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John R. Searle gehört zu den wirkungsmächtigsten Philosophen der Gegenwart. Er hat bahnbrechende Untersuchungen über Sprechakte veröffentlicht, eine eigene Konzeption von Intentionalität vorgelegt und das Funktionieren gesellschaftlicher Realität erklärt. Er hat die Diskussion um künstliche Intelligenz mit seinem Bild des "chinesischen Zimmers" bereichert und damit allen Vergleichen des menschlichen Geistes mit dem Computer ein vieldiskutiertes Argument beschert. Als ebenso geistreicher wie polemischer Autor mischt er sich immer wieder in aktuelle Debatten ein und verblüfft mit einfachen, aber…mehr

Produktbeschreibung
John R. Searle gehört zu den wirkungsmächtigsten Philosophen der Gegenwart. Er hat bahnbrechende Untersuchungen über Sprechakte veröffentlicht, eine eigene Konzeption von Intentionalität vorgelegt und das Funktionieren gesellschaftlicher Realität erklärt. Er hat die Diskussion um künstliche Intelligenz mit seinem Bild des "chinesischen Zimmers" bereichert und damit allen Vergleichen des menschlichen Geistes mit dem Computer ein vieldiskutiertes Argument beschert. Als ebenso geistreicher wie polemischer Autor mischt er sich immer wieder in aktuelle Debatten ein und verblüfft mit einfachen, aber schlagkräftigen Antworten.
In seinem neuen Buch zieht Searle die Summe aus diesen Themen. Dabei legt er seine Sicht des "externen Realismus" dar, erklärt den Geist als ein natürliches Phänomen, das kausal vom Hirn abhängt, und löst das Leib-Seele-Problem auf. Er gibt eine kurze Darstellung seiner Ansichten über Intentionalität und Sprechakte und beantwortet die Frage, wie es zur Bildung einer sozialen Wirklichkeit kommt.
Durch die leichtverständliche Darstellung und Searles Fähigkeit, komplexe Probleme in wenigen Sätzen zu skizzieren und zu lösen, eignet sich das Buch nicht nur als Einführung in Searles Denken, sondern auch als Einführung in die Gegenwartsphilosophie überhaupt.
Autorenporträt
Searle, John R.
John R. Searle wurde in Oxford ausgebildet und ist seit 1959 Slusser Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley. Für sein umfangreiches Werk, das die Philosophie der Gegenwart auf vielen Gebieten maßgeblich beeinflußt hat, erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Jean Nicod Preis und die National Humanities Medal.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.07.2001

Die Welt als Einkaufszettel
John R. Searle und seine Einführung zu Sprache und Gesellschaft
In der analytischen Philosophie, wie sie in England und Amerika entwickelt und maßgeblich für ernsthaftes Philosophieren überhaupt wurde, scheint man sich in die abgehobensten Detailprobleme zwischen Sprache und Wirklichkeit verbissen und „das Ganze” aus den Augen verloren zu haben. Es hat sich jedoch ergeben, dass selbst die kleinsten Ganzheiten in Partikel zerfallen, sobald man näher hinschaut. Und ohne weitere Zergliederung dieser Partikel verbleibt man im Ungefähren. Daher der Name analytische Philosophie, und deshalb der Eindruck, dass man in ihr vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Nur wenige aus dieser Schule oder besser Richtung haben sich damit abgegeben, die Tradition und den Zusammenhang anzudeuten, in dem die vermeintlich isolierten Teilaspekte stehen. John R. Searle hat im Alleingang den gelungenen Versuch einer solchen Synthese unternommen, der jetzt auf Deutsch unter dem Titel „Geist, Sprache und Gesellschaft” vorliegt.
Searle zählt – mit Donald Davidson, Hilary Putnam, Saul Kripke, Richard Rorty, Thomas Nagel – zu den beeindruckendsten Denkern Amerikas und der westlichen Welt. Begonnen hat er, im Anschluss an seinen Lehrer John L. Austin, mit einer Theorie der Sprechakte – wie man sprechend handelt -, danach gelang ihm mit einer umfangreichen Abhandlung über Intentionalität – wie sich mentale Zustände auf Dinge und Situationen beziehen – ein neuer Zugang zur Problematik von Bewusstsein und Subjektivität. Ein Jahr später folgte eine Untersuchung über „Geist, Hirn und Wissenschaft”, in der er die Kurzschlüsse der Kognitionswissenschaft und KI-Forschung aufdeckte. Schließlich legte Searle noch eine originelle Version der „Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit” vor, zu der seine früheren Arbeiten wesentliche Bausteine lieferten.
Diesmal wendet Searle sich ausdrücklich an Interessierte ohne besondere philosophische Vorkenntnisse. Das gelingt ihm wie nur ganz wenigen, weil er den Blick für das Muster eines komplexen Sachverhalts hat, weil er sich blitzartig erhellende Gedankenexperimente auszudenken versteht, und nicht zuletzt, weil er eine eingängige, unprätentiöse Sprache spricht. Searles Diskurs – hier passt das vernutzte Wort – vom Geist zu Sprache und Gesellschaft beginnt mit einem Bekenntnis zur „Aufklärungsvision”, nämlich dass es universelle Rationalitätsstandards gibt, dass eine Welt voller Dinge und Ereignisse unabhängig von uns existiert, dass sie erkannt werden kann, so wie sie wirklich ist, und dass Wahrheit auf der Entsprechung unserer Aussagen mit der Wirklichkeit beruht. Mit Goethe: „Wär nicht das Auge sonnenhaft,/ Die Sonne könnt’ es nie erblicken ...”
Nicht vom Himmel gefallen
Diese Verteidigung des „externen” oder natürlichen oder naiven Realismus ist nötig geworden, nachdem in den letzten fünfzehn Jahren ein Antirealismus in Mode gekommen ist, der die Wirklichkeit nur als Produkt unserer Vorstellungen, Ansichten, Sprachen, oder als soziales Konstrukt begreifen will. Es ist aber einfach so, dass wir ohne eine realistische Einstellung zur Welt gar nicht sinnvoll miteinander reden könnten, dass der schlichte Realismus keine Theorie, sondern einfach die Voraussetzung all unserer theoretischen Bemühungen ist. Letztlich argwöhnt Searle hinter den postmodernistischen Attacken auf den Realismus einen „Willen zur Macht”: Gewisse Leute wollen sich die Welt nach ihrem Gusto herrichten.
Für Searle ist der Geist ein biologisches, evolutionäres Produkt wie andere auch – keineswegs vom Himmel gefallen, wie deutsch-idealistische Philosophen es gerne möchten. Doch die vom Gehirn hervorgebrachten Bewusstseinszustände sind qualitativ und subjektiv „höherstufige Vorgänge”, die sich nicht auf die niederen Gehirnvorgänge zurückführen lassen. Selbst wenn es mir nur so schiene, Bewusstsein zu haben, dann habe ich Bewusstsein, und wenn Bewusstsein nur Täuschung wäre, „dann ist die Existenz der ‚Täuschung‘ die Wirklichkeit selbst”.
Die überkommenen Kategorien von Materie und Geist – der cartesianische Dualismus – sind also aufzugeben. Searle vergleicht manchmal Gehirnfunktionen und Bewusstsein mit Verdauungsvorgängen, er hält es sogar prinzipiell für möglich, ein künstliches Gehirn zu bauen, das ebenfalls Bewusstsein verursacht. Damit erweckt er allerdings den Eindruck, als funktionierte das Gehirn samt seinem „höherstufigen” Bewusstsein gleichsam vegetativ, steuerlos, sodass man sich fragt, wo da ein Ich unterzubringen wäre. Statt Kants „Ich denke”, das alle meine Vorstellungen muss begleiten können, begnügt er sich mit der physikalischen Kraftfeld-Metapher für das Bewusstsein. Ein anonymes „Es denkt”, mit Lichtenberg, scheint da die Einheit des Bewusstseins zu stiften. Um die vielfältigen Strukturmerkmale des Bewusstseins freizulegen, ist er genötigt, eine Anzahl neuer Begriffe einzuführen, denen nicht selten etwas Behelfsmäßiges anhaftet. Und natürlich ist auch er gezwungen, im Nebel von Bewusstsein und Subjektivität, mehr als er zugestehen mag, sich auf das fragwürdige Verfahren der Introspektion einzulassen.
Komplizierter wird es dann doch, wenn es um das „ungeschickte Wort” „deutschsprachiger Philosophen” (Brentano ist wohl gemeint), die Intentionalität geht. Subjektive Zustände, so definiert man heute, etwa Überzeugungen, Wünsche, Absichten oder Wahrnehmungen, Befürchtungen und Hoffnungen sind einige der Weisen, durch die sich der Geist auf Gegenstände bezieht und von ihnen handelt. Aber wie verhalten sich Wörter zur Welt und umgekehrt? Dazu bringt Searle, unter anderem, das Strukturmerkmal der unterschiedlichen „Ausrichtung” ins Spiel, das er so veranschaulicht: Die Frau schickt ihren Mann mit der Einkaufsliste, die einen Wunsch (Intention) ausdrückt, in den Supermarkt. Beim Einkauf achtet der Mann darauf, dass die Welt (die Lebensmittel) den auf der Liste verzeichneten Dingen entspricht. Nehmen wir an, ein Detektiv beobachtet und notiert, was der Mann in seinen Korb legt – Bier, Butter, Wurst. Beide haben an der Kasse identische Listen, aber mit völlig anderen Funktionen. Die Liste des Detektivs soll repräsentieren, wie die Dinge sind. Die Liste des Ehemanns soll die „Welt” so verändern, dass sie dem Inhalt der Liste entspricht. Die Liste des Ehemanns hat die „Welt-auf-Liste-Ausrichtung”, die des Detektivs hat die „Liste-auf- Welt-Ausrichtung”.
Die soziale Welt und ihre Institutionen schließlich sind eine Domäne kollektiver Setzungen. Ein rechteckiges Stück bedruckten Papiers wird dadurch Geld, dass wir denken und akzeptieren, dass es Geld ist. Und so auch Eigentum, Sprache, Universitäten, Regierungen und so weiter. Doch wie kann es eine objektive gesellschaftliche Wirklichkeit geben, nur weil wir denken, dass sie ist, was sie ist? Searle nimmt dazu eine kollektive, eine – nun doch ziemlich aufgesetzte – Wir-Intentionalität an (wir denken, wir wünschen), die mit der individuellen Intentionalität (ich denke, ich wünsche) in uns angelegt ist. Jedenfalls werden kraft dieser kollektiven Intentionalität Dingen, Institutionen Statusfunktionen verliehen. Dabei kommt der Sprache eine entscheidende Rolle zu. Und durch Sprechakte gelingt es uns tatsächlich, Veränderungen in der Welt zu bewirken.
Sein Buch, sagt Searle, fußt auf der Annahme, „dass wir in einer einzigen Welt leben und dass diese Welt uns verständlich ist”. Ich denke, seine konzentrierte Synopsis hat sie uns ein gutes Stück verständlicher gemacht.
WILLY HOCHKEPPEL
JOHN R. SEARLE: Geist, Sprache und Gesellschaft. Aus dem Amerikanischen von Harvey P. Gavagai. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2001. 192 S., 39,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2001

Ach, wäre das mit dem Geist doch so einfach wie mit dem Rest
Jede Menge ungelöster Probleme: John Searle betreibt die große Theorie der Bewußtseinsphilosophie und baut Brücken vom Sessel aus

John Searle, Jahrgang 1932 und Professor an der University of California, Berkeley, gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen Philosophen. Es ist das traditionelle Recht solcher Personen, an der Schwelle zum höheren Alter Welterklärungen zu entwerfen. Entsprechend will Searle in dem vorliegenden, knapp zweihundert Seiten umfassenden Büchlein ergründen, "wie gewisse wesentliche Teile des Geistes, der Sprache und der gesellschaftlichen Wirklichkeit funktionieren und ein kohärentes Ganzes bilden".

Um dies leisten zu können, muß Searle selbstverständlich gegen jede Art von Skeptizismus, Relativismus und Konstruktivismus, wie sie derzeit hoch gehandelt werden, die folgende Grundanschauung vertreten: "Wir leben in einer Welt, und diese Welt ist - innerhalb der Beschränkungen unserer evolutionären Ausstattung - verständlich." Entsprechend glaubt er an eine allgemeingültige Rationalität und an eine bewußtseinsunabhängige Welt, die objektiv erkennbar ist. Alle Einwände seitens der Wahrnehmungspsychologie und Neurobiologie gegen einen strikten Erkenntnisrealismus läßt der Philosoph nicht gelten. Wir werden hören, aus welchem tieferen Grund er dies tut.

Zwei Drittel seines Buches widmet Searle dem Problem des Geistes und des Bewußtseins. Dies muß überraschen, denn angesichts der Flut von philosophischen Büchern in den letzten Jahren zu diesem Thema - insbesondere zur Beziehung zwischen Geist beziehungsweise Bewußtsein und Gehirn - kann man kaum glauben, daß hier noch etwas grundsätzlich Neues gesagt werden könnte. Das ist bei Searle auch nicht der Fall. Er geht - wie inzwischen viele Philosophen - davon aus, daß Bewußtsein ein biologisches Phänomen ist, von Hirnprozessen verursacht (wie dies geschieht - darüber wird nichts gesagt), aber doch gleichzeitig ein ganz besonderes biologisches Phänomen, das nicht auf die ihm zugrunde liegenden physikalisch­physiologischen Prozesse reduziert werden kann. Diese keineswegs neuartige Anschauung würde man eigentlich "Emergenz-Philosophie" nennen, sie wird aber von Searle nicht so bezeichnet.

Grund für das Besondere am Bewußtsein ist nach Searle die (nicht neurobiologisch reduzierbare) "Erste-Person-Perspektive", seine Subjektivität - im Gegensatz zur "Dritte-Person-Perspektive" und zur Objektivität der Hirnvorgänge. Hieraus erwächst die wichtigste Eigenschaft des Bewußtseins, nämlich seine Intentionalität: Geist und Bewußtseinszustände repräsentieren Dinge und Sachverhalte in der Welt; sie sind als Aussagen, Aufforderungen, Absichten, Wünsche und so weiter mit "Erfüllungsbedingungen" (wie Searle es nennt) verbunden. Diese Intentionalität des Geistes wird zur Grundlage von Gesellschaft und Sprache. Damit ist klar, warum ein solcher Standpunkt einen ontologischen und erkenntnistheoretischen Realismus voraussetzt.

Im folgenden handelt Searle relativ ausführlich die Eigenschaften des Bewußtseins und seiner Intentionalität ab. Dies geschieht, in traditioneller philosophischer Art, meist weitab von der aktuellen Erforschung von Bewußtseinszuständen und ihren neuronalen Grundlagen. Merkwürdig wird es, wenn Searle ausführt, es gebe neben der für physiologische Gehirnzustände charakteristischen kausalen Verursachung auch eine intentionale Verursachung durch Wünsche, Absichten und Willensakte, die direkt auf unser Verhalten einwirken. Da dies nun sehr nach einem - von Searle verabscheuten - Geist-Gehirn-Dualismus aussieht, beeilt sich der Autor festzustellen, hier liege ein "ungelöstes Problem" vor, das insbesondere beim Phänomen der "Willensfreiheit" manifest werde. Eine solche Feststellung bringt uns allerdings beim Geist-Gehirn-Problem im Vergleich mit den von Searle heftig kritisierten Philosophen-Kollegen keinen Schritt weiter. Erforderlich wäre es, sich als Philosoph mit kritischem Blick auf die Ergebnisse der empirischen Bewußtseinsforschung einzulassen, zum Beispiel in Hinblick auf das in diesem Zusammenhang außerordentlich wichtige Verhältnis von Bewußtseinszuständen zu den vielfältigen Zuständen des Unbewußten. Die Freudsche Theorie des Unbewußten wird von Searle in einem Satz als irrelevant abgetan, die experimentelle Forschung der letzten Jahre zu diesem Thema nicht erwähnt.

Die Brücke zur Gesellschaft und zur Sprache schlägt Searle mit dem Gedanken, aus der grundlegenden Intentionalität von Bewußtseinszuständen erwachse das, was er "kollektive Intentionalität" nennt, nämlich der Umstand, daß Menschen wechselseitige Überzeugungen haben. Diese kollektive Intentionalität mündet in "Funktionszuweisungen" an Gegenstände und Sachverhalte der Welt, die dadurch "Statusfunktionen" erhalten. Searle diskutiert dies anhand des Phänomens "Geld": Geld ist ein Symbol für komplexe gesellschaftliche Operationen. Gesellschaft ist die wiederholte kollektive Zuweisung von Statusfunktionen; dadurch wird sie zu einer objektiven, realen, bewußtseinsunabhängigen Institution, auch wenn sie aus der grundlegenden Intentionalität des subjektiven Bewußtseins erwächst (man fühlt sich hierbei stark an Luhmann erinnert).

Bei der Erklärung von Sprache geht Searle von der von J. L. Austin entwickelten Theorie der Sprechakte, genauer der "illokutionären Akte", aus. Diese Sprechakte wie Befehlen, Behaupten, Warnen, Versprechen sind die kleinsten sprachlichen Verständigungseinheiten und unterscheiden sich durch ihre Wirkungen auf die Kommunikationspartner. Die Bedeutung von Wörtern und Sätzen ist zwar durch Konventionen der Sprachgemeinschaft festgelegt, letztlich resultiert sie aber für Searle aus der Intentionalität von Denken und Bewußtsein. Das Sprechen als Geräuschproduktion schafft die Bedingungen, unter denen die Intentionalität geistiger Akte erfüllt werden kann (es ist - in einer etwas eigenartigen Formulierung - "die Erfüllungsbedingung für die Erfüllungsbedingungen" -, nämlich intentionaler Zustände). Verstehen heißt deshalb für Searle, die Absichten anderer zu erkennen.

Man mag daran zweifeln, daß die hier entwickelte Theorie der Gesellschaft und der Sprache irgend etwas Neues oder zumindest Erhellendes bringt. Sie wird auf nicht einmal sechzig Seiten in großer Ferne von der schier unfaßbaren Fülle vorhandener Theorien über Gesellschaft, Ökonomie und Sprache entwickelt (auch wenn der Autor berichtet, er habe hierzu viele Bücher gelesen). Was in den Kognitions- und Neurowissenschaften zu Sprache, Kommunikation und Verstehen erforscht wurde, ist kaum vereinbar mit den von Searle vertretenen Ansichten. Diese sind zutiefst geprägt von dem Grundgedanken, alles, was wir denken und tun, sei eine Anpassung an reale, objektive Verhältnisse. Die Einsicht, daß jedes Individuum in seiner je eigenen Erlebnis- und Rechtfertigungswelt lebt und daß Verstehen deshalb als eine besonders schwierige soziale Leistung angesehen werden muß, bleibt unberücksichtigt.

Am Ende des verständlich und flüssig geschriebenen (und auch übersetzten) Buches trifft Searle eine bemerkenswerte Feststellung: Es sei ein wichtiges Bestreben der Philosophen, Fragen so zu verbessern, daß aus ihnen Gegenstände der Wissenschaften werden können. Es wäre gut gewesen, wenn Searle sich diese eigene Einsicht zu Herzen genommen hätte.

GERHARD ROTH

John R. Searle: "Geist, Sprache und Gesellschaft". Aus dem Englischen von Harvey P. Gavagai. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 192 S., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gut verständlich und somit sowohl dem Einführungscharakter als auch offenbar dem Stil von Searle's Buch angemessen, bezeichnet Willy Hochkeppel die Suhrkamp-Neuerscheinung anerkennend als "konzentrierte Synopsis". Dankenswerterweise verweist er auf den wissenschaftlichen Werdegang des Austin-Schülers und nennt dessen beiden voraufgegangenen Werke "Geist, Hirn und Wissenschaft" und "Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit". Als einer der wichtigsten zeitgenössischen amerikanischen Denker stehe Searle in einer Reihe mit Davidson, Putnam, Kripke, Rorty, Nagel. Der Rezensent versteht Searles "'externen' oder natürlichen oder naiven Realismus" als Gegenentwurf zum in Mode gekommenen Anti-Realismus, "der die Wirklichkeit nur als Produkt unserer Vorstellungen, Ansichten, Sprachen oder als soziales Konstrukt begreifen will" und hinter dem Searle lediglich einen "Willen zur Macht argwöhne".

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