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David Berger ist schwul. Führende Kirchenvertreter nutzen seine sexuelle Orientierung, um ihn auf Spur zu halten. In diesem Buch deckt der hochrangige Theologe auf, was sich in den erzkonservativen Kreisen der katholischen Kirche abspielt. Ein Insiderbericht, der aufrüttelt und einen Schlüssel zu den Skandalen in der katholischen Kirche liefert.

Produktbeschreibung
David Berger ist schwul. Führende Kirchenvertreter nutzen seine sexuelle Orientierung, um ihn auf Spur zu halten. In diesem Buch deckt der hochrangige Theologe auf, was sich in den erzkonservativen Kreisen der katholischen Kirche abspielt. Ein Insiderbericht, der aufrüttelt und einen Schlüssel zu den Skandalen in der katholischen Kirche liefert.
Autorenporträt
Berger, David
Der Theologe David Berger, 1968 geboren, wurde 2003 zum korrespondierenden Professor der Päpstlichen Akademie des heiligen Thomas von Aquin (Vatikan) ernannt und war Herausgeber von Theologisches, der führenden Zeitschrift konservativer Katholiken. Aus Protest legte er Anfang 2010 seine Herausgeberschaft nieder. Nach dem Erscheinen des Buches Der heilige Schein wurde ihm im Mai 2011 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Heute ist er als freier Journalist und Publizist tätig.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2010

Wir bitten, Heiliger Vater, um knackige Antworten
Benedikt XVI. und David Berger: Beide sind entsetzt über die Krise der katholischen Kirche, ihre Reformvorschläge sind indes ganz verschieden
Darf man das? Ein Buch des katholischen Theologen David Berger gemeinsam mit einem Buch des katholischen Theologen Joseph Ratzinger besprechen? Vor sechs, sieben Jahren wäre das kaum der Rede wert gewesen. Kardinal Joseph Ratzinger war als Präfekt der Glaubenskongregation der führende Denker des konservativen Katholizismus, David Berger war ein aufstrebender prononciert konservativer Theologe. Sicher, ein paar Unterschiede hätte es zwischen den Texten der beiden gegeben: Berger, der Mittdreißiger, hätte ungestümer argumentiert als Ratzinger; er hätte sich auch härter an den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils gestoßen. Im übrigen wären die beiden Liebhaber der alten, tridentinischen Messe und der Tradition ihrer Kirche sich aber recht einig gewesen.
Nun aber trennt sie ein tiefer Graben. Aus Joseph Ratzinger ist Papst Benedikt XVI. geworden, der aus alter Verbundenheit dem Journalisten Peter Seewald ein Interview gegeben hat, das dritte dieser Art. David Berger dagegen hat seine Posten verloren. Er hat in diesem April öffentlich erklärt, dass er schwul ist. Seine Erzählung über das Leben als schwuler Laien-Theologe im konservativen und traditionalistischen katholischen Milieu ist fast zur gleichen Zeit erschienen wie Seewalds Interview mit Benedikt XVI.
Trotzdem verbindet die Bücher des Papstes und des Renegaten ein inneres Band. Beide sind sie aus der Tiefe der katholischen Kirche geschrieben, beide sind sie Produkte der tiefen Krise, in der sich diese Kirche befindet. Wer weiß, ob es ohne den Missbrauchsskandal jemals das dritte Interviewbuch Joseph Ratzingers mit Peter Seewald gegeben hätte, in dem der Papst sich als nachdenklicher Mensch zeigen kann, der die Finger in die Wunden der Zeit legt. David Berger sagt, dass die Talkshow der Moderatorin Anne Will zum Thema sexuelle Gewalt ihm den letzten Anstoß gegeben habe, sich offen dazu zu bekennen, einen Mann zu lieben. Bei dieser Show erklärte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, dass Homosexualität aus Sicht seiner Kirche Sünde sei. Beide Bücher sind Reaktionen auf die Kirchenkrise, darauf, dass Lehre und weltliche Gestalt des mystischen Leibes Christi in arge Erklärungsnot geraten sind. Der Papst reagiert darauf mit Affirmation, der schwule Theologe mit dem Bruch.
Seewalds Interviewbuch mit dem Papst ist selbstverständlich eine Sensation: So ausführlich hat noch nie ein Papst einem Journalisten Rede und Antwort gestanden. Das Gespräch windet sich durch fast alle Bereiche des päpstlichen Lebens. Man erfährt, dass der Papst ein Trimmrad hat, das er nie benutzt, und dass er ein bescheidener Mensch ist, es geht um die Erderwärmung und die Zukunft des Christentums, um die angebliche „Diktatur des Relativismus“ in der Moderne – und dann sind da noch jene 14 Zeilen, die Schlagzeilen gemacht haben, weil es um Kondome und männliche Prostituierte ging.
Der Papst ist Antwortgeber, wie das von seinem Amt her erwartbar und von der Stilform des Interviews vorgegeben ist; Peter Seewald, der Frager, führt durch die Themen und gibt die Stimmungen vor. Der Journalist, der sich vom glühenden Kommunisten zum glühenden Katholiken gewandelt hat, hält die Krise für aufgebauscht, ja mitverursacht von kirchenfeindlichen Medien. „Die ideologisch gefärbte Einseitigkeit und Aggressivität mancher Medien nahm die Form eines Propagandakrieges an, der jegliches Maß vermissen ließ“, dekretiert Seewald – wir bitten, Heiliger Vater, um eine recht knackige Antwort.
Papst Benedikt XVI. ist klug genug, da nicht einfach einzustimmen, Widerspruch erntet Seewald aber auch selten. Für Benedikt, dem man glauben darf, wie sehr ihn die Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche treffen, ist die Kirchenkrise vor allem eine Glaubenskrise. Viele Kirchenmitglieder, aber auch manchen Verantwortlichen, sieht er fern der Quelle des Glaubens und der recht verstandenen Tradition, er beklagt Tendenzen zum Wellnessglauben und zum Berufskatholizismus, zur Betriebsamkeit ohne Tiefe, zum verwässernden Reformismus. Dabei bräuchte die Welt gerade jetzt eine starke Kirche und das Bekenntnis gegen die Tendenz, das Ich an die Stelle Gottes zu setzen.
Aus der Sicht Benedikts hat die katholische Kirche Erneuerung und Umkehr nötig – nicht aber durch ein anderes Priesterbild oder mehr Mitsprache der Gläubigen, nicht durch die Einsicht, dass selbst kirchliche Wahrheiten unter dem Vorbehalt stehen, dass Gott die Dinge auch ganz anders sehen könnte. Der Papst hofft auf die kleinen, entschiedenen Gruppen in der Kirche.
David Berger, Jahrgang 1968, gehörte zu jenen sehr entschiedenen Katholiken, die sich für Joseph Ratzinger begeisterten. Seine Eltern waren Achtundsechziger, „meine ersten Gehversuche machte ich zwischen langhaarigen und bärtigen Kriegsdienstverweigerern, die in unserem Wohnzimmer rauchend auf der Erde saßen“.
Doch da ist die fromme Großmutter, die ihm Barockkirchen zeigt, den Rosenkranz beten lehrt, mit bewundernswerten Priestern zusammenbringt, und als er 14 ist, will Berger Priester werden. Nach dem Abitur verabschiedet er sich von dem Wunsch, weil ihm klar wird, dass er den Zölibat nicht leben will; im Studium, mit 21 Jahren, verliebt er sich in jenen Mitstudenten, der heute noch sein Partner ist.
Und trotzdem fasziniert ihn der Traditionskatholizismus, auch jener der traditionalistischen Piusbruderschaft. Vor allem die Feier der alten tridentinischen Messe berührt ihn, das Zeremoniell, das Ästhetische, die überreichen Gewänder, dass hier alles, anders als bei seinen Eltern, bestimmt und vorgegeben und Teil des Großen und Ganzen war. Es zeigt sich, dass David Berger ein begabter Theologe ist. Berger kann pointiert formulieren, er schreibt über Thomas von Aquin und gegen das Erbe Karl Rahners, des liberalen Konzilstheologen; er spricht in elitären Herrenzirkeln und bei den reaktionären Europa-Pfadfindern. Die Theologen-Kollegen schneiden ihn, bei den Internet-Plattformen kath.net und kreuz.net ist er dagegen ein Star; er wird Herausgeber der Zeitschrift Theologisches , die das intellektuelle Organ der Konservativen in der katholischen Kirche sein möchte; er wird an die päpstliche Akademie des heiligen Thomas von Aquin in Rom berufen.
So hätte es immer weiter nach oben gehen können – hätte Berger sich nicht zunehmend an dem Milieu gestoßen, in dem er sich da bewegte. Da waren der offene Antisemitismus und die kaum verdeckte Demokratiefeindschaft der Herrenzirkel, die verächtliche Abwertung von Frauen und Andersdenkenden. Da war die intellektuelle Dürftigkeit und Engstirnigkeit vieler Autoren, die sich beschwerten oder sogar vor Gericht zogen, wenn er Beiträge ablehnte; Berger sprach von einem „Vulgärtraditionalismus“, was in der Szene auf Empörung stieß. Vor allem aber belastete ihn der verlogene Umgang mit der Homosexualität: Einerseits ereiferte sich die fromme Gemeinde über die „Sodomie“ oder „Homo-Unzucht“, wo immer sich die Gelegenheit bot; Schwule und Lesben galten als krank, pervers, Menschen minderen Rechts. Andererseits fiel Berger immer stärker auf, wie viele Schwule es im katholischen Milieu gibt, angezogen vom elitären Männerbund, wo man golddurchwirkte Brokatgewänder trägt, in kitschig überladenen Kirchen fein ziselierte Rituale feiert und sich am Reliquienkult rund um die Vorhaut Jesu berauscht. Mal mehr und mal weniger verdeckt haben sie ihre Beziehungen, was sie nicht davon abhält, kräftig auf die „Homos“ zu schimpfen. Berger kann zu offiziellen katholischen Veranstaltungen seinen Freund mitbringen, selbst in den Vatikan. Er gibt ihn als Neffen aus, und alle sind zufrieden.
Je stärker Berger sich mit dem radikalen Flügel des Traditionskatholizismus verkracht, desto öfter wird er nach seinem Privatleben gefragt: Wieso hat er weder Frau noch Kind, obwohl doch wohlmeinende Herrenabendteilnehmersgattinnen mehrere junge Damen bei Empfängen neben ihn gesetzt haben? Gerüchte machen die Runde, das Signal ist klar: Bleib auf unserer Linie, dann lassen wir dich in Frieden. Berger macht mit, zu lange, wie er heute sagt. Doch als der Missbrauchsskandal losbricht und Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone erklärt, die Homosexuellen in der Kirche seien verantwortlich, als dann Essens Bischof Overbeck die Homosexualität als Sünde bezeichnet, da will Berger sich nicht mehr verstecken; in der Frankfurter Rundschau outet er sich.
Das Buch ist sozusagen die andere Seite des Papstbuches. Auch Berger schreibt, dass die katholische Kirche die Umkehr notwendig habe: hin zu einem anderen Verhältnis zur Sexualität, weg von der Doppelmoral, einerseits praktizierte Homosexualität für eine Sünde zu halten und andererseits die „größte transnationale Schwulenorganisation“ zu sein, wie der Jesuit Hermann Kügler einmal im Spiegel bemerkte. Das wäre eine Umkehr, die es unter Benedikt nicht geben wird. Berger trübt den heiligen Schein, den des Papstes Interview verbreitet: Eine Kirche, die gegen sexualisierte Gewalt eintritt, aber Schwulen seelische und – sofern sie im Kirchendienst sind – disziplinarische Gewalt antut, hat ein latentes Glaubwürdigkeitsproblem.
So fassen die beiden Theologen die katholische Kirchenkrise an den verschiedenen Enden an: Joseph Ratzinger, der Papst und demütige „Bettler vor Gott“, will die Kirche zur Umkehr zum Bewährten, Entschiedenen, Modernitätsskeptischen bewegen. David Berger zeigt die Grenzen dieses Denkens. Man sollte sie parallel lesen: Einen Abend ein Kapitel Benedikt XVI., einen Abend ein Kapitel Berger. MATTHIAS DROBINSKI
BENEDIKT XVI.: Licht der Welt. Ein Gespräch mit Peter Seewald. Herder, Freiburg 2010. 255 Seiten, 19.95 Euro.
DAVID BERGER: Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche. Ullstein, Berlin 2010. 299 Seiten, 18 Euro.
Der Papst besitzt ein Trimmrad,
das er nie benutzt
Im Vatikan wurde Bergers
Freund als sein „Neffe“ vorgestellt
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Matthias Drobinski schätzt dieses Buch des schwulen Theologen David Berges als wichtige Ergänzung zu Peter Seewalds Interviewbuch mit Papst Benedikt XVI. Er hat beide Bücher zusammen gelesen und stellt einerseits Gemeinsamkeiten, andererseits Unterschiede fest. Die Gemeinsamkeiten liegen seines Erachtens vor allem in der Einschätzung, dass die katholische Kirche in der Krise steckt, die Unterschiede betreffen die Vorschläge, wie dieser Krise zu begegnen ist. Er nennt in diesem Zusammenhang insbesondere Bergers Plädoyer für ein anderes Verhältnis zur Sexualität in der katholischen Kirche und seine Kritik an kirchlicher Doppelmoral. Diese Doppelmoral führt der Autor für Drobinski anhand seiner eigenen Karriere in konservativen katholischen Kreisen eindringlich vor Augen. Alles in allem ist das Buch nach Ansicht des Rezensenten so etwas wie die "andere Seite des Papstbuches".

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