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'Aus Rom kehrt Clelia in ihre Heimatstadt Turin zurück, die sie vor siebzehn Jahren verlassen hat. Aus dem ehrgeizigen Mädchen ist eine erfolgreiche Frau geworden. Sie hat in der Modebranche Karriere gemacht und verspürt kein Bedürfnis, sich zu binden. Kaum angekommen, erlebt sie den Selbstmordversuch einer Tochter aus reichem Hause mit. Die junge Rosetta wird für Clelia zum Spiegelbild ihrer selbst, sie möchte die Gründe für die Verzweiflung des Mädchens herausfinden. War es Liebeskummer? Oder Lebensüberdruss? Oder die eng begrenzte Rolle, die das elegante Turin seinen Töchtern aufzwingt und…mehr

Produktbeschreibung
'Aus Rom kehrt Clelia in ihre Heimatstadt Turin zurück, die sie vor siebzehn Jahren verlassen hat. Aus dem ehrgeizigen Mädchen ist eine erfolgreiche Frau geworden. Sie hat in der Modebranche Karriere gemacht und verspürt kein Bedürfnis, sich zu binden. Kaum angekommen, erlebt sie den Selbstmordversuch einer Tochter aus reichem Hause mit. Die junge Rosetta wird für Clelia zum Spiegelbild ihrer selbst, sie möchte die Gründe für die Verzweiflung des Mädchens herausfinden. War es Liebeskummer? Oder Lebensüberdruss? Oder die eng begrenzte Rolle, die das elegante Turin seinen Töchtern aufzwingt und die schon Clelia in die Flucht getrieben hat? Bestürzend modern liest sich der 1949 erschienene Roman. Cesare Pavese zieht die Bilanz eines Frauenlebens zwischen Beruf und Familie und lotet erbarmungslos die Grenzen menschlicher Freiheit aus. Das Nachwort der Literaturkritikerin Maike Albath führt ein in Leben und Werk des großen Schriftstellers.
Autorenporträt
Maja Pflug wurde 1946 in Bad Kissingen geboren. Übersetzerausbildung in München, Florenz und London. 1987 erhielt sie den Premio Montecchio. Sie lebt in München und Italien und wurde im März dieses Jahres mit dem Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis für ihr Lebenswerk geehrt.

Cesare Pavese, geb. am 9. September 1908 in San Stefano/Cueno, gilt als einer der Begründer der modernen italienischen Literatur. Er studierte Literaturwissenschaften in Turin, schrieb Gedichte und übersetzte zahlreiche Werke aus dem Englischen - unter anderen Steinbeck, Faulkner, Joyce und Melville. Wegen seiner antifaschistischen Haltung wurde er 1935 für acht Monate nach Kalabrien verbannt. Nach dem Krieg arbeitete er als Lektor bei Einaudi; seine Romane wurden mit dem höchsten italienischen Literaturpreis, dem Premio Strega, ausgezeichnet. Cesare Pavese setzte am 27. August 1950 seinem Leben ein Ende.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Zum hundertsten Geburtstag ehrt der Claassen Verlag den italienischen Autor Cesare Pavese mit einer ausgezeichneten Neuübersetzung des Romans" Die einsamen Frauen" durch Maja Pflug, lobt ein sehr eingenommener Lothar Müller. Im Abschlussband seiner Turiner Trilogie von 1949 zeichnet Pavese nicht nur eine politische und literarische, sondern auch so etwas wie eine "sexuelle Landkarte" Turins in der Nachkriegszeit, findet der Rezensenten. Die ungebundene, ehrgeizige und zunehmend desillusionierte Clelia kehrt in ihre Heimatstadt Turin zurück, um dort die Filiale eines Modeateliers aufzubauen und taucht in die erotisch aufgeladene, "fiebrige" Atmosphäre der Nachkriegszeit ein, erklärt Müller, den besonders die eigenartige, sich nirgends entladene Spannung dieses Romans fesselt. Die neue Übersetzung von Maja Pflug preist er nicht nur für ihre kühle Eleganz, er findet besonders die "ostentativ lasziven und vulgären Dialoge" sehr überzeugend ins Deutsche übersetzt. Dazu kommt eine erzählerische Ökonomie, die Pavese in diesem Buch an den Tag legt, die alles "Überflüssige" ausspart, wie der Rezensent anerkennend feststellt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2008

Die Lust am Alleinsein

Sieg der Distanz: Cesare Paveses Roman "Die einsamen Frauen" leuchtete bereits 1951 die Abgründe der Moderne aus. Jetzt ist er neu übersetzt worden.

Verblüffend leicht ließe sich Cesare Paveses letzter Roman "Die einsamen Frauen", ein Jahr vor dem Freitod des Autors im Jahre 1951 erschienen, auf Distanz halten. Das liegt mit Sicherheit nicht an der sehr musikalischen und um vieles deutlicheren Neuübersetzung von Maja Pflug, die eine Fassung aus dem Jahre 1960 überholt. Schuld an der vorübergehenden Sperrigkeit dieses Romans sind die vielen Gespräche zwischen Turiner Frauen über Mode, Theater, über andere Frauen. Das Dauer-Parlando leicht gelangweilter, dehnbarer Leben bildet ein nicht unangenehmes Hintergrundrauschen. Daraus erwachsen die "einsamen Frauen", aber auch Männer, Verehrer, Künstler, Arbeiter. Sanft lullt es uns ein, wie das manchmal auch bei Proust der Fall ist.

Paveses Geschichte aber hat einen Widerhaken, der gleich zu Beginn schon greift. Dieser warnende Schatten schwebt über der Handlung und durchbricht die Lektüre fortan regelmäßig. Inmitten dieser italienischen Stadt-Serenaden wird die junge Rosetta vorbeigetragen: Das Mädchen aus gutem Hause hatte sich in einem Hotelzimmer das Leben nehmen wollen. Sie taucht künftig hier und da wieder auf. Die Freundinnen versuchen, sie ins Leben zu zerren. Rosetta ist die klassische, tragische Heldin dieses Romans, das Opfer, damit die Frauen um sie herum die eigene Einsamkeit nicht so arg spüren müssen. Rosetta führt aus, womit die anderen nur kokettieren. Pavese ist raffiniert genug, uns deshalb erst ihren Körper vorzuführen. Viel später macht er uns mit der schüchternen Frau bekannt. Da hat sich das Bild der lebensmüden Rosetta schon tief eingedrückt.

Paveses Widerhaken gegen das allgemeine Geplapper und die Oberflächlichkeit, die den Roman ja nur tarnt, umfasst aber nicht nur Rosetta, sondern auch die berichtende Clelia. Obwohl selbst Teil der Begegnungen, lässt Pavese sie stets vom Rande her erzählen, als wäre sie nicht wirklich beteiligt. Nur das Bild der lebensmüden Rosetta, die just an ihr im Hotelflur vorbeizog, "aufgedunsenes Gesicht und wirre Haare - in einem Abendkleid aus hellblauem Tüll, ohne Schuhe", hat sie seltsam berührt. Sie beginnt sogar, die Spur aufzunehmen, um herauszubekommen, was Rosetta bewog, sich dem Tod zuzuwenden. Clelia ist erfolgreiche Schneiderin in Rom. Ihre Geburtsstadt Turin, wo die Leben in Sackgassen geraten sind, besucht sie nur der Arbeit wegen. "Die einsamen Frauen" ist also auch eine Heimkehrer-Geschichte, nur anders aufgezäumt; nicht Krieg, sondern der Erfolg in einer mondänen Welt verändert Clelias Sicht auf die Menschen und schärft ihren Sinn fürs Kleinkarierte, das sie flieht und zugleich sucht: Turin bietet nicht zuletzt auch für die selbstbewusste Clelia eine Bühne.

Bis hierhin beschriebe dieser Roman wohl kaum mehr als ein winterliches Kammerspiel: Es wechseln die Partner, die Unterkünfte, die Gesprächsthemen. Pavese, der selbst in Turin aufwuchs, sich den liberalen und antifaschistischen Traditionen der Stadt stets verbunden fühlte und als Lektor beim Einaudi-Verlag arbeitete, hat mit ungeniertem Blick Unterhaltungen mitgeschnitten, die Neugier auf den Gesichtern erfasst und in die Sätze seiner vielen Figuren klar eingearbeitet. Er unterbricht sie nur, wenn Clelia denkt.

Hier aber liegt die Tiefe dieses Romans. Denn Clelia verfügt über eine besondere, selten gewordene Eigenschaft: Sie ist sich tatsächlich selbst genug, ihr einziges Laster "ihre Lust am Alleinsein", und man glaubt es ihr. Dies hebt sie von allen ab und rückt auch die Welt, die durch sie hindurchzieht, in eine kühle Ferne, in der man mit Freude Feinheiten an anderen bemerkt: "Rosetta hörte zu, leicht lächelnd, mehr mit dem Mund als mit den Augen. So lächelte Momina, wenn sie über jemanden urteilte." Diese ausdauernde Erzählperspektive mit Leidenschaftslosigkeit zu verwechseln wäre also ein großer Irrtum.

Vielmehr wächst in ihrem Banne eine reizbare Lakonik, die einzelnen Absätzen Echowirkung verleiht. Und so lässt sich unaufhaltsam auch noch über sechzig Jahre nach Entstehung dieses Romans eine magische Melancholie in dieser winterlichen Turiner Erzählung nieder. Gepaart ist sie mit Clelias forscher Freude an Frauen wie Männern, die prompt in Verachtung überwechseln kann. "Er lachte amüsiert und versuchte, mich zu küssen. Ich hob die Hand, und er küsste diese." Immer noch wirkt dieser Roman deshalb sehr modern. Die Vorgänge der Vereinzelung hat er längst hinter sich. Clelia erzählt davon ohne katastrophisches Bewusstsein, ja sogar ohne zu psychologisieren. Umso stärker treten sie hervor.

Warum Pavese seinen Ruf als Begründer einer modernen italienischen Literatur gerade auch in den "einsamen Frauen" bestärkt, beleuchtet die Literaturkritikerin Maike Albath in ihrem ausführlichen, klugen Nachwort. Sie lenkt das Augenmerk auch auf den gesellschaftlichen Impetus, den dieser Roman - gerade im engagierten Umfeld von Einaudi - neben allem anderen zu realisieren hatte: Paveses Idealisierung einfacher Etablissements, in denen sich Clelias gelangweilte Freunde Vitalitätszufuhr erhoffen; überhaupt: seine großartige Architektur der Räume. Dieses Porträt, das auch über Paveses Selbstmord und mögliche Bewegmomente nicht schweigt, runden diese schöne Ausgabe ab. Gründe genug also, Pavese neu zu entdecken.

ANJA HIRSCH

Cesare Pavese: "Die einsamen Frauen". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug. Mit einem Nachwort von Maike Albath und zwei Briefen von Italo Calvino und Cesare Pavese. Claassen Verlag, Berlin 2008. 206 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2008

Landkarten der Sexualität
Zu seinem 100. Geburtstag erscheint Cesare Paveses Turin-Roman „Die einsamen Frauen” in neuer Übersetzung
Auf den politischen Landkarten sind die Staatsgrenzen entscheidend. Was in ihnen liegt, hat eine einheitliche Farbe. Auf den physischen Landkarten ist das Relief der Landschaft entscheidend. Die Ebenen haben hier eine andere Farbe als die Bergzüge, die wie die Flüsse die Staatsgrenzen eher beiläufig in sich aufnehmen. Die literarischen Landkarten, die sich in den Romanen, Erzählungen und Gedichten der Weltliteratur hinter den Handlungen und Figuren abzeichnen, nehmen alles in sich auf, wovon im Atlas die einzelnen Karten berichten: die Bevölkerungsdichte und die Wanderungsbewegungen, die Ausdehnung der Städte und die Lage der Hauptstädte ebenso wie die Hügelformationen, die Flusswindungen und die endlosen, gering besiedelten Ebenen.
Der italienische Schriftsteller Cesare Pavese wurde am 9. September 1908 in dem kleinen Ort Santo Stefano Belbo im Piemont geboren und nahm sich am 27. August 1950 in einem Hotelzimmer das Leben. Er war im intellektuellen Leben Turins eine bekannte Figur gewesen, als Übersetzer und Literaturkritiker, Lyriker und Essayist, Romancier und Lektor im Einaudi Verlag. Im Jahre 1935 war er von der faschistischen Regierung für mehr als ein Jahr nach Kalabrien verbannt worden und hatte darüber den Bericht „Il carcere” (Die Verbannung, 1936) veröffentlicht. 1945 war er in die Kommunistische Partei eingetreten.
Innerhalb der Vielfalt dieser intellektuellen, politischen und literarischen Existenz des Autors Cesare Pavese ist der Bezug auf die Landschaft des Piemont und die Stadt Turin ein bestimmendes Element. Das Zentralwort seiner Landschaft ist „collina”, der Hügel, eine seiner Entsprechungen im Stadtbild Turins sind die „portici”, die Bogengänge, in denen die Passanten und Passantinnen an den Schaufenstern vorbei gehen, um immer wieder in Cafés, Büros oder Hotelaufgängen zu verschwinden. Es gehört zu dieser bipolaren Welt aus dem noch halb bäuerlichen, halb schon industrialisierten, von Traktoren bewirtschafteten Umland und dem halb mondänen, halb vom Kleinbürgertum und vom Proletariat bestimmten Turin, dass vom Landschaftswort „collina” die Wege nicht weit sind zum „seno”, zur Frauenbrust. Die Romane Paveses sind stets auch Landkarten der Sexualität.
Gewitter der kalten Schwüle
Seit den frühen 1930er Jahren übersetzte Pavese Herman Melvilles „Moby Dick” und bedeutende Autoren der amerikanischen Gegenwartsliteratur wie Sherwood Anderson oder John Dos Passos. In einem der programmatischen Essays, von denen diese Übersetzertätigkeit begleitet war, hat Pavese 1931 die These vertreten, die Entdeckung der Regionen in der italienischen Literatur, parallel zur nationalen Einigungsbewegung im Risorgimento, sei mit der literarischen Erschließung des mittleren Westens in Amerika zu vergleichen.
Die mit der faschistischen Verklärung der antiken Herkunftswelt Italiens rivalisierende „Entdeckung Amerikas” dachte der junge Pavese dabei nicht als Exodus in die angelsächsische Moderne, sondern als Neuentdeckung Italiens selbst. Er wollte nicht etwa nur mit amerikanischem Akzent erzählen, sein Piemont sollte mit dem Mittleren Westen der Amerikaner rivalisieren. Und eben dies galt auch für Turin: Es sollte ein Ort auf der internationalen Landkarte der Literatur werden, eine Hauptstadt, die es politisch fast geworden wäre, ebenbürtig der faktischen Hauptstadt Rom.
Der Roman „Tra donne sole” „Die einsamen Frauen” (1949), mit dessen Neuübersetzung der Claassen Verlag Cesare Pavese zu seinem hundertsten Geburtstag ehrt, ist – nach „Der schöne Sommer” und „Der Teufel auf den Hügeln” – das Schlussstück der Turiner Trilogie, für die Pavese 1949 den Premio Strega erhielt. Es ist eine gelungene Ehrung. So kühl, so elegant und so ohne Scheu vor den passagenweise ostentativ lasziven und vulgären Dialogen wie nun in der Übersetzung von Maja Pflug war er bisher auf deutsch nicht zu lesen.
Die knappstmögliche Zusammenfassung dieses Romans wäre: Er führt von einem Selbstmordversuch zu einem gelungenen Selbstmord. Aber die junge Rosetta, unglückliche Tochter aus gutem Hause, die am Ende stirbt, ist nicht die Hauptfigur, und es ist nicht ihr Tod, der diesem Buch seine Spannung verleiht. Denn dieser Tod ist vorhersehbar, er überrascht weder die Figuren im Roman noch seine Leser. Und die Spannung, um die es hier geht, ist überhaupt nicht diejenige, die einer dramatischen Handlung entspringt. Es ist die Spannung der Atmosphäre, der Nicht-Ereignisse und der verfließenden Zeit, Gewitter-Spannung ohne Gewitter.
Wenn es kalte Schwüle gäbe, dies Turin wäre ihr Ort. Beim letzten Januarschnee trifft die Ich-Erzählerin Clelia in ihrer ehemaligen Heimatstadt ein, die sie vor siebzehn Jahren verlassen und seither nicht mehr besucht hat: „So sah ich Turin wieder, im Dämmer der Bogengänge.” Einem ärmlichen, kleinbürgerlichen Viertel entstammend hat sie sich zur Mitarbeiterin einer aufstrebenden Modefirma in Rom hochgearbeitet. Sie ist kinderlos, selbstbewusst, energisch im geschäftlichen Umgang und soll die Fertigstellung und Einrichtung der neu gegründeten Filiale in Turin überwachen.
In wenigen Sätzen nur, aber unmissverständlich deutet Pavese den zeithistorischen Horizont seines Romans an. Der Krieg ist vorbei, aber noch kursieren Geschichten von Besatzungssoldaten und moralischer Verwahrlosung. Es herrscht, wie in den Filmen der Nachkriegszeit, fiebrige Vergnügungssucht. Keine verborgene Idylle, kein Detail glücklicher Kindheit gestattet Pavese seiner Heimkehrerin, freudlos verläuft ihr Besuch im Stadtviertel der Freundinnen von einst. Aber nicht dies ist die Hauptquelle der Desillusionierung, die hier von Beginn an herrscht. Sie entfaltet sich vielmehr im Rhythmus der Vergnügungen, der Spritztouren und Casinobesuche, an denen die Heldin als kühl teilnehmende Beobachterin teilhat.
Einen römischen Verehrer hat sie hinter sich gelassen, in Turin mehrere flüchtig am Hals, rasch taucht sie zwischen den Arbeitsterminen im Modeatelier in die mondäne Welt Turins ein. Überkandidelte Künstler beerdigen dort feierlich Werkperioden, die sie überwunden zu haben glauben. Scheidungen gibt es im italienischen Recht noch nicht, aber im Leben geschiedene Paare allenthalben. Eine dieser Frauen ist Momina, eine Expertin für Affären aller Art, auch gleichgeschlechtliche. Man trinkt, man besucht Ausstellungen, ohne die Bilder zu sehen, und weil Pavese das Interieur des Modeateliers als Motiv ernst nimmt, rivalisieren barocke Gegenstände und Antiquitäten mit den modernen Requisiten des mondänen Lebens.
Als wolle er seine Hinneigung zur Kommunistischen Partei nach dem Krieg persiflieren, hat Pavese seiner Heldin, die sich ihre Männer nimmt wie sonst die Männer die Frauen, eine Nacht mit einem jungen Kommunisten auf den Leib geschrieben. Der junge Italo Calvino hat in einem dieser Ausgabe beigegebenen Brief an Cesare Pavese in der Figur der Clelia ein nur notdürftig verhülltes Selbstporträt des Autors gesehen, eine Dolmetscherin der beiden Bestandteile seiner Existenz: Arbeit und Einsamkeit. Das mag so sein. Es kommt aber etwas Drittes hinzu. Wie ihr kommunistischer Liebhaber verachtet Clelia die Vergeudung von Material. Von dieser Verachtung und Materialökonomie ist Paveses schlanker Roman durchdrungen: Es ist daran nichts Überflüsssiges. LOTHAR MÜLLER
CESARE PAVESE: Die einsamen Frauen. Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug. Mit einem Nachwort von Maike Albath und zwei Briefen von Italo Calvino und Cesare Pavese. Claassen Verlag, Berlin 2008. 206 Seiten, 19,90 Euro.
„Ich traf beim letzten Januarschnee in Turin ein, wie es den Gauklern undTorroneverkäufern passiert.” So beginnt Cesare Paveses Roman „Die einsamen Frauen”. Den weißen Nougat (Torrone) gibt es in den Passagen von Turin (oben), links Cesare Pavese, der Erzähler Turins und des Piemont. Fotos: Ostkreuz (oben), Archivio Giovannetti
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"Vielleicht ist das wahre Ideal Paveses der Mensch, der die ganze traurige Weisheit dessen besitzt, der weiß, und die überzeugte Selbstgenügsamkeit dessen, der handelt: so wie Clelia, die Modistin aus "Einsame Frauen". Aber lernen bedeutet generell in den Geschichten Paveses auch und vor allem lernen, wie man leidet, wie man sich angesichts der Wunden, die man empfangen hat, verhalten soll; und wer es nicht gelernt hat, unterliegt." (Italo Calvino)