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Noch ein Buch zum Holocaust? Ja, unbedingt. Es hat in den vergangenen Jahren eine Fülle neuer Forschungen, Spezialstudien und Zeitzeugnisse gegeben, die kaum mehr zu überblicken sind und einer fachkundigen Zusammenführung und qualifizierten Gesamtdarstellung bedürfen. Diese legt der britische Historiker und weltweit renommierte Holocaust-Experte David Cesarani nun vor. Sie wird für viele Jahre das maßgebliche Standardwerk zum Thema sein.
Neben den neuen Erkenntnissen der Forschung erschließt Cesarani umfangreiche Qellen aus Osteuropa, die erst nach dem Untergang der Sowjetunion zugänglich
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Produktbeschreibung
Noch ein Buch zum Holocaust? Ja, unbedingt. Es hat in den vergangenen Jahren eine Fülle neuer Forschungen, Spezialstudien und Zeitzeugnisse gegeben, die kaum mehr zu überblicken sind und einer fachkundigen Zusammenführung und qualifizierten Gesamtdarstellung bedürfen. Diese legt der britische Historiker und weltweit renommierte Holocaust-Experte David Cesarani nun vor. Sie wird für viele Jahre das maßgebliche Standardwerk zum Thema sein.

Neben den neuen Erkenntnissen der Forschung erschließt Cesarani umfangreiche Qellen aus Osteuropa, die erst nach dem Untergang der Sowjetunion zugänglich wurden, sowie jüngst freigegebenes Geheimdienstmaterial aus Ost und West. Daraus ergeben sich neue Einblicke in das Ausmaß des Völkermords, das Wissen darüber seitens der Deutschen wie der Alliierten, die Befehls- und Entscheidungsprozesse der NS-Täter sowie die kriegsbedingten und ökonomischen Aspekte des Holocaust. Überzeugend legt Cesarani dar, dass die Ermordung der europäischen Judennicht allein der NS-Rassenideologie geschuldet war, sondern vor allem als pervertiertes Instrument der Machtausübung, Kriegführung und Eroberung diente.
Autorenporträt
Cesarani, David
David Cesarani, geboren 1956, war langjähriger Leiter des renommierten Institute of Contemporary History and Wiener Library in London und Research Professor für Geschichte am Royal Holloway College der University of London. Zahlreiche Buchveröffentlichungen zur jüdischen Geschichte und zum Holocaust. David Cesarani verstarb im Oktober 2015.

Schmidt, Klaus-Dieter
Klaus-Dieter Schmidt wurde 1950 in Teltow geboren. Er studierte u.a. Mathematik und Germanistik und arbeitet heute als Übersetzer. Unter anderem übersetzte er Bücher von Ian Kershow, Kofi Annan und Niall Ferguson.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2017

Gejagter wollte Jäger sein . . .
Das Schicksal der Juden

Der Judenmord als Folge der rassistischen und antisemitischen Politik des nationalsozialistischen Regimes - mit diesem "Standard-Narrativ" möchte David Cesarani aufräumen. Er geht nicht davon aus, dass die antijüdische Politik systematisch und zusammenhängend beziehungsweise vorsätzlich und wohlüberlegt war. Mit radikalen Schritten hätten die Nationalsozialisten bis zum Kriegsbeginn 1939 versucht, eine verfahrene Situation zu lösen, die sie selbst verschuldet hatten. Nach dem Angriff auf Polen 1939 sei dann der Kriegsverlauf für die Judenpolitik des Regimes entscheidend gewesen. "Militärische Notwendigkeiten bestimmten die antijüdische Politik, nicht umgekehrt", so Cesarani. In diesem Kontext verweist der (2015 verstorbene) britische Historiker zu Recht auf den mörderischen Zusammenhang zwischen der Bekämpfung von Partisanen und dem Mord an den Juden. Die Gleichsetzung von Juden mit Saboteuren und Heckenschützen war für Hitler und die SS eine unumstößliche Gewissheit. Unter dem Deckmantel der Partisanenbekämpfung ermordeten die Deutschen vor allem in den besetzten Ostgebieten die einheimische jüdische Bevölkerung.

Die Entscheidung zum Genozid datiert Cesarani auf den Dezember 1941. So habe Hitler nach der Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten die amerikanischen Juden bestrafen wollen. Joseph Goebbels notierte dazu in seinem Tagebuch, dass der "Führer" den Juden ja ihre Vernichtung prophezeit habe, wenn es ihretwegen noch einmal zu einem Weltkrieg komme. Die Forcierung des Judenmords war einer Verschiebung der Machtverhältnisse im besetzten Polen geschuldet. 1942 erlangte die SS dort die Verantwortung über die Judenpolitik. Fortan steuerten immer mehr Züge mit Menschen aus ganz Europa die Vernichtungslager an.

Von Anfang bis Ende lässt Cesarani die Opfer zu Wort kommen, greift auf Briefe, Tagebücher, Berichte und Dokumente aus der Zeit der Verfolgung zurück. Damit führt er eindringlich vor Augen, wie die Menschen Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung erlebten. Mitunter geschieht das aber auf Kosten der Lesbarkeit, weil Cesarani auf eine kurze Schilderung der Lebens- und Leidenswege verzichtet. Die Opfer bleiben somit merkwürdig fremd. Dies ist auch für die Täter zu konstatieren, über die der Leser kaum etwas erfährt.

Cesaranis Studie ist chronologisch aufgebaut. Dass das Buch nicht mit dem Untergang des "Dritten Reiches", sondern erst im Jahr 1948 endet, begründet er damit, dass mit dem Kriegsende das Leiden der Juden keineswegs vorbei gewesen sei. 1945 markierte vielmehr den Beginn einer Übergangsperiode, in der die Überlebenden des Holocausts versuchten, ihre Existenz neu aufzubauen. Dieser Teil des Buches ist sehr knapp ausgefallen, was umso schwerer wiegt, weil er sich einem Aspekt widmet, der oft zu kurz kommt oder gar nicht erst thematisiert wird.

Ausführlich schildert Cesarani hingegen, welche Machtfülle der von den Nationalsozialisten eingesetzte Judenrat und der jüdische Ordnungsdienst über die Bewohner der Gettos besaßen. Eine überaus umstrittene Persönlichkeit war der Vorsitzende des Lodzer Judenrats, Chaim Rumkowski. Er nutzte die Deportationen, um Menschen loszuwerden, die ihm ein Dorn im Auge waren. Er sprach von Leuten, die selbst schuld an ihrem Schicksal seien. Im Lodzer Getto machte das Gerücht die Runde, dass der Ratsvorsitzende Orgien veranstaltete. Wie sehr das Leben im Getto moralisch korrumpierte, wird auch daran deutlich, dass man Kinder adoptierte, nur um an ihre Lebensmittelrationen zu kommen. Über die Rolle des Ordnungsdienstes bemerkte ein Getto-Bewohner zynisch, die Juden hätten von ihren "Hütern" gelernt, Jagd auf Menschen zu machen. Wer mit den Nationalsozialisten kollaborierte, durfte indes nicht hoffen, am Leben zu bleiben. Nach der Auflösung des Gettos 1944 wurde Rumkowski in Auschwitz ermordet. Ein heikles Thema, das im Buch ebenfalls nicht ausgespart wird, betrifft die Kollaboration der polnischen Bevölkerung, wenn es um das Aufspüren untergetauchter Juden ging. Die Mehrheit der Polen, so bemerkt Cesarani, habe Juden nicht als schutzbedürftige Menschen betrachtet, sondern als Handelsware oder Einnahmequelle. Neben Gier und tradierten Ressentiments macht er dafür das Terrorregime der deutschen Besatzer verantwortlich.

Leider ist Cesaranis Studie nicht frei von Fehlern und Unschärfen. So wurde beispielsweise die österreichische NSDAP im Juni 1933 und nicht erst 1934 verboten. Der ranghohe Einsatzgruppentäter Dr. Dr. Otto Rasch war auch nicht Chef der Sicherheitspolizei und des SD; in Raschs Fall wäre der Begriff Inspekteur richtig gewesen. Irreführend ist es auch, von Gestapo-Offizieren zu sprechen. Die Mitarbeiter der Geheimen Staatspolizei bekleideten keine militärischen Dienstgrade, sondern sie waren Beamte mit Amtsbezeichnungen.

MATTHIAS GAFKE

David Cesarani: "Endlösung". Das Schicksal der Juden 1933 bis 1948. Propyläen Verlag, Berlin 2016. 1004 S., 42,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Man hätte sich eine qualifizierte Besprechung dieses tausendseitigen Bandes gewünscht, das sich einreihen in die nicht unerkleckliche Zahl von Standardwerken zur Judenvernichtung. Matthias Gafke widmet sich dem Buch nur recht kurz und etwas unsicher, und man weiß nie, ob er als Rezensent spricht oder den Autor paraphrasiert. Man kann ahnen, dass für den britischen Historiker David Cesarini nicht allein die rassistische Politik der Nazis zur Vernichtung der Juden führte, sondern dass Eroberungspolitik und Kriegsgeschehen die Entwicklung entscheidend bestimmten. Gafke kann dieser anti-intentionalistischen Deutung durchaus etwas abgewinnen, ohne sie allerdings eingehender zu diskutieren. Kleinere Fehler fallen ihm in dieser Studie auf.

© Perlentaucher Medien GmbH