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"Johnny Kellock verschwand am 1. August 1959. Zumindest war das der Tag nach dem Tag, an dem ihn noch jemand gesehen hatte. (...) Puff. Zack. Weg. Keiner wusste genau, was Johnny zu diesem Schritt bewegt hatte. Es war, als würde man an einem Wollfaden ziehen, immer weiter und weiter, bis der ganze Pullover aufgetrennt ist und man ein wirres Knäuel vor den Füßen liegen hat, und dann kommt jemand auf die glorreiche Idee und sagt, man soll das Ende finden, mit dem man begonnen hat. Aber wie Mama ganz richtig sagt, jeder sollte bei seiner Geschichte bleiben. Meine beginnt, als Johnny schon…mehr

Produktbeschreibung
"Johnny Kellock verschwand am 1. August 1959. Zumindest war das der Tag nach dem Tag, an dem ihn noch jemand gesehen hatte. (...) Puff. Zack. Weg.
Keiner wusste genau, was Johnny zu diesem Schritt bewegt hatte. Es war, als würde man an einem Wollfaden ziehen, immer weiter und weiter, bis der ganze Pullover aufgetrennt ist und man ein wirres Knäuel vor den Füßen liegen hat, und dann kommt jemand auf die glorreiche Idee und sagt, man soll das Ende finden, mit dem man begonnen hat.
Aber wie Mama ganz richtig sagt, jeder sollte bei seiner Geschichte bleiben. Meine beginnt, als Johnny schon verschwunden war."

Es ist ein heißer Sommer in Halifax im Jahr 1959 und die 12-jährige Rosalie hat ein Geheimnis, das ihr auf der Seele liegt: Es ist allein ihre Schuld, dass ihre Mutter gestürzt ist und sich den Knöchel gebrochen hat. Um auszuhelfen heuert Rosalies Vater den Nachbarsjungen David an, den Totengräber, wie er von den anderen Kindern immer nur genannt wird.
Aber dann verschwindet Rosalies 17-jähriger Cousin Johnny, und der Sturz der Mutter ist auf einmal nicht mehr so wichtig. Gemeinsam mit David, mit dem sie sich langsam anfreundet, versucht Rosalie das Verschwinden von Johnny aufzuklären. Und erfährt dabei, welche Geheimnisse und wie viel Liebe ihre Familie zusammenhalten
Autorenporträt
Hadley Dyer wuchs in Neuschottland, Kanada, auf und lebt heute in Toronto. Sie arbeitete als Rezensentin, Lektorin und Bibliothekarin, bevor sie selbst anfing zu schreiben. "Der Tag als Johnny Kellock starb " ist ihr erstes Kinderbuch, das in Kanada bereits viele begeisterte Besprechungen bekommen hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008

Wo Mama begraben liegt
Eine Kindheit in Kanada / Von Britta Lange

Der Sommer 1959 ist drückend heiß, die elfjährige Rosalie, jüngstes von sechs Geschwistern, sehnt das Ende der Ferien herbei. Sie langweilt sich "so sehr, dass ich anfing zu zählen, wie viel Schritte es von Millners bis zurück zu unserem Haus waren. Wenn ich mit dem Schrittezählen fertig war, fing ich wahrscheinlich an, die Härchen auf meinen Armen zu zählen. Und danach die Sekunden in den zwei Wochen und einundzwanzig Stunden, bevor ich offiziell zwölf wurde."

Nichts scheint die Trägheit in der kanadischen Ostküstenstadt Halifax verdrängen zu können, bis sich Rosalies Mutter auf der Treppe ein Bein bricht und die Familie auf eine zusätzliche Hilfe angewiesen ist. Ausgerechnet den von Rosalie und ihren Freundinnen ebenso gefürchteten wie verspotteten Nachbarjungen David Flynn heuert ihr Vater für die Gartenpflege an. Eigentlich möchte Rosalie ihn so schnell wie möglich wieder loswerden, um am Ende der Ferien Spott in der Schule zu vermeiden, aber wie vieles in diesem Sommer entwickelt sich auch dieses Vorhaben anders als geplant.

Amüsiert folgt der Leser Rosalies detailreicher Erzählung, während er geduldig und gespannt darauf wartet, was Rosalies Geschichte mit dem im Prolog angekündigten Verschwinden ihres Cousins Johnny zu tun haben mag. Bis dahin aber erzählt Rosalie ihre eigene Geschichte. Mit Leichtigkeit zwischen Familienanekdoten und lebendigen Beschreibungen ihres Alltags hin- und herschweifend, vermittelt sie dem Leser ein überaus lebendiges Bild ihrer Heimatstadt, erzählt von Kirchgängen und aufdringlichen Nachbarn und beschwört dabei überzeugend die Atmosphäre eines Sommernachmittags herauf.

Dann wird es ernst. Die Suche nach Johnny beginnt mit einer Bemerkung David Flynns. Obwohl Rosalie die als Lüge abtut, lässt ihr die Sache keine Ruhe. Warum ist Johnny in diesem Sommer nicht nach Halifax gekommen? Und scheinen nicht auch ihre Eltern und ihre Schwester Martha etwas vor ihr zu verbergen? Rosalie beginnt eigene Nachforschungen anzustellen, wobei sie jedoch auf die Hilfe von David Flynn angewiesen ist. Und während Rosalie dem Geheimnis um Johnny immer näher kommt, muss sie nicht nur ihr Urteil über David ändern, von dem gemunkelt wird, er habe als Totengräber die eigene Mutter buchstäblich unter die Erde gebracht. Sie sieht auch ihre Familie in einem ganz anderen Licht.

Mit ihrem ersten Jugendbuch ist der kanadischen Autorin Hadley Dyer ein erstaunlicher Text über das Erwachsenwerden gelungen, der davon erzählt, was geschieht, wenn man den, wie es hier heißt, "rosa Zuckerguss abkratzt", mit dem Erwachsene den Jüngeren gegenüber gern alles überziehen. Es ist die unaufgeregte Erzählstimme, die sich keinem Jugendslang anbiedert - zuweilen selbstironisch, zuweilen altklug, jedoch immer die Perspektive einer Zwölfjährigen durchhaltend, die das Buch aus der Masse der Coming-of-Age-Bücher heraushebt. Ganz abgesehen von den wunderbar ausgeführten Charakteren, deren Umgang miteinander zart und glaubwürdig geschildert wird. Da ist vor allem die Mutter Rosalies, "die wohl älteste Mutter der Welt", die sich durch ihre Strenge sowie das Tragen von Hauskleidern und Schürzen deutlich von anderen unterscheidet. Ihre ein wenig konservativ anmutende Art sowie ihre starren Ansichten und Prinzipien haben jedoch - wie Rosalie am Ende erkennt - durchaus positive Qualitäten. Vor allem sind sie eben eine weitere Facette dieser diffenrenziert gezeichneten Figur: "Vermutlich weiß keiner, dass meine Mama mehr Seiten hat als ein Gesangbuch. Jede Seite ist so dünn, dass man durchschauen könnte, ohne zu sehen, was darauf geschrieben steht. Aber die Wörter sind da. Reihe um Reihe, auch wenn sie alt sind und schwer zu verstehen."

Am Ende der Ferien raucht Rosalie ihre erste und einzige Zigarette, sie weiß, was mit ihrem Cousin geschah, der rosa Zuckerguss ist dünner geworden. Vielleicht ist dieser Sommer, der so langweilig begann, aus der Rückschau betrachtet, der Sommer ihres Lebens.

Hadley Dyer: "Der Tag, als Johnny Kellock starb". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Brigitte Jakobeit. Carlsen Verlag, Hamburg 2008. 168 S., geb.,12,90 [Euro]. Ab 11 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Buch übers Erwachsenwerden. Schauplatz: die Stadt Halifax an der kanadischen Ostküste. Das Jahr: 1959. Die Heldin: Rosalie, elf Jahre alt. Das Problem: Ereignislosigkeit, wie üblich. Sehr überzeugend erzählt, so die Rezensentin Britta Lange, Rosalie aus ihrem bis dahin wenig aufregenden Leben. Dann aber macht der vom Vater als Gärtner engagierte, von Rosalie eigentlich wenig geschätzte Nachbarsjunge David Flynn eine Bemerkung über ihren Cousin Johnny. Der nämlich ist, anders als sonst, ausgeblieben und Rosalie versucht, dem Geheimnis, das sich dahinter womöglich verbirgt, auf die Spur zu kommen. Was der Rezensentin an diesem vom Plot gar nicht so ungewöhnlichen Buch ganz ausgesprochen gut gefällt, sind die "unaufgeregte Erzählstimme" und die Subtilität der Charakterbeschreibung. Alles erscheint "differenziert" und "glaubwürdig" und deshalb offenkundig sehr lesenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die Bilder, die der Text vor unseren Augen entstehen lässt, sind mit allen Sinnen spürbar.", DIE ZEIT 20151104