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In seinem beeindruckenden historischen Panorama führt Márton den Leser in das an der Neiße gelegene Städtchen Guben, das sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu einem Handelszentrum innerhalb der Hanse entwickelt hat. Er erzählt die unheilvolle Geschichte des rechtschaffenen Jacob Wunschwitz, der unversehens zum Spielball weltlicher und geistiger Mächte wird. Virtuos spielt der Autor mit Personen, Zeitebenen und Namen, er spinnt ein Netz aus mysteriösen Vermutungen, falschen Fährten und borgesianischer Fiktion. Eine historische Parabel über Macht und Ohnmacht in Zeiten der Willkür.

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Produktbeschreibung
In seinem beeindruckenden historischen Panorama führt Márton den Leser in das an der Neiße gelegene Städtchen Guben, das sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu einem Handelszentrum innerhalb der Hanse entwickelt hat. Er erzählt die unheilvolle Geschichte des rechtschaffenen Jacob Wunschwitz, der unversehens zum Spielball weltlicher und geistiger Mächte wird. Virtuos spielt der Autor mit Personen, Zeitebenen und Namen, er spinnt ein Netz aus mysteriösen Vermutungen, falschen Fährten und borgesianischer Fiktion. Eine historische Parabel über Macht und Ohnmacht in Zeiten der Willkür.
Autorenporträt
Márton, László
László Márton, 1959 in Budapest geboren, studierte Literaturwissenschaft und Soziologie. Er übersetzte unter anderen Heinrich von Kleist, Goethe und Grillparzer ins Ungarische. Seit 1984 erscheinen Romane, Dramen und Essays; 1998/99 erhielt er ein DAAD-Stipendium in Berlin. Die wahre Geschichte des Jakob Wunschwitz ist 1999 bei Zsolnay erschienen. 2003 folgte der Roman Die schattige Hauptstraße.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.1999

In den Weinbergen Brandenburgs
László Márton in den Fallstricken des historischen Romans

Wie kommt ein ungarischer Autor dazu, seinen historischen Roman über das frühe siebzehnte Jahrhundert im hintersten Winkel von Brandenburg spielen zu lassen? Offenbar hat die Liebe zur deutschen Literatur den Kompass geführt. Der 1959 geborene László Márton, den der Verlag hierzulande als ungarischen Erzähler vom Format eines Kertész oder Nádas vorstellt, hat Literaturwissenschaft studiert und Kleist, Goethe und Grillparzer übersetzt. Der Roman "Die wahre Geschichte des Jacob Wunschwitz" demonstriert vor allem eine versuchte Nähe zu Kleist. Er ist eine Variation auf den "Michael Kohlhaas". Der Tuchfärber Wunschwitz ist ein verständiger, nüchterner Mann mit einem gewissen Sinn für Gerechtigkeit.

Anders als bei Kleist muss man lange warten, bis die groß angekündigte Hauptfigur erstmals auftritt. Zunächst kommt der Schauplatz zu seinem Recht, Guben an der Neiße. In einem sechzigseitigen Vorlauf ist vieles über den historischen Handel und Wandel im Städtchen zu erfahren - László Márton hat sich mit diesem minuziösen Porträt wahrscheinlich für immer in die Gubener Heimatgeschichte eingeschrieben. Schon lange vor der Geburt Wilhelm Piecks ist hier also allerhand passiert. Politische Querelen und Religionsstreitigkeiten, aber auch ökonomische Phänomene wie Waldnutzungsrechte, Eichelmast, Weinausschanksprivilegien oder die Erweiterung der Biermeile werden angesprochen. Der Leser hält derweil gutwillig Ausschau, ob sich irgendwo in diesem Panorama ein tragender Konflikt abzeichnet.

Das Ereignis, das Wunschwitz' Gerechtigkeitssinn und die Handlung in Gang setzen soll, ist ebenfalls mit Liebe zum historischen Detail gewählt: Den Gubener Winzern wird im Herbst 1603 verwehrt, ihre Fässer wie gewohnt in der Markthalle zwischenzulagern. Der Gubener Weinhandel ist in Gefahr! Mag sein, dass dies nicht gerade eine spektakuläre Eröffnung für einen historischen Roman ist. Aber beginnt nicht auch der "Michael Kohlhaas" mit einer Marginalie aus dem Wirtschaftsleben? Ein Rosshändler kriegt seine Pferde nicht über die Grenze. Man sieht dem Schneeball die Lawine noch nicht an. Eine gewisse Hanglage ist allerdings erforderlich. Im "Kohlhaas" ist es eine psychodynamische Hanglage: beleidigende Grobheit und tief kränkende Willkür einerseits, ausartendes Selbstbewusstsein, das sich auf keinen Fall in die Schranken weisen lassen will, andererseits. So wächst der rechtschaffene Mann zur hybriden Größe des Selbsthelfers.

Mártons Roman bietet zwar viele Kohlhaas-Parallelen, Kohlhaas-Anspielungen und Dergestalt-dass-Wendungen. Wie bei Kleist ist das einzelne Unrecht Ausdruck eines umfassenden Willkürsystems, die Verstimmung der Winzer droht zum allgemeinen Aufruhr der längst schon mit ihrer Obrigkeit unzufriedenen Bürger zu werden. In zentralen Punkten weicht Márton jedoch vom Vorbild ab. Die Psychologie der Kränkung spielt kaum eine Rolle. Wunschwitz wird eher zufällig zum Sprecher der aufgebrachten Gubener, und auch in dieser Rolle bleibt er eine wenig markante Figur. Von Kleist'scher Dynamik keine Spur. Kohlhaas hat bösartige Gegner, bei Márton dagegen bleibt das Räderwerk der Willkür, in dem sich Wunschwitz verfängt, abstrakt: "weltliche und geistliche Mächte", ein Chaos der Geschichte, wo die Handlung eines Einzelnen kaum ins Gewicht fällt. Dass sich kaum eine der vielen Figuren des Buches dem Gedächtnis einprägen will, ist dieser Abstraktion geschuldet, mit der Márton der Moderne Tribut entrichtet.

Helden und Taten, sensationelle Ereignisse und maximale Gefühle: Diese Ingredienzen sorgen seit je für die Beliebtheit historischer Romane. Die literarische Moderne hat genau hier ihre Verbotsschilder aufgestellt. Eines ihrer Hauptargumente war die Komplexität des Lebens, der sich mit handlungskräftigen Subjekten und traditionellen Erzählweisen nicht mehr beikommen ließ. Nicht Taten, sondern Bewusstseinsabläufe, nicht Fabel und kontinuierliche Erzählfolge, sondern durcheinander geschichtete Bruchstücke und Splitter: Das waren die Losungen, unter denen das Lesen anstrengender wurde. László Márton begründet dem angestrengten Leser an verschiedenen Stellen, warum sein Buch so schwerfällig geraten musste. Es sind die bekannten Töne der Komplexitätspoetik: "Die wahre Geschichte eines Menschen ist in Wirklichkeit die wahre Geschichte einer unzählbaren Menge von Menschen und Dingen; daran können keinerlei Konstruktion, Auswahl und Anordnung etwas ändern." Die Geschichten "verzweigen sich und münden in weitere Geschichten". Um die Komplexität nicht fahrlässig durch Auswahl und Konstruktion zu reduzieren, verzichtet das Buch deshalb auf jede Kapiteleinteilung und kommt im ungeordneten zeitlichen Geschlinger vom Hundertsten ins Tausendste. Die Erzählung erstickt in den sich verzweigenden Einzelheiten. Dazu passt, dass die Welt mit Vorliebe durch die skurril verzerrende Perspektive von Verordnungen, Verlautbarungen und Stadtratsbeschlüssen gesehen wird.

Bevorzugtes Stilmittel ist konsequenterweise der barock verschlungene Schachtelsatz. Hut ab vor der Leistung des Übersetzers! Während Kleist mit seinen vielfach erweiterten Sätzen Gedrängtheit und Tempo erzeugt, entsteht bei Márton der Eindruck einer Umständlichkeit um der Umständlichkeit willen. Mit einer Beredsamkeit, die kein Pardon kennt, führt "Die wahre Geschichte des Jacob Wunschwitz" vor, dass die wahre Geschichte nichts als ein entnervender Wirrwarr ist. Ein historischer Roman, gegen alle historischen Romane geschrieben, eine wahre Geduldsprobe.

WOLFGANG SCHNEIDER.

László Márton: "Die wahre Geschichte des Jacob Wunschwitz". Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt von Hans-Henning Paetzke. Zsolnay Verlag, Wien 1999. 368 S., geb., 45,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Hans-Jürgen Schmitt möchte nichts wirklich Schlechtes über Lászlo Mártons Roman sagen. Dafür schätzt er den literarischen Kosmopolitismus des ungarischen Kleist-Übersetzers Márton zu sehr, der sich in Stil und Inhalt seines Romans stark an die Kohlhaas-Novelle anlehnt. Wobei Márton seine Geschichte über die Rechtlosigkeit des Einzelnen gegenüber der Willkür in der deutschen Kleinstadt Guben spielen lässt. So misst Schmitt den Roman an Mártons eigenem Maßstab - an Kleist. Während bei diesem Dramatik in der Verbindung von Historie und individuellen Figuren entstehe, liefere Márton ein "allzu breit angelegtes Sittengemälde`` mit einer ganzen Anzahl von barocken Volten. So wird der Protagonist Wunschwitz, wie Schmitt verhalten stöhnt, erst nach 62 Seiten eingeführt, auf denen der Leser erst einmal alles über Geschichte, Zölle, Steuern und Stadtrecht zu Beginn des 17. Jahrhunderts erfahren muss.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Der einfallsreichste Roman des Jahres. (...) Die Erzählung ist von einer ungezügelten Fantasie, die es in die Geschichte verschlagen hat. An ihr hat László Márton sich dick und satt gefressen wie einst Alfred Döblin. Zwei Jahre Archivstudium sind das Mindeste für solch einen Roman, dem freilich nicht auch nur die leiseste Spur von Mühe anzusehen ist. (...) In László Mártons Roman weht nicht der Atem der Geschichte, hier tost der Wirbelsturm einer überragenden Einbildungskraft."
Hans-Harald Müller, Die Welt, 13.10.1999

"Das Geschehen ist stilsicher in barocke, opulente Schachtelsätze gekleidet - der Autor beherrscht zweifellos die Kunst der schönen Rede, die auch in der Übersetzung beeindruckend durchgehalten wird."
Dorothea Trottenberg, Neue Zürcher Zeitung, 06.04.2000

"So spannend und vielschichtig, durchzogen auch von Abschweifungen, Neben- und Parallelgeschichten sich der Hauptstrang des Romans präsentiert, so klug überlegt und seine eigene Geschichte kommentierend greift László Márton als Souverän der Erzählung ein."
Ernest Wichner, Süddeutsche Zeitung