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Der irische Schuhverkäufer Billy Lynch hat kaum sein sechzigstes Lebensjahr vollendet, als er eines Tages tot umfällt. War es der Alkohol, der sein Leben zerstörte? Oder hatte ihm längst das rothaarige Mädchen das Herz gebrochen, das nach einem langen Sommer der Liebe auf Nimmerwiedersehen verschwand? Die Verwandten und Freunde, die nach Billys Tod zusammenfinden, rekonstruieren das Leben jenes Mannes, der sie mit seinem Suff zu zerstören drohte und sie doch mit seinem liebenswerten Humor zusammenhielt. Ein preisgekrönter Roman über die Liebe zu den Geschichten - und eine wunderbare Hommage an einen widerspenstigen Charmeur.…mehr

Produktbeschreibung
Der irische Schuhverkäufer Billy Lynch hat kaum sein sechzigstes Lebensjahr vollendet, als er eines Tages tot umfällt. War es der Alkohol, der sein Leben zerstörte? Oder hatte ihm längst das rothaarige Mädchen das Herz gebrochen, das nach einem langen Sommer der Liebe auf Nimmerwiedersehen verschwand? Die Verwandten und Freunde, die nach Billys Tod zusammenfinden, rekonstruieren das Leben jenes Mannes, der sie mit seinem Suff zu zerstören drohte und sie doch mit seinem liebenswerten Humor zusammenhielt. Ein preisgekrönter Roman über die Liebe zu den Geschichten - und eine wunderbare Hommage an einen widerspenstigen Charmeur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2002

Verrückt nach Eva
Lebenslügen: Alice McDermott macht Tote zu Tankstellenpächtern

Als Billy Lynch stirbt, versammelt sich seine weitverzweigte Familie zum Leichenschmaus in der Bronx. Billy Lynchs Ehe mit Maeve blieb kinderlos, aber es sind die Schwestern und Vettern gekommen, die Cousinen, Onkel und Tanten, deren Kinder und Kindeskinder. Siebenundvierzig Trauergäste sind es insgesamt. Das Lokal, Maeve hat es ausfindig gemacht, scheint allen ein stimmiger Ort für den Anlaß. Die Erzählerin des Romans - später wird klar, daß es sich um eine Großnichte Billys handelt - beschreibt die Wirkung des Gasthauses auf die Anwesenden so: Es hätte "einen irischen Pub auf dem Lande" abgeben können. Oder, mit den Dialogen eines John Millington Synge, "die Bühnendekoration für ein ländliches irisches Schauspiel".

Alice McDermott ist so gewitzt, gleich zu Beginn ihres Romans "Irischer Abschied" auf die Kulissenhaftigkeit der Handlung aufmerksam zu machen. So wird alle Sehnsucht, die auf den kommenden Seiten die Protagonisten der irischen Diaspora erfaßt, gleichsam in sich gespiegelt. Sie alle wissen um den Tribut der Nostalgie, man reise nicht zurück, dann währt die Liebe zum Land der Herkunft am längsten.

Billy Lynch, der Verstorbene, weihte seine Sehnsucht einem irischen Mädchen. Noch während des Totenmahls kommt die Rede auf jene Eva, die Billy im Sommer 1945 auf Long Island kennenlernte. Alle wissen etwas von dieser Angelegenheit, Billys Schwester Kate erinnert sich am besten. Die Romanze zwischen Billy und Eva dauerte einen Sommer, Eva reiste im Herbst nach Irland zurück. Danach begann Billy, im Schuhgeschäft des Deutschen Holtzman Überstunden zu schieben. Holtzman gewährte ihm einen Vorschuß von fünfhundert Dollar, den Billy nach Irland schickte, um Eva die Rückfahrt nach Amerika zu finanzieren. Kurze Zeit später erreichte ihn die Nachricht, daß Eva mit 26 Jahren an einer Lungenentzündung gestorben sei. Billy habe ihren Eltern geschrieben, daß sie den Scheck behalten könnten. Er habe mit dem Trinken angefangen, er sei als Alkoholiker gestorben. Er habe nie wieder von Eva gesprochen, sie auch gegenüber seiner Frau Maeve niemals erwähnt. Soweit die gängige Version der Geschichte. Es gibt eine andere, die vertraut einer von Billys Vettern, Dennis, auf dem Heimweg seiner Tochter an. Er gibt ein Geheimnis preis, das er fast vierzig Jahre lang gehütet hat: Eva ist gar nicht gestorben.

Mit der Exposition dieses Romans ist dem Leser der gesamte Handlungsbogen bekannt. Das könnte ein riskantes Unternehmen sein, doch es gelingt Alice McDermott, das Interesse des Lesers mit immer neuen Aspekten zu ködern. Zunächst gilt es, Dennis' Motive für eine solche Lüge zu klären und zu entscheiden, ob sie eine Ungeheuerlichkeit oder ein Segen für Billys Leben darstellte: Ob die nüchterne Wahrheit, daß Eva einen Tom aus Clonmel heiratete und mit Billys Scheck eine Tankstelle eröffnete, schneller zu verschmerzen gewesen wäre als der immerwährende Tod des geliebten Mädchens. Dennis, der sich im Sommer 1945 aus Zuneigung zu seinem Cousin für die Lüge entschieden hatte, deutet an, daß er sich geirrt habe und daß er sich schuldig fühle.

An diesem Punkt gibt sich Dennis' Tochter, die im übrigen namenlos bleibt, als Erzählerin zu erkennen. Sie bündelt die verschiedenen Stimmen, aus denen Billys Geschichte entsteht. Sie berichtet, was ihr der Vater aus seiner und Billys Jugend anvertraut, sie hört den Trauergästen am Abend in Maeves Wohnung zu, und sie steuert in zunehmend engagiertem Maße ihre eigenen Erinnerungen an Billy bei. Doch bald kristallisiert sich eine gültige Version der Ereignisse heraus. Man versteht, daß Billy ein Mann von bescheidenem Lebenswandel war und mit einem Hang zu großen Träumen. Er liebte den Alkohol genauso wie den Verlust seiner großen Liebe. Dem Alkohol blieb er treu. Eine Prise Starrsinn komplettiert das Charakterbild eines charmanten Iren, im Original heißt der Roman ganz treffend "Charming Billy".

Die Halbzeit des Lebens von Billy Lynch, seine doppelte Enttäuschung und der Entschluß für den Alkohol fallen auf das Jahr 1975. Es ist wieder Sommer, die drei Protagonisten, Vater, Tochter und Billy, treffen sich auf Long Island. Billy hat eine Reise nach Irland hinter sich, er hat ein Gelübde gegen den Alkohol abgelegt und es wieder gebrochen, er hat Eva in ihrer Tankstelle wiedergesehen und nichts geklärt. Er ist zum erstenmal wieder an dem Ort, an dem vor dreißig Jahren alles begonnen hatte. Dies ist Billys größter zusammenhängender Auftritt in dem Roman, die Autorin hat ihn so überschwenglich gestaltet, daß man ihre sonstige Zurückhaltung im Umgang mit dem Protagonisten nur gutheißen kann. Billys Augen füllen sich mit Tränen, während er über die verpatzte Geschichte mit Eva lacht, und natürlich zitiert er Liebesgedichte von William Butler Yeats. Der Mann scheint nach einem Urbild geformt, das jeder Amerikaner irischer Abstammung in sich tragen mag, und er wirkt so lebendig wie der Wunsch nach einem solchen Ahnen. Wem der Ire an sich schnuppe ist, dem bleibt immer noch die Schlußfolgerung, daß man an der Größe eines Irrtums auch die Größe des Irrenden ermessen kann.

TANYA LIESKE

Alice McDermott: "Irischer Abschied". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Jendis. Claassen Verlag, München 2001. 334 S., geb., 20,95 .

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.05.2001

Legende vom eifrigen Trinker
Melancholisch aber nicht trostlos: Alice McDermotts Roman „Irischer Abschied”
Sie gehen dem Thema lieber aus dem Weg. Aber die Gäste beim Leichenschmaus an der Bronx wissen es alle: Billy Lynch war nicht zu helfen; er hat sich zu Tode gesoffen. Nicht einmal Maeve, seine tapfere Witwe, konnte ihn daran hindern. Und so trinken sie noch einmal auf den Mann, den eine weit zurückliegende Liebesgeschichte zerstört hat.
Gleich nach dem Krieg hatten Billy und sein Freund Dennis zwei Mädchen aus Irland kennengelernt. Eva hatte ihre Schwester Mary in New York besucht. Billy nahm einen zweiten Job an, im Schuhladen des deutschen Emigranten Holtzman, um seine künftige Frau in die USA zu holen. Kaum hatte er Eva das Geld für die Überfahrt geschickt, erreichte ihn die Nachricht von ihrem Tod.
War es dieser Tod, der ihn zum Alkoholiker machte? Oder hat ihm erst der Betrug, dem er aufgesessen war, den Rest gegeben? In den siebziger Jahren, als er längst mit Maeve verheiratet war, reiste Billy nach Irland - mit dem Vorsatz, das Grab der Geliebten zu besuchen und im Land seiner eigenen Vorfahren dem Alkohol abzuschwören.
Ein doppelter Trugschluss: Irland ist nicht der Ort, an dem ein Trinker leichte Heilung finden könnte. Seinen zweiten Irrtum musste Billy erkennen, als er der totgesagten Geliebten gegenüberstand, einer verheirateten Frau, die sein Geld für den Erwerb einer Tankstelle verwendet hatte.
Zweifellos gibt es viele Gründe und Anlässe, die einen Menschen zum Alkoholiker machen. Die meisten davon treffen auf Billy zu. Das Schöne und Bewundernswerte an dem Roman Irischer Abschied (der im Original Charming Billy heißt und vor drei Jahren bei Farar, Straus and Giroux erschienen ist) ist der offene Rest: Alice McDermott geht es ums Erzählen, nicht um die Ursachenforschung.
Zwischen die Gegenwart – der Tag, an dem Billy beerdigt wird und die Hinterbliebenen bis weit in die Nacht hinein über sein Leben reden – drängt sich ein weit ausholendes Geflecht von Rückblenden, die auch von Billys und Dennis’ Vorfahren berichten und eine große Chronik vom Leben irischer Auswanderer in New York entwerfen. Das ist nicht immer sehr übersichtlich, zumal manche von McDermotts Figuren kaum Konturen bekommen, sondern einfach nur Namen bleiben, die auftauchen, verschwinden und manchmal wiederkehren.
Der Verzicht auf jede Chronologie zu Gunsten vieler kleiner Mosaiksteine lässt den Roman noch kunstfertiger erscheinen, doch der Präzision seiner Geschichte dient er nicht. Immerhin spiegelt so der Text noch einmal die Strukturen dieses irischen Clans mit seinen verzweigten und unübersichtlichen Verwandtschaften.
Als Fixpunkt dient vor allem ein Haus auf Long Island. An diesem Ort entscheidet sich immer wieder das Leben ganzer Generationen. Einst hatte es der Schuhhändler Holtzman für seine Wochenenden gekauft. Billy hatte dort Eva kennengelernt, erst Jahrzehnte später, als das Haus längst in den Besitz seines Freundes Dennis gekommen war, ist er bereit, wieder rauszufahren. Aber auch die erzählende Person, Dennis’ Tochter, sieht dort draußen erstmals ihren künftigen Ehemann.
Die Zeiten und die Menschen ändern sich, das Haus scheint sie alle zu überdauern. Es ist ein Ort des Schmerzes, auf den sich die Autorin mit großer Sensibilität einlässt: auf den Schmerz von Billy, der nie herausfinden wird, ob Evas Lüge nicht noch schlimmer war als ihr vermeintlicher Tod, auf die Qual seiner Witwe, die am Tag des Begräbnisses erschöpft einschläft und ihren heimkehrenden Mann zu hören glaubt, auf das Leid von Dennis und seiner Frau, deren Ehe im Angesicht ihres Todes „auf einmal zu etwas anderem erblühte”.
Und hinter allem steht die unbeantwortete Frage, wie diese irisch- amerikanischen Katholiken ihrer Angst entkommen und mit dem Tod umgehen könnten, weil ihre Zweifel mit der Entfernung von der alten Heimat gewachsen sind. Vor diesem Hintergrund wirkt der fromme Monsignore, der Maeve zu trösten versucht, wie ein eiskalter Schauspieler, der für jeden Anlass einen Text auswendig gelernt hat. Dennoch ist Irischer Abschied, obwohl melancholisch, kein trostloser Roman. Alice McDermott erzählt auch davon, warum das Leben trotz aller Abschiede weitergehen soll, wie es weitergehen kann und wofür sich dies - vielleicht - lohnen könnte. Die Hinterbliebenen sind das Ziel.
H.G. PFLAUM
ALICE McDERMOTT: Irischer Abschied. Roman. Aus dem Englischen von Matthias Jendis. Claassen Verlag, München 2001. 333 Seiten, rr Mark
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

H. G. Pflaum liebt das Offene. Dass es der Autorin in diesem "melancholischen" Buch weniger um Ursachenforschung geht als ums Erzählen und der Roman mit einem "offenen Rest" aufwartet, findet er jedenfalls ganz wunderbar. Soll die Präzision doch flöten gehen. Der Verzicht auf jede Chronologie zu Gunsten vieler kleiner Mosaiksteine, schreibt der Rezensent, lasse den Roman noch kunstfertiger erscheinen. Noch kunstfertiger? Haben wir da was überlesen? Nein, nein, das ist - das Offene.

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