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Kurztext:
Dem "Realisten" und großen Romancier, dem feinnervigen Gesellschaftskritiker und Preußen gilt dieser neue Band aus der bewährten Kröner-Handbuch-Reihe. Renommierte Fontane-Forscher haben eine Gesamtdarstellung auf dem neuesten Kenntnisstand verfaßt, die sich an alle richtet, die in Studium, Wissenschaft und Lehre oder als passionierte Leser an Fontane interessiert sind.
Das Bild Fontanes, "des Realisten" und großen Romanciers, des feinnervigen Gesellschaftskritikers und Preußen, hat in den letzten Jahren erheblich an Tiefenschärfe und Detailreichtum gewonnen. In dem neuen
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Produktbeschreibung
Kurztext:
Dem "Realisten" und großen Romancier, dem feinnervigen Gesellschaftskritiker und Preußen gilt dieser neue Band aus der bewährten Kröner-Handbuch-Reihe. Renommierte Fontane-Forscher haben eine Gesamtdarstellung auf dem neuesten Kenntnisstand verfaßt, die sich an alle richtet, die in Studium, Wissenschaft und Lehre oder als passionierte Leser an Fontane interessiert sind.

Das Bild Fontanes, "des Realisten" und großen Romanciers, des feinnervigen Gesellschaftskritikers und Preußen, hat in den letzten Jahren erheblich an Tiefenschärfe und Detailreichtum gewonnen. In dem neuen Kröner-Handbuch legen international renommierte Fontane-Forscher eine alle Aspekte beleuchtende Gesamtdarstellung auf dem neusten Kenntnisstand vor. Im Zentrum des Handbuchs steht das Werk Fontanes - die Romane und Erzählungen, die Lyrik, die autobiographischen Schriften und das journalistische Werk. Einen weiteren Schwerpunkt bildet der Eingangsteil "Fontane in seiner Zeit"; nach einem umfangreichen biographischen Abriß zeigt er Fontane als Zeugen seines Jahrhunderts und in seiner Verflechtung mit dem literarischen Leben. Ins Licht gerückt werden außerdem die kulturellen Traditionen, mit denen sich Fontane auseinandergesetzt hat, und seine poetischen Positionen und Techniken. Der abschließende Teil über die Wirkung umfaßt die Editions- und Forschungsgeschichte ebenso wie Verfilmungen und literarische Aneignungen bis hin zu Günter Grass' R'man "Ein weites Feld".
Autorenporträt
Christian Grawe, emeritierter Germanistikprofessor der Universität Melbourne, ist als Übersetzer von Jane Austens Romanen ein profunder Kenner ihres Lebens und Werks.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2001

Flucht in der Opernpause
Verläßlich auch im Zweifelhaften: Das "Fontane-Handbuch"

Der festliche Betrieb zum einhundertsten Todestag Fontanes im Jahr 1998 zeigte den Dichter auf dem Höhepunkt seiner Wirkung. Ein festlich angeregtes philologisches Ereignis stellt auch ein neues Fontane-Handbuch dar: alles über den Autor auf eintausend Seiten, Summe und Heerschau der Fontane-Forschung, ein naturgemäß kanonisches Kompendium. Was also, darf man fragen, haben wir an Fontane? Milde, Güte, Gerechtigkeit, Humor und verschlagene Weisheit - so lautete einer der Tugendkataloge, die Thomas Mann für seinen Lehrer in Anschlag brachte. Alfred Döblin sprach aus, was die Allerneuesten gegen Fontane auf dem Herzen hatten: "Das Wort ist symptomatisch: ,menschliche Schwäche'; weder bei Dostojewski noch bei Tolstoi, Flaubert findet man dergleichen. Mir wird flau bei dem Ausdruck. Es ist etwas Philiströses daran, nicht etwas, peinlich viel." Fontanes "Trostsatz" "Um neun ist alles aus" lautet bei Döblin: "Um 9 Uhr geht alles zu Bett". Damit war der Stab gebrochen. Weder Fontanes Ethos noch der Anspruch auf europäischen Rang, weder sein Realismus noch sein Humor hielten der Radikalitätsprobe stand.

Freundlich zum ästhetischen Urteil abgemildert, kehrt das in Erich Auerbachs "Mimesis" wieder. "Ansätze zu echter Zeitrealistik" seien bei Fontane immerhin zu erkennen, doch blieben sie stecken im "halben Ernst eines liebenswürdigen, teils optimistischen, teils resignierten Geplauders". Schwer taten sich auch politische Gutachter mit den Kehrtwendungen und reaktionären Engagements des politischen Journalisten Fontane. Einen "Regierungs-Schweinehund" nannte man ihn gelegentlich in London; jüngst hat man sogar einen Beleg für "quasi-nachrichtendienstliche Betätigung" ausgegraben. Alle mehr oder minder geläufigen Anfechtungen des Fontane-Bildes aber verblassen gegenüber dem Befund des Antisemitismus, den neuere Arbeiten in vollendeter Peinlichkeit markiert haben - eine wahre Zerreißprobe für die Sympathie mit Fontane. Das Handbuch wahrt die Loyalität gegenüber seinem Autor, indem es nicht beschönigt und sich den Kritikern stellt.

Der heikelsten Aufgabe unterzieht sich in einem schonungslosen Artikel Hans Otto Horch. Fontanes Äußerungen zum Judentum werden Jahrzehnt für Jahrzehnt gemustert, bis, seit 1880, die Ambivalenzen eines "philosemitischen Antisemitismus" (Wolfgang Paulsen) in Koalition mit dem Zeitgeist immer krasseren Wendungen Platz machen, bis hin zu dem bekannten Brief an Friedrich Paulsen aus dem letzten Lebensjahr, der auch noch den persönlichen Freund Georg Friedlaender verrät. Horch bescheinigt Fontane den Verlust der "sozialen Intelligenz". Anders als in manchmal haarsträubenden privaten Stellungnahmen übt Fontane öffentlich Zurückhaltung. Zwei Aufsätze zur Judenfrage führte er nicht aus; die knappen Entwürfe, die erst 1986 bekannt wurden, bremsen das Ressentiment. Auch der Erzähler legt sich Zügel an. Immerhin hat man inzwischen nachgewiesen, daß selbst seine Lieblingsfiguren, Melanie van der Straaten, Effi Briest (mit einer Bemerkung über einen konvertierten Prediger), Pastor Lorenzen und der alte Stechlin, von antisemitischen Anwandlungen nicht frei sind. Doch der "Antisemitismus der Figurenrede" sieht sich, wie Horch mit Norbert Mecklenburg sagt, im vielstimmigen "humanen Kosmos des narrativen Diskurses" objektiviert und "aufgehoben".

Nicht zum besten steht es immer noch mit dem internationalen Renommee Fontanes. Um so bemerkenswerter treten die bedeutenden Leistungen der Auslandsgermanistik in der Fontane-Forschung hervor, wie sie der instruktive Beitrag der schottischen Germanistin Helen Chambers darlegt, von Charlotte Jolles und Henry H. H. Remak bis zu Peter Demetz und Eda Sagarra. So läßt sich auch das Handbuch an Internationalität nicht übertreffen. Nahezu die Hälfte der Beiträge stammt von Auslandsgermanisten.

Am wenigsten läßt man sich den Realisten Fontane streitig machen. Einen Zeugen seiner Zeit versprechen die Herausgeber und deshalb ein "Kompendium des 19. Jahrhunderts", ein "faszinierendes Kultur- und Geschichtsbild". Gleich dreimal wird der Leser mit Fontane durch das Jahrhundert und alle Zeitbezüge geführt: in Helmuth Nürnbergers Lebensabriß, in Dietmar Storchs politischer Biographie, in Roland Berbigs Geschichte der literaturgesellschaftlichen Vernetzungen. Auch wenn sich dem alten Fontane kein junggoethisch glänzender junger Fontane zugesellen läßt, bestehen doch alle drei Biographen auf Kontinuität, lassen Berührungsängste vor der wechselvollen journalistischen Karriere Fontanes nicht gelten und beziehen damit, am deutlichsten Berbig, Stellung gegen die These von der "Verspätung" des Romanciers (Hans-Heinrich Reuter).

Das Zentrum des Handbuchs, gut ein Drittel, gehört natürlich dem Romancier. In einem langen theoretischen Vorlauf absolviert Hugo Aust ein vielfaches "Fontane und . . ." Nicht immer kommt eine Verbindung zustande. Stendhal, Balzac, Flaubert, Dostojewski hat Fontane nicht, Zola nur abwehrend zur Kenntnis genommen. Versuche, das mächtige "Dreigestirn" in Anschlag zu bringen, prallen an dem "Unfreund der Philosophie" (Hans Blumenberg) einigermaßen erfolglos ab. Der "sechsmal geschopenhauerte Pessimismus" bringt es trotz mancher "Schopenhauer-Abende" nur zu Redensartlichem, Nietzsche lediglich zu den üblichen Schlagwörtern. Wagnerismus dringt zwar als Charaktersignal in die Romane ein. Ein Besuch Fontanes in Bayreuth endet freilich rasch in einer "Erlebniskatastrophe" - er verläßt den "Parsifal" schon nach dem Vorspiel. Auch die "Trinität der Fontaneschen Poetik", die Aust gründlich mustert, also Realismus, Verklärung und Humor, sträubt sich gegen umstandslose Modernisierungen. Empirisch, artistotelisch geradezu und klassizistisch gedämpft kommt Fontanes Realismus daher: ausgewählte Widerspiegelungen, Angemessenheit des Stils, Maß, Grausamkeits- und Häßlichkeitsverbot (also nicht: Molkenmarkt-Geruch, Brunst, Schnapsatmosphäre, Hintertreppe). Höher im Kurs als das Prinzipielle steht für heutige Interpreten deshalb Fontanes Wink mit den "tausend Finessen", die er seinen Romanen mit auf den Weg gegeben habe. Namentlich Erwin Panofskys Formel vom "disguised symbolism", von Klaus Peter Schusters Effi-Briest-Studie eingeführt, zieht ihre Kreise und öffnet den Blick für die verblüffendsten sub- und intertextuellen Anspielungen.

Die Romaninterpretationen des Handbuchs wollen nicht überall und um jeden Preis originell sein, verzichten durchweg auf "Quackelei" (wie Fontane sagen würde) und vertrauen auf ihren dichten Informationswert wie auf ihre solide Anregungskraft. Sie stammen in der Hauptsache von Christian Grawe und Eda Sagarra.

Fontane hat, wie Grawe schreibt, den deutschen Roman "auf die Höhe des europäischen Realismus und an die Grenze der Moderne" geführt. Da ist die Metropole, Berlin; da ist der Zeit- und Gesellschaftsroman, der alle Schichten der Gesellschaft durchläuft; da ist die "Sozialpathologie des Seelenlebens der Kaiserzeit", ein "diagnostisch präzises Panorama", eine "Mentalitätsstudie", die ihresgleichen allenfalls noch bei Nietzsche finde; da sind konfliktreiche, tragische plots, gebrochene Charaktere, ein allgegenwärtiger Tod; da ist die "Durchsymbolisierung der Gegenstandswelt" und mit ihr die tiefenpsychologische Dimension. Da ist, mit einem Wort, die Moderne. Man glaubt die kritischen Bezweiflungen noch zu spüren, gegen die Grawe mit sanfter Entschiedenheit Front macht. Ist "Fontanopolis" schon die Großstadt Berlin? Wo ist die Berufs- und Arbeitswelt? Wo der vierte Stand, wo der Protest gegen gesellschaftliche Zwänge, wo die moderne Technik? Wo der bewegte zeitgenössische Hintergrund?

Das Handbuch macht sich nicht anheischig, mit Fontane fertig zu werden. Es leistet, was in seiner Macht steht. Das Prädikat "unentbehrlich" hat es sich redlich verdient.

HANS-JÜRGEN SCHINGS

Christian Grawe und Helmuth Nürnberger (Hrsg.): "Fontane-Handbuch". Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2000. 1055 S., geb., 128,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hans-Jürgen Schings kann diesem Band guten Gewissens das "Prädikat 'unentbehrlich'" verleihen, zumal man hier einfach alles über Fontane, sein Werk und über die Fontane-Forschung erfahren könne. Besonders gefällt ihm der große Anteil auslandsgermanistischer Beiträge und die Tatsache, dass mit Fontane-Kritik (etwa dem Vorwurf des Antisemitismus) sachlich umgegangen und nichts "beschönigt" werde. Was die Romaninterpretationen betrifft, so merkt Schings an, dass diese "nicht um jeden Preis originell" sein wollen, ihre besondere Stärke vielmehr im Informationsgehalt liege und in der Anregung, die von ihnen ausgeht. Und auch wenn dieses Buch nicht den Anspruch erhebt, "mit Fontane fertig zu werden", so kann der Rezensent den Band durchaus als "angeregtes philologisches Ereignis" empfehlen.

© Perlentaucher Medien GmbH