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'Vom Sohn eines Fürther Druckereibesitzers zum Berliner Zeitungstycoon: Leopold Ullstein (1826-1899) schuf einen der ersten Medienkonzerne Deutschlands. Sten Nadolny erzählt von dem glänzenden Erfolg, aber auch von den Leidenschaften und den Konflikten der großen Verlegerfamilie, deren Macht nach 1933 ein jähes Ende fand.

Produktbeschreibung
'Vom Sohn eines Fürther Druckereibesitzers zum Berliner Zeitungstycoon: Leopold Ullstein (1826-1899) schuf einen der ersten Medienkonzerne Deutschlands. Sten Nadolny erzählt von dem glänzenden Erfolg, aber auch von den Leidenschaften und den Konflikten der großen Verlegerfamilie, deren Macht nach 1933 ein jähes Ende fand.
Autorenporträt
Sten Nadolny, geboren 1942 in Zehdenick an der Havel, lebt in Berlin. Ingeborg-Bachmann-Preis 1980, Hans-Fallada-Preis 1985, Premio Vallombrosa 1986, Ernst-Hoferichter-Preis 1995.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2003

Ich lese gern, aber selten und dann wenig
Zu viel Stammbaum, zu wenig Rotationsmaschine: Sten Nadolnys gehobener „Ullsteinroman”
„Am 31. Oktober 1903 gründeten die Brüder Ullstein in Berlin einen Buchverlag. Sein Zweck soll es sein, die Fortsetzungsromane aus der ,Berliner Illustrierten‘ und der ,Berliner Morgenpost‘ in den Buchhandel zu bringen und so ein zweites Mal zu verwerten. Anspruchsvollere Werke sollen nicht prinzipiell ausgeschlossen sein.”
Das ist eine der in Sten Nadolnys „Ullsteinroman” jeweils an den Kapitelenden eingefügten Zeittafeln. Sie erklärt den Anlass des Buches. Zu seinem hundertsten Geburtstag hat sich der Ullstein Verlag nicht eine der heute beliebten Firmengeschichten schreiben lassen, sondern einen veritablen Romancier engagiert, um seine heroische Epoche zu vergegenwärtigen. „Ullsteinroman”, das war in der Blütezeit des Verlags das Signum für leichte und bekömmliche Ware, Literatur für die leselustige Masse vor allem der Großstädte, politisch liberal, erotisch freizügig, spannend und aufrüttelnd. Einige der berühmtesten Ullsteinromane, Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues” oder Vicky Baums „Menschen im Hotel”, werden bis heute gelesen; sie sind Teil der deutschen Bewusstseinsgeschichte.
Jetzt also ein Ullsteinroman über die Ullsteins, die aus Fürth stammende große deutsch-jüdische Verlagerfamilie, die seit den 1870er Jahren in Berlin das größte Presseimperium des Deutschen Reichs aufbaute, einen schon ganz modernen Firmenkomplex, der Druckereien, Tageszeitungen, Illustrierte, elitäre Zielgruppenzeitschriften und Buchverlage umfasste, mit all den Synergie-Effekten, die sich in solchen Strukturen gewinnen lassen.
Der Stoff ist gewaltig, er umfasst von der Technikgeschichte bis zur Geschichte des Antisemitismus nahezu alle wichtigen Themen der deutschen Gesellschaft zwischen Bismarck und Hitler. Wenn wir etwa, wieder in einer Zeittafel, erfahren, dass Rudolf Ullstein Berlins erste Komplett-Rotationsmaschine am 1. August 1914 – dem Tag der Mobilmachung für den Ersten Weltkrieg – in Gang setzte, ahnen wir etwas von der Wucht des Gegenstands. Trotz solcher reißerischen Potentiale haben wir es mit einem der anspruchsvolleren Werke zu tun, die bei Ullstein ja nie ausgeschlossen waren (und seit den Zwanziger Jahren vor allem im edlen Propyläen Verlag erschienen). Nadolny ist studierter Historiker, Schüler des unvergessenen Thomas Nipperdey, und seinem Roman ist die solide Fundierung auf jeder Seite anzumerken. Er beginnt 1835 in der Jugend des Firmengründers Leopold Ullstein (1826 bis 1899) mit der ersten Eisenbahnfahrt auf deutschem Boden, zwischen Nürnberg und Fürth. Er endet fast auf den Tag hundert Jahre später mit Hitlers Machtergreifung, die dem Ullstein-Imperium das Ende bereitete.
Aufgebaut ist das Buch als klassischer Familienroman; dieses Genre erfreut sich derzeit neuer Beliebtheit, weil es erlaubt, den Lieblingsbegriff der immer jung sein wollenden Konsumgesellschaft, die Generation, mit den gesteigerten Ansprüchen der Erbengesellschaft auf Tradition zu vereinen. Durchschossen hat Nadolny seine Erzählung nicht nur mit den hilfreichen Zeittafeln, sondern auch mit biographischen Porträts der wichtigsten Protagonisten. Sie geben wie umgreifende Klammern dem Gefüge der vielen Einzelszenen, aus denen die Erzählung aufgebaut ist, zusätzliche Festigkeit. Außerdem schaffen sie Übersicht im Gestrüpp des Stammbaums dieses äußerst kinderreichen Clans.
Aber – jeder Leser von Rezensionen ahnt, dass eine so ausführliche Darstellung eines Romanaufbaus in ein fast gähnend gedehntes Aber mündet – diese überaus durchdachte Anlage rettet den „Ullsteinroman” nicht vor seinem Grundproblem. Zwar ist er leichtfüßig und kurzweilig, und man lernt viel. Doch hat er einerseits zu viel Stoff, andererseits zu wenig. Zu viel Stoff hat er für einen Familienroman. Von der zweiten Generation an verlieren wir die Übersicht, die einzelnen Figuren haben nicht genügend Raum, sich zu entfalten und dem Leser einzuprägen. Es ist kein Zufall, dass die einzige ganz und gar unsachliche Episode der Ullsteins, die Ehe-Affäre von Franz Ullstein und Rosalie Gräfenberg (der man Spionage für Frankreich vorwarf, um sie aus der Familie zu drängen) in den Zwanziger Jahren, einen erzählerischen Höhepunkt des Romans darstellt.
Für seinen historischen Kern wiederum ist er viel zu kurz. Für Literaturkritiker mag gelten, was einer von ihnen im Roman sagt: „Ich lese gern, aber selten und dann wenig.” Für Geschichtsfreunde gilt das jedenfalls nicht. Sie sind stoffhungrig ohne Ende, und ihnen bietet dieses elegante und hinreichend gefühlvolle Buch zu wenig. Wo bleibt ein Bild der Entwicklung Berlins, immerhin der wichtigste Markt der Ullsteins? Warum wird nicht mehr zitiert aus wichtigen Leitartikeln? Wie entwickelten sich Auflagenhöhen, Bilanzen, Anzeigeneinnahmen, Vertrieb?
All diese Fragen wirft der Roman auf, das ist sein Verdienst; aber schon bald fragen wir uns, warum Nadolny, der offenkundig viele Monate im Westhafen, der Zeitungsabteilung der Berliner Staatsbibliothek, verbracht hat, uns nicht ein richtiges Geschichtsbuch geschenkt hat – einen gern doppelt so langen Schmöker mit 100 Abbildungen, dreißig Seiten Bibliographie, 1783 Fußnoten (mindestens!). So ist der „Ullsteinroman” ein Ullsteinroman geblieben, ein sehr hochwertiger, ohne Frage; ich hätte lieber den reich illustrierten Propyläenband gelesen.
GUSTAV SEIBT
STEN NADOLNY: Ullsteinroman. Roman. Ullstein Verlag, München 2003. 495 Seiten, 24 Euro.
„Täglich Wettlauf mit der Zeit! Jede Zeile Neuigkeit!” Die Abendzeitung „Tempo” wandte sich an den jungen Großstädter
Foto: Axel Springer Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2003

Wie behaglich, dieses Berliner Zeitungswesen
Sten Nadolnys "Ullsteinroman" Von Mark Siemons

Sten Nadolnys berühmtester Satz bleibt vermutlich: "John Franklin war schon zehn Jahre alt und noch immer so langsam, daß er keinen Ball fangen konnte." So beginnt "Die Entdeckung der Langsamkeit", jener Roman, mit dem Nadolny bekannt wurde. Ein wunderbarer Satz: In ihm steckt schon das ganze Buch, das sich daraus entwickelt; der Satz gibt seinen heiter-verwunderten Ton vor.

Der erste Satz von Nadolnys neuem Buch, "Ullsteinroman", lautet: "Außer ihm kam heute wohl niemand zur Landspitze, nur Fische und Vögel." Auch dieser Satz führt in die Handlung ein, denn er bezieht sich auf den neun Jahre alten Leopold Ullstein, den Gründer jener Zeitungs- und Verlagsdynastie, die Nadolnys Werk porträtiert. Aber darüber hinaus hat der Satz nichts zu bedeuten. Fische und Vögel spielen in Leopold Ullsteins späterem Leben keine besondere Rolle mehr, und auch die Neigung zu einsamer Kontemplation kommt nicht mehr zum Tragen. Es ist nichts als ein Anlauf zum gemächlichen Fabulieren, und in diesem Sinne ist der Satz leider doch bezeichnend für das ganze Buch, das aus dem gemächlichen Fabulieren nicht mehr herauskommt, dabei aber kein eigenes Zentrum hat: Es ist gar kein Roman, sondern eine bloße Folge von Anekdoten, die allerdings, wie bei Nadolny nicht anders denkbar, mit beträchtlichem Charme und sicherem Gespür für lehrreiche Pointen dargeboten werden.

Erzählt wird die Geschichte der Familie Ullstein von 1835 bis zum Regierungsantritt der Nationalsozialisten, die den jüdischen Verlag zerschlugen. Erzählt werden die einzelnen Lebensläufe und davon, mit welch schlafwandlerischer Sicherheit Leopold und seinen fünf Söhnen fast alle Unternehmungen zu Erfolgen gerieten, von der "Berliner Morgenpost" über die erste Straßenzeitung "B.Z." bis hin zum Buchverlag mit seinen populären Romanen. Da vermengt sich Privates, Politisches und Zeitungsgeschichtliches, ohne daß ersichtlich wird, was historisch belegte Tatsache und was Ausschmückung ist. Lange wird auch nicht klar, was Nadolny eigentlich an dem Stoff gereizt hat. Zwar kann er das Erlebnis einer Zugfahrt auch hier zwanglos unterbringen, denn die Ullsteins stammen aus Fürth, dem Ausgangspunkt der ersten deutschen Bahnstrecke. Doch im übrigen wird man die Frage nicht los, weshalb da ausgerechnet der Laudator der Langsamkeit über die Gründer der "schnellsten Zeitung der Welt" schreibt, als die damals die "B.Z." galt.

Freilich wird bald deutlich, daß das große Thema der Ullsteins - Schnelligkeit und Fortschritt - im Rückblick Nadolnys eher als rührend gute alte Zeit daherkommt. Nadolny erzählt aus der rücksichtsvollen, leicht verklärenden Perspektive eines Familienalbums, und man ahnt, daß in diesem dahinfließenden Plaudern vielleicht selbst schon die menschenfreundliche Botschaft dieser Prosa liegt. "Glück entstand, wie unter Kindern, ganz ohne Abmachung und Verstehen", heißt es einmal über Leopolds Ehe: "Es war geteilter Reichtum des Wahrnehmens, und das behagliche Mitteilen und Zuhören gehörte dazu." Nadolny verschweigt nicht, daß auch dieser Familie, spätestens seitdem sich die Enkelgeneration einmischte, Intrigen nicht fremd waren; auch die Anpassungsversuche einiger Ullsteins an die mächtiger werdenden Nationalsozialisten werden erwähnt. Und doch wird die wohlwollende Distanz dieses behaglichen Mitteilens noch nicht einmal beim schrecklichen Ende bitter. Leider kann der nachlässig aufbereitete Stoff dem Glücksversprechen des Stils nicht standhalten.

Sten Nadolny: "Ullsteinroman". Roman. Ullstein Verlag, München 2003. 495 S., geb., 24,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Sten Nadolnys Idee, aus der Geschichte des Verlagsimperiums der Familie Ullstein einen "Sachroman" zu machen, ist eine "kluge Idee", meint die Rezensentin Petra Kipphoff. Dabei handelt es sich jedoch eher um ein zweischneidiges Kompliment. Stets schaffe Nadolny im Erzählfluss "gegenläufige Bewegungen", unterbreche etwa die "Familiengeschichte" mit kursiv gedruckten zeitgeschichtlichen Einlagen und mit "kleinen Porträts der Hauptprotagonisten", all dies in geschickter Vermischung von "Authentischem" und "Imaginiertem". Diese leicht sprunghafte Erzählweise mache es dem Leser nicht immer einfach, und oft müsse im "fünfseitigen Stammbaum" nachgeschlagen werden, um die Orientierung wiederzufinden. Am schönsten findet Kipphoff demnach auch Nadolnys "Solo-Auftritte im Hause Ullstein", womit anscheinend Erzählepisoden gemeint sind, in denen sich Nadolny ohne große Rücksicht auf Fakten erzählerisch austoben kann: eine "ganztägige Geburtstagsfeier", ein "Taschengeldgespräch zwischen Vater und Sohn" oder auch ein "Kindertraum". Gerade in der für den Berliner Nadolny so typischen "animierten Nüchternheit" hat die Rezensentin eine gewisse Wahlverwandtschaft mit den Ullsteins entdeckt. Dieselbe Nüchternheit, die Rudolf Ullstein sagen lässt: "Ürjendwann jeht allet", und die Nadolny, auf die Frage, wieviel im Roman "erfunden" sei, antworten lässt: "Alles wahrheitsgemäß".

© Perlentaucher Medien GmbH
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