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Liegt eine Ursache der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland in der Höhe der Lohnansprüche der Arbeitslosen? Dieser Frage geht die Studie anhand empirischer Untersuchungen nach. Sie zeigt, dass die Lohnansprüche in Deutschland - auch im internationalen Vergleich - insgesamt hoch sind. Dies trifft insbesondere auf Personen mit geringer Ausbildung zu. Ursächlich hierfür ist der zum Teil geringe Abstand zwischen Löhnen und Sozialleistungen. Die Analysen belegen, dass die hohen Lohnansprüche in der Tat die Arbeitslosigkeitsdauer verlängern und dass die Hartz-IV-Reformen die Lohnansprüche…mehr

Produktbeschreibung
Liegt eine Ursache der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland in der Höhe der Lohnansprüche der Arbeitslosen? Dieser Frage geht die Studie anhand empirischer Untersuchungen nach. Sie zeigt, dass die Lohnansprüche in Deutschland - auch im internationalen Vergleich - insgesamt hoch sind. Dies trifft insbesondere auf Personen mit geringer Ausbildung zu. Ursächlich hierfür ist der zum Teil geringe Abstand zwischen Löhnen und Sozialleistungen. Die Analysen belegen, dass die hohen Lohnansprüche in der Tat die Arbeitslosigkeitsdauer verlängern und dass die Hartz-IV-Reformen die Lohnansprüche nur unwesentlich absenken und somit kaum zur Verringerung der Arbeitslosigkeit beitragen werden.
Autorenporträt
Björn Christensen, Institut für Weltwirtschaft, Kiel
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2005

Hohe Ansprüche
Björn Christensen untersucht die Auswirkungen überzogener Lohnerwartungen

Björn Christensen: Die Lohnansprüche deutscher Arbeitsloser. Determinanten und Auswirkungen von Reservationslöhnen. Springer-Verlag, Berlin 2005, 208 Seiten, 74,95 Euro.

Wenn es um die Analyse der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland geht, sind sich in einem Punkt fast alle Beobachter einig: Der hohe Anteil der Langzeitarbeitslosen ist das vordringlichste Problem, das es zu lösen gilt. Zwei von drei Arbeitssuchenden sind hierzulande bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr in Lohn und Brot. Das ist ein auch im internationalen Maßstab hoher Wert. Für diese Menschen stellt die Arbeitslosigkeit keinen kurzfristigen Ausreißer in ihrer Erwerbsbiographie dar; sie drohen vielmehr den Anschluß an den ersten Arbeitsmarkt zu verlieren und dauerhaft in die Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen zu geraten.

Erheblich kontroverser verläuft dagegen die Suche nach den Ursachen. Immer wieder steht dabei auch der Abstand von Löhnen zu Transferleistungen in der Diskussion. Setzt der deutsche Sozialstaat genügend Anreize zur Arbeitsaufnahme, oder stellt für einige die freiwillige Arbeitslosigkeit gar die attraktivere Variante dar? Sind die Lohnansprüche an einen neuen Arbeitsplatz schlichtweg zu hoch?

Diese Diskussion wird in Deutschland bislang vergleichsweise normativ geführt und ist empirisch wenig unterfüttert. Björn Christensen leistet deshalb mit seinem neuen Buch einen wichtigen Beitrag. Der Ökonom vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat sich mit dem Anspruchs- oder Reservationslohn deutscher Arbeitsloser beschäftigt, also mit der Lohnerwartung, die an einen neuen Arbeitgeber gerichtet wird. Basierend auf den Daten des sozioökonomischen Panels, kommt Christensen mit seinen Berechnungen zu teilweise überraschenden Ergebnissen. Die erste Erkenntnis lautet, daß die Anspruchslöhne in Deutschland im internationalen Vergleich recht hoch sind. Hierzulande erwarten Arbeitslose von einem neuen Arbeitgeber im Mittel rund 10 Prozent mehr Lohn, als sie bei ihrer letzten Anstellung erhalten haben. In Großbritannien liegt der Wert deutlich niedriger, und in Kanada oder Neuseeland sind die Stellensuchenden mehrheitlich sogar bereit, Lohnabschläge in Kauf zu nehmen.

Dabei ist es aus Sicht der Arbeitslosen eine sinnvolle Strategie, die Lohnerwartungen gleich zu Beginn der Arbeitslosigkeit zu senken, da dies die Chancen auf eine baldige Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt verbessert: Nach Christensen erhöht ein lediglich um 1 Prozent geringerer Anspruchslohn die Übergangsrate in Arbeit um 2 Prozent. Doch während die ehemals Besserverdienenden dazu bereit sind, Abschläge von fast 20 Prozent in Kauf zu nehmen, erwartet die Gruppe der Geringqualifizierten sogar einen Aufschlag zwischen 18 und 55 Prozent auf ihr letztes Einkommen. Und es zeigt sich, daß die Anspruchslöhne im Laufe der Zeit trotz schwindender Chancen auf Wiederbeschäftigung kaum sinken.

Der Grund dafür liegt im geringen Lohnabstand. Denn de facto wirkt nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe das neue Arbeitslosengeld II wie ein Mindestlohn. Die Aussicht, einen Arbeitsplatz anzunehmen, dessen Entlohnung nur geringfügig über den staatlichen Transferleistungen liegt, erscheint daher für viele Langzeitarbeitslose nur wenig verlockend. "Das Lohnabstandsgebot zwischen Transfereinkommen bei Arbeitslosigkeit und dem erzielbaren Einkommen bei Aufnahme einer Tätigkeit scheint für diesen Personenkreis offensichtlich verletzt zu sein", schlußfolgert der Autor. Dadurch entstehe eine "freiwillige Sucharbeitslosigkeit", die mit fortschreitender Zeit häufig in eine unfreiwillige Dauerarbeitslosigkeit münde.

Aus diesem Grund, schreibt Christensen, stelle Hartz IV nicht mehr als einen ersten Schritt dar, der durch weitere Reformen flankiert werden müsse. Diese reißt er allerdings nur kurz an. Wenn er von der Subventionierung des Niedriglohnsektors schreibt, von einer Senkung des Existenzminimums und der Ausdehnung von gemeinnütziger Arbeit beispielsweise in Form der Ein-Euro-Jobs, von mehr Aufklärung der Arbeitslosen über die engen Zusammenhänge zwischen Lohnansprüchen und Dauer der Arbeitslosigkeit, dann wird dem Leser wenig Neues geboten.

Aber diesen Anspruch erhebt Christensen auch nicht. Sein Buch überzeugt durch eine logische Argumentation und untermauert empirisch die These, daß "das hohe Ausmaß der Arbeitslosigkeit in Deutschland durch überhöhte Anspruchslöhne der Arbeitslosen mitverursacht wird und das Absenken der Lohnforderungen (. . .) ein zentrales Element in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit darstellen sollte". Das ist eine Provokation für alle Bewahrer des traditionellen Sozialstaats - und gerade deshalb ein wichtiger Beitrag für die weitere Diskussion um das "Fordern und Fördern" auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

SVEN ASTHEIMER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sven Astheimer hat in diesem Buch über die Lohnerwartungen von deutschen Arbeitslosen "teilweise überraschende Erkenntnisse" gewonnen. Eine öffentliche Debatte über "Lohnansprüche" werde zwar geführt, bisher hätten aber keine "empirischen" Untersuchungen dazu vorgelegen, so der Rezensent, der es deshalb begrüßt, dass das vorliegende Buch diese Lücke schließt. Der Autor Björn Christensen kommt darin zu dem Schluss, dass die Lohnerwartungen von Arbeitslosen hierzulande auch im internationalen Vergleich zum Teil erheblich überzogen sind und dies ihre Chancen, wieder Arbeit zu finden, deutlich verringert, fasst der Rezensent zusammen. An Lösungen für dieses Problem bietet der Autor zwar "wenig Neues" an, räumt Astheimer ein, doch das ist auch gar nicht das Ziel dieses Buches, das mit "logischer Argumentation überzeugt", wie er lobt. Bei aller "Provokation", die die Erkenntnisse des Autors enthalten, stellt die Studie einen "wichtigen Beitrag" zur aktuellen Debatte um die Reformen des Sozialstaates dar, so Astheimer eingenommen.

© Perlentaucher Medien GmbH