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Eine Mutter, ein Vater, zwei Söhne: Mit diesem Roman, dem Drama um den Verlust von Kindheit und Geborgenheit, ist William Maxwell 1937 der Durchbruch gelungen. Generationen von Schriftstellern, von Michael Ondaatje über Richard Ford bis John Updike, gehören zu den Verehrern von Maxwells kristallklarer Prosa, deren großes Thema die Zerstörung von Liebe, Beziehungen und Glück ist. "Maxwells Stimme gehört zu den klügsten und scharfsinnigsten der amerikanischen Literatur." (John Updike)

Produktbeschreibung
Eine Mutter, ein Vater, zwei Söhne: Mit diesem Roman, dem Drama um den Verlust von Kindheit und Geborgenheit, ist William Maxwell 1937 der Durchbruch gelungen. Generationen von Schriftstellern, von Michael Ondaatje über Richard Ford bis John Updike, gehören zu den Verehrern von Maxwells kristallklarer Prosa, deren großes Thema die Zerstörung von Liebe, Beziehungen und Glück ist.
"Maxwells Stimme gehört zu den klügsten und scharfsinnigsten der amerikanischen Literatur." (John Updike)
Autorenporträt
William Maxwell, 1908 in Lincoln/Illinois geboren, wuchs in Chicago auf und studierte an den Universitäten von Illinois und Harvard. Er veröffentlichte Romane und Erzählungen, war von 1969 bis 1972 Präsident des International Institute of Arts and Letters und gehörte jahrelang zur Redaktion der Zeitschrift The New Yorker. Maxwell lebt in New York. Zuletzt bei Zsolnay erschienen: Mit der Zeit wird es dunkler (1996), Also dann bis morgen (1998), Sie kamen wie die Schwalben (2001).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.2001

Nur der Traum heilt alle Wunden
Ein Meisterstück der Erzählkunst: William Maxwells früher Roman · Von Gerhard Schulz

Die erste Überraschung dieses Buches ist die Entdeckung, daß es existiert. In den großen literarischen Lexika und Literaturgeschichten selbst seines eigenen Landes wird der Amerikaner William Maxwell entweder gar nicht oder nur mit einer kurzen Notiz bedacht. Seine Anfänge in den dreißiger Jahren erscheinen tatsächlich schmal und bescheiden gegenüber jener Galaxie nordamerikanischer Literatur, die damals zu strahlen begann. Ihren internationalen Ruhm hat er nie geteilt - angesichts von Dos Passos' sprachlichem Großstadtdschungel, Faulkners Südstaatentragödien zwischen den Rassen, Henry Millers Orgien der Wendekreise oder Hemingways Europa-Romantik waren Stoff und Ton seiner frühen Bücher nicht dazu angetan, mitzuleuchten. Die alltäglichen Konflikte kleiner Leute irgendwo im mittleren Westen, meist aus der Kindheitsperspektive betrachtet, täuschten Beschränktheit vor, wo in Wirklichkeit an die Fundamente aller Existenz gerührt wurde.

Still und privat in seiner Traurigkeit erscheint insbesondere dieser nach einem Vers von Yeats benannte Roman "Sie kamen wie die Schwalben" von 1937, der jetzt endlich auf deutsch vorliegt. Maxwell, der im vergangenen Jahr zweiundneunzigjährig starb, hat ihn im Alter noch einmal überarbeitet; es war ein Buch aus der Mitte seines Herzens, die Geschichte eines Kindheitstraumas, von dem er sich sein Leben lang nicht befreien konnte und wohl auch nicht wollte. Überall in seinem Werk stößt man auf Spuren davon. Was er da mit 24 Jahren niedergeschrieben habe, werde bis in den Tod hinein nicht aufhören, ihn zu erschüttern, bekannte er 1959. Damals "ging ich die meiste Zeit auf und ab und bildete im Kopf Sätze und wischte dann mit der Hand meine Tränen weg, damit ich die Tasten der Schreibmaschine sehen konnte", heißt es nun im Vorwort der revidierten Ausgabe des Romans.So viel Mangel an Distanz des Autors gilt zwar gemeinhin nicht als günstigste Vorbedingung für ein Kunstwerk; hier jedoch gelingt ein geradezu magisch schönes Buch.

Maxwell hat selbst auf Anregungen für den verhaltenen Ton seines Erzählens verwiesen. Durch Proust-Lektüre und besonders durch Virginia Woolfs Roman "Fahrt zum Leuchtturm" von 1927, also durch die Geschichte von Familie Ramsays versuchtem Ausflug an die See und von Mrs. Ramsays Tod, sei er vor allem inspiriert worden. Hinweise auf "Intertextualität" dieser Art mögen das Verständnis fördern, vorausgesetzt daß man dem fertigen Gebilde die Quellen und Absichten nicht mehr anmerkt. Maxwells Bekenntnis dieser literarischen Ahnenschaft macht deutlich, daß sein Buch geschärfter Augen und eines geschärften Gehörs bedarf. "Bunny wurde nicht sofort ganz wach. Ein Geräusch (was es war, wußte er nicht) traf auf der Oberfläche seines Schlafs auf und sank wie ein Stein hinein. Sein Traum machte sich davon und ließ ihn wach und gestrandet in seinem Bett zurück." Ein Buch, das mit diesen Sätzen beginnt, saugt sich fest, wenn man nur zuzuhören bereit ist.

Bunny, also der achtjährige Peter Morison, ist zweifellos die Identifikationsfigur des Autors. Aus der Perspektive des Knaben wird zunächst erzählt, und zu ihr kehrt Maxwell immer wieder zurück. Ein Kind erfährt die Härte und Unbarmherzigkeit allen Lebens und erfährt sie - widersprüchlichster aller Widersprüche - früh schon in der Liebe zur Mutter, wenn die natürliche Unbedingtheit und Unteilbarkeit des Liebens als bedingt und teilbar erfahren wird. Denn Anspruch auf diese Liebe hat schließlich auch der ältere, kräftigere und sportlichere Bruder, der durch einen Unfall ein Bein verloren hat, und mehr noch erhebt ihn, wenngleich auf unverstandene Weise, der Vater, der sich um die mit einem dritten Kind Schwangere sorgt. So wird Elizabeth, die Mutter, zur eigentlichen Hauptgestalt des Buches, Lebenszentrum für alle anderen, die sie sanft zu lenken weiß, und eine sehr weltlich-praktische Heilige. Zum Heiligen aber gehört, daß es aller Vergänglichkeit entrückt sein muß.

Im November 1918 bricht eine Grippeepidemie in den Vereinigten Staaten aus. Haben wohl gar deutsche Unterseeboote die gefährlichen Keime an Land gebracht, wie man munkelt? Bunny wird krank, später Robert. Dringend rät der Arzt, die Mutter von den Kindern fernzuhalten, denn Komplikationen bei der Entbindung sind ohnehin zu erwarten, also möglichst nicht auch noch die einer Infektion. Daß dennoch gerade sie im Wochenbett der Epidemie erliegen wird, ist dem Buch von Anfang an eingeschrieben.

Was Maxwells Roman seine Tiefendimension gibt, ist die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Zufall und Schicksal. Wenn es überhaupt nötig gewesen war, die Mutter zur Entbindung in das ferne Decatur zu bringen, warum dann mit dem überfüllten Schnellzug, während auf dem Gleis gegenüber der Regionalzug mit einem fast leeren Salonwagen bereitstand, in dem sie sicher von einer Infektion verschont geblieben wäre? Sein Leben lang wird James Morison auf diesem Bahnsteig stehen und sich mit seiner Frau in diesen "falschen" Zug einsteigen sehen. Oder war es vielleicht überhaupt ein Fehler gewesen, Kinder zu bekommen, statt die Liebe seiner Frau allein für sich zu behalten? Es sind diese hilflosen Fragen, die die größere Frage aufwerfen nach den Grenzen alles Urteilens und Entscheidens, nach den Wirkungen kleiner Zufälle, die sich zum Schicksal auswachsen.

Das jedoch ist zugleich der Boden, aus dem die Träume hervorwachsen. Vielleicht würde der Vater eines Tages von einem Spezialisten in der Zeitung lesen, der Knochen wieder nachwachsen läßt, hofft Robert; und einen Traum lang wachsen sie ihm tatsächlich wieder nach. Unversehens wenden sich freilich die Träume zu Albträumen, die den Sinn aller Existenz bezweifeln. "Denn sie war jetzt fortgegangen", überlegt James Morison, "und wenn er damit fertig wäre, würde keine Spur mehr von ihr bleiben, nirgendwo."

Dieser kleine Roman ist kein meditatives Buch. Ein dichtes Netz von Wirklichkeiten im Leben einer ganzen Familie ist hineingewoben: Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten, jede und jeder mit ihren Gefühlen, Hoffnungen, Eitelkeiten, Zweifeln und Ängsten. Und jenseits dieses Ortes Logan irgendwo im Staate Illinois erscheint, gelegentlich aufblitzend, die Welt im großen, Krieg und endlicher Frieden.

Maxwell hält die Balance zwischen konkret und genau gezeichneter Realität und der Erzählperspektive aus dem Inneren seiner Hauptgestalten bis in den letzten Satz durch. Wie tief ihn die seinem Buch zugrundeliegenden Vorgänge ergriffen haben mögen - diese Balance erst macht es zu einem Meisterstück amerikanischer Erzählkunst. Daß es wieder entdeckt wurde, ist zu begrüßen, daß es lebendiger wirkt als manches einst zu seiner Zeit Gerühmte, bildet wohl eine letzte Überraschung.

William Maxwell: "Sie kamen wie die Schwalben". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dora Winkler. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2001. 200 S., geb., 35,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Gerhard Schulz schreibt sehr bewegt über dieses Buch, dem er eine magische Schönheit bescheinigt, und das er schließlich als "Meisterwerk amerikanischer Erzählkunst" bezeichnet. Sein Autor gehöre, schreibt Schulz, zur Generation von Dos Passos oder Faulkner, habe ihren internationalen Ruhm jedoch nie geteilt. Möglicherweise auch, mutmaßt der Rezensent, weil die in Maxwells Büchern beschriebenen "alltäglichen Konflikte kleiner Leute" Beschränktheit vortäuschten, "wo in Wirklichkeit an die Fundamente aller Existenz" gerührt werde. Auch dieses Buch, meint Schulz, verdankt seine Tiefendimension der Frage "nach dem Zusammenhang zwischen Zufall und Schicksal". In diesen "kleinen Roman" über "ein Kindheitstrauma" sei ein "dichtes Netz von Wirklichkeiten im Leben einer ganzen Familie" hineingewoben und Maxwell halte die Balance zwischen "konkret und genau gezeichneter Realität" und der "Erzählperspektive aus dem Innern seiner Hauptgestalten" bis zum Ende durch. Deshalb wirke es heute lebendiger, "als manches einst zu seiner Zeit Gerühmte".

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"Das Fehlen der Mütter, das Versagen der Väter - in Maxwells Werken werden wir uns noch lange wiedererkennen." Richard Kämmerlings, NZZ

"Maxwell beschreibt die Menschen präzise, einfühlsam und nachsichtig bis zur Zärtlichkeit ... und geführt von dem Wissen, dass die menschlichen Abgründe niemals vollständig auszuloten sind - das macht William Maxwell zu einem großen Autor." Hubert Spiegel, FAZ

"Selten sind Beziehungen zwischen Eltern und Kindern mit solcher Zärtlichkeit beschrieben worden. Ein Zärtlichkeit, die ohne Sentimentalität auskommt, weil sie ihre Wirkung alleine aus der präzisen Beobachtung speist. (...) Schon in diesem frühen Buch, dessen scharfsinnige Psychologie den Roman bis heute gegen jegliche historische Patina resistent macht, demonstriert Maxwell die großartige Virtuosität, mit der er auf der Klaviatur der Zeit zu spielen vermochte."
Thomas Linden, Berliner Morgenpost, 21.03.01"Sie kamen wie die Schwalben ist eine der raren Geschichten, in denen Kindheit in der Einfachheit und Eindrücklichkeit ihrer Selbstreflexion dargestellt wird." The Saturday Review