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Hätte er nicht zufällig am Strand nach Kronkorken gesucht, wäre ihm das seltsam aussehende Ding überhaupt nicht aufgefallen. Hat sich vermutlich verlaufen, sagt er und beginnt, Nachforschungen anzustellen. Er will herausfinden, wem es gehört bzw. wo es hingehört. Doch niemand scheint sich für das Problem zu interessieren. Keiner, weder Fremde, Freunde noch Eltern können ihm weiterhelfen. Die meisten nehmen es nicht einmal wahr! Aber ihm tut das Ding leid. Irgendwohin muss es doch gehören! Er geht der Sache nach ...

Produktbeschreibung
Hätte er nicht zufällig am Strand nach Kronkorken gesucht, wäre ihm das seltsam aussehende Ding überhaupt nicht aufgefallen. Hat sich vermutlich verlaufen, sagt er und beginnt, Nachforschungen anzustellen. Er will herausfinden, wem es gehört bzw. wo es hingehört. Doch niemand scheint sich für das Problem zu interessieren. Keiner, weder Fremde, Freunde noch Eltern können ihm weiterhelfen. Die meisten nehmen es nicht einmal wahr! Aber ihm tut das Ding leid. Irgendwohin muss es doch gehören! Er geht der Sache nach ...
Autorenporträt
Shaun Tan, geboren 1974 in Fremantle, Perth, ist ein australischer Schriftsteller und Illustrator. Er ist ein Meister der Graphic Novels. Tan ist in seiner Heimat bereits hoch gerühmt und vielfach ausgezeichnet worden. 2011 erhielt er den "Astrid-Lindgren-Preis für Kinder- und Jugendliteratur", der mit fünf Millionen Kronen (etwa 557 000 Euro) die höchstdotierte Auszeichnung für Kinder- und Jugendliteratur ist und 2014 den evangelischen Illustrationspreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2009

Was macht das Ding da in unserer Stadt?

Der Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises in der Sparte Bilderbuch heißt in diesem Jahr Shaun Tan. Und schon ist ein neues Werk des australischen Künstlers übersetzt: "Die Fundsache".

Von Andreas Platthaus

Eigentlich", so erinnert sich Shaun Tan, "hätte die Fundsache ein Hund sein sollen." Die Fundsache wurde aber kein Hund, und das ist gut, denn verlorene Hunde kennt man aus Film, Funk und Fernsehen (und Jugendliteratur natürlich auch) zur Genüge. Also wurde die Fundsache ein - ja, was wurde sie? Vielleicht eine überdimensionierte Kanne oder ein Hochofen zur Beheizung von Flugzeughallen in Grönland? Jedenfalls ist die Fundsache groß und rund und rot, hat sechs höchst bewegliche Stummelbeine und zwei mächtige Scherenarme, pfeift munter aus dem rechten Tentakel und wedelt dazu mit dem linken herum, hat viele Türen und Schubladen im gewaltigen Leib und einen flachen genoppten Deckel oben drauf. Was sie aber ist, das weiß man nicht. Nur eines: Sie ist verloren. Im Original heißt sie auch nicht Fundsache, sondern nur "the lost thing".

Wie steht es um dieses arme Ding? "Viel machte es nicht. Es stand bloß da, wie fehl am Platz. Ich war baff." So schildert der junge Mann mit der kleinen Brille seine erste Begegnung mit dem armen Ding, das er zufällig am Strand seiner Heimatstadt findet. Ein Sonderling erkennt dabei den anderen, denn der junge Mann ist fanatischer Kronkorkensammler, der auf seiner Suche nach neuen Exemplaren das große Nachschlagewerk "Welcher Kronkorken ist das?" mit sich herumschleppt. Shaun Tan, der fünfunddreißigjährige australische Bilderbuchzeichner, hat seinen Erzähler äußerlich ein bisschen als Abbild seiner selbst gestaltet (innerlich wohl auch). Das macht er gerne, wie er dieser Zeitung erzählt hat, weil Tan es für Kunst wichtig findet, lebende Vorbilder zu haben.

Deshalb ist er auch sein eigenes Modell gewesen für die Hauptfigur in "Ein neues Land", jenes wortlose Bilderbuch, das ihn vor zwei Jahren weltweit berühmt gemacht hat, mit dem er dann 2008 in Angoulême den wichtigsten europäischen Comicpreis gewonnen hat und schließlich in diesem Jahr für den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Bilderbuch nominiert war. Den Shaun Tan dann auch gewonnen hat. Allerdings mit einem anderen Buch, mit "Nachrichten aus den Vorstädten des Universums", einer eher klassischen Kurzgeschichtensammlung von bisweilen geradezu surrealistischer Stimmung, deren Illustrationen die ganze stilistische Breite des erstaunlichen australischen Künstlers vorführen, der sich selbst vor allem als Landschaftsmaler sieht.

Nun kommt in Deutschland binnen eines Jahres schon das dritte Buch von Shaun Tan heraus. Hierzulande wurde er zwar erst spät entdeckt, wird dafür aber nun umso konsequenter geliebt - gerade läuft im Troisdorfer Bilderbuchmuseum auch eine Ausstellung von Tans Bildern, zu der es einen schönen Katalog gibt. Und jetzt also "Die Fundsache", ein schon älteres Buch, das in Australien vor neun Jahren erschienen ist. Dort heißt es eben "The Lost Thing", und für "lost" in seiner doppelten Bedeutung von "verloren" und "einsam" gibt es im Deutschen keine ähnlich gängige Bezeichnung - außer vielleicht, wie bereits versucht, "das arme Ding". Aber "Die Fundsache" ist auch nicht schlecht, weil dieser deutsche Titel das bürokratische Element betont, über das sich Shaun Tans Geschichte nebenbei lustig macht. In der Stadt, in der sich das Geschehen abspielt, ist alles wohlgeordnet und effektiv, keine einzige Pflanze stört das betonverbrämte Leben, und mitten drin wirkt das lebenspralle Fremdobjekt als Störfall, für den sich ein Bundesamt für Krimskrams als zuständig erweist.

Tan hat eine Vielzahl solch abstruser Ämter und Institutionen erfunden, die alle mit ihren Siegeln auf den detailreichen Seiten seines Buchs zu finden sind. Das Bundesamt für Krimskrams ist darüber hinaus in einem gigantischen abweisenden Betonbau untergebracht. Wie Tan überhaupt phantastische Szenerien malt. Doch damit nicht genug: Seine Illustrationen zu "Die Fundsache" sind auf Blätter gemalt, die der Künstler durch die Montage von Ausrissen aus den Fachbüchern seines Vaters, eines aus Malaysia nach Australien eingewanderten Ingenieurs, eigens gestaltet hat. "Er brauchte sie nicht mehr", rechtfertigt Shaun Tan diese Plünderung der väterlichen Bibliothek, aber ein bisschen geschockt sei der alte Herr dann doch gewesen.

Die Montage, technisch wie kunsthistorisch, ist das vorrangige künstlerische Prinzip von Shaun Tan, und deshalb hat er auch die Ausstattung der deutschen Übersetzung selbst übernommen. "Die Fundsache" ist aber auch sonst eine Fundgrube für Tans Liebe zum Zitat: Da gibt es direkte Bildübernahmen von den australischen Malern Jeffrey Smart und John Brack, Hopper-Paraphrasen und eine Hieronymus-Bosch-Hommage, die plötzlich eine utopische Welt in die Geschichte einführt, für die man das ganze Buch aber hochkant betrachten muss. Dort jedenfalls, in der organisch geformten Welt, die durch eine kleine Wandkritzelei explizit als "Utopia" ausgewiesen ist, wird die Fundsache ihr neues Heim beziehen.

Den Weg dorthin finden sie und ihr Finder übrigens ganz ohne amtlichen Beistand - mit Hilfe von kleinen gebogenen Hinweispfeilen, die, wenn man aufmerksam sucht, auf jedem Stadtbild des Buchs zu finden sind. Sie stellen geheime Wegweiser in das Phantasiereich hinter den grauen Mauern dar. Shaun Tans Bücher haben in der häufig tristen Bilderbuchwelt dieselbe Funktion. Erfreulicherweise sind sie nur viel leichter zu entdecken.

Shaun Tan: "Die Fundsache". Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Carlsen Verlag, Hamburg 2009. 32 S., geb., 16,90 [Euro]. Ab 8 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2009

Bizarres Rätselding
Der australische Illustrator Shaun Tan lässt seinen Helden in die Parallelwelt der Kindheit schauen
Die Fundsache. Das klingt neutral. Nach einem Regenschirm oder Hut. Und der Junge, der diese Geschichte erzählt, deutet auch mit keinem Wort an, wie bizarr und surreal „das Ding” wirklich ist, das er eines Tages am Strand sah: „Ich habe es wohl eine ganze Weile angestarrt. Es sah aber auch seltsam aus – irgendwie traurig, verloren. Niemand sonst beachtete es. Wahrscheinlich zu sehr mit Strandkram beschäftigt.”
Das Ding – wie soll man es beschreiben, ein rotes bauchiges Etwas, mit tentakelähnlichen Gliedmaßen, zwei lungenartigen Flügeln und einem kleinen Kamin, aus dem es Wölkchen ausstößt –, sagt man, dass es aussieht wie eine Kreuzung aus Teekessel und Krustentier, klingt das schon viel zu normal. Der Junge, der die Geschichte erzählt und der eigentlich Kronkorken sammeln wollte an diesem „stinknormalen Sommertag”, nimmt sich seiner an, weil es so alleine ist, fragt in der Erwachsenenwelt, ob jemand wisse, was es damit auf sich habe, aber keiner zeigt Interesse oder nimmt auch nur Kenntnis von dem Rätselding.
So machen sich die beiden auf die Suche durch eine hässliche Erwachsenenwelt aus grauem Industriealptraum und unverständlichem Zweckdesign, kommen beim „Bundesamt für Krimskrams” vorbei, wo sie ein anderes fremdartiges Wesen, das einer Putzfrau ähnelt, warnt: „Wenn Dir das Ding wichtig ist, darfst du es nicht zurücklassen, hier wird vergessen, zurückgelassen, glattgebügelt.” Sie schickt die zwei auf eine Art Schnitzeljagd und dann geht plötzlich eine Tür auf, man blättert um und schaut auf die atemberaubende Parallelwelt, die hier abgebildet ist, eine Mischung aus de Chirico, Bosch, Miró . . .
Der australische Zeichner Shaun Tan ist ein Gesamtkunstwerker, seine Kinderbücher sind ästhetisch ausgetüftelt bis in die Umschlagseiten hinein, auf denen in diesem Fall die schönste Kronkorkensammlung aller Zeiten zu sehen ist, Bierdeckel mit rätselhaften mathematischen Formeln darauf . . . Die Geschichte wird in ganz einfachen Sätzen erzählt, als finde da einer in einer normalen Welt einen Hund, aber die Kinder schauen während des Lesens minutenlang auf den Seiten herum, „warte noch mit Umblättern”, sagte meine Tochter, weil es so viel zu entdecken gibt auf jedem Bild, schon der optische Hintergrund der Geschichte, collagiert aus uralten, orangebraunen Mathematik- und Physikbüchern, mutet wie ein sanft fasziniertes Weltenrätselgedenken an. Und was mag es wohl mit den beiden winzigen Glöckchen auf sich haben, die das Ding am Ende seiner Flügellungen trägt? ALEX RÜHLE
Shaun Tan
Die Fundsache
Deutsch von Eike Schönfeld. Carlsen 2009. 32 Seiten, 16,90 Euro.
Illustration aus Shaun Tan: Die Fundsache
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Das durch und durch Außergewöhnliche hat Rezensent Hans Ten Doornkaat, der selbst jahrelang Lektor für Kinder- und Jugendbücher war, im neuen Buch von Shaun Tan sehr gut gefallen. Die Geschichte um die große einsame Kanne am Strand, die niemand außer der Korken sammelnde Erzähler beachtet, trägt für Dornkaat zwar melancholische Züge, geht in ihrer Traurigkeit aber nie zu weit. Stattdessen merke man, dass Tan ein "Meister poetischer Wärme" ist. Das Surreale des Buches erinnert Doornkaat dabei an Plastiken von Jean Tinguely und Bernhard Luginbühl. Als Kenner fallen ihm auch die Anspielungen auf Edward Hopper und L. S. Lowry auf. Doornkaat ist sich sicher, dass alle, die offen gegenüber vielseitigen Geschichten sind und einen Hang zur Nachdenklichkeit haben, sich in dieses Buch verlieben werden.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein geniales Plädoyer für die Poesie des Unbekannten.", DIE ZEIT 20151104