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Das neue Jahrbuch Menschenrechte 2008 thematisiert zeitgenössische Formen der Sklaverei. Trotz eines weltweit gültigen Sklavereiverbotes werden auch heute noch Millionen Menschen versklavt oder befinden sich in sklavereiähnlichen Verhältnissen. Zwangsarbeit, wie in chinesischen Lagern, Schuldknechtschaft, insbesondere von Kindern in Indien, ausbeuterische Beschäftigung von Haushaltshilfen überall auf unserem Globus, Menschenhandel sowie insbesondere Sexsklavinnen und -sklaven sind einige besonders drängende Themen. Dabei betrifft die »moderne« Sklaverei keineswegs nur Regionen der sogenannten…mehr

Produktbeschreibung
Das neue Jahrbuch Menschenrechte 2008 thematisiert zeitgenössische Formen der Sklaverei. Trotz eines weltweit gültigen Sklavereiverbotes werden auch heute noch Millionen Menschen versklavt oder befinden sich in sklavereiähnlichen Verhältnissen. Zwangsarbeit, wie in chinesischen Lagern, Schuldknechtschaft, insbesondere von Kindern in Indien, ausbeuterische Beschäftigung von Haushaltshilfen überall auf unserem Globus, Menschenhandel sowie insbesondere Sexsklavinnen und -sklaven sind einige besonders drängende Themen. Dabei betrifft die »moderne« Sklaverei keineswegs nur Regionen der sogenannten Dritten Welt. Auch in Deutschland - wie in ganz Europa - ist diese elementare Menschenrechtsverletzung nicht selten. Das Jahrbuch Menschenrechte 2008 setzt sich mit diesen und weiteren Themen auseinander und will damit zum Kampf für die Beseitigung der Sklaverei beitragen.
Autorenporträt
Dr. phil. M. A. Franz-Josef Hutter, geboren 1963 in Griesbach/Niederbayern. Kaufmännische Lehre, danach Studium der Politikwissenschaften, Geschichte und Soziologie in Duisburg, Heidelberg und Mannheim. Langjährige wissenschaftliche und ehrenamtliche politische Tätigkeit in der Menschenrechtsbewegung. Seit 1998 Mithjerausgeben des "Jahrbuchs Menschenrechte". Zahlreiche Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2008

Eltern, die ihre Kinder verkaufen

Wer meint, bei der Sklaverei handele es sich um ein Phänomen der Vergangenheit, der irrt sich. Ein bemerkenswerter Band erläutert die zeitgenössischen Spielarten des Menschenhandels.

Vor einigen Jahren erregte der Fall der Sudanesin Mende Nazer beträchtliches Aufsehen. In ihrer in viele Sprachen übersetzten Autobiographie "Sklavin" hatte die junge Frau geschildert, wie sie als Kind von Sklavenjägern entführt und verkauft worden war. Sie musste in Sudan und später in London als Sklavin arbeiten, bevor ihr schließlich mit Hilfe eines Journalisten die Flucht gelang. Ihr "Herr" in der englischen Hauptstadt war pikanterweise der Geschäftsführer der sudanesischen Botschaft. Inzwischen ist Nazer britische Staatsbürgerin und konnte auch ihre Heimat wieder besuchen. Nur wenigen heutigen Sklaven ist ein solches Happy End beschert.

"Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden. Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen Formen verboten." So steht es zwar in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Und Sklaverei ist zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts folglich in fast allen Ländern der Erde illegal. Dennoch handelt es sich keineswegs um ein Phänomen der Vergangenheit, ganz im Gegenteil. In Dokumenten der Vereinten Nationen ist von weltweit über zwanzig Millionen Menschen "in Sklaverei und Zwangsarbeit" die Rede, andere durchaus seriöse Schätzungen nennen sogar noch Zahlen, die höher liegen. Zwar ist gerade in den letzten Dekaden unheimlich viel getan worden, um die verschiedensten Formen von Unfreiheit zu beschreiben und zu analysieren. Von der Ausrottung dieses Übels scheinen wir jedoch weiter entfernt als je zuvor.

In einigen europäischen Ländern, vor allem in England, war das Gedenken an Sklavenhandel und Sklaverei gerade im vergangenen Jahr allgegenwärtig. Den formalen Anlass bot die zweihundertjährige Wiederkehr der Entscheidung des britischen Parlaments, den Sklavenhandel mit britischen und anderen Kolonien für unrechtmäßig zu erklären. Der damalige Premierminister Tony Blair drückte noch einmal seine Trauer, sein "tiefes Bedauern" über die schätzungsweise knapp vier Millionen afrikanischen Sklaven aus, die allein auf britischen Schiffen in die sogenannte Neue Welt verschleppt wurden, um auf den dortigen Plantagen unter menschenunwürdigen Bedingungen zu schuften. Unter Führung des Erzbischofs von Canterbury gedachte man in London mit einem "walk of witness" diesem traurigen Kapitel der Menschheitsgeschichte. Zahlreiche dem Thema Sklaverei gewidmete Museen öffneten ihre Tore für die Besucher.

Sklaverei und Sklavenhandel sind heute aber eben nicht nur - oft kontrovers debattierte - Gegenstände von Erinnerungspolitik, sondern für Millionen von Menschen harsche Realität. Dabei verschwimmt häufig die Grenze zwischen Sklaverei und "freien", aber ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. In Westafrika verkaufen Eltern ihre Kinder für die Arbeit auf Kakaoplantagen. Mauretanien und Sudan gelten als Länder, in denen Sklaverei weiterhin (oder wieder) gängige Praxis ist. In Teilen Asiens ist die Schuldknechtschaft weit verbreitet. Nicht zu vergessen der weltweit rege Handel mit Kindern und Frauen. Anders als im achtzehnten Jahrhundert sind gegenwärtige Formen der Sklaverei illegal und laufen weitgehend im Dunkeln ab. Und anders als damals sind Sklaven in der Regel keine teure Investition mehr; die meisten sind leicht ersetzbar.

Der Themenschwerpunkt des aktuellen "Jahrbuchs Menschenrechte", der den zeitgenössischen Spielarten von Sklaverei gewidmet ist, darf also große Relevanz beanspruchen. Elf Beiträge von durchaus unterschiedlicher Qualität analysieren diverse Aspekte der Problematik. Weitere Aufsätze des Bandes widmen sich vor allem Fragen von Flucht und Migration, die, wie Heiner Bielefeldt in seinem Editorial schreibt, eng mit Unfreiheit verknüpft sind: "Manche Formen von Sklaverei werden auch dadurch ermöglicht, dass Menschen sich ohne legale Aufenthaltstitel in einem Land befinden und somit leicht erpressbar sind." Die Vereinten Nationen haben dieses Problem durchaus erkannt und eine Konvention über die Rechte von Wanderarbeitern verabschiedet, welche freilich von den meisten Staaten bisher nicht ratifiziert wurde.

Bielefeldt skizziert in einem weiteren informativen Beitrag die Bedeutung von Sklaverei als Thema der europäischen Geistesgeschichte. Der Kölner Historiker Norbert Finzsch legt dar, dass die Chattel Slavery - das absolute, legale Besitzrecht an einer Person - der kulturelle Ausgangspunkt und der politische Bezugspunkt der Bürgerrechtsbewegungen in den Vereinigten Staaten war. Er verweist etwa am Beispiel der "Nation of Islam" auf die Ambivalenz der Auseinandersetzung mit Sklaverei. So wird in den Schriften der Organisation dieses Thema immer wieder ausführlich behandelt, vor allem jedoch wegen des angeblich hohen Anteils von Juden unter den Sklavenhändlern. Diese nur leidlich als Dokumentationen kaschierten antisemitischen Attacken sind von der seriösen Historiographie zwar längst ins Reich der Legenden verbannt worden, erfreuen sich insbesondere unter Afroamerikanern jedoch einer wachsenden Verbreitung.

Eine Reihe von Aufsätzen befasst sich mit dem Zusammenhang von Menschenhandel (insbesondere Zwangsprostitution) und Sklaverei und diskutiert neue Abolitionsstrategien. Petra Follmar-Otto argumentiert, dass Menschenhandel "als weltweit verbreitete und systematische faktische Sklaverei" über kriminelle Akte einzelner Akteure weit hinausgehe. Daher sei ein rein strafrechtlicher Ansatz, der auf die Verfolgung individueller Täter ziele, nicht ausreichend. In der Praxis der europäischen Staaten ließe sich hingegen eine Verengung auf Fragen des Strafrechts beobachten. Gefragt sind jedoch, so die Autorin, Achtungs- und Gewährleistungspflichten des Staates. Aidan McQuade, Direktor der in London beheimateten Organisation "Anti-Slavery International", appelliert unter Berufung auf die Anti-Sklaverei-Bewegung des achtzehnten Jahrhunderts an die Ambition, "dass die Welt verändert werden kann und dass dies einfache Menschen leisten können". Um Sklaverei von unserem Globus zu verbannen, müsse es Menschen geben, die dieses Problem wie einst die Abolitionisten als empörend, aber lösbar erachten.

ANDREAS ECKERT.

"Jahrbuch Menschenrechte 2008". Themenschwerpunkt: Sklaverei heute. Herausgegeben vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 341 S., br., 12,- [Euro]

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

An der Relevanz des Bandes und seines Schwerpunktes "Sklaverei heute" hat Andreas Eckert keinen Zweifel. Keineswegs, schreibt er, handelt es sich bei der Sklaverei um ein Phänomen der Vergangenheit oder bloß einen Gegenstand von Erinnerungspolitik. Die elf Beiträger haben Eckert vor Augen geführt, dass es sich vielmehr um harsche Realität handelt. Konkret im Sudan und in Mauretanien, aber auch in Form von Menschenhandel oder in der Grauzone ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse. Was Eckert dazu erfährt, erscheint ihm bei aller Unterschiedlichkeit der Qualität der versammelten Texte informativ und gewährt ihm einen Blick auf gegenwärtige Ausprägungen der Sklaverei, die, wie er zu bedenken gibt, heute weitgehend im Dunkeln ablaufen.

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