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Als George Steiner im Times Literary Supplement Bände der Gesammelten Schriften von Theodor W. Adorno bespricht, diagnostiziert er, daß dessen Werk zugute gekommen ist, »was man als die 'Suhrkamp-Kultur' bezeichnen kann«. Im Briefwechsel zwischen Peter Suhrkamp, Siegfried Unseld und Adorno ist zu verfolgen, wie diese Kultur entstand. Nichts deutet bei Adornos Rückkehr aus dem Exil 1949 auf ein Gelingen des Versuchs hin, in Nachkriegsdeutschland tatsächlich anzukommen. Im Jahr darauf geht auch Peter Suhrkamp mit der Verlagsgründung ein Wagnis ein. Dabei schließt der vom Konzentrationslager…mehr

Produktbeschreibung
Als George Steiner im Times Literary Supplement Bände der Gesammelten Schriften von Theodor W. Adorno bespricht, diagnostiziert er, daß dessen Werk zugute gekommen ist, »was man als die 'Suhrkamp-Kultur' bezeichnen kann«. Im Briefwechsel zwischen Peter Suhrkamp, Siegfried Unseld und Adorno ist zu verfolgen, wie diese Kultur entstand.
Nichts deutet bei Adornos Rückkehr aus dem Exil 1949 auf ein Gelingen des Versuchs hin, in Nachkriegsdeutschland tatsächlich anzukommen. Im Jahr darauf geht auch Peter Suhrkamp mit der Verlagsgründung ein Wagnis ein. Dabei schließt der vom Konzentrationslager Gezeichnete mit dem auf andere Art Verletzten einen Pakt. Adorno vergißt ihm das nicht: »Aber das einzige, woran ich wirklich Freude habe, ist eben doch die Herstellung 'heiliger Texte'. Wenn diese Texte allmählich anfangen, ein gewisses Eigengewicht anzunehmen, so weiß niemand besser als ich, wieviel dieses scheinbaren Eigengewichts Ihnen, Ihrer Solidarität und Freundschaft zu verdanken ist.« Die Durchsetzung eines Autors in der öffentlichkeit wie die Arbeit an diesen Texten steht im Mittelpunkt der 500 Briefe von 1950 bis 1969, jenem Zeitraum, in dem die Kritische Theorie wie der Verlag sich gegen das Etablierte etablieren. In seiner Rede zum 60. Geburtstag von Adorno zieht Siegfried Unseld eine vorläufige Bilanz: »... er ist dem Schicksal der Autoren mit Anfangsbuchstaben A entgangen, die links und hoch oben im Regal der Buchhandlungen ein unberührtes, weil nur durch eine Leiter erreichbares Schlummerdasein führen. Er gewann in manch einer Buchhandlung eine eigene Abteilung, die sichtbar in Augenhöhe aufgestellt ist.« Und Adorno resümiert in seinem letzten Brief an den Verleger: »... welche Bewunderung ich hege für das, was Sie in diesen zehn Jahren, mit wahrhaft unerschöpflicher Kraft, getan haben, und wie stolz ich darauf bin, daß ich einen Sektor dieses Umkreises einnehme.«
Zudem dokumentiert der Briefwechsel die Publikation eines weiteren Teils des Fluchtgepäcks der Emigration: der Schriften von Walter Benjamin.
Autorenporträt
Adorno, Theodor W.Theodor W. Adorno wurde am 11. September 1903 in Frankfurt am Main geboren und starb am 06. August 1969 während eines Ferienaufenthalts in Visp/Wallis an den Folgen eines Herzinfarkts. Von 1921 bis 1923 studierte er in Frankfurt Philosophie, Soziologie, Psychologie und Musikwissenschaft und promovierte 1924 über Die Transzendenz des Dinglichen und Noematischen in Husserls Phänomenologie. Bereits während seiner Schulzeit schloss er Freundschaft mit Siegfried Kracauer und während seines Studiums mit Max Horkheimer und Walter Benjamin. Mit ihnen zählt Adorno zu den wichtigsten Vertretern der »Frankfurter Schule«, die aus dem Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt hervorging. Sämtliche Werke Adornos sind im Suhrkamp Verlag erschienen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.09.2003

Wohin die Sache von sich aus treibt
Profane Herstellung heiliger Texte: Theodor W. Adornos Briefwechsel mit seinen Frankfurter Verlegern
Der erste Brief dieser Korrespondenz entstand, als es den Suhrkamp Verlag noch gar nicht gab. Am 7. Februar 1950 schickte der Ende 1949 nach Frankfurt zurückgekehrte Adorno an Peter Suhrkamp in Berlin eine Generalvollmacht für die Wahrnehmung seiner Interessen an der Ost-Berliner Ausgabe des gemeinsam mit Hanns Eisler verfassten Buches „Composing for the Film” (1947).
Die Trennung Suhrkamps von Gottfried Bermann Fischer bahnte sich da bereits an. Als er Anfang Juli 1950 seinen eigenen Vertrag gründete, konnte er sicher sein, dass wichtige Autoren ihm folgen würden, darunter Bertolt Brecht und Hermann Hesse. Und Adorno, der sich übrigens in den Briefen an seinen Verleger über Werk und Person Hermann Hesses stets sehr viel freundlicher äußert als über Werk und Person Bertolt Brechts.
Die „Minima Moralia” (1951) gingen in die Fundamente des Suhrkamp Verlages ein. Ihre Neuausgabe im Jahre 1969, dem Todesjahr Adornos, steht am Ende diese Korrespondenz. Sie ist nicht etwa deshalb so voluminös, weil darin seitenlang über die geistige Situation der Zeit räsoniert würde. Dazu kam es nur sporadisch, etwa im Blick auf den Außenminister Heinrich von Brentano (CDU), der im Frühjahr 1957 die späte Lyrik Brechts mit dem Horst Wessel-Lied verglichen und damit eine scharfe Erwiderung von Peter Suhrkamp provoziert hatte. Nein, dieser Briefwechsel ist so umfangreich, weil Adorno gegenüber seinen Verlegern so penibel auf Freiexemplare, Honorare, Korrekturen und die Verschickung von Rezensionsexemplaren achtete. In Essays wie „Titel” oder „Bibliographische Grillen” hat Adorno demonstriert, wie eng für ihn geistiger Gehalt und äußere Gestalt der Bücher aufeinander verwiesen. Hier, im Briefwechsel mit Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld, findet man dazu die alltäglichen Belege. Die Sorge um Titeleien, Satzspiegel, Umschlaggestaltungen war für Adorno offenkundig Teil seiner Autorschaft.
Mit Hingabe formulierte er Vorschläge für die Waschzettel seiner Bücher. Der zu den „Klangfiguren” (1959) ist ein gutes Beispiel für den nicht eben zurückhaltenden Duktus dieser Selbstanzeigen: „Adornos Vermögen produktiven Vorausdenkens in der Musik ist dem zu vergleichen, was Guillaume Apollinaire für die französische Dichtung und Malerei leistete. Dabei werden nirgends selbstherrlich und willkürlich Parolen ausgegeben, sondern die Perspektiven öffnen sich der Analyse dessen, wohin die Sache von sich aus treibt, und der Erkenntnis von Funktion und Problematik der Musik in der gegenwärtigen Gesellschaft.”
In seinen Essays hat Adorno bekannt, wie sehr ihm Peter Suhrkamp im Finden des gültigen Titels voraus hatte. Sehr viel ulkiger als in den Essays liest sich das hier: Adornos verstocktes Beharren auf seiner verquasten Idee „Lieder ohne Worte”, aus der dann die „profanen Exegesen” werden, ehe Suhrkamp den gültigen Titel „Noten zur Literatur” fand. Oder die Metamorphose der „Klangfiguren” aus „Mit den Ohren gedacht.”
Nur einmal kommt es zu einem ernsten Dissens mit Peter Suhrkamp: Als dieser argwöhnt, Adorno verzettele sich in immer neuen Essays, ohne zum Autor eines Werks im emphatischen Sinne zu werden. Eine geharnischte Apologie des Fragmentarischen und „Monadologischen” ist die Antwort. Aufs engste mit seinem eigenen Werk verbunden war für Adorno die Herausgabe der Schriften Walter Benjamins. Man kann hier nicht nur deren verschlungene Editionsgeschichte nachlesen, sondern auch, wie wenig Adorno die Brecht zugewandte Seite Benjamins behagte.
Allenfalls als gedämpftes Echo kommen Adornos Konflikte mit den Studenten und die Siegfried Unselds mit seinen Lektoren vor. Reich ist der Band dafür an Belegen für Adornos Abneigungen, etwa gegenüber Dolf Sternberger und Ernst Robert Curtius. „Das Prinzip Hoffnung” von Ernst Bloch, mit dem er jahrelang auf sehr verquerem Fuß stand, empfiehlt Adorno 1958 mit einer Häufung diplomatisch-politischer Begründungen zur Publikation, ehe er am Ende den einzigen Einwand zur Sprache bringt: es sei leider kein gutes Buch: „Anstelle der wirklichen Anstrengung und Arbeit des Begriffs, die ein alter Hegelianer wie Bloch doch weiß Gott schwer zu nehmen hätte, ist das Buch wie ein reißendes Gewässer, in dem alles mögliche Zeug, vor allem Konservenbüchsen, herumschwimmt, überreich an einem teilweise übrigens etwas apokryphen Stoff, aber arm einfach an geistigem Gehalt.”
Im Neujahrsbrief des Jahres 1956 an Peter Suhrkamp schreibt Adorno: „das einzige, woran ich wirklich Freude habe, ist eben doch die Herstellung ,heiliger Texte‘.” Man muss das Heilige hier metaphorisch nehmen. Es ging Adorno um seine profane Kanonisierung in der Kultur Nachkriegsdeutschlands. Sie ist ihm gelungen.
LOTHAR MÜLLER
WOLFGANG SCHOPF (Hrsg.): „So müßte ich ein Engel und kein Autor sein”. Adorno und seine Frankfurter Verleger. Der Briefwechsel mit Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 767 Seiten, 39,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dass das eigentlich langweilige Verlagsgeschäft auch aufregend sein kann, beweist der Briefwechsel von Theodor Adorno mit seinen Verlegern Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld, stellt Ludger Heidbrink angenehm überrascht fest. Die Briefe zeigen Adorno von einer ungewohnten Seite, als "publizistische Ich-AG und sozialkritischen Entrepeneur", der intensiv für seine Bücher wirbt und sich mit einem "Hang zur Pedanterie" in den Prozess der Veröffentlichung einmischt, Waschzettel für seine Werke verfasst, Listen mit potenziellen Rezensenten erstellt und Vorschläge für Zeitungen und Sender macht. Interessant findet der Rezensent, wie intensiv sich vor allem Peter Suhrkamp um den Intellektuellen kümmert und was für ein herzliches und vertrauensvolles Verhältnis sich mit der Zeit zwischen Autor und Verleger entwickelt - auch wenn es ums Finanzielle geht. Der Briefwechsel, resümiert Heidbrink, offenbare den Philosophen als "unermüdlichen Unternehmer, der seinen Marktwert kannte".

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