgaard, 1944 in Kopenhagen geboren, ist Professor für deutsche Literatur an der Universität Kopenhagen. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zur deutschen und dänischen Literatur. Für seine übersetzungen deutscher Autoren, darunter Schiller, Kafka, Adorno, Horkenheimer, Enzensberger und Grass wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Christoph Bartmann, geboren 1955, studierte Germanistik und Geschichte. Seit 1988 Mitarbeiter des Goethe-Instituts, u.a. in München, Prag und Kopenhagen, seit 2011 als Direktor in New York, ab 2016 in Warschau, außerdem regelmäßiger Rezensent in der Süddeutschen Zeitung. Im Carl Hanser Verlag erschienen: Leben im Büro. Die schöne neue Welt der Angestellten (2012) und Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal (2016).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2006

Rede, Künstler, bilde nicht
Aufgeschrieben hat er's, der Stoffel: Eine Günter-Grass-Biographie

Günter Grass ist sich seiner weltliterarischen Bedeutung gewiß, und er sorgt persönlich dafür, daß sie nicht abnimmt. Eine besondere Rolle spielt dabei der stetige Kontakt zu seinen Übersetzern. Bei ihnen weiß er sich in Gesellschaft von so intimen wie kritischen Kennern seines Werks. Seinen dänischen Übersetzer Per Øhrgaard hat Grass als einen akribischen Leser gepriesen, der nicht bereit sei, Unverständlichkeiten und Ungenauigkeiten hinzunehmen, der beharrlich alles Fragwürdige auf den Punkt bringe. In "Die Rättin" findet sich eine lyrische Liebeserklärung an die dänische Ferieninsel der Familie Grass, "mit der wir älter und dänischer hätten werden können". Dänischer werden aber heißt gelassener werden, und die Studie, die Øhrgaard dem bildenden Künstler und Schriftsteller gewidmet hat, zeichnet sich vor allem durch die Gelassenheit einer Betrachtung aus, die in souveräner Ortskenntnis durch die Textlandschaft um Danzig streift, hier eine Blume pflückt, dort eine Inschrift entziffert, hier in den Grund blickt, dort eine Aussicht weist.

Die Literaturtheorie der letzten Jahrzehnte ist an dem Kopenhagener Germanisten offenbar spurlos vorübergegangen. Leben und Werk werden in ihrer Einheit und Bezüglichkeit betrachtet, und Günter Grass erscheint als quicklebendiger Autor seines Werks und seiner Handlungen, der noch im Irrtum Größe zeigt. Daß Grass in Deutschland immer wieder "beschimpft und verleumdet" wurde, verzeichnet Øhrgaard trocken als Schicksal aller Großen, läßt aber keinen Zweifel daran, daß er für die deutsche Verkleinerungssucht kein Verständnis hat. Seine eigene Abneigung gegen großsprecherische Theorie findet der Übersetzer in seinem Autor wieder, und so bewundert Øhrgaard die spöttische Überlegenheit, mit der bereits der Anfänger in der "Blechtrommel" die damaligen Theorien vom Ende des Erzählens abfertigte. Für Grass sei von Anfang an unzweifelhaft gewesen, daß der Mensch sich selbst, die Welt und die anderen nur in Geschichten versteht.

Diese Geschichten aber hören niemals auf. Ein Ich erscheint bei Grass als "das jederzeit erzählende Bewußtsein". Die Überzeugung, daß nichts je aufhört, entspreche dem Geschichtsverständnis des Schriftstellers, dem noch das kleinste Detail erlittener Vergangenheit zur Gegenwärtigkeit erwachen könne. So bestehe das poetische Verfahren als Dialektik zwischen Stillstand und Fortschritt in der wechselseitigen Projektion von Zeitlichem und Räumlichem, in der Herstellung von Gleichzeitigkeit. Daß man es bei Grass immer mit "unzuverlässigen Erzählern" zu tun habe, zeige den Menschen in seinem so beschränkten wie produktiven Verhältnis zum Geschehenen. Auch die erfundenen Geschichten machen Geschichte.

Sowohl als bildender Künstler wie als Schriftsteller habe sich Grass trotz seiner Neigung zum "wilden Surrealismus" von jeher der genauen Beobachtung des Sichtbaren verpflichtet, sein Werk sei wesentlich gegenständlich. Freilich sei das Sichtbare bei Grass "stets mehr als bloß das unmittelbar Vorhandene" und allgemein Wahrgenommene. Er sei ein Künstler, der nicht ohne Entsetzen und Melancholie mehr sehe, als da ist. Seine Aufmerksamkeit richte sich vor allem auf das Unbeobachtete und "das Übriggebliebene" der menschlichen Wahrnehmung der Welt und der Überlieferung. Als solche sei sie immer bei denen, die Geschichte erleiden.

So sieht Øhrgaard den ethischen wie ästhetischen Grundsatz von Grass' Erzählkunst darin, daß man gelebtes Leben nicht für ungültig erklären dürfe, "auch nicht durch noch so große politische Umwälzungen". Gerade in Zeiten allgemeiner Verdrängungsbereitschaft muß davon neu erzählt werden, und zwar unabhängig von der Bewertung. Ob einer dabei recht behält, darauf kommt es nicht an. Nicht einmal Fonty aus "Ein weites Feld" sei als Rechthaber dargestellt. Dennoch sei der Roman im Deutschland der Wendezeit vielfach von einem einseitigen Standpunkt aus gelesen worden, aus dem die Vielschichtigkeit des Erzählten nicht gesehen werden konnte. Der Roman sei nicht nur Kritik der Wiedervereinigung, keineswegs einseitiger Ausblick in eine "apokalyptische Landschaft", er öffne vielmehr die Wahrnehmung für eine "Einbettung" der deutschen Verhältnisse in einen größeren Zusammenhang. Auch hier komme es auf das Übriggebliebene an.

Max Frisch hat Günter Grass einmal einen "Schriftsteller mit persönlicher Haftung" genannt. So hebt auch Øhrgaard hervor, daß sich Grass nie hinter ästhetischen oder ideologischen Programmen verschanzt hat. Sowohl im Werk wie in der politischen Stellungnahme setze er sich als Person aus, mache sich bewußt angreifbar und nehme den eigenen Irrtum in Kauf. Trotz unverbrüchlicher Verpflichtung auf das Ideal einer sozialen Demokratie sei Grass nie ein Utopist gewesen, im späten Werk verliere die Darstellung der Geschichte noch mehr an Eindeutigkeit. So zeige "Im Krebsgang", daß "die Geschichte nicht allein denen gehört, die Aufklärung und Demokratie verbreiten wollen". Daß ein Schriftsteller, der sich politisch einmischt, nicht unbedingt recht behalten möchte, scheint in Deutschland aber schwer vermittelbar.

Bei aller gelassenen Bewunderung des großen Autors ist das luzide Bild, das Øhrgaard von Grass zeichnet, kein Porträt des Künstlers als weiser alter Mann. Gelegentlich scheint der manchmal allzu betulich schreibende dänische Professor sich sogar ein wenig vor Unkontrolliertem und Maßlosem im "deutschen Schriftsteller" zu grausen. Noch im Nobelpreisträger sieht er den Stoffel, den wilden jungen Gelnhausen aus "Das Treffen in Telgte", dem der weise Heinrich Schütz sagt, er dürfe seine "Lügengeschichten nie wieder mörderisch ausleben, sondern er müsse sie beherzt niederschreiben".

FRIEDMAR APEL

Per Øhrgaard: "Günter Grass. Ein deutscher Schriftsteller wird besichtigt". Aus dem Dänischen übersetzt von Christoph Bartmann. Zsolnay Verlag, Wien 2005. 204 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.05.2005

Er hieß Markus und nahm mit sich alles Spielzeug aus dieser Welt
Ohne Fußnoten, dafür mit Sympathie geschrieben: Per Øhrgaards Einführung in das Werk von Günter Grass
Zu Dänemark hatte Günter Grass schon immer eine besondere Beziehung. Kaum, dass er berühmt war und Geld hatte, legte er sich ein Ferienhaus auf der Kreidefelseninsel Møn zu - wie für seinen Freund Willy Brandt galt ihm das Skandinavische als Wunschform der Sozialdemokratie. Schon vor dem Nobelpreis, der gegenüber von Møn in Schweden verliehen wird, bekam Grass 1996 den Sonning-Preis, die wichtigste kulturelle Auszeichnung Dänemarks. Und als er nach 1989, vor allem in der Diskussion um seinen 1995 erschienenen Roman „Ein weites Feld”, in Deutschland zum Teil heftig angegriffen wurde, muss ihm die Rezeption im europäischen Ausland wie eine Labsal vorgekommen sein. Von Spanien bis nach Skandinavien ehrte man ihn als den großen Repräsentanten der deutschen Literatur, der in seiner Heimat gegen ungeheuere Widerstände kämpfen muss, wie vormals der berühmte Prophet, der im eigenen Land nichts gilt. Und Günter Grass hat einiges an sich, was an einen Propheten erinnert.
Per Øhrgaard, Professor für deutsche Literatur an der Universität Kopenhagen, hat Grass ins Dänische übersetzt, und 2002 erschien sein „Essay über Günter Grass” unter dem Titel „Fortsetzung folgt” in Buchform. „Fortsetzung folgt”, so hieß auch die Dankesrede von Grass für den Nobelpreis, da geht das eine in das andere über, und über „Ein weites Feld” heißt es in Øhrgaards Buch lapidar, es sei von einem Teil der Kritik regelrecht niedergemacht, aber ein Erfolg bei den Lesern geworden: „Es scheint, als wäre das Buch ganz langsam dabei, ein moderner Klassiker zu werden.”
Es ist eine aparte Idee, den vielen Sekundärschriften über Grass im deutschen Sprachraum, wo man nahezu automatisch immer gleich in einem Pro- oder Contra-Lager steht, diese dänische Perspektive hinzuzufügen. Und es scheint, als wäre Per Øhrgaard der richtige Mann, um die in Deutschland gern belächelte Außensicht auf Günter Grass zu begründen. Schon bei den ersten Sätzen fällt auf, dass er sich nicht um das Drumherum kümmert, um den Literaturbetrieb und die Diskussionen in den Medien, sondern sich einfach anschaut, was Grass in seinen Texten macht. Es gibt in diesem Essay keinen wissenschaftlichen Apparat, keine Fußnoten und keine Auseinandersetzung mit anderen Lesarten, es gibt nur Zitate von Grass, die wie von selbst einen Zusammenhang herstellen.
Bei der „Danziger Trilogie” funktioniert das ganz hervorragend. Der Spielzeughändler Markus aus der „Blechtrommel” steht mit einem einzigen Satz für die gesamte verwickelte Prosa-Ästhetik von Grass, die sich in diesem Roman herausbildet: „Es war einmal ein Spielzeughändler, der hieß Markus und nahm mit sich alles Spielzeug aus dieser Welt.” Øhrgaard nimmt diesen Satz und beschreibt einfühlsam, wie sich hier das Danziger Kindheits-Universum von Grass verdichtet, die Welt im Kleinen. Der Protest des Oskar Matzerath, mit drei Jahren das Wachstum einzustellen, die selbstverständliche Konsequenz von Grass, sich schreibend mit der Geschichte auseinanderzusetzen: alles ist in diesem Satz enthalten.
Genauso arbeitet Øhrgaard mit den „Hundejahren”: der Moment, in dem Walter Matern das Taschenmesser in die Weichsel wirft, das Eddi Amsel ihm geschenkt hat, dient ihm als Ausgangspunkt für subtile Betrachtungen darüber, wie bei Grass die Zeit zum Raum wird, wie eine Sekunde stehenbleibt, damit Erinnerungen und Zeitschneisen in ihr auftauchen können. Die „szenische Erzählweise”, der „Stillstand in der Bewegung” erscheinen als Charakteristika von Grass’ Prosa. Es könnten immer zugleich Bilder sein, Grafiken, Holzschnitte. Das Sichtbare ist das Entscheidende: die Lehrerinnenfingernägel, die Vertreterschuhe, die Postverteidigerbrust. Grass braucht nicht von der „Seele” zu reden. Er lässt all das sprechen, was er sieht, und er setzt die Einzelbestandteile dieses Sehens virtuos neu zusammen.
Die Technik, mit der sich Øhrgaard den Grass-Kosmos behutsam anverwandelt, will allerdings bei den späteren Büchern nicht mehr so recht gelingen. Øhrgaard bemüht sich redlich, Romane wie „Die Rättin” oder „Ein weites Feld” ästhetisch zu würdigen, doch die Suggestivkraft scheint hier zu schwinden. Allzu selbstverständlich behandelt der Interpret die Texte von Grass als Einheit, als gleichwertige Kunstwerke, allzu gleichmäßig wendet er die Zitattechnik seiner Strukturbeschreibungen auf frühe und späte Werke an.
Die Frage nach der Wirklichkeitsdarstellung arbeitet Øhrgaard prägnant heraus und zeigt, wie Grass dazu kommt, sie am besten durch Fiktion zu beantworten. Doch schon bei „Örtlich betäubt”, dem Roman von 1969, erkennt der Interpret beiläufig, wie sich da öfter etwas Pädagogisches zwischen die Sätze schmuggelt. Und bei der „Rättin” attestiert er gar, dass es sich hier um einen „verzweifelten Roman” handle: Grass drohe darin „die Kontrolle zu verlieren.”
Grass hat sich immer darüber beklagt, wenn man ihn auf die „Blechtrommel” reduzierte, und auch Øhrgaard betont, Grass habe den Nobelpreis „ausdrücklich für sein Gesamtwerk” erhalten. Doch was sich zwischen der „Danziger Trilogie” - der letzte Band, die „Hundejahre”, erschien 1963 - und „Örtlich betäubt” 1969 ereignet hat, wird in den ästhetischen Konsequenzen nicht näher diskutiert.
In diesem Zeitraum wurde Grass zum Wahlkämpfer für die SPD, „Örtlich betäubt” wie das „Tagebuch einer Schnecke” waren erste literarische Zeugnisse seiner Politisierung. Øhrgaard beschreibt die politischen Aktivitäten von Grass zwar sympathetisch und genau, aber die Frage, ob, und wenn ja, wie sie die literarischen Texte des Autors beeinflussten, streift er allenfalls. Hier liegt eine interessante Leerstelle. Auch, dass sich einige ernstzunehmende Einwände in der Diskussion um „Ein weites Feld” weniger an Grass’ Kritik der Wiedervereinigung störten als an der Sprache des Romans, klammert Øhrgaard aus. Es wirkt wie eine unfreiwillige Pointe, dass die besten Passagen seines Buches der „Danziger Trilogie” gelten.
Als Einführung in das Werk von Günter Grass ist dieses Buch wunderbar geeignet. Øhrgaard ist ein sensibler Analytiker, und er schreibt so unkompliziert, einfallsreich und zwingend, dass man seine Studenten beneidet. Doch hätte man von ihm allzu gern eine Antwort auf die Frage erhalten, warum sich die Rezeption von Grass im übrigen Europa so stark von der in Deutschland unterscheide. Die Veröffentlichung seines Buches im deutschen Sprachraum hängt damit ja offenkundig zusammen. Vielleicht ist sie aber schon als solche die Antwort.
HELMUT BÖTTIGER
PER ØHRGAARD: Günter Grass. Ein deutscher Schriftsteller wird besichtigt. Aus dem Dänischen von Christoph Bartmann. Zsolnay Verlag, Wien 2005. 202 Seiten, 19,90 Euro.
Günter Grass vor seinem Haus an der Algarve
Foto: Dirk Reinartz/VISUM
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rundum glücklich ist Friedmar Apel mit dieser Günter-Grass-Biografie des dänischem Germanisten und Grass-Übersetzers Per Ohrgaard. Dessen souveräne Kenntnis des Schriftstellers und seines Werks sowie die gelungene Darstellung haben ihn überzeugt. Er bescheinigt Ohrgaard, Grass' Leben und Werk unberührt von allen germanistischen Moden als Einheit zu betrachten und Grass dabei als "quicklebendigen Autor" vorzustellen. Ohrgaards Einschätzung des Schriftstellers als großen Erzähler mit genauer Beobachtungsgabe und ethischen Prinzipien kann Apel nur zustimmen. Ohrgaads "gelassene Bewunderung" für Grass scheint dem Rezensenten nicht unangebracht.

© Perlentaucher Medien GmbH