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Sie war das »Schmuddelkind« der Familie Mann, für Thomas die »schreckliche Trulle«, für Katia schlicht »das Stück«. Sie kam von ganz unten - Mutter Dienstmagd, Vater unbekannt und schlug sich in Berlin als Animierdame durch. In diesem Milieu lernte der fast dreißig Jahre ältere Heinrich Mann sie 1929 kennen und lieben. Bis zu ihrem Selbstmord 1944 war sie ihm Gefährtin zunächst im südfranzösischen Exil, wo sie 1939 heirateten, dann in kalifornischer Nachbarschaft zu Heinrichs distanziertem Schriftsteller-Bruder.
Fast jeder aus der Familie Mann ist inzwischen biografisch beleuchtet worden,
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Produktbeschreibung
Sie war das »Schmuddelkind« der Familie Mann, für Thomas die »schreckliche Trulle«, für Katia schlicht »das Stück«. Sie kam von ganz unten - Mutter Dienstmagd, Vater unbekannt und schlug sich in Berlin als Animierdame durch. In diesem Milieu lernte der fast dreißig Jahre ältere Heinrich Mann sie 1929 kennen und lieben. Bis zu ihrem Selbstmord 1944 war sie ihm Gefährtin zunächst im südfranzösischen Exil, wo sie 1939 heirateten, dann in kalifornischer Nachbarschaft zu Heinrichs distanziertem Schriftsteller-Bruder.
Fast jeder aus der Familie Mann ist inzwischen biografisch beleuchtet worden, nur Nelly nicht, Heinrichs unziemliche Ehefrau. Kirsten Jüngling, seit vielen Jahren hochgelobte Biografin, auch von Nellys ungleicher Gegenspielerin Katia, hat erstmals den Familienbann durchbrochen. Einfühlsam und mit wenig Respekt vor dem weihevollen Mann-Mythos schildert sie den Weg der Emmy Johanna Westphal, adoptierte Kröger, aus den Nöten einer vom Schicksal Vernachlässigten an die Seite des berühmten Schriftstellers. An der Unmöglichkeit, den eigenen Ansprüchen zu genügen, geschweige denen des schwägerlichen Clans, zerbrach Nelly zusehends. Ihre Flucht aus ungeliebten Identitäten, aus Deutschland, aus Frankreich, in den Drogen- und Alkoholrausch und schließlich in den Freitod zeichnet diese längst überfällige Biografie auf bewegende Weise nach.
Autorenporträt
Die Publizistin Kirsten Jüngling, geboren 1949, schrieb zusammen mit Brigitte Roßbeck hoch gelobte Biografien über Elizabeth von Arnim, Frieda von Richthofen, Elly Heuss-Knapp, Franz und Maria Marc, Katia Mann sowie die Doppelbiografie über Schillers Frau Charlotte und ihre Schwester Caroline Lengefeld. Kirsten Jüngling lebt in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.06.2008

Zartbesaitete Tusnelda
Kirsten Jünglings Biographie rehabilitiert Nelly Mann

Dieses Buch hat uns noch gefehlt. Schon 1936 prophezeite Klaus Mann befriedigt: "Was für eine sonderbare Familie sind wir! Man wird später Bücher über uns - nicht nur über einzelne von uns - schreiben." Jetzt also eine Biographie über Heinrich Manns zweite Frau Nelly, in der ostholsteinischen Gemeinde Ahrensbök unehelich geborene Westphal, adoptierte Kröger. Nelly Mann wird in den Tagebüchern Thomas Manns übel beleumdet, als "eine arge Hur" und "schreckliche Trulle", die zudem häufig betrunken ihrem Gatten Heinrich Mann zur Last falle. Diese unsachgemäßen Verurteilungen wurden von vielen biographischen Autoren kritiklos übernommen.

Kirsten Jünglings Biographie ist der bislang umfangreichste Rehabilitierungsversuch dieser Außenseiterin im Mann-Clan. Die Autorin recherchierte in Niendorf an der Ostsee, wo Nelly aufwuchs, und in Lübeck ebenso wie an den Exilorten Nelly und Heinrich Manns in Südfrankreich, New York und Los Angeles: ein romanreifes Leben. Zu Recht bestreitet Jüngling die gelegentlich geäußerte Meinung, Heinrich Manns Roman "Ein ernstes Leben" sei als Schlüsselroman über das frühere Leben seiner Geliebten und späteren Ehefrau zu lesen.

Als sinnlich-üppige Berliner Bardame lernte Nelly Kröger Heinrich Mann in den späten zwanziger Jahren auf dem Höhepunkt seines Ruhms kennen. Sie sorgte dafür, dass er 1933 rechtzeitig nach Südfrankreich ausreiste, und folgte ihm, später auch in die Vereinigten Staaten. Diese Entwurzelung bekam ihr schlecht. Ihr anfangs noch heiterer Umgang mit dem Alkohol nahm bedrohliche Züge an, zusätzlich griff sie zu Beruhigungsmitteln. Schon in Südfrankreich und später in Amerika kam es zu Zusammenbrüchen, Krankenhausaufenthalten und rabiaten Entziehungskuren. Zudem geriet Heinrich Mann in Amerika in eine finanzielle Notlage. Nelly musste arbeiten und den Haushalt führen. Von der übrigen Familie Mann und von vielen Mitemigranten wegen ihrer Ausfälle verachtet, nahm sie sich im Dezember 1944 das Leben. Vier Suizidversuche waren vorangegangen.

Kirsten Jüngling gelingt es beeindruckend, Nelly Mann gerecht zu werden, ohne ihre Verächter in ein ungebührliches Licht zu rücken. Anrührend bleibt auch die Schilderung von Heinrichs tiefer, oft aber hilfloser Liebe zu einer Frau, die es ihm und seinen Freunden immer recht machen wollte und doch selbst des Schutzes und der Fürsorge bedurfte. Die Autorin beweist unabsichtlich, dass Heinrich Breloer in seinem Film über die Familie Mann mit Veronica Ferres als Nelly eine gute Wahl getroffen hat, wenngleich das Drehbuch im Vergleich zu den wirklichen Desastern im Leben dieser Frau zu harmlos wirkt.

Kirsten Jüngling unterschlägt bei allem ausführlich geschilderten Ungemach auch nicht den Witz der Nelly Mann, die sich selbst einmal "Tusnelda Kannichtsdafür" und ihre Schwägerin Katia "Frau Reichspräsidentin" nannte. Zu beklagen ist allerdings, dass die Endnoten nicht nur mit Quellen, sondern auch mit vielen weiteren inhaltlichen Informationen aufwarten, die eigentlich ins Buch hineingehören.

MARTIN THOEMMES

Kirsten Jüngling: "Ich bin doch nicht nur schlecht". Nelly Mann. Die Biografie. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 239 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Großes Lob spendet Martin Thoemmes der Autorin Kirsten Jüngling für ihre Biografie der Nelly Mann, Heinrich Manns Ehefrau, die Thomas Mann als "arge Hur" zu schmähen pflegte. Heinrich Mann hatte Nelly als Bardame in Berlin kennen gelernt und war mit ihr 1933 ins Exil gegangen, zunächst nach Südfrankreich und dann in die USA. Schwer dem Alkohol verfallen, nahm sie sich 1944 das Leben, erzählt der Rezensent. Ihm gefällt, dass die Autorin nicht nur die tragischen Stationen dieses sehr bewegten Lebens vor Augen führt, sondern auch Nelly Manns "Witz" ins rechte Licht zu rücken weiß und damit ihrer Person gerecht wird, ohne ihre Kritiker zu verunglimpfen. Die Darstellung der tiefen Liebe Heinrichs zu seiner Frau, mit der er sie dennoch nicht retten konnte, findet der Rezensent sehr bewegend, wie er schreibt. Seine einzige Kritik an dieser wie er lobt insgesamt sehr gelungenen Lebensbeschreibung bleibt, dass die vielen Informationen, die in den Endnoten des Buches versteckt sind, sich im Haupttext besser gemacht hätten.

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