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Wiggo Ritter, ein junger Mann aus gehobenen Verhältnissen, liegt schwer verletzt im Krankenhaus und schildert seinem Verteidiger, warum er töten mußte. Eine faszinierende Geschichte von Sehnsucht, Verrat und verhängnisvoller Liebe.

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Produktbeschreibung
Wiggo Ritter, ein junger Mann aus gehobenen Verhältnissen, liegt schwer verletzt im Krankenhaus und schildert seinem Verteidiger, warum er töten mußte. Eine faszinierende Geschichte von Sehnsucht, Verrat und verhängnisvoller Liebe.
Autorenporträt
Uwe Tellkamp, geboren 1968 in Dresden, Romancier, Erzähler und Essayist, legte 2008 nach Erscheinen seines zweiten Romans, Der Eisvogel (2005), mit dem Roman Der Turm sein bislang umfangreichstes Prosawerk vor, in dem er die Vorwende- und Wende-Zeit der DDR zum Thema macht. Mit einem Ausschnitt aus dem Roman Der Schlaf in den Uhren gewann er 2004 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Neben anderen Auszeichnungen wurde ihm 2008 der Uwe-Johnson-Preis, im selben Jahr der Deutsche Buchpreis und 2009 der Deutsche Nationalpreis zuerkannt. Eine Verfilmung des Turms erfolgte 2012.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2005

Es graut
Die deutsche Literatur in diesem Frühjahr

Das ist doch auch mal eine gute Nachricht: Sie verpassen in diesen Tagen nicht viel, wenn Sie die neuen deutschen Romane eher unbeachtet lassen. Da passiert nichts. Sie können sich anderem zuwenden. Ich würde es sogar empfehlen. Sie kommen nur in schlechte Stimmung, wenn Sie das alles lesen. Alles ist grau. Meistens regnet es. Die Helden sind blaß und träge und irgendwie gelähmt.

"Horror Vacui" heißt die graueste Neuerscheinung, die Autorin Tina Uebel, der Umschlag ist grau und leer, die Menschen sind es auch, das Buch beginnt: "Hier ist gar nichts. Dies ist ein grauenvoller Ort", und die Menschen reisen in ein noch immer größeres Nichts, und am Ende ist fast nichts passiert. Der Bachmannpreis-Gewinner Uwe Tellkamp trompetet mit einem so hohlen, leeren Pathos in seinem Buch "Der Eisvogel" eine angeblich neue, angeblich terroristische, angeblich konservative Revolutionsgruppe in einer Aufgeblasenheit herbei, daß am Ende nur Lüge und Leere bleiben. Den Beginn seines Schreibens erinnert er ganz im Ernst in einem Interview so: "Geschrieben habe ich seit dem 16. Oktober 1985, als ich, fasziniert von dem flutenden Sonnenlicht in unserem Garten und dem Lichteinfall auf eine Rose, mein erstes Gedicht schrieb." Karen Duve verschwendet ihr herrliches Talent an lebensleere Märchen und schreibt zu Recht: "Natürlich scherte sich niemand groß um die Gefühle eines Zwerges"; der noch weit talentiertere Frankfurter Autor Andreas Maier parliert in seinem neuen Roman "Kirillow" unnotwendig daher und nennt harmlose Mietergespräche aus Frankfurt-Bornheim seinen "Prolog aus der Hölle". Ein Feuer brennt da nicht. Es ist nur ein wenig gewöhnlich, grau und kühl. Wie überall in Deutschland in diesem sogenannten Frühling.

Vom Schreibkönner Christoph Peters erscheint jetzt schon, als sei er längst ein gefeierter Altmeister, das vergriffene Erstlingswerk "Heinrich Grewents Arbeit und Liebe" erneut und ist deswegen doch noch kein interessantes Buch, das man lesen müßte. Silke Scheuermann, die sehr schöne Gedichte schreiben kann, verbreitet in ihrem ersten Erzählungsband "Reiche Mädchen" die Atmosphäre eines stickigen, verrauchten Wartesaals des Lebens; in Leander Scholz' neuem Roman scheint immerhin die Sonne, aber seine Gehirntauschphantasien wirken so ausgedacht und überlyrisiert und geheimnisumkrämert und künstlich verdunkelt, daß das Lesen uns auch nicht weiterbringt. Christoph Hein versucht in aussichtslosem Kampf die Wahrheit über die Erschießung des Terroristen Wolfgang Grams zu erkämpfen und müht sich ab und bringt den Kampf nicht voran und die Wahrheit auch nicht.

Der Frühling ist anderswo.

VOLKER WEIDERMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Uwe Tellkamps Roman "Der Eisvogel" ist ein "politischer Zeitroman", der in der "Berliner Republik" spielt und das Thema Terrorismus aufgreift, das zur Zeit in der Kunst Konjunktur hat, konstatiert Ijoma Mangold. Der Terrorismus, den der Autor in seiner Geschichte darstellt, ist jedoch kein linker, sondern von "eigentümlich reaktionär-elitärer" Art, was ein "völlig neues Bild" entstehen lässt und zudem die sonst lauernde Gefahr von "Verklärungsfallen und Moralklischees" geschickt vermeidet, so der Rezensent beeindruckt. Der Banker-Sohn Wiggo gerät in eine terroristische Gruppe mit Namen "Organisation Wiedergeburt", die in Deutschland einen "Kasten- und Ständestaat" errichten will, fasst Mangold zusammen. Die Darstellung der "verschiedenen Milieus" aus denen die Mitglieder dieser Gruppe kommen, lassen für den Rezensenten einen "enorm plastischen Gesellschaftsroman" entstehen, wobei die "Grellheit" der Figurenzeichnungen Mangold an Balzac denken lassen. Er ist von dem "großartig halluzinierten" und dabei außerordentlich "glaubwürdig" dargestellten Gesellschaftsbild dieses Romans begeistert, wobei er insbesondere vom "raffinierten Stimmenchor", aus dem Tellkamp seinen Roman aufgebaut hat, beeindruckt ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2005

Nie wieder Kaltakquise!
Wie man die Bundesrepublik auf eine heiße Herdplatte setzt: Uwe Tellkamps großartiger Roman „Der Eisvogel”
In der humanen Welt, in der wir leben, wird manchmal darüber diskutiert, ob das Land eher ein Erkenntnis- oder ein Umsetzungsproblem hat. Die meisten dürften mit dem früheren Bundespräsidenten Roman Herzog dazu tendieren, von einem Umsetzungsproblem zu sprechen. Mit dieser Ansicht verbindet sich in der Regel ein Gefühl lang angestauten Verdrusses, wonach es die allein kleinlicher Parteientaktiererei geschuldete Selbstlähmung der Politik sei, die die doch klar zu Tage liegenden Problemlösungen nicht zum Zuge kommen lasse. Dieses Gefühl erzeugt das Bedürfnis, sich endlich Erleichterung zu verschaffen, indem man den gordischen Knoten durchhaut. Dann heißt es ultimativ: „Föderalismusreform”, „Mehrheitswahlrecht” oder „sechsjährige Legislaturperiode”, weil die Probleme eben an der Wurzel gepackt werden müssten. So ist das in der humanen Welt, in der wir leben.
Das Brodeln unterm Kanzleramt
Denn die Radikalkuren könnten durchaus irrsinniger ausfallen. Das Gefühl, dass nichts mehr geht, und dass alles wie gelähmt auf der Stelle tritt, kann gefährlich für eine Gesellschaft sein. Wie ein gefesselter Gulliver träumt sie dann von der einen, die Ketten sprengenden Tat. In hysterisch-labilen Gemütern kann es zu einer vollständigen Fetischisierung dieser einen Tat kommen, die den Rang eines metaphysischen Ereignisses annimmt, durch welches man zu den lange versiegten Quellen des Lebens selbst zurückfinden würde. In Uwe Tellkamps Roman „Der Eisvogel” sagt der dämonische Mauritz zu seinem Freund Wiggo, dem gescheiterten und ratlosen Philosophen: „Du, der Philosoph, hast keine Vorschläge? Ich wüsste schon etwas: Analyse und die aus der Analyse folgende, logisch sich ergebende Tat.”
Muss man hinzufügen, dass, wer so spricht, nicht von sich behaupten würde, er habe ein Erkenntnisproblem? Und in der Tat: Mauritz hat die Analyse bereits abgeschlossen. Und in der inhumanen Welt dieses Romans ist Mauritz’ Analyse von so schneidender Radikalität, dass die ihr „logisch” folgende Tat durch keinen Selbstzweifel relativiert wird. „Es gibt”, fährt Mauritz an anderer Stelle fort, „keine Veränderung ohne Zwang, und was wir jetzt haben, ist ein Herumdoktern an Symptomen, aber keine wirkliche Therapie, das geht nicht an die Wurzel, das bessert nichts grundsätzlich”. Uwe Tellkamp hat einen politischen Zeitroman geschrieben, der wirklich ein Bild dessen erkennen lässt, was man eine Zeit lang die „Berliner Republik” genannt hat. Und dieses Bild ist reicher, verworrener, brodelnder und hysterischer, als wir uns in gemütlichen Stunden Kanzlers Neue Mitte vorgestellt haben.
Mit einigen Kunstwerken aus diesen Tagen teilt Tellkamps Roman sein Thema. Es ist das des Terrorismus. Von Hans Weingartners ärgerlichem Film „Die fetten Jahre sind vorbei” über die Berliner RAF-Ausstellung und ihre ausgesprochene Faszinationskraft bis zu Christoph Heins Bad Kleinen-Rekonstruktion „In seiner frühen Kindheit ein Garten” und Andreas Maiers Roman „Kirillow” umkreisen die Künste zur Zeit mit einem auffallenden Interesse die Magie und Verführungskraft der terroristischen Tat. Das dürfte kein Zufall sein.
Nichts hat die Bundesrepublik der achtziger und neunziger Jahre vermutlich besser beschrieben als ein Aperçu des Soziologen Niklas Luhmann: „Alles könnte anders sein, aber nichts kann ich ändern.” Das war auf jene Welt einer funktional differenzierten Gesellschaft gemünzt, die keine zentrale Steuerungsinstanz mehr kennt und sich in ihrer Eigenlogik dem Zugriff des Einzelnen entzieht. An anderer Stelle spricht Luhmann auch von der „Unerreichbarkeit der Gesellschaft”. Wie aber kann man ausbrechen aus der Funktionslogik hochkomplexer Gesellschaften? Eine der Antworten, eine sehr vulgäre, völlig unterkomplexe naturgemäß, ist der Terrorismus. In allen den erwähnten Kunstwerken geht es um Versuche, durch eine Gewalttat die „Erreichbarkeit” der Gesellschaft herbeizubomben. Die Kontingenzwelt der achtziger und neunziger Jahre, wie sie Luhmann beschrieben hat, ist dabei die Abstoßungsfolie.
Uwe Tellkamp aber ändert im „Eisvogel” ein entscheidendes Element dieser Konstellation - und mit dieser Weichenstellung gewinnt er ein völlig neues Bild und vermeidet viele Verklärungsfallen und Moralklischees. Der Terrorismus, den er beschreibt, ist nämlich kein linker mehr, sondern ein eigentümlich reaktionär-elitärer. Und wie Tellkamp die verschiedenen Milieus, aus denen sich diese Bewegung rekrutiert, beschreibt, macht den „Eisvogel” zu einem enorm plastischen Gesellschaftsroman. Sein Figurenkabinett beschreibt er dabei durchaus mit jener Grellheit, um die auch Balzac nie verlegen war.
„Der Eisvogel” erzählt die Geschichte von Wiggo Ritter, einem jungen Mann aus sehr gutem Hause. Sein Vater ist ein mächtiger Banker, von jener rücksichtslosen Liberalität, die einem kraftvollen Selbsthelfertum entwächst. Wiggo aber, der Philosophie studierte, doch trotz hoher Begabung mit seiner Hochschullaufbahn im akademischen Mittelbau scheitert, ist eine einzige Enttäuschung für ihn. In einer Mischung aus fordernder Liebe und resignierter Feindseligkeit stehen sich Vater und Sohn gegenüber. Während Wiggo eine Bewerbung nach der anderen schreibt, die depressive Ödnis der Arbeitsämter kennen lernt und schier darüber verzweifelt, dass in dieser Welt kein Platz für ihn sein soll, lernt er schließlich die Geschwister Mauritz und Manuela kennen.
Freifrau mit Restaurationsvision
Mauritz und Manuela führen Wiggo in eine elitäre Schattenwelt ein, die sich „Organisation Wiedergeburt” nennt. Während im neuen Bundeskanzleramt der Genosse der Bosse regiert, ein Spross der Frankfurter Putzgruppe sich zum größten Außenminister aller Zeiten mausert und ein früherer RAF-Anwalt für die innere Sicherheit zuständig ist, versammelt sich in der Organisation Wiedergeburt ein Milieu, wie es auf dem Radar der literarischen Gesellschaftsbeschreibungen so noch nicht zu sehen war: Ein reicher Industrieller, die einst selbst als 68er begann, jetzt aber die Totalverblödung durch die Fernsehproletarisierung der Gesellschaft fürchtet; ein Bischof, der weiß, wie hilflos der Glaube vor dem Götzen Geld dasteht; eine heroische Freifrau mit weitreichenden Restaurationsvisionen, die ihren Mann durch einen terroristischen Anschlag verloren hat; ein pensionierter Bundeswehrsoldat, der sich höheren Werten verpflichtet weiß als der Verteidigung der parlamentarischen Demokratie; ein Staatssekretär der Union, bei dem nicht ganz klar wird, ob er wirklich auf die geistige Wiedergeburt oder nicht doch eher auf den nächsten Regierungswechsel spekuliert.
Es hat das alles etwas von einem auf den Hund gekommenen Geheimen Deutschland, klingt ein bisschen nach Stefan George, ein bisschen nach Carl Schmitt. Ein Kasten- und Ständestaat schwebt den Mitgliedern der Organisation vor. Aber sie sind weder Alt- noch Neonazis. Ihre historische Orientierungsgröße scheinen viel eher die Männer und Frauen des 20. Juli zu sein, bei denen sich auch Vaterlandsliebe, ein hoher Moralkodex, deutsche Kunstreligion und eine Neigung zu autoritären Staatsentwürfen verbunden hatten.
Mit diesem so großartig halluzinierten wie glaubwürdig gezeichneten Gesellschaftspanorama hat der Bachmannpreisträger Uwe Tellkamp, 1968 in Dresden geboren, eine geistige Topographie entworfen, die nicht mehr die der alten Bundesrepublik ist. „Die Wende”, heißt es einmal, „kam und veränderte nichts, für uns. Und doch war etwas geschehen. Nicht nur die DDR war versunken, auch die alte Bundesrepublik und ihre seltsam zeitenthobene Zeit. Die Dämonen kehrten zurück. Pathos kehrte zurück.”
Tellkamps Roman ist als ein raffinierter Stimmenchor aufgebaut. Wenn er durch wörtliche Rede einen Jungmanager charakterisiert, fühlt man sich an die besten Stellen aus den Theaterstücken von Botho Strauß erinnert: „Quatsch, Sie müssen den Kunden auf die Herdplatte setzen! Drehen Sie auf neun. Zwei Minuten, sag ich, nach spätestens zwei Minuten muss er brennen! Ein guter Verkäufer verkauft nichts, der bringt den Kunden so weit, dass er auf den Knien gerutscht kommt und um Gottes willen bei ihm kaufen will. Verstehen Sie das? sag ich zu denen. Nie wieder Kaltakquise!” Aber auch die weltanschaulicher Laberbrühe nur halb durchdachter, dafür umso extremer gemeinter Kulturkritik, wie sie Tellkamp seiner Organisation Wiedergeburt in den Mund legt, ist von großer Komik und Süffigkeit: „Wir sind dazu da, Sinn zu erschaffen!”
Der Terrorismus, zu dem Mauritz Wiggo überreden will, ist natürlich der schiere Voluntarismus, eine gewaltige Selbstsuggestion des Willens, um das Gefühl zu spüren, am Leben zu sein. Dass dieses Gefühl sich erst im Moment seines Endes erfüllt, ist vollkommen einleuchtend in dieser autodestruktiven Allmachtsphantasie: Mauritz wird durch einen Revolverschuss Wiggos sterben - und er dürfte darin nicht die Widerlegung, sondern die letzte Bestätigung, eine Apotheose seines Lebenswahns erkennen.
IJOMA MANGOLD
UWE TELLKAMP: Der Eisvogel. Roman. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2005. 317 Seiten, 19,90 Euro.
„Nicht nur die DDR war versunken, auch die alte Bundesrepublik und ihre seltsam zeitenthobene Zeit. Die Dämonen kehrten zurück.”
Foto: Regina Schmeken
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"Ich glaube, wir haben einen großen Autor entdeckt" (Iris Radisch)
Mit diesem so großartig halluzinierten wie glaubwürdig gezeichneten Gesellschaftspanorama hat der Bachmannpreisträger Uwe Tellkamp eine geistige Topographie entworfen, die nicht mehr die der alten Bundesrepublik ist. Süddeutsche Zeitung