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In this volume Dirk Mellies is concerned with the role of the Prussian state and society in the moderization process that took place in the 19th century. He begins with the Prussian province of Pomerania, considered the "backwoods" of its day, and shows how it figured in the various sections of the Prussian state and society during the moderization process of the 19th century. Emphasis is placed on three fields of study: erection of a school system, expansion of infrastructure and development of structures of civil society, each of which furthered or hindered progress in that territory. The…mehr

Produktbeschreibung
In this volume Dirk Mellies is concerned with the role of the Prussian state and society in the moderization process that took place in the 19th century. He begins with the Prussian province of Pomerania, considered the "backwoods" of its day, and shows how it figured in the various sections of the Prussian state and society during the moderization process of the 19th century. Emphasis is placed on three fields of study: erection of a school system, expansion of infrastructure and development of structures of civil society, each of which furthered or hindered progress in that territory. The author also shows that the usual cliches about this province in East Elbia are not completely without foundation, although they must be modified considerably.
Autorenporträt
Dr. Dirk Mellies ist Historiker und arbeitet als Wissenschaftlicher Angestellter der Freien und Hansestadt Hamburg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Frage, was Rückständigkeit eigentlich ist und wer sie definiert, interessiert den Rezensenten Siegfried Weichlein. Der Historiker Dirk Mellies untersucht in seiner Dissertation die Modernisierung in Mecklenburg-Vorpormmern im 19. Jahrhundert und von Weichlein erfahren wir soviel, dass der Ausbau von Infrastruktur, Schulen und zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation dem Autor als Indikatoren dienen und dass diese Entwicklung in Deutschlands rückständigsten Region vor allem von staatlichen Beamten getragen wurde, die "Trias Schule-Eisenbahn-Vereine" mithin ein regionales Elitenprojekt gewesen sei. Weichlein vermisst eine inhaltliche Definition von Fortschritt und fragt: Was ändert sich für den Bauern auf Feld, wenn er nicht mehr rückständig feudal, sondern kapitalistisch fortschrittlich ausgebeutet werde?

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.01.2013

MeckPom, unser
Griechenland
Was heißt „Rückständigkeit“ in Europa? Eine
erhellende Fallstudie über den Fortschritt
VON SIEGFRIED WEICHLEIN
In der emotional geführten Diskussion um die Gefälle innerhalb der Europäischen Union, über die Produktivität Griechenlands etwa und anderer südeuropäischer Gesellschaften, lohnt es sich, einen Blick auf die Kategorie der Rückständigkeit zu werfen.
  In der deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts machte man dafür immer wieder denselben Kandidaten ausfindig: Mecklenburg und Pommern. Beide wurden zum Synonym für Rückständigkeit, was in allerlei Redensarten zum Ausdruck kam. Bereits Friedrich II. schrieb den Pommern in seinem politischen Testament schlichten Sinn, Dickköpfigkeit und niedere Bildung zu. Sie seien am besten zum Kriegsdienst geeignet. Karl Marx sprach 1849 von der „Pommerschen Mancha“, Franz Mehring von der „pommerschen Vendée“. Nach 1900 gab ein Adelsgeschlecht aus Hinterpommern die Vorlage für die Bezeichnung „Puttkamerun“. Bismarck meinte einmal: „Wenn die Welt untergeht, ziehe ich nach Mecklenburg, dort geht sie 50 Jahre später unter.“ Das traf die verbreitete Meinung. Bismarck hätte auch von Pommern sprechen können, wo sein geliebtes Varzin lag, in das er sich tatsächlich regelmäßig für längere Zeit zurückzog. Auf die Kritik am darniederliegenden Schulwesen kam noch Ende des 19. Jahrhunderts vom Adel die sprichwörtliche Retourkutsche: „Zwei Ochsen vor dem Pflug und einer dahinter – das reicht!“
  Nun ist „Rückständigkeit“ schwerlich ein objektiver Begriff, sondern sagt immer etwas über eine Beziehung zu anderen aus. Fortschritt und Rückständigkeit sind Zwillinge: Wo Fortschritt gemessen wird, gibt es auch Rückständigkeit. Der Gedanke lässt sich auch historisieren: Wer von Rückständigkeit sprach, reklamierte für sich das Wissen um Entwicklung und Fortschritt. Rückständigkeit war damit auch eine Ermächtigungsformel. Und sie strukturierte die Zeit: in eine trübe Gegenwart, in zukünftige Arbeit und eine darauf folgende Besserung.
  Das gilt heute für die Griechenland-Schelte. Im 19. Jahrhundert galt es für die Regionen, die die Theorie heute Peripherie nennt. Rückständigkeit war ein Argument in der Hand des Nationalstaats und seiner Eliten, auch solcher, die es noch werden wollten, nicht nur in Pommern und in Mecklenburg, sondern in ganz Ostmitteleuropa, später auch in Italien und Spanien. In Italien knüpften historische Spekulationen um die Entstehung des Mezzogiorno, des armen Südens, an der empfundenen Rückständigkeit an. Polnische Kleinadlige warfen anderen Adligen in Galizien gerne vor, unproduktiv, verschwenderisch und innovationsfeindlich zu sein. Die Rettung sollten staatliche Beamte und das moderne Bürgertum bringen. Später waren die Bauern der Adressat des Vorwurfs, rückständig zu sein. Deutsche im Baltikum machten bei den anderen Nationalitäten Rückständigkeit aus. Rückständigkeit erschien so als eine Kategorie des deutschen, noch allgemeiner gesprochen: des westlichen Weges. Attraktiv war dieses Lernmodell vor allem für die Profiteure.
  Damit soll die Vorstellung der Rückständigkeit nicht einfach postmodern marginalisiert werden und als ein Sprachspiel unter vielen hingestellt werden. Die historische Analyse führt vielmehr zu der Frage, seit wann Entwicklung, Fortschritt und Infrastruktur ein von beiden Seiten anerkanntes Argument wurde, das nicht mehr einfach auf die Interessen der Sprecher reduziert werden konnte? Prinzipieller: Wie lernten und wie lernen Gesellschaften eigentlich? Der prominenteste Lernmodus scheint die Nachahmung zu sein, was den Liberalen sehr entgegenkam, die auf die Erfahrung der Differenz regelmäßig die Antwort der Assimilation parat hatten. Gab es nicht auch andere, innere Entwicklungen, eigene Erfahrungen, die zu eigenen neuen Deutungen von Differenz führten?
  Der Historiker Dirk Mellies hat in Greifswald eine Dissertation über die Rückständigkeit Pommerns geschrieben, genauer: des Regierungsbezirks Stettin zwischen 1815 und 1890. Er unterzieht den Gemeinplatz der ostelbischen, zumal pommerschen Rückständigkeit einem empirischen Test. Als theoretischen Rahmen wählt er die Modernisierungstheorie, um Fortschritte und Stagnation messen zu können. Und in der Tat: Der Autor kann Wachstum auf drei Ebenen nachweisen, wenn er das auch vorsichtig „Hebung“, „Entfaltung“ und „Ausbau“ nennt.
  Die Analphabetenrate ging zurück, fast alle pommerschen Kinder gingen um 1890 zur Schule. In den Städten entstanden höhere Bürgerschulen, Realschulen und Gymnasien, auf dem platten Land gab es immer mehr Schulen. Der Unterricht in den Realien nahm zu, der Religionsunterricht in der Bedeutung etwas ab. Die Lehrer wurden besser ausgebildet, erreichten mit der Zeit eine eigene Standesvertretung und trugen die Idee der Entwicklung und des Fortschritts von hier nach dort. Auch fuhren die Pommern immer häufiger mit der Eisenbahn. Das Eisenbahnnetz wuchs auf - wenn auch bescheidene – 1880 Kilometer. Hinzu kamen etwa 5200 Kilometer Straßen. Immer mehr Informationen kamen über Zeitungen und die Telegrafie nach Pommern und von Pommern in die Welt.
  Es waren vor allem staatliche Beamte, die diesen Ausbau der Infrastruktur vorantrieben. Aus der Region selbst kamen betroffene Schichten hinzu wie Lehrer oder Kleinhändler und ökonomische Gesellschaften. Zaghaft organisierten sich die Pommern in Vereinen und Verbänden. Letztlich gingen auch immer mehr Pommern zur Reichstagswahl, 1912 waren es sogar 85 Prozent. Politisch dominierten dabei durchweg konservative Parteien. Mellies spricht von einer „partiellen Modernisierung“, womit auch klar ist, dass der Unterschied zum Rest des westlichen Preußens und des Reiches erhalten blieb.
  Die in diesem Buch für Pommern untersuchten Strategien waren auch sonstInstrumente gegen die Rückständigkeit. Das galt vor allem für die Eisenbahnen. Neue Bahnhöfe verkündeten das „Zeitalter des Fortschritts“. Andernorts sollten Rohstoffe den Weg in ein neues Zeitalter bahnen. In Galizien förderte man zunehmend Öl. 1908 war Galizien hinter den USA und Russland der drittgrößte Ölproduzent. An dem beliebten Topos der Rückschrittlichkeit Ostmitteleuropas hat alles dies wenig geändert.
  Problematisch an der Gleichsetzung von Entwicklung und der Trias „Schule-Eisenbahn-Vereine“ ist, dass sie ein nationales, teils auch regionales Elitenprojekt begründet, das auf der Ebene der Strukturen stehen bleibt und kein inhaltliches Verständnis von Entwicklung erlaubt. Wer als untertägiger Bauer Hofdienst auf dem Herrengut in Pommern leisten musste, dem bedeutete es wohl wenig, ob er feudal oder kapitalistisch ausgebeutet wurde. Letzteres, die Ausbeutung, nahm mit zunehmender Mobilität der Waren, Güter und Dienstleistungen eher zu.
  Um das Bewusstsein der Betroffenen für den Entwicklungsgedanken zu erreichen, waren neue Begriffe nötig. Diese lieferte in den meisten Fällen der Nationalismus. Mitgeliefert wurde eine Brille für das, was als Fortschritt und was als Rückschritt zu gelten hatte. Nur wenige durchschauten diesen Zusammenhang. Gilbert K. Chesterton, täglich konfrontiert mit dem Vorwurf der Rückständigkeit der katholischen Iren, meinte, der fatale Irrtum der Metapher des Fortschritts sei, etwas hinter sich zu lassen, während Wachstum doch darin bestehe, etwas in sich zu behalten. So bietet das 19. Jahrhundert interessante Fragen, die uns auch in unserer wieder fortschrittsskeptischen Zeit beschäftigen.
Dirk Mellies: Modernisierung in der preußischen Provinz? Der Regierungsbezirk Stettin im 19. Jahrhundert. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012. 380 Seiten, 59,96 Euro.
Was soll die Peripherie
voranbringen – Wettbewerb,
Bildung, Infrastruktur?
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