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Hans-Peter Schwarz, einer der führenden Zeithistoriker des Landes, hat als erster Biograf freien Zugang zu den Archiven des Springer-Verlages erhalten, auch zu den privaten Aufzeichnungen des 1985 verstorbenen Verlegers. Seine intensiven Recherchen haben sich gelohnt : Erstmals ist nun ein fundierter, kritischer Blick auf den "Mammutverleger", wie er sich selbstironisch nannte, möglich. Sei es der kometenhafte Aufstieg aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs oder der spektakuläre Besuch bei Chruschtschow in Moskau, seien es die resignierten Verkaufsabsichten auf dem Höhepunkt der 68er Unruhen…mehr

Produktbeschreibung
Hans-Peter Schwarz, einer der führenden Zeithistoriker des Landes, hat als erster Biograf freien Zugang zu den Archiven des Springer-Verlages erhalten, auch zu den privaten Aufzeichnungen des 1985 verstorbenen Verlegers. Seine intensiven Recherchen haben sich gelohnt : Erstmals ist nun ein fundierter, kritischer Blick auf den "Mammutverleger", wie er sich selbstironisch nannte, möglich. Sei es der kometenhafte Aufstieg aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs oder der spektakuläre Besuch bei Chruschtschow in Moskau, seien es die resignierten Verkaufsabsichten auf dem Höhepunkt der 68er Unruhen oder die privaten Turbulenzen Springers Leben liefert alle Ingredienzen für eine große Biografie. Hans-Peter Schwarz hat sie geschrieben.
Autorenporträt
Hans-Peter Schwarz, geboren 1934, ist Professor für Politik und Zeitgeschichte und u. a. Verfasser zweier Bände der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über die Ära Adenauer. Zahlreiche Auszeichnungen, wie 1999 den Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2008

Prinz und Buhmann
Eine neue historische Biographie über Axel Cäsar Springer bietet Einblicke und einige Einsichten
Der Fall Axel Cäsar Springer war erst vor wenigen Wochen aktuell. Das Hanseatische Oberlandesgericht musste sich mit dem Erbe des Verlegers und dem Streit zwischen Friede Springer und Verlegerenkel Axel Sven, kurz Aggi, befassen. Zeugen wurden vernommen, die im Gerichtssaal noch einmal detailliert die letzten Tage Springers schilderten. Schließlich sprach der Richter ein Urteil: Friede bekam Recht. Doch Aggi will nun wohl zum Bundesgerichtshof – der Erbfall Axel Cäsar Springer wird die Gerichte weiter beschäftigen.
Das Leben des legendären Verlegers aus Hamburg, der nach dem Zweiten Weltkrieg in kurzer Zeit aus dem kleinen Regionalverlag seines Vaters einen der größten Zeitungskonzerne Europas machte, lässt viele nicht los. An diesem Donnerstag erscheint, fast 23 Jahre nach seinem Tod, die bisher umfangreichste Biographie mit dem schlichten Titel: „Axel Springer” (Propyläen-Verlag, Berlin 2008). Auf 734 Seiten schildert der bekannte Historiker Hans-Peter Schwarz, 73, die vielschichtige Persönlichkeit Springers und die Entwicklung seines Konzerns. Er geht dabei wissenschaftlich vor – alle Fakten werden mit Quellen belegt, alleine die Fußnoten machen mehr als 60 Seiten aus. Zudem wird immer wieder das zeithistorische Umfeld geschildert, die Person Springer eingeordnet. Schwarz gelingt es aber trotz dieses nüchternen Blickwinkels lebhaft zu erzählen, insbesondere im weiteren Verlauf des Buches; die ersten 60 Seiten über Springers Jugend und sein Leben im Dritten Reich lesen sich noch etwas trocken.
Schwarz, der drei Jahre an dem Buch gearbeitet hat, kann mit vielen Einzelheiten und manchen neuen Einsichten aus der wechselvollen Geschichte des Verlages aufwarten. Aber die Geschichte Springers muss nicht umgeschrieben werden, am Ende ist auch keine Abrechnung mit der Person Springer entstanden, sondern ein differenziertes, in der Grundtendenz eher wohlwollendes Bild.
Geöffnete Archive
Schwarz, der unter anderem mit einer viel gelobten Biographie über Konrad Adenauer berühmt wurde, hatte nach Angaben aus dem Hause Axel Springer als erster bedingungslosen Zugang zu den Archiven des Pressekonzerns und führte viele Interviews – davon lebt das Buch. Die relevanten Dokumente seien ihm fast ausnahmslos und ohne jede Auflage zur Verfügung gestellt worden, berichtet Autor Schwarz. Sowohl die Verlegerwitwe Friede Springer als auch Konzernchef Mathias Döpfner hätten ihn bei seinen Recherchen unterstützt. „Es ist ganz und gar nicht eine Auftragsproduktion. Es ist auch keine autorisierte Biographie”, betont Schwarz, der zum Verleger Springer selbst in keiner Verbindung gestanden hatte. Es zeuge doch von einer Liberalität der Familie Springer, sagt Schwarz, dass er „die Leichen aus dem Keller holen durfte”.
Dazu gehört die Geschichte, wie Springer Mitte der siebziger Jahre fast Die Welt an die Frankfurter Allgemeine Zeitung verkauft hätte. Der Verleger wollte das Blatt, das seit Ende der Fünfziger hohe Verluste produziert hatte, los werden. Lange wurde mit dem Management der FAZ verhandelt. Schließlich waren Anfang 1976 alle Einzelheiten geklärt, die Welt sollte eingestellt werden, in der FAZ aufgehen und nur noch im Untertitel der Frankfurter Allgemeinen weiterleben. Am Abend vor der Vertragsunterzeichnung hat Springer eine Kehrtwende vollzogen und die Sache abgeblasen: „Wenn wir Die Welt nicht mehr haben, bin ich nichts weiteres als der Bild-Verleger, alles andere zählt nicht.”
Schonungslos erzählt Schwarz, wie der Bild-Gründer idealistisch an die schnelle Wiedervereinigung glaubte und damit daneben lag. Schließlich reiste er nach Moskau zu Chruschtschow und scheiterte grandios. Interessant, wie Springer während der Studentenunruhen („Enteignet Springer!”) 1968 ernsthaft über einen Verkauf des Verlags nachgedacht hat. Bis 1967 habe sich Springer ohnehin als „Liebling der Götter” begriffen, er habe nie die Sehnsüchte eines verwöhnten Kindes abgelegt, von allen geliebt und verhätschelt zu werden. Doch dann kam die Zäsur: „Auf einmal wurde Prinz Charming zum Buhmann erklärt.”
Im Oktober 1969 habe es erste Gespräche mit dem Gütersloher Bertelsmann-Eigentümer Reinhard Mohn gegeben, schreibt Schwarz, die Verhandlungen gediehen weit. Ausgerechnet der Stern aus dem Hause Bertelsmann berichtete dann exklusiv über den Deal – die bereits geschlossenen Verkaufsverträge wurden wieder gelöst. „Dieser Mann war eine Ansammlung von Widersprüchen”, heißt es in der Biographie. Schwarz beschreibt den Lebemann Springer, seine Affären und seine fünf Ehen, die Probleme mit den Kindern, seine gesundheitlichen Schwierigkeiten, seinen Glauben an Astrologie. An einer Stelle heißt es: „Der junge Axel Springer war ... ein Bruder Leichtfuß... Er war damals underworked und over-sexed.” Was übrigens seine letzte Ehefrau Friede Springer von der Biographie hält, ist unbekannt. Es gebe noch keine Reaktion von ihr, berichtet Autor Schwarz. CASPAR BUSSE
Axel Cäsar Springer 1984 in seinem Haus in Berlin-Schwanenwerder (links). „Underworked und over-sexed” sei der Verleger vor allem in seinen jungen Jahren gewesen, heißt es in der neuen Springer-Biographie. Foto: Ullstein/Nagel
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2008

Vom Götterliebling zum Buhmann der Nation
Verfolgt von den Frauen, angetrieben durch die deutsche Teilung: Axel Springers Leben stellt Hans-Peter Schwarz opulent dar

Er war jahrzehntelang umstritten wie kein anderer deutscher Verleger. Dabei spielte sicherlich eine Rolle, dass es Axel Cäsar Springer gelungen war, in rund zwei Jahrzehnten ein Mammutunternehmen aufzubauen. Das löste - zumal in Zeiten und bei Leuten, die den Kapitalismus grundsätzlich kritisch sahen - schon in sich Besorgnisse aus. Aber entscheidend für die verbreitete Abneigung waren Springers politische Stellungnahmen, die im Laufe der Zeit im Widerspruch zu wachsenden Teilen der deutschen Öffentlichkeit standen. Springer war eine ungemein komplexe und dadurch biographisch außerordentlich reizvolle Persönlichkeit, die schon wiederholt Autoren zur Feder greifen ließ. Aber erst jetzt wurde mit Hans-Peter Schwarz, dem renommierten Zeithistoriker, der Autor für ein großes Werk gefunden. Erstmals hat man ihm das Privatarchiv der Familie und das Unternehmensarchiv der Axel Springer AG zur Verfügung gestellt. Man kam dabei überein, Schwarz alle relevanten Dokumente fast ausnahmslos (bis auf die privaten Konten Springers, seine beiden Testamente und die Vorstandsprotokolle der Axel Springer AG) auswerten zu lassen. Er legt nun eine breit, vielleicht streckenweise zu breit angelegte, detailreiche, ja opulente Darstellung vor.

Wer war dieser Mann? Er wurde am 2. Mai 1912 in Altona geboren, wo er die ersten dreißig Jahre seines Lebens verbrachte. Altona war damals noch selbständig, eine wohlhabende Stadt am Westrand Hamburgs. Sein Vater, Hinrich Springer, Verleger der lokalen Altonaer Nachrichten, brachte es zu einem gewissen Wohlstand, der ihm erlaubte, an der Elbchaussee zu residieren, ja sogar ein Landhaus in der Heide zu erwerben. Hinrichs bürgerliche, unternehmerische Einstellung prägte seinen Sohn. Axel ist gewissermaßen mit dem Geruch von Druckerschwärze groß geworden. Auch private Neigungen Hinrichs übernahm der Sohn. Er hatte zur ehelichen Treue "ein, so möchte man sagen, typisch Springersches Verhältnis". Axels idealistische und emotionale Mutter Ottilie liebte und verwöhnte, ja verzog ihn. Seit seinem ersten Matrosenanzug hatte er eine geradezu kindliche Freude am Luxus, genoss noch Jahrzehnte später dandyhaft edle Anzüge, maßgearbeitetes englisches Schuhwerk, feine Accessoires. In der Schule allerdings scheiterte er, musste nach der sechsten Klasse abgehen. Die spätere Tätigkeit im väterlichen Betrieb füllte ihn nicht aus. Dieser quirlige, unfertige, aber selbstbewusste junge Mann wurde ein Bruder Leichtfuß, "under-worked and over-sexed". 1933 heiratete er das erste Mal, eine Halbjüdin. Aber die Ehe scheiterte, kaum dass sie richtig begonnen hatte - übrigens nicht wegen antisemitischen Drucks des Regimes, sondern wegen "mehrfacher Beziehungen zu anderen Frauen". Mit dem Nationalsozialismus hatte Springer nichts am Hut, ja er half Verfolgten, blieb ansonsten ein munterer Bonvivant, genoss, was das Leben lange auch im "Dritten Reich" trotz der Diktatur an Vergnügungen und Annehmlichkeiten zu bieten hatte. Als ihn nach dem Krieg britische Presseoffiziere fragten, ob er ein NS-Verfolgter sei, antwortete er: "Eigentlich bin ich nur von den Frauen verfolgt worden." Es gelang ihm mit Hilfe immer wieder verständnisvoller Ärzte, sich der Wehrmacht zu entziehen. Seine Leiden waren nicht nur erfunden. Springer hatte lebenslang eine labile Gesundheit, was sicher auch psychosomatisch bedingt war.

Nach Kriegsende wurde Hamburg zur Pressemetropole, und Springer wirkte, voller Energie und vom Glück begünstigt, mittendrin. Während schon 1946 Hör zu herauskam und 1947, im Jahr der Gründung der Axel Springer GmbH, Constanze, war sein Durchbruch 1948 das Hamburger Abendblatt. In seinem Antrag auf Lizenzierung betonte er, er fühle sich den humanitären Forderungen der fortschrittlich gesinnten deutschen Linken verbunden, fügte freilich hinzu, der Wert des Individuellen sei durch nichts zu ersetzen. Er bekannte sich zur liberal-sozialen Tendenz. Auch später hat er im Rückblick verschiedentlich betont, er komme ja eigentlich von der SPD her. Im Kern war er allerdings damals an unpolitischen Publikationen interessiert. Er hasste das Wort elitär, wollte eine rundum populäre Zeitung machen, erfasste mit unheimlicher Sicherheit die Wünsche des kleinen Mannes. Daher kam 1952 Bild auf den Markt, die bis heute beispiellos erfolgreiche Erfindung des Verlegers, eine gedruckte Antwort auf das im gleichen Jahr beginnende Fernsehen. In wenigen Jahren wurde Springer vom Jungverleger zum Großverleger und dann Mammutverleger. Er kaufte 1953 von den Briten Die Welt, was ihm das Renommee eines seriösen, politisch einflussreichen Verlegers einbrachte. Ab 1956 erwarb er sukzessive den Ullstein-Verlag.

Der atemberaubende Erfolg stieg ihm zu Kopfe. Er glaubte allen Ernstes, politisch auf höchster Ebene Einfluss nehmen zu können. Die Bindung an die Vereinigten Staaten und vor allem an Israel sowie das freie Berlin waren ihm wichtig. Schon in den frühen fünfziger Jahren erwog er den Umzug in die alte Reichshauptstadt. Die deutsche Teilung lag ihm schwer auf der Seele, wobei es ihm weniger um die nationale Einheit als das Schicksal der Menschen ging. Unter dem Einfluss eines Bekehrungserlebnisses in St. Severin auf Sylt 1956, einer Vision vom Herbst 1957 im kalifornischen Santa Barbara sowie eines makabren Erlebnisses an Silvester unter dem Brandenburger Tor fasste er den Entschluss, im Januar 1958 nach Moskau zu reisen, um dem sowjetischen Führer einen eigenen Stufenplan der Wiedervereinigung schmackhaft zu machen. "Was er Chruschtschow hier ablieferte, war nicht romantisch, sondern schlicht unprofessionell - der Schulaufsatz eines Gutmenschen." Wie kann man sich bei einem so intelligenten Menschen einen derartigen Fauxpas erklären? "Abergläubisch, wie er damals noch war, hat er sich möglicherweise durch ein törichtes Horoskop zu der törichten Moskaureise bewegen lassen."

Der Russlandfahrt war eine tiefe Krise Springers vorausgegangen. In dem einer Mönchszelle ähnlichen, verdunkelten Gebetsraum, den er sich im Turmhaus seiner Villa hatte einrichten lassen, verbrachte er ganze Nächte, betete, meditierte und dachte über die eigene Bestimmung nach, erlebte Momente erhitzter Religiosität. "Alles, was Springer zu erfahren glaubte - Elevationen, Stigmatisierung, Engelserscheinungen, Erwähltheitsglaube, Todeswunsch in der Hoffnung, als Messias zurückzukehren -, ist als Erscheinungsform psychischer Störungen zu begreifen, schlimmstenfalls als Anzeichen beginnender Schizophrenie." Springers dritte Ehefrau Rosemarie, die als Einzige vollen Überblick hatte, stellte im Nachhinein fest, es sei noch viel schlimmer gewesen, als es in den bisherigen Biographien zu lesen war. Sie hatte zusammen mit ihrem Mann die Hütte des Nationalheiligen Nikolaus von der Flüe in der Schweiz aufgesucht. Wie sie berichtet, war Axel so erschüttert, dass sie damals fürchtete, er werde ein Gelübde tun, sich von seinem gesamten Vermögen zu trennen. Offenbar war Springer bei Nikolaus besonders beeindruckt von der Verbindung von Asket und Friedensstifter.

Gegen Ende des Jahres 1958, an dessen Anfang ein ziemlich weit nach links geratener Verleger bei Chruschtschow siebzehn Tage lang antichambriert hatte, bis er doch noch zu einem Interview vorgelassen wurde, brach die zweite Berlin-Krise aus. Sie machte Springer zum kalten Krieger. Er beschloss, den Schwerpunkt seines Verlages nach Berlin zu verlegen. Im Mai 1959 wurde der Grundstein für das neue Verlagsgebäude im alten Kreuzberger Zeitungsviertel unmittelbar an der Sektorengrenze gelegt (das allerdings erst 1966 eröffnet werden konnte). Springer war von jetzt ab entschlossen, seine Zeitungen energisch zu politisieren. Er wirkte nun darauf hin, alle seine politisch wirksamen Blätter strikt antikommunistisch argumentieren zu lassen, war entschlossen, die Politik in gewissem Umfange für wichtiger zu halten als die Gewinnmaximierung, zeigte sich bereit, notfalls auch Verluste in Kauf zu nehmen.

1967/68, im Zeichen der heraufziehenden studentischen Protestbewegung, wurde der Götterliebling innerhalb weniger Monate zum Buhmann der Nation. Als Springer seinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt demonstrativ nach Berlin verlegte, musste er feststellen, dass er sich ahnungslos mitten in ein Wespennest gesetzt hatte. Kaum war die prächtige Einweihungszeremonie für das Verlagsgebäude in der Kochstraße vorüber, wurde aus der FU innerhalb weniger Monate eine Art revolutionärer Zelle. Westdeutsche Intellektuelle, verlegerische Konkurrenten Springers, die DDR sowieso, machten gemeinsam Front gegen ihn. "Enteignet Springer" hieß es jetzt. Ostern 1968 kam es zu schweren Ausschreitungen vor dem Verlagshaus. Er hatte bis dahin nie ganz die Sehnsucht eines verwöhnten Kindes abgelegt, möglichst von allen geliebt und verhätschelt zu werden. Charmant, aber auch wegen seiner Launenhaftigkeit und jähen Zornesausbrüchen gefürchtet, war er bisher damit durchgekommen. Urplötzlich liebte ihn, so schien es, niemand mehr - oder doch nur ganz wenige. "Der öffentliche Liebesentzug hat auf ihn wie ein Schock gewirkt und ihn im tiefsten Inneren dauerhaft verunsichert." Auf wen, auf was konnte man sich überhaupt noch verlassen? Helmut Schmidt, damals Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag und bundesweit als bedeutender strategischer Kopf geachtet, hatte ihn am 20. August 1968 belehrt, dass die Russen nicht in Prag einmarschieren könnten - was einige Stunden später passierte. Von nun an hielt Springer alles für möglich, und er plante sein Entkommen im Falle eines sowjetischen Überraschungsangriffs. "Alles musste bestens vorbereitet sein: Fluchtwohnungen in Schleswig-Holstein, Dänemark und Norwegen, selbst ein gut verstecktes Schlauchboot mit Luftpumpe zum Aufblasen am Kaiser-Wilhelm-Kanal, um heimlich überzusetzen! Vor allem aber: wohlgefüllte Auslandskonten und Immobilien in Florida, England und in der Schweiz! Der Gedanke, als Bettler ins Exil zu gehen, war für Springer ein Albtraum."

Er wurde nicht mutlos, aber sehr, sehr vorsichtig. Von nun an spielte er dauernd mit dem Gedanken, den umstrittenen Konzern zu verkaufen. Halt fand er jetzt bei Friede Riewerts, die als Erzieherin von Springers Sohn Nikolaus nach dem Scheitern der vierten Ehe erst die neue Geliebte und dann seit 1968 seine Lebensgefährtin, allerdings erst 1977 seine Frau wurde. Der Hass großer Teile der akademischen Jugend setzte Springer sehr zu. In Friede jedoch besaß er jetzt eine schöne junge Frau, die an ihn glaubte. Sie besaß gesunden Menschenverstand und übernahm mehr und mehr die nicht einfache Aufgabe, das Leben dieses Ruhelosen in Ordnung zu bringen.

Ende der siebziger Jahre, nach dem "roten Jahrzehnt", und erst recht nach dem Selbstmord seines Sohnes Axel 1980 beschäftigte Springer mehr und mehr die Sorge um sein geschäftliches und politisches Erbe. Schon 1976 hatte er den Verkauf der Welt an die F.A.Z. betrieben, was fehlschlug. Inzwischen war der Gedanke, möglichst viel loszuwerden, zur fixen Idee geworden. Er wollte verkaufen. Doch an wen und wie viel? Die große Burda-Lösung scheiterte am Veto des Bundeskartellamts. Und auf welche Weise ließ sich die politische Richtung seiner Blätter sichern? Das beschäftigte ihn bis an sein Lebensende. Schwarz schließt einprägsam: "Von allen Seiten bezog er gewaltige Prügel, und so hatte er stets mit der Versuchung zu ringen, den Mammutverlag irgendwie abzustoßen und sich auf seine schönen Landsitze zurückzuziehen. Doch letztlich hat er sich immer wieder davon überzeugt, dass seine Aufgabe darin bestand, nicht den glänzenden Privatier zu spielen, sondern den zähen Dissenter. Auch deshalb ist er in einem Land erinnerungswürdig, wo die angepassten Leisetreter viel angesehener sind als die politisch unkorrekten Unruhestifter."

ARNULF BARING

Hans-Peter Schwarz: Axel Springer. Die Biographie. Propyläen Verlag, Berlin 2008. 733 S., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit hohem Lob bedenkt Arnulf Baring diese Biografie Axel Springers, die der Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz verfasst hat. Zwar wurde das Leben des Verlegers wiederholt von verschiedenen Autoren dargestellt. Aber erst mit Schwarz' Buch liegt in Barings Augen das "große Werk" über diese schillernde Persönlichkeit vor. Dabei hebt er hervor, dass für den Autor erstmals das Privat- und das Unternehmensarchiv geöffnet wurden. Schwarz' Darstellung würdigt er als umfassend, eingehend, ja "opulent". In aller Breite schildert Baring dann seinerseits Springers Leben, berichtet über seine Karriere, die Erfindung der Bild-Zeitung, den Aufbau seines Verlagsimperiums, seine Frauengeschichten, religiösen Erleuchtungen und politischen Einstellungen.

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