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K. u. k. Monarchie, Erste Republik und Ständestaat, NS-Zeit, Zweite Republik: Heinrich Treichl hat Österreich viermal erlebt. Jetzt, mit 90 Jahren, blickt er zurück. Als einer der Protagonisten österreichischer Wirtschaftspolitik, als Verlagsleiter von Ullstein Wien und langjähriger Generaldirektor der traditionsreichen Creditanstalt stand Treichl im Mittelpunkt wichtiger Entscheidungen. Immer war er ein wortmächtiger Partner, oft ein Kontrahent der Politik, nie ihr Erfüllungsgehilfe. Elegant erzählt Treichl z.B. vom Salon der Eltern und von der Großmutter, die eine der ersten Patientinnen…mehr

Produktbeschreibung
K. u. k. Monarchie, Erste Republik und Ständestaat, NS-Zeit, Zweite Republik: Heinrich Treichl hat Österreich viermal erlebt. Jetzt, mit 90 Jahren, blickt er zurück. Als einer der Protagonisten österreichischer Wirtschaftspolitik, als Verlagsleiter von Ullstein Wien und langjähriger Generaldirektor der traditionsreichen Creditanstalt stand Treichl im Mittelpunkt wichtiger Entscheidungen. Immer war er ein wortmächtiger Partner, oft ein Kontrahent der Politik, nie ihr Erfüllungsgehilfe. Elegant erzählt Treichl z.B. vom Salon der Eltern und von der Großmutter, die eine der ersten Patientinnen Sigmund Freuds war. Treichl hat ein streitbares Buch geschrieben, das zum Widerspruch herausfordert.
Autorenporträt
Heinrich Treichl, geboren 1913 in Wien. Dr. iur. Devisenhändler in der Zentrale der Pariser Banque des Pays de l'Europe (1936), 1937 Eintritt bei der Mercur-Bank in Wien, nach 1945 Verlagsleiter von Ullstein Wien; ab 1958 bei der Creditanstalt, 1970 bis 1981 Generaldirektor; 1974 bis 1999 Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.2003

Schilling für Schilling
Ein ehemaliger Wiener Bankdirektor rechnet ab

Heinrich Treichl: Fast ein Jahrhundert. Erinnerungen. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2003. 357 Seiten, 24,90 [Euro].

Nur wenigen ist es bisher gelungen, den verborgenen Subtext der politischen Geschichte Österreichs seit 1945 so plastisch auszuleuchten wie Heinrich Treichl in seinen Erinnerungen. Sie reichen von der großbürgerlichen Kindheit im kaiserlichen Wien bis in die Gegenwart. Von 1970 bis 1981 war Treichl Generaldirektor der damals noch international renommierten und dann nach allen Regeln politischer Ranküne an die Bank Austria verscherbelten österreichischen Creditanstalt (CA). Die CA galt als "Bank der schwarzen Reichshälfte" in einer proporzbeherrschten Volkswirtschaft, die von den Parteien bis in den privaten Sektor hinein gegängelt wurde.

Aufstieg und Niedergang dieses Systems, das am Höhepunkt seiner Entwicklung als "Austro-Keynesianismus" gefeiert wurde, hatte der 1913 geborene Treichl aus nächster Nähe erlebt. Begonnen hatte es für ihn mit einem "Paradebeispiel für politische Korruption", dem Raub der Druckerei Waldheim-Eberle durch Peter Krauland, Minister für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, im Jahre 1948. Treichl, verheiratet mit einer Ullstein-Enkelin, war damals Geschäftsführer des Ullstein-Verlags, der nach dem Krieg seinen Sitz in Wien hatte, und zugleich kaufmännischer Leiter von Waldheim-Eberle. Krauland blockierte die Rückgabe der Druckerei an die Familie Ullstein, deklarierte sie als "verfallenes Vermögen" und übertrug sie einer Pachtgesellschaft, die dem (schwarzen) Arbeitnehmerbund ÖAAB und dem (roten) Gewerkschaftsbund gehörte. Es war das Ende der Hoffnung, um Ullstein einen starken und unabhängigen Zeitungsverlag aufzubauen, für Treichl zugleich ein Lehrstück über die "Herrschaft der Politik über die Wirtschaft" und den "Glauben an die Machbarkeit wirtschaftlicher Zustände durch politischen Beschluß", diese "unverzichtbaren Bestandteile des sozialistischen Gedankengutes".

Mit zahlreichen Anekdoten schildert Treichl die Auswüchse eines Systems, das in der verstaatlichten Industrie geradezu sowjetische Züge aufwies: "In den Werkhallen der VOEST spannten sich über die Blechstraßen Spruchbänder mit Texten wie ,Wir danken unserem Generaldirektor Hitzinger'." Noch Bruno Kreisky, in der sozialdemokratischen Hagiographie "Sonnenkönig" einer "liberalen Ära", hielt die Verstaatlichung der Schwerindustrie für einen "der größten Fortschritte auf dem Wege zur Vermenschlichung der modernen Industriegesellschaft" und sprach sich gegen eine Privatisierung der Banken aus, "weil das in Wirklichkeit bedeuten würde, daß wir dem fremden Kapital die österreichische Wirtschaft ausliefern".

Zu den verheerenden Folgen des gemeinwirtschaftlichen Mythos zählt Treichl nicht nur, daß Milliarden an öffentlichen Subventionen versickerten und der Personalstand der angeblich der Vollbeschäftigung dienenden Verstaatlichten "von rund 135 000 auf weniger als 40 000 schrumpfte", sondern auch, daß Exporte in den am Rande der Zahlungsunfähigkeit vegetierenden Ostblock über Kredite mit Staatshaftung finanziert werden mußten, daß der parteipolitische Einfluß zu einer negativen Selektion im Management beitrug, der Aktienmarkt zu einer "Spielwiese der verstaatlichten Großbanken" verkam und sich "Politiker, Regierungschef und Minister berechtigt fühlten, direkt in die Führung von börsennotierten Aktiengesellschaften einzugreifen" - "eine totale Aushöhlung des Aktienrechtes". Bis heute verhindere das "verstaubte Staatsmonopol der Pensionsvorsorge" die Herausbildung von "Pensionsfonds, die in allen funktionierenden Kapitalmärkten eine Schlüsselrolle spielen". Das Buch endet mit einem den Umständen entsprechenden vorsichtigen Optimismus. "Die Zukunft Österreichs? Man kann sie mit einiger Zuversicht sehen. Gott befohlen. Doch."

KARL-PETER SCHWARZ

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wie eine Reise durch die wirtschaftspolitischen Abgründe Österreichs liest sich die Rezension von Karl-Peter Schwarz: politische Korruption, Staatssozialismus, "liberale Sonnenkönige", "Aushöhlungen des Aktienrechts" und Missmanagement in großem Stil. Die Erinnerungen des ehemaligen Geschäftsführer des Ullstein - Verlags und Wiener Bankdirektors Heinrich Treichl reichen von "der großbürgerlichen Kindheit im kaiserlichen Wien bis in die Gegenwart" in Österreich, informiert uns der Rezensent. Ein Insider also, dem es - so Schwarz - gelungen sei, "den verborgenen Subtext" der politischen Geschichte Österreichs seit 1945 "so plastisch auszuleuchten", wie es bisher "nur wenige" geschafft haben. Der faszinierte Rezensent konzentriert sich auf den Einblick Treichls in das Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Politik, den Treichl bei der Abwicklung des Ullstein-Verlages gewonnen hat: "ein Paradebeispiel für politische Korruption". Durch die Lektüre erfahre man also eine Menge über "die Herrschaft der Politik über die Wirtschaft", schließt Schwarz.

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