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Größenwahn und Selbstüberschätzung sind Teil der menschlichen Natur. Doch erst heute werden sie als Erfolgsfaktoren kultiviert. Die Folgen sind krankhaft wuchernde Wirtschaftsaktivitäten, entfesselte Finanzmärkte, dysfunktionale Bildungs- und Infrastrukturen, aus dem Ruder laufende Großprojekte, unkontrollierbare Datenmengen und globales Allmachtstreben. Meinhard Miegel, einer der profiliertesten Vordenker Deutschlands, sieht in dieser allgegenwärtigen Hybris die wesentliche Ursache für die tiefgreifende Krise von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Die exzessive Entwicklung unserer
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Produktbeschreibung
Größenwahn und Selbstüberschätzung sind Teil der menschlichen Natur. Doch erst heute werden sie als Erfolgsfaktoren kultiviert. Die Folgen sind krankhaft wuchernde Wirtschaftsaktivitäten, entfesselte Finanzmärkte, dysfunktionale Bildungs- und Infrastrukturen, aus dem Ruder laufende Großprojekte, unkontrollierbare Datenmengen und globales Allmachtstreben. Meinhard Miegel, einer der profiliertesten Vordenker Deutschlands, sieht in dieser allgegenwärtigen Hybris die wesentliche Ursache für die tiefgreifende Krise von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Die exzessive Entwicklung unserer Lebenswelt, die Miegel eindringlich schildert, überfordert alle: Einzelne und Gruppen, Unternehmen, Schulen und Universitäten, Parteien, Regierungen und internationale Organisationen. Ihre Kosten sind enorm, keine Volkswirtschaft kann sie stemmen. Die Lösung des Problems ist erprobt und zuverlässig: Es ist die Kunst der Beschränkung - die Rückkehr zu einem menschlichen Maß, das unsere individuellen und gesellschaftlichen Ressourcen schont und in ein neues Gleichgewicht bringt. Worin diese Kunst besteht, macht Miegel an vielfältigen Beispielen eindrucksvoll deutlich.
Autorenporträt
Meinhard Miegel wurde 1939 in Wien geboren und studierte nach dem Abitur, das er 1957 in Bad Langensalza ablegte, zunächst zwei Semester Musik an der Musikhochschule Weimar. Nach seiner Flucht in die Bundesrepublik begann er 1958 mit dem Studium der Soziologie und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. 1959 ging er nach Washington D.C. und erwarb dort 1961 den Bachelor of Arts. Von 1961 bis 1966 studierte er in Frankfurt am Main und Freiburg Rechtswissenschaften, Philosophie und Volkswirtschaftslehre. 1966 legte er das 1. und 1969 das 2. juristische Staatsexamen ab. 1967 wurde er zum Dr. iur. utr. promoviert.
Er war von 1977 bis 2008 Leiter des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn (IWG), das er zusammen mit Kurt Biedenkopf gegründet hat. Seit 2007 ist er Vorstandsvorsitzender des Denkwerk Zukunft - Stiftung kulturelle Erneuerung in Bonn, Beiratsmitglied zahlreicher wissenschaftlicher Einrichtungen und ständiger Berater von Politik und Wirtschaft. Darüber hinaus ist er seit 2008 Beiratsmitglied der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen.
1992 wurde Meinhard Miegel als außerplanmäßiger Professor an die Universität Leipzig berufen, wo er bis 1998 lehrte und das Zentrum für internationale Wirtschaftsbeziehungen leitete. Dieses Zentrum ist eine interdisziplinäre Forschungseinrichtung, die die politisch-historischen Rahmenbedingungen und die soziokulturellen Einflüsse des wirtschaftlichen Wandels in Mittel- und Osteuropa erforscht.
Für seine Werke erhielt er bislang folgende Auszeichnungen:
Cicero-Preis (1995)
Schaderpreis (2000)
Corine (2002)
Hanns Martin Schleyer-Preis (2004)
Theodor-Heuss-Preis (2005)
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Meinhard Miegel ist ein Wachstumskritiker aus der bürgerlich-konservativen Ecke, in der er sich auch ganz bewusst positioniert, weiß Elisabeth von Thadden, die darin Stärke und Schwäche von Miegels Büchern zugleich sieht. In seinem neuen Buch "Die überforderte Gesellschaft" seziert Miegel zum Beispiel fein säuberlich diverse "Baustellen menschlicher Selbstüberhebung", den Verkehr, das Bildungssystem und andere "moderne Turmbauten zu Babel", berichtet von Thadden. Er tut das unaufgeregt und ohne jeden Moralismus, eher mit einem müden Unverständnis angesichts der Unvernunft, erklärt die Rezensentin. Auf der anderen Seite sieht Miegel aber nicht, wie in etwas grüneren und progressiveren Kreisen an alternativen Modellen getüftelt wird, und erklärt die Gesellschaft deshalb etwas zu voreilig für ausgebrannt, bedauert von Thadden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2014

Wir sind doch keine rosa Plüschhasen

Was ist die Ursache unserer grassierenden Überforderung? Meinhard Miegel zeigt in seinem neuen Buch "Hybris", wie alles ganz anders sein könnte. Wenn man will.

Ein Gespenst geht um in Deutschland, es trägt einen weißen Bart und eine getönte Brille. Seit der Berliner Künstler Friedrich Liechtenstein im Netz für die Supermarktkette Edeka wirbt, haben seine Clips die Nutzer verzaubert. Mehr als fünf Millionen Mal wurde abgerufen, wie der soignierte Herr in den besten Jahren durch die Stuben der Verbraucher und zwischen den Regalen eines Supermarkts tanzt und einfach alles lobt: Super Fritten, Bio ist super und sehr geiler Dorsch übrigens auch. In kurzen spin offs zum längeren Clip wendet sich der Künstler direkt an die Zuschauer, er ist dann das Gegenstück zu Frank Underwood in der amerikanischen Politserie "House of Cards". Wo Underwood uns mit seinen zynischen Erkenntnissen über das große Fressen und Gefressenwerden der Politik belastet, kommt von Liechtenstein der pure Trost: Deine Kinder? Alle wohlgeraten. Die Arbeit? Sagenhaft, was du da ablieferst - teilweise. Und allgemein: Wie du das immer schaffst, alles im Griff zu behalten. Würden real existierende Bürger, manche Väter und Mütter so angesprochen und rundum nicht bloß gelobt, sondern gewissermaßen in einem ästhetisch-historischen Gesamtbefund für völlig in Ordnung erklärt, sie wären zu Tränen gerührt.

Die leichtfüßige, tänzelnde ironische Vaterfigur aber, die in altmodisch tönender Stimme alles supergeil findet, ist ein Sohn der seit sechs Jahren andauernden Krise. Denn in Wirklichkeit ist es ja nie so richtig super. Trotz eines historisch nie zuvor erreichten Wohlstands, einer Spitzenstellung in Technik und Wirtschaft kann von einem entsprechenden Werkstolz keine Rede sein. Am Arbeitsplatz haben Optimierungsalgorithmen und nie endende Prozesse die Orientierungsfunktion übernommen. Und so auch in der Erziehung - Reform der Reform, immer mehr Lehrstoff, eine Akademisierung und Qualitätskontrolle noch der Freizeit -; im Sport, im Tourismus und im Städtebau.

Je mehr die Kanzlerin beschwichtigt, desto unruhiger fühlen sich die Leute, und je mehr sie sich bemühen, desto weiter scheint der Horizont ungelöster Probleme und das Leben eine täglich neu komponierte To-do!-Liste. Einstweilen wird dieses dumpfe Hamsterradgefühl im Privaten bekämpft: mit Wohlfühlritualen, angestrengt improvisierter "Work-Life-Balance" und Teelichtern auf der Badewanne. Doch die große Müdigkeit ist keine individuelle Befindlichkeit. Sie resultiert aus einer Reihe vor langer Zeit getroffener Entscheidungen: ein modernes Betriebssystem, in dem alle bis zur Erschöpfung funktionieren.

Die Krise gibt es gar nicht, wir wollen nichts mehr von ihr hören

Dieses System wird in einem heute erscheinenden Buch lesbar gemacht. Meinhard Miegel, der einst als Sozialwissenschaftler an der Seite von Kurt Biedenkopf für eine modernere CDU kämpfte, hat sich seit langem einen Namen als Wachstumskritiker gemacht. In "Hybris" sammelt er nun seine Erkenntnisse und plötzlich wird deutlich, was uns alle wie die rosa Plüschhasen von Duracell antreibt.

Man versteht plötzlich die Nachrichten ganz anders: Miegel verknüpft markante Punkte wie den BER-Skandal, die Hamburger Elbphilharmonie und die täglichen Staus, Verspätungen und Störungen im Betriebsablauf zu einem eindeutigen Umriss. Wir erkennen das nach allen Seiten expandierende Muster westlicher Wachstumslogik: Höher, schneller, mehr!

Darum wird man nach der Lektüre auch nichts mehr von der Krise hören wollen. Die Krise gibt es gar nicht, schreibt Miegel. Es gibt folglich nichts zu bewältigen oder gar zu meistern, keinen status quo ante, zu dem eine weise Obrigkeit uns zurückführen könnte, nachdem wenige schwarze Schafe es geschafft hatten, den ganzen Globus ins Taumeln zu bringen. Die Krise ist bloß die ganz normale Erschöpfung infolge einer ideologisch gepflegten, kollektiven Maßlosigkeit: maßloser Konsum, maßlose Produktion, Maßlosigkeit um der Maßlosigkeit willen. Das ermüdet.

Miegel vergleicht dabei die Lage vieler Menschen mit denen der mittelständischen Fischer auf den sieben Weltmeeren: Obwohl sie ebenso oft hinausfahren wie ihre Vorfahren, auf See ebenso hart arbeiten, bleiben immer weniger Fische im Netz hängen. Miegel bringt die entsprechenden Zahlen: Stellt man in einer Tabelle die Zunahme des Bruttosozialprodukts pro Kopf in Deutschland seit 1980 dar und bildet dazu die in Umfragen ermittelte subjektive Zufriedenheit ab, dann driften beide Kurven immer weiter auseinander. Die erste schnellt hoch, aber die Zufriedenheit nimmt ab. Der ganze zusätzliche Kram, von Walkman bis W-Lan, hat zwar unterhalten, aber nicht wirklich zufrieden gemacht. Und auch das Erreichte ist nie genug: Sicherheit, ein selbstbestimmtes Leben, ja schiere Lebensfreude darf erst der erwarten, der ein Vermögen gemacht hat. Und natürlich gibt es auch für die Reichen keine Ruhe, die Reichenliste will erklommen werden, tausend Ratgeber stehen bereit, den Müßiggang solange zu optimieren, bis er keiner mehr ist.

Nur wer sich beschränkt, wird ein schönes und gutes Leben führen

Miegel glaubt, dass diese Entwicklung schon lange vor dem Kapitalismus einsetzt. Sie hat sich immer weiter verstärkt, seit die Welt entzaubert wurde und die religiösen und milieuspezifischen Bindungen nachließen, bis nur noch die Entgrenzung allen gemein ist. Dass Wachstum heute aber nur noch durch Schulden möglich ist in einem Umfang, für den keiner mehr haften kann, das ist nur eine Seite der Absurdität.

Miegel sieht auch in der digitalen Revolution die Fortführung des Strebens nach Hybris. Wie bei der Kernkraft habe man eine Technik entfesselt, deren Folgen nicht bedacht sind. Nun besteht, so Miegel, die Gefahr, dass Jahrhunderte zivilisatorischer Entwicklung teilweise ausgelöscht werden: "Auf dem Spiel steht nichts Geringeres als Menschenwürde, Menschenrechte, das Selbstbestimmungsrecht des Individuums, sein Anspruch auf eine respektierte und geschützte Privatsphäre."

Wie aber nun weiter? Miegel gibt sich zwar melancholisch sicher, dass seine unschönen Analysen zu den von ihm befürchteten Folgen führen. Aber er ist trotzdem guter Hoffnung, dass "nach jenseitiger Glückseligkeit und diesseitiger Entgrenzung vielleicht das gute irdische Leben, das sich nicht zuletzt aus lange vernachlässigten menschlichen Potentialen speist", zu unserem Ziel werde. Dabei setzt er eher auf "fernöstliches Denken und Versenken" als auf westliche instrumentelle Vernunft.

Fest steht für ihn, dass nur die Beschränkung zu einem schönen Leben führt. Was keinen Verlust bedeutet, wenn man das, was man nicht mehr braucht, in Lebenszeit umrechnet. So stellt er den Genuss ins Zentrum: die Muße und die Freude am guten Leben. Und kontrastiert diese Begriffe und Erfahrungen mit der alle Sekunden kolonisierenden Ideologie des mittlerweile digitalen und globalen Kapitalismus. Er hadert nicht mit der kulturellen Moderne, sondern mit dem ihr innewohnenden und zunehmend dominanten Aspekt der "Verwirtschaftung" aller Lebensbereiche, von der Kunst über die Familienplanung bis hin zum Begriff des Bürgers, der kaum mehr sein soll als Konsument und Produzent.

Miegel macht sich keine Illusionen: Ein laufendes System mit einem passenden Werte- und Belohnungsschema macht den Ausstieg nicht leicht. Bis etwa die Gesellschaft die Erwerbsarbeit entlastet und die Eigenarbeit aufwertet, bis die kulturell relevanten Regionen statt der Nationalstaaten im Mittelpunkt des europäischen Gedankens stünden, werde viel Zeit vergehen. Seine Hoffnung liegt auf der schon an vielen Stellen erkennbaren, individuellen Fähigkeit, den in diesem Buch dargestellten Fakten und Urteilen aufgrund eigener Erschöpfung auch eine Umkehr folgen zu lassen.

Wie genau das aussehen könnte, ist schwer zu beschreiben, denn wir erleben einen Paradigmenwechsel. Und dafür gibt es keine Betriebsanleitungen: "Was jetzt gefragt ist, ist ein Höchstmaß an Einfühlungsvermögen, Improvisationsfähigkeit und Anpassungsbereitschaft." Dieser wohlformulierte und kühl durchdachte Appell taugt zur Grundlage eines zeitgemäßen Konservatismus. Was gegenwärtig das revolutionärste Programm überhaupt wäre. Also ist Miegels "Hybris" ein super Buch.

NILS MINKMAR

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Das mit Leidenschaft, an nicht wenigen Stellen sogar mit Wut geschriebene Buch eines hellwachen, kenntnisreichen Autors.", ORF, Brigitte Neumann, 25.04.2014