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Nach wie vor ist kaum verständlich, warum die Deutschen eine so starke Loyalität zu Adolf Hitler bewiesen. In seiner brillant geschriebenen Biographie kommt Rafael Seligmann zu dem Schluß: Hitler und die Deutschen wurden von den gleichen Ängsten vor der Moderne geplagt. Daher gelang es Hitler, sich als einzig glaubwürdiger Vertreter des deutschen Volkes zu präsentieren. Nur so konnte er zum Führer der Deutschen in einem Kreuzzug gegen Vernunft und Menschlichkeit werden und den traditionellen Antisemitismus radikalisieren.

Produktbeschreibung
Nach wie vor ist kaum verständlich, warum die Deutschen eine so starke Loyalität zu Adolf Hitler bewiesen. In seiner brillant geschriebenen Biographie kommt Rafael Seligmann zu dem Schluß: Hitler und die Deutschen wurden von den gleichen Ängsten vor der Moderne geplagt. Daher gelang es Hitler, sich als einzig glaubwürdiger Vertreter des deutschen Volkes zu präsentieren. Nur so konnte er zum Führer der Deutschen in einem Kreuzzug gegen Vernunft und Menschlichkeit werden und den traditionellen Antisemitismus radikalisieren.

Autorenporträt
Seligmann, Rafael
Rafael Seligmann, Jahrgang 1947, ist Politologe, Schriftsteller und Historiker. Er arbeitete als Redakteur der Welt und als Dozent für Internationale Beziehungen an der Universität München. Er ist Autor zahlreicher Romane und von Sachbüchern. Er lehrte Literatur an Universitäten in den USA, Großbritannien und Deutschland und hat aufsehenerregende Essays verfasst, unter anderem für Stern und Spiegel. Rafel Seligmann lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2004

Der Blankowechsel
Rafael Seligmann über das Verhältnis der Deutschen zu Hitler

Rafael Seligmann: Hitler. Die Deutschen und ihr Führer. Ullstein Verlag, München 2004. 336 Seiten, 22,- [Euro].

Der Klappentext verspricht eine "innovative Hitler-Biographie". Die Erwartung steigt, wenn man in der Einleitung lernt: "Die Deutschen fühlten sich und waren tatsächlich durch die Moderne bedroht - da sie sich weitgehend den Prinzipien der nachvollziehbaren Vernunft verschlossen." Dieser Angst der Deutschen habe "Hitler und seine Bewegung eine authentische Stimme verliehen". Mehr noch: Hitler "führte sein Volk in den Befreiungskrieg gegen die Juden". Das alles bleibt Ankündigung. Von den deutschen Defiziten hinsichtlich der Moderne ist fortan nicht mehr die Rede, sondern es geht um die "Hingabe der Deutschen an ihren Führer".

Das Vorgehen von Rafael Seligmann wirkt simpel. Er bietet einen biographischen Abriß, verbunden mit Betrachtungen zur deutschen Politik, gelegentlich mit außenpolitischen Exkursen gewürzt, und den Verlauf des Zweiten Weltkrieges bis zur "Endlösung". In die Erzählung werden jeweils Ausführungen über das Verhältnis der Deutschen zu Hitler eingepaßt. Ob dieses aber überhaupt befriedigend zu bestimmen ist, muß angesichts der vorhandenen Quellen zweifelhaft bleiben. Was der Autor jedoch anbietet, kann nicht befriedigen, läuft es doch auf bloßes Psychologisieren bei erheblich gestörten Bezügen zur historischen Realität hinaus.

Hitlers Eintritt in die Politik 1919 erscheint bereits eigenartig verschwommen. Seine Aktivitäten im Jahre 1923 unter der Überschrift "Hochverrat als Gaudi" abzuhandeln zeigt das Unverständnis über das Ausmaß der Krise von 1923. Die Weimarer Republik wird als "sozialliberale und humanistische Demokratie" vorgestellt, was sie mit Sicherheit nicht gewesen ist. Dafür werden ihre führenden Politiker um so negativer beleuchtet. Friedrich Ebert sei "ein Mann von begrenztem politischen Horizont" gewesen, Heinrich Brüning "verwaltete phantasielos wie ein Subalternbeamter". Kurt von Schleicher war lediglich ein "intriganter Strippenzieher". Hitlers stupende Erfolge als Redner seit 1930 verdankte er, wie es die Quellen überzeugend vermitteln, vor allem der Tatsache, daß er keine antisemitische Propaganda betrieb, sondern stets an die nationale Geschlossenheit appellierte. Seligmann sieht dagegen bei Hitler die Verkündung einer anderen Botschaft: "Wir Deutschen sind das Opfer von Franzosen, Kommunisten, Kapitalisten. Das Panikorchester der Verschwörung wird aus dem Dunkeln von Juden dirigiert". Hätte Hitler tatsächlich solch langatmiges Zeug gepredigt, wäre den Deutschen mit Sicherheit das "Dritte Reich" erspart geblieben.

Der "Röhm-Putsch" von 1934 wird ebenso schief und fehlerhaft dargestellt wie die Rheinlandbesetzung von 1936. Auch der Ablauf der "Reichskristallnacht" 1938 ist falsch akzentuiert. Es verdient aber hervorgerufen zu werden, daß Seligmann gegenüber neuesten Forschungsergebnissen kritisch ist. "Dem Führer entgegenarbeiten", das von Ian Kershaw eingeführte Schlüsselwort für die Einstellung der Deutschen gegenüber ihrem Führer, findet nicht seine Billigung. Er qualifiziert die Phrase ab als "wenig aussagekräftig und unsinnig obendrein". Dafür ist er aber auf das von Kershaw wieder aufgewärmte Märchen, Erich Ludendorff habe den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg 1933 eindringlich vor Hitler gewarnt, hereingefallen.

Was er über die Deutschen und Hitler mitteilt, ist oft fragwürdig. So seien schon 1919 "Hitlers antisemitische Verschwörungsideen und seine emotionalen Tiraden nahezu kongruent mit der deutschen Befindlichkeit nach dem verlorenen Krieg" gewesen. Und das nach dem Linksruck, den man Revolution genannt hat? Warum erwies sich wiederum Gregor Strasser Ende 1932 zur Opposition gegen Hitler unfähig? Ganz einfach, weil "Hitlers Weltbild von der Mehrheit der Deutschen geteilt" wurde. Bei so viel behaupteter Einigkeit überrascht es, daß bei den März-Wahlen 1933 festgestellt wird, daß "der Durchbruch in die Arbeiterschaft, ins katholische Wählerpotential wie in breite Schichten des Bildungsbürgertums der NSDAP" verwehrt geblieben sei.

Richtig ist die Feststellung, daß die Deutschen den Krieg nicht gewollt hatten. Aber die Schlußfolgerungen Seligmanns überzeugen nicht. Er argumentiert, "die Treue zu ihrem Führer . . . war größer als ihre Angst vor dem Krieg". Woher weiß er das? Dann aber hebt er ab, wenn er behauptet: "Die Deutschen gewährten Hitler einen Blankowechsel zur Revision ihrer demütigenden Niederlage." Es kann daher nicht wundernehmen, daß die Deutschen, ganz gleich ob sie als Landser an der Front standen oder in der Heimat dienten, auch noch nach der Wende des Krieges 1942 eine "ungebrochene Kampfmoral" zeigten.

Das Buch schließt mit dem "Völkermord", der Judenvernichtung. Wer aber erwartet, daß auch hier volle Übereinstimmung behauptet wird, der irrt sich. An der Federführung der Deutschen am Völkermord läßt er keinen Zweifel, betont aber, die Durchführung sei auch dadurch bestimmt worden, daß es in Osteuropa einen "mörderischen Antisemitismus" gab, der sich auch ohne "die Ermutigung und den Befehl der Deutschen vielfach Bahn brach". Seligmann zeigt Verständnis für die Judenältesten in Polen in ihrer entsetzlichen Zwangslage, die seit Hannah Arendts arroganter Polemik geächtet sind. Hinsichtlich der Deutschen trifft er eine seltsame Unterscheidung. Er stellt fest, daß es "kaum spontane Judenpogrome" in Deutschland gegeben habe", "judenfeindliche Gewaltakte wie die beiden Novembernächte 1938 von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt" wurden. Das ist die eine Seite. Aber "sobald die Deutschen Uniform trugen oder unter Befehl standen, beteiligten sie sich willig am Völkermord". Wie paßt das zusammen? Da wird die Problematik von Befehl und Gehorsam, vom Verhalten unter einer brutalen Diktatur, deren Führung der Judenvernichtung höchste Dringlichkeit zuwies, nicht zur Kenntnis genommen. Schade eigentlich, denn hier müßte die Differenzierung einsetzen.

HENNING KÖHLER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Schon bekannt und dann auch noch zu undifferenziert - diese Kritik muss sich Rafael Seligmann von Rezensent Klaus Hildebrand gefallen lassen. Das neue Buch, in dem Seligmann der Frage nachgeht, warum die Deutschen Hitler derart treu gefolgt sind, liefere dem Leser keine neuen Erkenntnisse. Vor allem die These, dass die "Angst vor der Moderne" die Kraft war, die die Menschen in den Bann Hitlers zog, sei zwar zutreffend, aber "bekannt" und in "zahlreichen Publikationen differenzierter und überzeugender" abgehandelt. Außerdem könne man durchaus Zweifel an der "Zuverlässigkeit" der Darstellung Seligmanns hegen, bemängelt der Rezensent. So sei die Behauptung, dass Hitler Italien im Abessinienkrieg vorbehaltlos unterstützt habe, "zumindest fraglich". Andere Themenkomplexe, wie die Problematik der deutschen England- und Russlandpolitik habe der Autor ungerechtfertigter Weise ganz weggelassen. "Weit hinter dem Forschungsstand zurückgeblieben", resümiert der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.04.2004

Warum Hitler? Warum hier?
Raphael Seligmann sucht in der Seele der Deutschen nach Gründen
Raphael Seligmanns Hitler-Biographie ist – laut Klappentext – ein „fesselnd geschriebenes” Buch, „voller neuer anregender und provozierender Erkenntnisse”. Der Publizist und Zeithistoriker verspricht, sich von der „Publikationslawine zur Person Hitlers” abzuheben. Er geht der alten, aber noch immer brennenden Frage nach, warum die Deutschen bis zum bitteren Ende ihrem Führer gefolgt seien. Der Autor schlägt vor, „im Zusammenspiel”, also in der Kommunikation zwischen Hitler und den Deutschen die Gründe für „die breite Zustimmung, das Vertrauen, die Verehrung, ja die Liebe der Deutschen” zu suchen.
Mit dem Hinweis auf emotionale Faktoren – Liebe oder Angst – als machtsichernde Elemente trifft Seligmann in der Tat eine Lücke in der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus. Eine „Psychohistorie” des Nationalsozialismus oder ein Psychogramm der deutschen Gesellschaft während des Nationalsozialismus gibt es nämlich nicht. Leider bleibt aber auch Seligmann hinter dem Ziel zurück.
Der Autor übernimmt die These des Ehepaars Mitscherlich aus den sechziger Jahren, wonach die Deutschen Hitler geliebt hätten. Darüber hinaus schlägt er vor, die Bindung zwischen Führer und Volk in der gemeinsam geteilten „Angst vor der Moderne” zu sehen. Zur Beschreibung deutscher Befindlichkeiten arbeitet er mit den Gegensatzpaaren Rationalismus und Mythos, Nüchternheit und Idealismus, Realitätstüchtigkeit und Flucht in Scheinwelten. Er reproduziert damit auf eine sehr plakative Art die Uraltthese vom geistigen Sonderweg der Deutschen. Wegweisende Arbeiten, die nicht das „moderne Denken” als antithetisch zur nationalsozialistischen Weltanschauung begreifen, sondern gerade einen bestimmten Typ modernen Denkens im Nationalsozialismus selbst wirksam erkennen, übergeht die „innovative” Studie. Seligmanns These, Hitler und die Deutschen fühlten sich als „Opfer der Moderne” und seien somit als Angst-Nazis und Angst-Antisemiten zu verstehen, erklärt zwar die gegenseitige Liebe zwischen Volk und Führer, bemüht aber einen Allgemeinplatz. Denn Krise ist immer, und man möchte doch gerne wissen, warum – um einen gleichfalls alten Witz zu bemühen – ein Brite, wenn er arbeitslos wurde, zum Angeln ging und ein Deutscher zu den Nazis.
Die Frage, wie Hitler möglich war, verweist in der Tat auf die deutsche Gesellschaft und auf die mentalen Strukturen der Deutschen. Ian Kershaw hat deshalb in seiner Hitler-Biographie versucht, personale und strukturelle Elemente im Entwicklungsprozess der deutschen Geschichte miteinander zu verbinden. Seligmann folgt dagegen einer diachronen Darstellung, in der Ereignisse, politische Vorgänge, Personen des öffentlichen Lebens, Orte und vor allem Intentionen im Mittelpunkt stehen. Das versprochene Psychogramm der deutschen Gesellschaft wird nur rudimentär gezeichnet, etwa wenn Seligmann das Zusammenspiel von Armee, Beamtenschaft und Bürgertum mit den Nationalsozialisten, die Selbstgleichschaltung der Gewerkschaften, die Anfälligkeit des Protestantismus oder die Suche nach Wiederherstellung der „nationalen Würde” anspricht. In unzähligen sprachlichen Variationen wiederholt er seine Grundthese, nach der „Germania den Mann aus Braunau an ihre Brust” drückte, in die „germanische Mythenwelt abtauchte” und Hitler zum „Vorsänger der deutschen Paranoia” wurde. Man erfährt allerdings nicht, wie man etwas über „die Seele der Deutschen” erfahren kann, woraus der Autor schließt, die Deutschen seien in Hitler „verliebt” gewesen.
Führer und Geführte
Die Biographie Hitlers bleibt in methodischer Hinsicht konventionell: Der Autor bekennt sich zum „Intentionalismus”, das heißt er schildert, wie Hitlers Weltanschauung und seine machtpolitischen Finessen den Gang der Geschichte bestimmten. Die Intention Hitlers steht für sich und ist nicht weiter zu erklären. Vielleicht bleibt deshalb das „Zusammenspiel” zwischen Diktator und Gesellschaft so blass. Konventionell sind auch die Kriegskapitel: Den „Sinn für Krieg, Politik und Psychologie” demonstriert Seligmann eher an Hitler, Stalin und den Generälen als an den deutschen Soldaten oder der Heimatfront, deren Betrachtung für ein „Zusammenspiel” zwischen Führer und Geführten entscheidend gewesen wäre. Seligmann versteht es, mit kurzen Sätzen Atmosphäre zu schaffen. Zuweilen lässt er sich jedoch von der eigenen Wortgewalt treiben. So ist Hitler ein „Haken-Kreuzritter”, Stalin muss ein „braunes Wunder” erleben, und „auf den Schlachtfeldern Europas klebte noch das Blut amerikanischer Kämpfer aus dem Ersten Weltkrieg”.
Seligmann hat einen kompakten, leicht lesbaren Überblick über den politischen Werdegang Hitlers vorgelegt. Sein Befund vom emotionalen Zusammenhalt zwischen charismatischem Herrscher und vom radikalen Nationalismus durchdrungenen Volk wird in der Wissenschaft – so jüngst bei Hans-Ulrich Wehler – geteilt. Gleichwohl ist Seligmann kein neuer, origineller Beitrag zur Erforschung und Erklärung Hitlers und des Nationalsozialismus gelungen. Auf eine fundierte Psychogeschichte des Nationalsozialismus muss weiter gewartet werden.
JÖRG SPÄTER
RAFAEL SELIGMANN: Hitler. Die Deutschen und ihr Führer. Ullstein, München 2004, 336 Seiten, 22 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Rafael Seligmann ist aufklärerisch, verdammt aufklärerisch sogar." (DIE ZEIT)