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Mit seinem Buch über die Dohnanyis schlägt Jochen Thies ein faszinierendes Kapitel sowohl der Zeit- als auch der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts auf. Im Mittelpunkt stehen der große ungarische Komponist Ernst von Dohnányi, dessen Sohn Hans - als eine der zentralen Figuren des Widerstands gegen Hitler - sowie dessen Söhne Klaus und Christoph, Politiker von hohem Renommee der eine, Dirigent von Weltrang der andere.
Die Geschichte der Dohnanyis gehört zu den bewegendsten Kapiteln, die es über große deutsche Familien zu erzählen gibt. Familiengeschichte bedeutet in diesem Fall die
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Produktbeschreibung
Mit seinem Buch über die Dohnanyis schlägt Jochen Thies ein faszinierendes Kapitel sowohl der Zeit- als auch der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts auf. Im Mittelpunkt stehen der große ungarische Komponist Ernst von Dohnányi, dessen Sohn Hans - als eine der zentralen Figuren des Widerstands gegen Hitler - sowie dessen Söhne Klaus und Christoph, Politiker von hohem Renommee der eine, Dirigent von Weltrang der andere.
Die Geschichte der Dohnanyis gehört zu den bewegendsten Kapiteln, die es über große deutsche Familien zu erzählen gibt. Familiengeschichte bedeutet in diesem Fall die einzigartige Verknüpfung von Zeitläuften und Lebensläufen, von Mut und Begabung, von politischem Engagement und musikalischem Talent.

125 Jahre und drei Generationen nimmt der Historiker Jochen Thies in den Blick und spannt den Bogen von der k. u. k.-Monarchie über das Berlin des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik, das Dritte Reich und den zweiten Weltkrieg bis hin zur Bundesrepublik unserer Tage.

Auf der Basis jahrelanger Recherchen und intensiver Gespräche mit Familienmitgliedern und Weggefährten porträtierte Thies eine Familie zwischen Politik und Musik, in der Triumph und Tragik nahe beeinander liegen und sich das turbulente 20. Jahrhundert in beredter Weise spiegelt.
Autorenporträt
Jochen Thies, geboren 1944 in Rauschen in Ostpreußen, Dr. phil., studierte Romanistik, Geschichte und Politische Wissenschaft. Er war Redenschreiber von Bundeskanzler Helmut Schmidt, Ressortleiter Außenpolitik der Tageszeitung Die Welt, Chefredakteur der Zeitschrift Europa-Archiv/Internationale Politik und viele Jahre lang in leitenden Stellungen bei der ARD tätig. Er ist Autor zahlreicher Bücher; seine Themen sind Außenpolitik, Zeitgeschichte, Biografien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2004

Mit und ohne Akzent auf dem a
Die Familiengeschichte der Dohnanyis über drei Generationen

Jochen Thies: Die Dohnanyis. Eine Familienbiographie. Propyläen Verlag, München 2004. 416 Seiten, 24,- [Euro].

Zum siebzehnten Geburtstag ein Brief aus dem Gefängnis: Hans von Dohnanyi schrieb seiner besorgten Tochter Barbara im Juli 1943, wie froh er darüber sei, keinen Sohn, sondern gerade sie als Erstgeborene zu haben: "Und noch heute finde ich, daß meine Älteste im Haus der Atmosphäre ein gewisses Etwas gibt, je älter sie wird um so mehr, daß ich nicht missen möchte." Später stand Barbara nie im Rampenlicht - wie ihre Brüder Klaus und Christoph. Und doch beeindruckte sie den Historiker und Journalisten Jochen Thies Ende der siebziger Jahre derart, daß er sich zunächst gelegentlich, dann immer intensiver mit der "außergewöhnlichen Familienbiographie" der Dohnányis beziehungsweise Dohnanyis befaßte, mit deren Erfolgen "in Konzertsälen und auf dem Felde der Politik".

Barbaras Großvater Ernst, 1877 in Ungarn geboren und 1908 in Berlin zum Professor ernannt, kehrte im Ersten Weltkrieg nach Budapest zurück und wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg in die Vereinigten Staaten aus. Den 1960 verstorbenen Komponisten, Pianisten, Dirigenten und Lehrer von Georg Solti hält Thies für den bedeutendsten Namensträger: "Es ist durchaus möglich, daß das spätromantische Werk dieses musikalischen Genies und Weltbürgers am Ende die Lebensleistung aller anderen Mitglieder der Dohnányi-Familie überdauern und den Familiennamen auf unbegrenzte Zeit zum Klingen bringen wird."

Das schrecklichste Schicksal des "Clans" erlitten sicherlich der 1902 geborene Komponistensohn Hans und dessen Ehefrau Christine, eine Schwester von Dietrich Bonhoeffer. Von Anfang an durchschaute der enge Mitarbeiter des Reichsjustizministers Franz Gürtner den verbrecherischen Charakter des "Dritten Reiches" und sammelte belastende Dokumente, um der NS-Führung nach einem Umsturz den Prozeß machen zu können. Der spätere Reichsgerichtsrat und Abwehr-Mitarbeiter verhalf in den Kriegsjahren bedrohten Juden sogar zur Ausreise ins Ausland, indem er die Verfolgten als Agenten ausgab. Über Devisendelikte im Zusammenhang mit widerständigen Aktivitäten geriet der tapfere Hans von Dohnanyi in die Fänge des Regimes. Seine Verhaftung erfolgte im April 1943. Anderthalb Jahre später entdeckte die Gestapo im Zuge der Ermittlungen nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli die in den dreißiger Jahren angelegte Aktensammlung. Dieser Fund in einem Safe des Oberkommandos des Heeres in Zossen bedeutete praktisch Dohnanyis Todesurteil. Wenige Wochen vor Kriegsende wurde er - wie auch Bonhoeffer - im Konzentrationslager Sachsenhausen gehenkt.

Über die Exekutionen wurde Christine von Dohnanyi nicht sofort unterrichtet. Zwischen April und September 1945 suchte sie verzweifelt nach Menschen, die ihren Mann in den letzten Lebenstagen gesehen hatten, obwohl es doch für sie und die drei Kinder ums pure Überleben ging. Anschließend füllte hauptsächlich der "Kampf um das Vermächtnis des bürgerlichen Widerstands" und gegen verleumderische Behauptungen über ihren Ehemann die zwei Jahrzehnte bis zu ihrem Tod 1965 aus: "Im Rückblick will es scheinen, daß es zu den größten Unterlassungen der jungen Bundesrepublik gehörte, Menschen wie Christine, die ganz offenkundig zur Übernahme öffentlicher Ämter bereit und geeignet waren, nicht mit wichtigen Aufgaben zu betrauen. Aber das war gewollte Politik. Adenauer vergab nur mit äußerster Zurückhaltung Posten an Widerstandskämpfer, er mißtraute vor allem ihrer außenpolitischen Orientierung."

Klaus von Dohnanyi, Jahrgang 1928, verwirklichte - so Thies - in seinem beruflichen Werdegang das, was dem Vater durch das "Dritte Reich" verwehrt blieb. Als Traumziel umschrieb der älteste Sohn einmal, "unter einem guten Bundeskanzler Chef des Kanzleramtes zu werden". Nach der Meinung des Familienbiographen hat er "das Format zum Kanzler, doch die Zeitläufte stellten andere Weichen". Der Jurist leitete die Planungsabteilung der Kölner Ford-Werke und war geschäftsführender Gesellschafter eines Münchener Markt- und Meinungsforschungsinstituts, bis er 1968 in die Politik wechselte. Er war beamteter Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, leitete von 1972 bis 1974 dieses Ressort, unterstützte Hans-Dietrich Genscher ab 1976 als Staatsminister im Auswärtigen Amt, war von 1979 bis 1981 SPD-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz und trat 1981 die Nachfolge von Hans-Ulrich Klose als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg an. Nachdem er das "Problem" der besetzten Häuser in der Hafenstraße gewaltlos gelöst hatte, trat er kurz vor seinem sechzigsten Geburtstag am 10. Mai 1988 überraschend zurück - mit der Begründung, einen wachsenden Widerspruch zwischen Worten und Taten in der Politik ausgemacht zu haben. Später schob er nach, daß er über politisch-wirtschaftliche Fragen verstärkt nachdenken und die schwierige Führung der Hansestadt in jüngere Hände legen wollte. Thies ergänzt: "Die Richtungskämpfe innerhalb der SPD, der Vorwurf der Rechten, er sei kein Mann von ,law and order', und die Kritik der Linken, er sei zu wirtschaftsfreundlich, er habe der FDP zu viele Konzessionen gemacht, haben dem sensiblen Politiker zugesetzt. Der entscheidende Beweggrund für den Abschied aus der Politik dürfte gewesen sein, daß Dohnanyi einfach etwas anderes machen wollte." Nach einem kurzen Blick auf Dohnanyis diverse Kommissionsaktivitäten und Redebeiträge resümiert Thies: "Gleichwohl bleiben die Jahre im Kabinett von Willy Brandt für ihn der Höhepunkt seines beruflichen Weges."

Leicht blaß ist das Porträt des SPD-Politikers und Großbürgers - eine an sich schwierige Kombination - geraten, der sich gegenüber Thies trotz stundenlanger Interviews offenbar nicht besonders auskunftsfreudig zeigte. Der Autor gewinnt jene Hochform, die seine einfühlsamen und packend erzählten Kapitel über Ernst und Hans auszeichnen, auch nicht mehr ganz zurück, wenn er sich dem jetzt 75 Jahre alten Christoph von Dohnányi zuwendet. Der schreibt sich wie der ungarische Großvater mit dem Akzent auf dem a und eifert diesem als Stardirigent nach. Während des Studiums verbrachte er 1951/52 eine "kurze Lehrzeit" bei Ernst von Dohnányi in Tallahassee im Nordwesten Floridas, um sodann als "Korrepetitor mit Dirigierverpflichtung" in Frankfurt am Main unter dem temperamentvollen Generalmusikdirektor Solti zu dienen.

Den ersten Chefposten übernahm Dohnányi bereits 1957 in Lübeck, wechselte dann nach Kassel und von dort 1968 wieder in die Main-Metropole. In seiner zweiten Frankfurter Phase stand er zusätzlich als Chefdirigent dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester vor. Von 1977 bis 1984 war er Intendant der Hamburgischen Staatsoper, von 1982 bis 2002 hatte er die künstlerische Verantwortung für das Cleveland Orchestra inne, und seit diesem Herbst ist er Chefdirigent des NDR-Sinfonieorchesters in Hamburg: "Der 1,82 Meter große Mann mit der weißen Künstlermähne weiß, daß er in seinem Leben alles erreicht hat." In der Musikwelt war er so gefragt, daß während seiner Staatsopernzeit an der Elbe der Spitzname "Herr Doch-nie-da" die Runde machte. Mit der Heimkehr aus den Vereinigten Staaten nach Hamburg, von wo aus Bruder Klaus nach wie vor als elder statesman wirkt und wo seine Eltern mit den Kindern Ende der zwanziger/Anfang der dreißiger Jahre "die glücklichsten, am wenigsten beschwerten Jahre verbrachten", schließt sich nach den Beobachtungen des Familienbiographen ein Kreis: "Die Dohnányis sind in Deutschland angekommen."

RAINER BLASIUS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.07.2004

Vier Männer, vier Dohnanyis
Die Geschichte einer Familie zwischen Musik und Widerstand
JOCHEN THIES: Die Dohnanyis. Propyläen Verlag, Berlin 2004. 350 Seiten, 24 Euro.
Die Auseinandersetzung mit dem Widerstand gegen Hitler gehört nicht zu den erfreulichen Kapiteln deutscher Nachkriegsgeschichte. Zu viele Zeitzeugen erlagen der Versuchung, die eigene Verstrickung erklären zu wollen. Sie belasteten andere, die im Kampf gegen die nationalsozialistische Tyrannei ihr Leben riskierten, bezweifelten deren Motive. Aber auch die alliierten Siegermächte würdigten die Rolle des deutschen Widerstands nie richtig. Die innere Zerrissenheit der Widerstandskämpfer, die moralische Hypothek einer Rettung durch Verrat traf in Adenauers rheinischer Republik auf wenig Anerkennung.
Auch Hans von Dohnanyi, ein sensibler und mutiger Verschwörer, der sehr früh unter höchstem persönlichen Risiko gegen die Nazi-Herrschaft konspirierte, erfuhr später - wie seine überlebende Ehefrau Christine beklagte - nicht die Würdigung, die er verdiente. Dohnanyi lebte im Dilemma aller Widerständler: Er musste die Niederlage des eigenen Landes herbeisehnen und dabei den Sieg des Gegners mit vorbereiten. Als junger Jurist beobachtete er im Reichsjustizministerium und im Amt für Auslandsabwehr die Zerstörung der Weimarer Republik, mit der er sich vorbehaltlos identifizierte. Er erfuhr von allen Schandtaten der nationalsozialistischen Diktatoren, von Morden und Judenverfolgungen, die er akribisch dokumentierte. Die Papiere bewahrte er heimlich auf, um sie später gemeinsam mit anderen Regimegegnern vorweisen zu können.
„Mein Vater war ein kluger Konspirator”, hat der Sozialdemokrat Klaus von Dohnanyi über eine von seinem Vater organisierte Rettung von Juden vor dem Holocaust geschrieben, „aber zuallererst war er ein empfindsamer Mensch, ein Mann mit einem untrüglichen Sinn für Recht und Unrecht.” Hans von Dohnanyi gehörte zu keiner bestimmten Widerstandsgruppe, er war weder ein Konservativer noch ein Monarchist, und doch war er „die treibende Kraft und das Verbindungsglied zwischen bürgerlichen, gemäßigt linken und militärischen Widerstandsgruppen”. Zu diesem Urteil kommt der Historiker und Journalist Jochen Thies in seinem Buch „Die Dohnanyis”, in dem er die Geschichte einer außergewöhnlichen Familie schildert. Er teilt seinen Text in vier Lebensläufe auf, die von der k.-u.-k.-Monarchie bis in die heutige Bundesrepublik reichen: von Großvater Ernst von Dohnanyi, dem neben Bela Bartok bedeutendsten ungarischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, über den Widerstandskämpfer Hans von Dohnanyi, den die Nazis kurz vor Kriegsende im KZ Sachsenhausen ermordeten, bis zu dessen Söhnen Klaus und Christoph von Dohnanyi, Politiker der eine, Dirigent der andere. Sie leben in Hamburg und sind eng verbunden.
Es bleibt nach Lektüre des Buches etwas unverständlich und auch unbefriedigend, dass Thies nur die männlichen Familienmitglieder würdigt, zumal er ausführlich beschreibt, welch wichtige Rolle jeweils die Frauen im Leben der Dohnanyis spielten. Die zurückhaltend geschriebene, aneinander gereihte Biographien-Folge erklärt nicht ausreichend, was der gewaltsame Tod des Vaters im Leben der Söhne wirklich bedeutete. Mutter Christine, Ehefrau von Hans, eine geborene Bonhoeffer, hat den gefahrvollen Weg ihres Mannes von Anfang an begleitet, war in alle Umsturzpläne eingeweiht und trug jedes Risiko mit, ohne die Kinder einzuweihen.
Nur mit Hilfe von Barbara, der Schwester von Klaus und Christoph, konnte das Buch entstehen. Sie kooperierte mit dem Autor, den sie seit 25 Jahren kennt. Sie ermutigte ihn zum Schreiben, während Klaus und Christoph nur widerwillig assistierten, sich auf Korrekturen beschränkten, obwohl ihnen das Gedenken an den Vater und der deutsche Widerstand ein Anliegen sind. Vielleicht missfielen ihnen einige Schlusspassagen. Aus der Distanz äußert Autor Thies den Gedanken, dass die Dohnanyis „das Schicksal der Buddenbrooks ereilt hat”, dass „eine permanente Überanstrengung während drei Generationen die Familie in der darauf folgenden Generation
erschöpft hat”. Gleichwohl: Das Schicksal des Großvaters Hans von Dohnanyi bleibt allen nahe. An Gedenktagen
trifft sich regelmäßig die gesamte Familie.
HANS WERNER KILZ
Politiker und Widerstandskämpfer Hans von Dohnanyi.
Foto: SZ-Archiv
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hans Werner Kilz hat diese Biografie von vier Vertretern der Familie Dohnanyi, vom Komponisten Ernst von Dohnanyi über den Widerstandskämpfer im Dritten Reich Hans bis zu dessen Söhnen Klaus und Christoph mit großem Interesse gelesen, einiges hat ihn daran aber durchaus gestört und irritiert. So findet der Rezensent es schlichtweg "unverständlich und auch unbefriedigend", dass der Autor Jochen Thies sich in seiner Familiengeschichte auf die männlichen Familienmitglieder beschränkt und die durchaus einflussreichen und wichtigen Frauen der Familie ignoriert. Ebenfalls für vernachlässigt hält Kilz die Rolle, die der Tod von Hans von Dohnanyi, der im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet wurde, im Leben seiner Söhne spielte. Der Rezensent kann sich zudem vorstellen, dass Klaus und Christoph von Dohnanyi mit einigen Schlussfolgerungen ihres Biografen nicht recht einverstanden waren, den erinnert die Geschichte der Familie nämlich an die Buddenbrooks, die sich durch "permanente Überanstrengung während drei Generationen" schließlich in der "drauf folgenden Generation erschöpft hat".

© Perlentaucher Medien GmbH